„To fly a combat mission is not a trip under the moon.
Every attack, every bombing is a dance with death!“
„Einen Kampfeinsatz zu fliegen ist kein Mondscheinspaziergang.
Jeder Angriff, jeder Bombenabwurf ist ein Tanz mit dem Tod!“
Serafima Amosova-Taranenko,
Bomberpilotin im 46. Gardebomberregiment der VVS. *1
Jedes Drama spielt auf einer Bühne. In der Männerwelt des Kampfes mag man Aschenbecher im Cockpit eines rassigen Jagdflugzeuges für begründet halten. Doch auf welcher Bühne erwartet man hübsch arrangierte Blumensträuße in der Kanzel eines todbringenden Jägers?
Liebevoll zurechtgemacht, ein bisschen Fensterbank-Romantik unter der Haube mit dem Zielvisier ...
Die Bühne des Sommers 1942 sieht die deutsche Wehrmacht im Osten wieder auf dem Vormarsch. Die deutschen Landser fechten sich den Weg frei tief in das russische Territorium. Die Heeresgruppe Süd überquert den Don und stößt zügig und mit Elan auf die russischen Ölquellen bei Baku am Kaspischen Meer vor. Deutsche Soldaten kämpfen sich nun auf asiatischem Boden voran – soweit die Füße tragen. Zur selben Zeit nähert sich die 6. Armee der Wolga. Die Sowjets leisten hinhaltenden Widerstand – die Rote Armee versucht, durch flexiblere Reaktionen jene gewaltigen Verluste zu vermeiden, welche ihre hartnäckig jeden Meter verteidigenden Truppen in der Vergangenheit hatten hinnehmen müssen. Sie waren umgangen und eingeschlossen worden waren in Kesselschlachten eines Ausmaßes, welches die Kriegsgeschichte bis dahin noch nicht gesehen hatte. Dieses Mal lernen sie die Lektion. Während Hitler überzeugt ist, dass der bewegliche Rückzugskampf das letzte Aufbäumen einer geschlagenen Armee darstellt und daher die Heeresgruppe Süd eher schwächt zu Gunsten der Truppen im Norden um Leningrad, wartet die Rote Armee auf ihre Chance. Die so genannte Heeresgruppe A – nun noch 15 Divisionen stark, welche eine Frontlinie von (am weitesten Punkt des Vorstoßes) über 1.000 Kilometer abzudecken haben – überwindet die endlosen Steppen Südrusslands bei glühender Sommerhitze und erreicht den Kaukasus im August. Der sowjetische Widerstand wächst, es wird nun hart und verbissen um jedem Pass gekämpft. Das gebirgige Gelände begünstigt die Verteidiger, macht ein weiteres schnelles Vordringen unmöglich. Zur selben Zeit erreicht die 6. Armee eine Stadt, deren Namen für immer mit ihrem Schicksal verknüpft sein wird: Stalingrad.
Die überdehnten Fronten laden zu einem Gegenstoß an den schwächsten Stellen geradezu ein. Die schlecht bewaffneten Rumänen sind einem massiven Ansturm nicht gewachsen, die demoralisierten Italiener noch viel weniger. Die Falle schnappt zu. Dieses Mal ist eine deutsche Armee umzingelt. Um einen noch größeren Kessel zu vermeiden, muss die Heeresgruppe A vom Kaukasus zurückgezogen werden, denn andernfalls drohen 15 Divisionen abgeschnitten zu werden. Wenn Stalingrad fällt, werden die belagernden Sowjettruppen frei – sie können Rostow in wenigen Wochen erreichen. Auf 800 Kilometer Vormarsch folgt 800 Kilometer überstürzter Rückzug. Die 6. Armee muss durchhalten um jeden Preis.
Die Heeresgruppe A wird – durch Hitlers Zögern fast zu spät – im letzten Moment evakuiert. Der Preis ist hoch! Es ist die ganze 6. Armee, deren Soldaten bis zur allerletzten Patrone und Handgranate kämpfen und doch in einem unvorstellbar brutalen Ringen niedergemacht werden – Mann für Mann. Zunächst nicht ganz, doch zählt man die Opfer der verwundeten oder halbverhungerten deutschen Landser in der Gefangenschaft mit, so ist der Ausdruck „bis zum letzten Mann“ fast richtig.
