Anhang
Es finden sich in der Literatur viele Angaben über die Leistungen von Kampf- und Jagdflugzeugen des Zweiten Weltkrieges. Auffallend ist, wie stark diese Zahlen oft voneinander abweichen. Einige Beispiele seien hier genannt:
Fazit: die Angaben schwanken zwischen 621 km/h und 650 km/h, die Differenz beträgt 29 km/h.
Fazit: die Angaben schwanken zwischen 686 km/h und 750 km/h, die Differenz beträgt 64 km/h.
Wollte man nun die Leistungen einer Messerschmitt Bf 109 G-6 mit denen einer Hawker „Tempest“ Mk. V vergleichen, so ergäbe sich somit eine Höchstgeschwindigkeitsdifferenz von minimal 36 km/h (686 km/h – 650 km/h), maximal jedoch stolzen 129 km/h (750 km/h – 621 km/h). Dieses erstaunliche Ergebnis zeigt, wie fast grotesk die Datenlage der Literatur ist.
Die Definitionen sind in vielen Fällen unterschiedlich. So wird die Steigrate in m/sek bisweilen als „initial“ benannt, in anderen Fällen gar nicht weiter spezifiziert, oder als Maximalwert mit oder ohne zugehörige Höhe angegeben und in anderen Quellen statt in m/sek als Zeitspanne gekennzeichnet, die das Flugzeug bis zum Erreichen einer bestimmten Höhe benötigt. Diese Referenz-Höhe ist dann oft genug auch noch unterschiedlich. Es ist somit ein fast aussichtsloses Unterfangen, die in unterschiedlichen Publikationen veröffentlichten Leistungswerte einigermaßen zuverlässig miteinander vergleichen zu wollen.
Diese Problematik wird zusätzlich deutlich verschärft durch den Umstand, dass die Leistungen eines Flugzeuges ganz erheblich von einer Vielzahl an Bedingungen abhängig sind. Diese Bedingungen sind in aller Regel nicht angegeben, was tendenziösen Manipulationen – bewusst oder unbeabsichtigt – Tür und Tor öffnet.
Ein Beispiel, welches Iwanow besonders erwähnt, sei exemplarisch hier genannt. Während die Mehrzahl der Veröffentlichungen für die North American P-51 D „Mustang“ eine Höchstgeschwindigkeit um etwa 700 km/h nennt, findet sich in einem durchaus renommierten Werk über die amerikanische Luftwaffe*1 die Angabe: „Leistung: Höchstgeschwindigkeit (leer) 721 km/h; Anfangssteigrate 1.059 m/min; Operationsradius mit maximalem Treibstoff 2.092 km“. Zum einen ist der Zusatz „(leer)“ sehr leicht zu überlesen, zum anderen ist nicht klar, ob sich das auch auf die (offenbar initiale) Steigrate bezieht (umgerechnet 17,65 m/sek). Der Operationsradius wiederum ist absolut nicht „leer“, sondern mit „maximalem Treibstoff“ definiert, was einen unerklärten Bruch in der Systematik darstellt. Zudem bleibt die Frage offen: was heißt das? Mit oder ohne Zusatztanks? Eine realistische Kampfsituation zwischen einer P-51 D „Mustang“ und einem deutschen Jäger über dem ehemaligen Reichsgebiet würde in vielen Fällen bedeuten, dass der Pilot der P-51 D in dieser Luftkampflage nun seine Zusatztanks abwirft, welche sein Jagdflugzeug bisher auf dem Flug zum Ziel mit Treibstoff versorgt hatten. Somit ist der interne Tank oft noch voll, es sei denn, der Luftkampf findet erst auf dem Rückflug statt. Auch die Munition ist zu Beginn des Kampfes auf beiden Seiten noch unverbraucht. Das alles hat Einfluss auf das Gewicht des Flugzeuges – und somit auf seine Leistung.
Dipl. Ing. Konstantin Iwanow konnte rechnerisch nachweisen, dass die oben genannten Flugdaten der P-51 D (Höchstgeschwindigkeit und initiale Steigrate) aus deren technischen Kenndaten heraus nur dann plausibel sind, wenn das Flugzeug mit fast leerem Tank und ohne Munition geflogen wird, zudem mit einer 15 % höheren Motorleistung als zulässig. Eine realistische Luftkampfsituation ist das nicht – und somit keine seriöse Grundlage für einen Leistungsvergleich im Kampfeinsatz. Mit einem mittleren Gewicht und normalzulässiger Motorleistung beträgt die Höchstgeschwindigkeit der P-51 D „Mustang“ dagegen von Iwanow hochgerechnet 695 km/h und die initiale Steigleistung 10,00 m/sek – ein frappierend deutlicher Unterschied.