Der Sieg von Stalingrad markiert einen Wendepunkt in der angeschlagenen Moral der sowjetischen Truppen. Sie können die schon fast mit dem Nimbus der Allmächtigkeit behafteten deutschen Soldaten tatsächlich besiegen! Vernichtend sogar! Nun wollen sie die Gunst der Stunde nutzen – und stoßen vor, tief in das von den Deutschen gehaltene Gebiet. Bis an den Schicksalsfluss Dnjepr ...
Erbitterte Kämpfe toben. Im Oberkommando der Wehrmacht herrscht Bestürzung, fast Ratlosigkeit. Dies ist es, was der bestens informierte sowjetische Spionagering an Stalin aus der „Wolfsschanze“ meldet. Stalin fühlt sich dank der Berichte der „Roten Kapelle“ in seinem Vorpreschen sicher. Die Rote Armee wird straff zentralistisch geführt. Eigeninitiative örtlicher Kommandeure ist nur sehr begrenzt möglich in Stalins Befehlsstruktur – und kann im Falle der Niederlage für den verantwortlichen Befehlshaber durchaus tödlich enden – mit befohlenem Selbstmord oder durch Hinrichtung. Also rechnet Stalin auch nicht mit einem solchen spontan eigenverantwortlichen Verhalten auf der anderen Seite.
Ein großer Fehler! Vor Ort werden von den Deutschen unter Generalfeldmarschall von Manstein und Generaloberst Hoth Gegenmaßnahmen organisiert, improvisiert. Und mit überragendem Geschick und taktischem Können umgesetzt – ohne viel Rücksprache mit dem deutschen Hauptquartier. Die russischen Spione sind ahnungslos, als der Gegenangriff der deutschen Wehrmacht über die vorgepreschten sowjetischen Divisionen hereinbricht. Am 28. Februar 1943 ist die Panzergruppe Popow und ein erheblicher Teil der Südwest-Front Watutins am Westufer des Donez eingeschlossen. Stalin wird diese Einkesselung später das „deutsche Stalingrad“ nennen. Die Revanche ist auf dem Fuße erfolgt – wenn auch die Dimension früherer Kesselschlachten oder der beidseitigen Verluste während der Schlacht um Stalingrad nicht erreicht wird! Dafür ist die moralische Bedeutung dieser sofortigen Rache für die erlittene Schmach im Bewusstsein der deutschen Landser nicht zu unterschätzen.
Am Ende verliert die Rote Armee 23.000 Gefallene, 9.000 Gefangene, 866 Panzer und 1.198 Geschütze. Die Deutschen haben wieder die Oberhand gewonnen – ein weiteres Mal.
Am 18. März 1943 ist die prestigeträchtige Stadt Charkov, deren Besitz die sowjetischen Truppen in erbitterten Straßenkämpfen Haus für Haus vier Wochen zuvor dem I. SS Panzerkorps abgerungen hatten, erneut in deutscher Hand.
Inzwischen wirken sich die amerikanischen Hilfslieferungen an den bedrängten sowjetischen Bündnispartner aus. Innerhalb eines Jahres liefern die USA auf allen drei Nachschublinien Nordmeer, Iran und Alaska zusammen 3.052 Flugzeuge, 4.084 Panzer und 520.000 Lastwagen, Jeeps bzw. andere Motorfahrzeuge an die Sowjetunion. Zum Vergleich: die deutsche Wehrmacht war zu Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ mit insgesamt 1.280 Flugzeugen, 3.330 Panzern und etwa 600.000 Motorfahrzeugen aller Art angetreten. Die Amerikaner liefern binnen Jahresfrist also erheblich mehr Unterstützungsgüter, als die gesamte Ausgangsstärke der deutschen Truppen beim Aufmarsch gegen die Rote Armee betragen hatte, und dies zusätzlich zur gewaltigen eigenen Produktionskapazität der UdSSR Stalins. Diese beträgt im Jahr 1942 immerhin 25.436 Flugzeuge, 24.446 Panzer, etwa 127.000 Artilleriegeschütze und 30.400 Fahrzeuge. Die deutsche Rüstungsindustrie hält im gleichen Zeitraum mit 15.556 Flugzeugen, 6.180 Panzern sowie Sturmgeschützen, 23.200 Geschützen und 58.049 Fahrzeugen dagegen – doch für alle Fronten zusammen, also auch für das Afrikakorps und die Truppen an der Atlantikküste im besetzten Frankreich.*2 Zu Beginn der Gegenoffensive Hoths steht es zahlenmäßig nach deutschen Schätzungen etwa 1 : 8 zu Gunsten der sowjetischen Truppen.
Und doch sollte der entscheidende Schlagabtausch erst noch kommen. Zum letzten Mal tritt die deutsche Wehrmacht zu einem massierten Großangriff gegen den sowjetischen Gegner an. Am 5. Juli 1943 donnern tausende Geschütze los, als ca. 230.000 Landser südlich von Kursk bei Bjelgorod und weitere 200.000 nördlich bei Orel ihre Gräben verlassen und die feindlichen Linien stürmen. 2.374 deutsche Panzer einschließlich der neuen „Panther“- und „Tiger“-Versionen versuchen, die sowjetischen Panzertruppen zu vernichten. Doch dank Spionage sind die Sowjets vorbereitet. Sie kennen die deutschen Pläne genau. Im Verlauf der erbitterten Kämpfe prallen teilweise viele Hunderte Panzer beider Gegner aufeinander, darüber Schwärme von Jägern, Bombern und Schlachtfliegern beider Seiten, dazwischen deutsche und russische Infanterie. Es ist ein Inferno apokalyptischen Ausmaßes.
Als die Schlacht auf ihrem Höhepunkt ist, steht es unentschieden – im Norden mit Vorteilen für die Rote Armee. Im Süden ist die Wehrmacht dabei, nach einer gigantischen Panzerschlacht durch die letzte der sorgsam vorbereiteten, tief gestaffelten zahllosen Verteidigungslinien durchzubrechen.
In diesem Moment bricht Hitler das Unternehmen „Zitadelle“ ab. Der Sieg ist rot!
Die Kämpfe gehen weiter auf der Bühne dieses mörderischen Krieges, am Boden wie in der Luft.
Am 1. August 1943 stürzt ein schwarz und grün lackiertes russisches Yak-1b-Jagdflugzeug nahe dem Dorf Dimitriyevka im Schachtërskij-Distrikt zu Boden.
Der Pilot ist eine blonde Frau. Sie ist knapp 22 Jahre alt, als sie stirbt.
Lidiya Vladimirovna Litvyak wird in Moskau am 18. August 1921 geboren. „Lilya“ ist ihr Spitzname. Sie ist eine bildhübsche junge Frau. Weder ihre Mutter noch ihr Vater wissen davon, als sie im zarten Alter von 16 Jahren Flugstunden nimmt.
Als Deutschland Russland überfällt, ist sie versessen darauf zu kämpfen, obwohl ihr Vater der stalinistischen „Säuberung“ zum Opfer gefallen und im Jahr 1937 als Staatsfeind hingerichtet worden war. Oder aber gerade deswegen ...
Sie wird dem 586. IAP zugewiesen – ihre ersten Abwehreinsätze fliegt sie über Saratow an der Wolga 330 Kilometer nordöstlich von Stalingrad im Sommer 1942.
Das 586. Jägerregiment ist eine reine Fraueneinheit – die erste Jagdfliegereinheit dieser Art. Kapitan Marina Raskova hält den weiblichen Rekord im Non-Stopp-Dauerflug. Dies macht sie populär – und zur Hoffnungsträgerin für Tausende junger Russinnen, welche in der paramilitärischen Osoaviakhim-Organisation fliegen gelernt hatten und nun darauf glühen, ihren Anteil an der Verteidigung des Vaterlandes gegen die Invasoren mit dem schwarzen Hakenkreuz zu leisten.
Ihre Popularität verschafft Marina Raskova Zugang zu Stalin. Sie ringt ihm die Erlaubnis ab, ein einziges weiblich besetztes Jägerregiment aufzustellen. Nebenbei gründet sie aber noch zwei Bomberregimenter, das mit alten Polikarpov Po-2-Doppeldeckern ausgerüstete 588. IAP der „Nachthexen“ (wie die Deutschen sie später nennen werden), und das 587. IAP, welches den hochmodernen Petlyakov Pe-2-Sturzkampfbomber erhält. Es sind die ersten weiblich besetzten Kampffliegereinheiten der Welt.