Ähnlich verhält es sich mit den propagandistisch eingefärbten sowjetischen Angaben zur Leistung der russischen Jagflugzeuge. Diese weit verbreiteten Zahlen beziehen sich in der Regel auf Versuchsmuster. Iwanow schreibt: „Bei den im Kriege seriengebauten sowjetischen Militärflugzeugen war die Summe der Koeffizienten für Profil und für schädlichen Widerstand um 6-12 %, im Durchschnitt um 9 %, größer als bei den Versuchsmustern dieser Flugzeuge – unter anderem auf Grund von Produktionsfehlern. Deshalb waren die Zahlenwerte der seriengebauten Flugzeuge wesentlich ungünstiger als die der Versuchsmuster. In der Regel sind aber in der Literatur die Zahlenwerte der Versuchsmuster und nicht die der Serienflugzeuge angegeben. In der Literatur wird z.B. fast immer behauptet, dass das Jagdflugzeug La-7 Vm [Höchstgeschwindigkeit – der Autor] =680 km/h hat, was für ein sorgfältig gebautes Versuchsmuster reell ist. Die seriengebauten La-7 aber hatten im Durchschnitt Vm ≈ 660 km/h.“
Die Liste der Fehlinformationen ließe sich fortführen. So wird laut Konstantin Iwanow in der Literatur fast generell die Reichweite/Flugweite der Yak-9D mit 1.330 km angegeben [dies ist beispielsweise in einem detaillierten Werk*2 der Fall. Hier wird die maximale Reichweite der Yak-9D mit 1.360 km definiert, bei einer üblichen Reisegeschwindigkeit sinke der Wert auf 905 km. Dies darf aber nicht mit der „echten“ Langstreckenversion Yak-9 DD mit in derselben Quelle genannten 1.320 km Reichweite verwechselt werden. Die Flugweite der Yak-9DD wurde im August 1944bei einem von Mayor Ovcharenko geleiteten Flug ohne abwerfbare Zusatztanks von Bãlţi (Moldawien) nach Bari (Italien) unter Beweis gestellt, es handelt sich um eine Strecke von 1.145 km reine Luftlinie. Von Bari aus wurden durch die 12 ausgesuchten sowjetischen Jagdflieger in 155 Einsätzen quer über die Adria jugoslawische Partisanen aus der Luft unterstützt – und die in Bari anwesenden alliierten Jägerkollegen in Vergleichsflügen gegen Spitfires Mk. V und VIII, P-51 B, P-38, P-47 D und andere Typen beeindruckt, was sicher nicht unbeabsichtigt war – der Autor].
Die angebliche Reichweite der Yak-9D sei gemäß Iwanow jedoch auf eine Misinterpretation der Begriffe „Reichweite“ und „Eindringtiefe/Aktionsradius/Operationsradius“ zurückzuführen [zur Unterscheidung dieser Begriffe siehe Seite 264 – der Autor]. Bei einer Reichweite von 1.330 km wäre demnach der Aktionsradius einer Yak-9D hin und zurück ohne jegliche Kurven oder Luftkämpfe maximal die Hälfte, also 665 km. Nach einem Bericht des damaligen General Mayors Sawitzkij, Kommandeur des 3. IAK der VVS, sei im Sommer 1944 eine Staffel Yak-9D vom Flugplatz Smorgon (100 km nordwestlich von Minsk) zu einem Einsatz über Insterburg befohlen worden. Die Distanz Smorgon – Insterburg beträgt fast genau 300 km. Iwanow beschreibt, dass gemäß Sawitzkij (im Buch „ein halbes Jahrhundert mit dem Himmel“, russische Fassung, Seite 153) die Yak-9D – ohne Luftkampf – mit dem letzten Tropfen Sprit zurückgekehrt seien. Angeblich schreibt Sawitzkij: „Von Smorgon bis Insterburg sind 300 km – bestätige ich. Deshalb Yak-9D. Es hat Aktionsradius 330 km.“
Die Eindringtiefe von 330 km ist fast genau die Hälfte der behaupteten 665 km, anders ausgedrückt ist die Reichweite einer Yak-9D 660 km, nicht – wie weit verbreitet – 1.330 km. Offenbar hat man die dem Flugzeug möglichen 660 km statt als Gesamtflugstrecke hin und zurück fehlinterpretiert als einfache Flugdistanz zum Ziel – und dann irrtümlich verdoppelt, um die „Reichweite“ zu erhalten.
Was beeinflusst die Leistungswerte eines Flugzeuges bei gegebenen technischen Kenndaten?