Von Anfang an sind die Auswahlkriterien für die jungen Pilotinnen deutlich schärfer als jene für ihre männlichen Kameraden. Außerdem bestehen ebenfalls vom ersten Tag an erhebliche Vorurteile seitens der männlichen Kameraden – und Vorgesetzten. So ist es nicht gerade ein Glücksumstand für die meisten der kampfeswilligen Jagdfliegerinnen des 586. IAP, als ihre Kommandeurin Mayor Tamara Kazarinova nach einer Verwundung durch Mayor A. V. Gridnev ersetzt wird – einen Mann! Andererseits ist das Verhältnis Kazarinovas zu einigen ihrer Untergebenen auch nicht das beste! Zu allem Überfluss wird die Einheit bei Saratow weit hinter der Front rein zur Luftverteidigung gegen Bomber eingesetzt – ein Kampfauftrag, der so gar nicht nach dem Geschmack der Amazonen ausfällt!
Nachdem die enormen Verluste der sowjetischen Luftstreitkräfte immer höher werden, bleibt den russischen Kommandostellen allmählich keine andere Wahl mehr, als den Ersatz der Gefallenen der Frontjagdregimenter auch aus den Reihen des stiefmütterlich behandelten 586. IAP in Erwägung zu ziehen. Zwischen Juli und November 1942 geben die deutschen Bilanzen 9.544 zerstörte sowjetische Flugzeuge zu Protokoll, davon werden 7.415 in Luftkämpfen abgeschossen, 1.642 von der deutschen Flak vom Himmel geholt und 487 am Boden zerstört. Im gleichen Zeitraum verliert die deutsche Luftwaffe 1.039 Maschinen, davon 96 am Boden. Ein Abschussverhältnis von 9 : 1 zu Gunsten des Balkenkreuzes auf Rumpf und Tragflächen.
Nun sind dies deutsche Angaben, die in Bezug auf die eigenen Verluste sicher zuverlässig sind. In Bezug auf die Abschusszahlen sind insoweit Zweifel angebracht, als gemäß der Quelle Grif Sekretnosti sniat im gesamten Jahr 1942 von der sowjetischen VVS 14.700 verlorene Flugzeuge zugegeben werden, davon 9.100 durch Feindeinwirkung. Vermutlich sind in diesen Zahlen aber notgelandete, irreparabel schwer beschädigte Maschinen nicht erfasst, was den Vergleich der Zahlen erschwert, da diese Bruchlandungen den deutschen Piloten legitimerweise als Abschuss zugestanden werden müssen. Diese Luftsiege sind daher in den deutschen Listen wiederum enthalten. Ganz sicher sind allerdings 8.600 von russischer Seite behauptete Abschüsse deutscher Flugzeuge im Gesamtverlauf des Jahres 1942 völlig überzogen und unrealistisch – es sind in Wahrheit etwa 2.500! Doch immerhin! Es sind zu viele aus deutscher Sicht. Mehr, als man sich leisten kann! *3
Als im hart umkämpften Luftraum um Stalingrad die sowjetischen Ausfälle an Piloten steigen, liegt es nahe, diese aus Einheiten in der weniger umkämpften Umgebung aufzufüllen. Die Pilotinnen des 586. IAP flussaufwärts der Wolga in Saratow haben es nur sporadisch mit Bombenagriffen deutscher Heinkel He 111 oder Junkers Ju 88 zu tun, welche die dortigen Ölanlagen zum Ziel haben.
Acht Pilotinnen werden ausgewählt und den frontnahen Jagdgeschwadern um Stalingrad zugeteilt. Vier von ihnen geraten an das 437. IAP. Als sie auf dem Flugplatz Verkhnyaya Akhtuba am östlichen Ufer der Wolga zur Landung ansetzen, wundern sie sich, dass sie kein einziges intaktes Flugzeug des Regimentes dort erkennen können. Prompt werden sie aufgeregt von einem Mechaniker empfangen, der ihnen entgegenrennt. „Starten Sie sofort wieder! unsere Flugzeuge sind bereits in Sredniaia Akhtuba! Die Faschisten-Artillerie hat uns hier zusammengeschossen, womöglich kommt bald ein Angriff!“
Die vier Yak-1 fliegen wie angeraten im Tiefflug zu ihrem neuen Bestimmungsort. Die Mechanikerinnen folgen im Bombenschacht eines Kampfflugzeuges, da Transportmaschinen nicht verfügbar sind. Kaum sind sie gelandet, erinnert sich Ina Pasportnikova (der weibliche Wart einer der Pilotinnen), werden sie auch schon bombardiert. Die Passagiere des Bombers springen aus dem noch im Rollen geöffneten Bombenschacht und hechten in die nächste erreichbare Deckung.
Es stellt sich nun allerdings heraus, dass die Zuweisung der vier Yak-1-Pilotinnen zum 437. IAP eine krasse organisatorische Fehlleistung ist. Oder aber der Versuch, die Mädchen aus irgendwelchen privaten Ressentiments ihrer früheren Kommandeure heraus irgendwie in einem Himmelfahrtskommando loszuwerden, auch hierfür gibt es offenbar Indizien. Der weibliche ehemalige Regimentskommandeur ihrer früheren Einheit, Mayor Tamara Kazarinova, versteht sich denkbar schlecht mit ihren besten Pilotinnen. Und Mayor Gridnev?
Das sowjetische 437. Jägerregiment fliegt jedenfalls praktischerweise LaGG-3-Jagdflugzeuge und wird gerade auf die neuere La-5 umgerüstet – Ersatzteile oder irgendwelche Wartungsvorrichtungen für Yakovlev-Maschinen existieren hier nicht. Außerdem werden die vier Russinnen nun nicht gerade überschwänglich begrüßt. Keiner der Männer des 437. IAP hat bisher die Namen Belyayeva, Budanova, Kuznetsova oder Litvyak gehört ...! Junge Frauen! Die gehören – nun ja, wo immer sie wohl hingehören mögen, jedenfalls nicht an den Steuerknüppel eines Jagdflugzeuges!
Mayor Khvostikov, Kommandeur des Regimentes, drückt das denn auch überdeutlich aus. „Das hier ist Kampfeinsatz, kein Flieger-Verein! Hier finden täglich Luftgefechte statt! Wir warten auf richtige Piloten, und die schicken uns einen Stall von Küken!“
Die männlichen Kollegen des Damen-Quartetts sind unsicher. Lässt man die jungen Kameradinnen in einem männlichen „Zveno“ (Formation aus vier Jagdflugzeugen, ähnlich dem deutschen „Schwarm“) einzeln mitfliegen – wer will die Verantwortung dafür übernehmen, dass den jungen Frauen nichts passiert? Der männliche Beschützer-Instinkt der sich überlegen wähnenden jungen Piloten kommt zum Tragen. Aber auch die Angst, dieser Ritter-Rolle nicht gewachsen zu sein – der Feind hat ein Wörtchen mitzureden. Es ist schlimm genug, wenn man einen Kameraden brennend in den Tod stürzen sieht. Aber eine schutzbefohlene Kameradin, ein russisches Mädchen – nicht auszudenken!
Andererseits – die Pilotinnen in ihren Yaks müssten dann ja auch umgekehrt ihnen im Luftkampf den Rücken decken. Was ist, wenn die das nicht packen, womöglich Reißaus nehmen? Das könnte böse enden für die Herren der Schöpfung! Auch diese Angst besteht!
Also lässt man den Zveno aus vier Yak-1-Jägern beieinander. Die sonst übliche Anleitung durch erfahrenere Schwarmführer entfällt größtenteils.
Allen Becircungen zum Trotz – vor allem seitens einer der jungen Russinnen. Der attraktivsten! Sie will so gerne einem Jäger-Ass zugeteilt werden. Lidiya heißt sie, ein wirklich anmutiges Geschöpf. Blond, hübsch, mit einem fast unwiderstehlich mädchenhaften Charme! Das halbe Regiment hat sich mehr oder minder in den einundzwanzigjährigen Paradiesvogel verliebt. Doch jeder der sowjetischen Jagdflieger erhält freundlich und höflich – doch unzweideutig – einen Korb.
Lidiya Vladimirovna Litvyaks Yakovlev Yak-1 .
Die deutschen Piloten erhalten ihn nicht, als sie die Yak mit der jungen Russin am Steuer zum Tanz auffordern. Am 13. September 1942 *4, gerade mal drei Tage nach ihrer Ankunft im Brennpunkt Stalingrad, kommt es zum weltweit ersten Luftsieg einer Frau in einem Jagdflugzeug. An diesem Tage fliegt Serzhant Lidiya Litvyak doch ausnahmsweise als Flügelmann ausgerechnet des Regimentskommandeurs. In diesem Fall muss man den Begriff wohl abwandeln zu „Flügelfrau“. Mayor Khvostikov erkennt drei deutsche Junkers Ju 88-Bomber etwas abseits einer größeren Formation und wittert seine Chance. Angriff!