Um die nachstehend mit standardisierten wissenschaftlichen Methoden von Diplom-Ingenieur Iwanow errechneten Daten vergleichbar zu halten, wurde in allen Fällen von gleichen Annahmen ausgegangen:
Die komplizierten mathematischen Formeln liegen dem Verfasser vor. Einen eingeschränkten Vergleich mit Messerschmitt-Originaldatenblättern*3 erlaubt unten stehende Tabelle zur Messerschmitt Bf 109 G-1 mit Motor DB 605/A.
Dem stehen zum Vergleich die errechneten Angaben Iwanows gegenüber, die sich allerdings auf die Messerschmitt Bf 109 G-2, nicht G-1 beziehen, die ferner definitionsgemäß bewaffnet und mit „mittlerer Masse“ (also mittlerem Tankfüllstand) betrachtet wurde. Die Angabe im Messerschmitt-Datenblatt zur (ähnlichen) Bf 109 G-1 lautet: „die angegebenen Leistungen beziehen sich auf Kampf- und Steigleistung, das heißt n = 2.600 U/min; PLade = 1,3 ata. Start- und Notleistung ist für DB 605/A zur Zeit noch nicht freigegeben.“ Die Unterschiede zwischen der Bf 109 G-1 und G-2 betreffen vor allem den Einbau einer Druckkabine in der G-1, die in der G-2 fehlt.
Iwanow weist darauf hin, dass die Zeitspanne, die ein Jagdflugzeug für einen Vollkreis benötigt, aussagekräftiger sei als der oft als Kriterium genannte Wendekreis in Metern, da bei einer sehr eng geflogenen Kurve die Geschwindigkeit stark absinkt. Dieser Geschwindigkeitsverlust sei im Luftkampf als Nachteil gravierender als der im Vergleich zum Gegner engere Flugradius. Dies trifft zwar in vielen Situationen zu, allerdings behält der Wendekreisradius dann eine entscheidende Bedeutung, wenn ein Verfolger gegenüber dem Verfolgten eine Vorhalteposition herausfliegen muss oder will (vgl. hierzu die Seiten 30 und 138).
Es muss hierbei deutlich darauf hingewiesen werden, dass es in diversen Fällen zu Abweichungen der errechneten Daten gegenüber tatsächlich durchaus seriös in der Luft gemessenen Werten kommen kann. Daher hat der Autor darauf verzichtet, im Textteil des Buches statt den als anerkannt geltenden, in ihrer Entstehung aber intransparenten Mess-Leistungszahlen die wissenschaftlichen Werte Diplom-Ingenieur Iwanows anzugeben, zumal nicht für alle Flugzeugtypen Hochrechnungen Iwanows verfügbar sind. Eine im Textteil des Buches selektive Verwendung der rechnerisch nach Standardbedingungen mit mittlerer Masse ermittelten Werte für die von Iwanow erfassten Flugzeugtypen und andererseits Referenz der übrigen Daten auf „optimale“ Ergebnisse aus der Literatur, ergäbe eine unerwünschte Verzerrung untereinander.
Dennoch erscheinen derartige, aus unbestechlichen Kenndaten auf rechnerisch identische Art entwickelte Vergleichszahlen erheblich fundierter, als Messwerte, deren Zuverlässigkeit sowohl von der Eichgenauigkeit der Messeinrichtung als auch von keinesfalls standardisierten Bedingungen und möglicherweise sogar der tendenziösen Intention der Messinstitution abhängig ist.
Ein einleuchtender Vergleich möge dies erläutern: wenn auf einer Schnellstraße zwei Autos mit der gleichen Geschwindigkeit hintereinander her fahren, so heißt das beileibe nicht, dass beide Tachometer den selben Wert anzeigen. Nun machen bei 100 km/h Abweichungen von 3 % „nur“ 3 km/h aus. Bei 700 km/h sind es bereits 21 km/h ...
Zum Vergleich der Leistungsfähigkeit der genannten Flugzeugtypen sind die folgenden Angaben daher äußerst wertvoll. Die Zahlenwerte für die Höchstgeschwindigkeit im Textteil des Buches können im Falle von Bombern, Schlachtflugzeugen und Jagdbombern von den nachstehenden Listen abweichen, da in den im Text genannten Leistungswerten in der Regel die üblicherweise veröffentlichte Höchstgeschwindigkeit des Flugzeuges als solches, also ohne Bombenlast genannt ist, während die Beladung in den Tabellen Iwanows miteingerechnet wurde (siehe oben). Diejenige Traglast, für welche die gelisteten Werte gelten, ist in den folgenden Tabellen exakt angegeben. Für Jagdflugzeuge gilt dies in eingeschränktem Maß ebenfalls, da die anerkannten Zahlen eben nicht – wie dargelegt – aus standardisierten, sondern zumeist aus - wie auch immer gearteten - optimalen Bedingungen heraus ermittelt/gemessen wurden. Oft stammen die Angaben vom Hersteller – mit Verkaufsinteresse ...