„Lilya“ folgt ihrem Rottenführer und Regimentskommandeur Mayor Khvostikov auf dem Fuße – fest entschlossen, sich zu bewähren. Die aggressive Art der jungen Russin, sich auf die deutschen Bomber zu stürzen, überrascht die Besatzungen der Junkers Ju 88. Diesen Angriffsgeist sind sie von russischen Jagdfliegern, welche meistens eher wenig Selbstvertrauen an den Tag legen, nicht gewohnt. Sie werfen ihre Bomben im Notwurf und versuchen, der wütenden Attacke auszuweichen. Zwei schaffen es nicht. Einer der beiden Bomber fällt den Geschossen Khvostikovs zum Opfer, den anderen erledigt die blonde russische Furie in ihrer Yak-1.
Lidiya sieht sich um – und entdeckt eine andere Yak-1, die sich mit einer Messerschmitt Bf 109 des deutschen Begleitschutzes angelegt hat. Es ist Lidiyas Kameradin Starshii Leitenant Raisa Belyayeva. Offensichtlich hatte sie schon so viel Luftlöcher geschossen, dass ihr nun die Munition ausgeht. „Lilya“ hat noch welche. Und bringt sie nach einem kurzen Duell ins Ziel! Der deutsche Jagdflieger muss mit dem Fallschirm aus seiner beschädigten Me 109 abspringen und wird am Boden gefangen genommen. Man behandelt ihn korrekt – keine Selbstverständlichkeit in diesen grausamen Tagen.
Der junge Deutsche provoziert durch seinen Stolz. Es ist ein Jäger-Ass mit einigen Auszeichnungen. Der Luftwaffenpilot ist so von sich überzeugt, dass er nur einem „gleichrangigen“ Ass der Gegenseite zutraut, ihn im Luftkampf besiegt zu haben. Er bittet, diese Koryphäe kennen lernen zu dürfen.
Nicht ohne eine gewisse Schadenfreude wird ihm dieser Wunsch gewährt. Als der junge Deutsche einer selbstbewussten kalten blonden Schönheit gegenübersteht, einem einundzwanzigjährigen Mädchen, welches behauptet, Ihn, den deutschen Überflieger, bezwungen zu haben, glaubt er zunächst an eine Finte.
Dass kann doch nur ein übler Scherz sein, eine provozierte Demütigung.
Nachdem dann aber Lidiya im vollen Bewusstsein ihres Triumphes jedes Detail des Luftkampfes schildert – alles Fakten, die nur der Besiegte und der Sieger wissen können – verlässt sie ein Häuflein Elend. Das ist zu viel für den Mannesstolz des deutschen Jägerpiloten.
Die Geschichte verbreitet sich schnell. Kaum an der Front, dann zwei Abschüsse, einer davon ein deutsches Jäger-Ass, und das von einer Frau – wer hätte das gedacht? Mayor Tamara Kazarinova wohl eher nicht!
Kurze Zeit später werden die vier Yak-Pilotinnen dem 9. GvIAP (Garderegiment) überstellt. Es ist eine Einheit, in welchem sich gezielt als Eliteregiment diverse russische Asse sammeln – unter anderem Kapitan Mikhail Dimitrievich Baranov (nicht zu verwechseln mit Mayor Nikolai Baranov!), Mladshii Leitenant Vladimir Dimitrievich Lavrinenkov, Kapitan Sultan Amet-Khan oder Podpolkovnik Lev Lvovich Shestakov. Im November des Jahres 1942 erhält diese Einheit Yakovlev Yak-1-Jagdflugzeuge. Das dürfte der Grund sein, warum man die vier Russinnen in diesem erlauchten Club besser aufgehoben wähnt als in der Lavochkin-Modelle fliegenden 437. IAP.
Die Mädchen sind begeistert! Zusammen mit den besten Jagdflieger-Helden der Sowjetunion zu fliegen – ein Traum wird wahr. Allerdings haben Träume die Angewohnheit, dass das Aufwachen in die Realität eine Sache für sich ist.
Der Regimentskommandeur Lev Shestakov führt die Damen ein. Er bittet galant die Piloten um Rücksichtnahme. Die vier Mädchen dürften sich wohl in einem Regiment voller Männer nicht allzu wohl fühlen, gibt er zu bedenken. Andererseits hätten sie bereits mehrere Deutsche erledigt (nicht nur Serzhant Lidiya Litvyak, auch ihre beste Freundin Starshii Leitenant Yekaterina Vasilevna Budanova und Starshii Leitenant Raisa Belyayeva). Man möge die Kameradinnen also mit Respekt behandeln!
Das fällt den sowjetischen Elitefliegern schwer. In dem 9. GvIAP sollen die vier Russinnen jeweils die vierte Position in einem Schwarm übernehmen – die anderen drei sind jeweils Männer, versteht sich.
Denen soll man sich also in der Luft anvertrauen, wie? Das wollen wir doch erst einmal sehen! Irgendjemand kommt auf die Idee, die Mädels da vorab ein bisschen zu testen. Wie wäre es denn mit einer kleinen Flugvorführung? Ein Schau-Luftkampf über dem Flugplatz Verkhnyaya Akhtuba! Da mögen die jungen Damen doch zeigen, was sie drauf haben, nicht wahr?
Die Wahl unter den Frauen fällt auf Starshii Leitenant Raisa Belyayeva und Starshii Leitenant Yekaterina Vasilevna Budanova. Prompt gewinnt Belyayeva ihren Zweikampf – just in dem Moment, als eine Gruppe Iljuschin Il-2 „Stormovik“-Schlachtflugzeuge von einem Einsatz zurückkehrt, hartnäckig verfolgt von deutschen Messerschmitt-Jägern. Aus dem Schaukampf wird binnen Sekunden blutiger Ernst.
Starshii Leitenant Arkadii Fedorovich Kovachevich stellt sich den deutschen Jägern in den Weg, gefolgt von seiner Schaukampfpartnerin. Beide liefern den deutschen Me 109 ein würdiges Duell. Keine der beiden Seiten erleidet irgendwelche Verluste, doch die Vorurteile den weiblichen Küken gegenüber schwinden von diesem Moment an etwas. Bei allem Respekt, das Mädchen kann kämpfen!
Was nichts daran ändert, dass man den Kameradinnen nicht gerade allzu freundlich begegnet. In diesem Zeitraum erhält das Regiment eine Anweisung, die vier Frauen wieder zurück in ihr altes rein weibliches 586. IAP zu überstellen. Belyayeva und Kuznetsova, die erkrankt ist, leisten dem Befehl Folge. Budanova und Litvyak überreden Lev Shestakov, sie im 9. GvIAP zu behalten. Shestakov erfüllt den beiden ihren Wunsch. Dennoch fühlen sich die zwei zwangsläufig eher als geduldet denn als erwünscht. So kommt es in dieser Zeit dann auch nicht zu weiteren Abschusserfolgen. Nach einer Auflistung des Chronisten Jan Josef Safarik der Universität Brno haben zu diesem Zeitpunkt Yekaterina „Katya“ Budanova stolze sieben Abschüsse (größtenteils anteilig) und Lidiya „Lilya“ Litvyak immerhin drei Abschüsse eingereicht und anerkannt erhalten, allesamt erzielt im 437. IAP. Die Beweiskraft dieser Anerkennungen muss vor allem auf sowjetischer Seite allerdings äußerst kritisch gesehen werden, was das eingangs bereits dargelegte Verhältnis von 8.600 von russischer Seite behauptete Abschüsse im Jahr 1942 gegenüber etwa 2.500 tatsächlichen Verlusten der Luftwaffe im gleichen Zeitraum nahe legt. Dies muss vor dem Hintergrund der Tatsache verstanden werden, dass in Stalins unbarmherziger Befehlshierarchie und Sanktionspolitik das Melden von glaubhaften Erfolgen bisweilen überlebenswichtig ist. Für den meldenden Kommandeur ist die Hauptsache, er entgeht der schonungslosen Aburteilung als Feigling oder Versager! Er muss Erfolg haben und unbedingt Luftsiege melden! Im Falle der beiden Pilotinnen dürfte allerdings die kritische Konkurrenz der männlichen Kollegen ein wachsames Auge auf überzogene Lorbeeren gehabt haben.
Die Gefechte im Luftraum über Stalingrad sind nicht weniger grimmig als die am Boden. Es sind die härtesten Luftkämpfe, welche die deutschen Piloten und Bomberbesatzungen seit Beginn des Einfalls in die Sowjetunion erleben. Noch sind die Deutschen in der metallhaltigen Luft über der Wolga örtlich in der Überzahl, und im Gefühl der Überlegenheit. Täglich schießen sie reihenweise weitere Russen vom Himmel. Die aber wehren sich zunehmend erfolgreich, führen innovative, mehr selbstständige Kampftaktiken ein – wie die „freie Jagd“. Auch die Luftwaffe lässt Federn, spürbar schmerzhaft.