Um eine bestmögliche Vergleichbarkeit zu gewährleisten, werden im Textteil des Buches überwiegend die Daten der Autoren William Green oder Chris Chant verwendet, welche die meisten Flugzeugtypen des Zweiten Weltkrieges einschließlich ihrer messtechnischen Kenndaten beschrieben haben, sodass die Angaben (soweit möglich) aus einheitlichen Quellen stammen. Diese Daten sind zum Vergleich mit Iwanows Erkenntnissen ebenfalls in die nachstehenden Tabellen eingearbeitet. Im Fall der sowjetischen Jagdflugzeuge wird auf die detaillierte Quelle „Soviet Air Force Fighter Colours 1941-1945“ (Classic Publications) von Erik Pilawskii zurückgegriffen. Bei (seltenen) deutlichen Abweichungen zu Iwanows Daten, in besonderen Fällen oder bei Nichtvorliegen von Angaben in Greens Buchserie zur betreffenden Variante des Flugzeugtyps werden – falls sinnvoll und möglich – noch weitere Autoren oder nötigenfalls auch Wikipediaseiten herangezogen. Auffällige Differenzen sind mit [?] gekennzeichnet.
Hinweis zur Steigrate: die höhenbezogenen Werte Iwanows definieren die Steigrate des Jagdflugzeugs in einer bestimmten Höhe im Dauersteigflug (dieser Wert ist allerdings in der Praxis stark von der Neigung des Flugzeugs abhängig). Dagegen kennzeichnet die „initial climb rate“den ersten Wert ab dem Übergang vom Horizontalflug in den Steigflug unabhängig davon, dass diese Steigleistung schon nach kürzester Zeit stark abfallen kann! Die initiale Steigrate ist daher nur bedingt vergleichbar mit der höhenbezogenen!
Verwendete Quellen:
Die Hersteller sind alphabetisch angegeben, innerhalb eines Flugzeugtyps wurde allerdings auf eine grobe zeitliche Zuordnung geachtet. Beispielsweise gehört eine Focke-Wulf Fw 190 G-3 inhaltlich zur Focke-Wulf Fw 190 A-5, aus der sie entwickelt wurde, auch wenn streng alphabetisch beispielsweise die Variante A-8 oder D-9 vor der G-3 gelistet werden müsste. Höhenwerte sind im Falle englischer und amerikanischer Flugzeuge exakt umgerechnet - z.B. 20.000 ft (6.096 m) – da davon auszugehen ist, dass der Messung tatsächlich die Zahl in feet zugrunde lag, während bei den kontinentalen Streitkräften die Messung aller Logik nach auf runden Meterzahlen basiert. Die Angaben sind in diesen Fällen bei englischsprachigen Quellen somit vermutlich auf „glatte Zahlen“ im englischen Mess-System gerundet worden und werden folgerichtig zurückgerundet: z.B. 20.000 ft (6.100 m), 1.102 lb/500 kg (statt 1.102 lb/499,86 kg).
In den Tabellen kennzeichnet eine gelbe Linie Jagdflugzeuge, eine grüne Linie Jagdbomber oder Schlachtflugzeuge, eine blaue Linie Nachtjäger und eine rot-braune Linie Bomber.
Jagdflugzeuge und Jagdbomber
Amerikanische Jagdflugzeuge/Jagdbomber:
Britische Jagdflugzeuge/Jagdbomber:
Deutsche Jagdflugzeuge/Jagdbomber:
Französische Jagdflugzeuge:
Italienische Jagdflugzeuge:
Polnisches Jagdflugzeug:
Sowjetische Jagdflugzeuge/Jagdbomber:
Bomber und Schlachtflugzeuge
Amerikanische Bomber:
Britische Bomber:
Deutsche Bomber/Schlachtflugzeuge:
Französischer Bomber:
Polnischer Bomber:
Sowjetische Bomber/Schlachtflugzeuge:
Messerschmitt Me 262 A-1a im Landeanflug
*1Quelle „Amerikanische Luftwaffe“/Aerospace Publishing Ltd. London 1995/David Donald, Seite 209.
*2Quelle „Soviet Air Force Fighter Colours 1941-1945“/Classic Publications 2003/Eric Pilawskii.
*3Quelle „Messerschmitt Me 109“, Aviatic Verlag 1998/Willi Radinger und Wolfgang Otto, Seite 24.