Die schönste Zeit in ihrer Militärkarriere erleben die beiden so unterschiedlichen jungen Frauen ab Januar des Jahres 1943. Die Deutschen in Stalingrad stehen mit dem Rücken an der Wand, sie sind so gut wie erledigt! Wer hätte das für möglich gehalten? Sie haben es geschafft, diesen Bestien *5 einen Denkzettel zu verpassen! Die schweren und gefährlichen, auch verlustreichen Luftkämpfe hatten einen Sinn gehabt. Sie haben sich durchgesetzt und Respekt verschafft!
Das 9. Garde-Jägerregiment ist nun in Kotelnikowo stationiert, dem Ort, an dem die gescheiterte deutsche Gegenoffensive nur Wochen zuvor ihren Ausgang genommen hatte. Gescheitert? Eigentlich waren die eigenen Truppen von der Wucht des Faschisten-Angriffes überrascht und bis auf 50 Kilometer an den inneren Einschließungsring der Deutschen in Stalingrad zurückgeworfen worden. Warum die diese wenigen Kilometer nicht durch einen Ausbruch zu überwinden versucht haben, wird den sowjetischen Kommandeuren ein Rätsel bleiben. Es wäre doch ihre einzige, ja zwingende Chance gewesen!
Dasselbe Flugfeld ist die Basis eines weiteren Jägerregimentes, des von Mayor Nikolai Baranov geführten 296. IAP. Es fliegt Yakovlev Yak-1-Jagdflugzeuge wie das 9. GvIAP auch – bisher. Denn das Garderegiment wird soeben erneut umgerüstet – auf die neuen P-39 „Kobras“ aus amerikanischen Fabrikhallen. Dieses Jagdflugzeug will man den beiden Yak-Pilotinnen aus irgendwelchen Gründen nicht zumuten – oder eher: nicht anvertrauen. Damit die zwei Frauen ihre gewohnten Kampfmaschinen behalten können, werden sie kurzerhand Mayor Baranov unterstellt.
Nun, der Weg ist nicht weit – gerade eine Tür weiter auf demselben Flugfeld. Doch auch diese bleibt – wieder einmal – halb verschlossen. Die etwas burschikose „Katya“ Budanova kann in ihrem Minenspiel die seelische Verletzlichkeit nicht verbergen. Die zierliche feminine „Lilya“ Litvyak ist dagegen nachdenklich, eher still – aber ganz schön penetrant hartnäckig, wenn es darauf ankommt. Was sie nicht gerade beliebter macht bei ihren Kommandeuren. Gehorchen ist nicht die Stärke der aufsässigen jungen Dame. Deren Charme verbunden mit ihrer anmutigen Gardemaß-Figur schafft es allerdings immer, selbst die hart gesottensten Befehlshaber irgendwie wieder zu versöhnen und um den Finger zu wickeln. Ganz zu schweigen von der restlichen Männerwelt auf dem Flugplatz.
Es muss in dieser Zeit gewesen sein, als der Einsatz stattfindet, den Bruce Myles beschreibt. Lilya und Katya werden zu ihrem Regimentskommandeur befohlen – und kommen am Bunker an, als die Einsatzbesprechung offenbar gerade zu Ende ist! Was soll das denn bedeuten? Baranov kommt die Treppen hoch, mit dem Arm um die Schulter seines besten Freundes, dem Piloten und Jagdflieger-Ass Starshii Leitenant Alexei Frolovich Solomatin, einem mittelgroßen Mann mit breiten Schultern und blonden Haaren. Die beiden laufen einfach an Budanova und Litvyak vorbei. Lidiya versucht, etwas zu sagen, Baranovs Aufmerksamkeit zu erhalten – er muss die zwei Frauen sehen, sie stehen direkt in seinem Weg! Doch Baranov ignoriert die beiden Pilotinnen und geht zu seinem Flugzeug.
Zerstörte Messerschmitt Bf 109 zwischen den Trümmern von Stalingrad.
Auch die anderen Piloten machen sich auf zu einem Einsatz und steigen in ihre Jagdflugzeuge. Ihre? Katya und Lilya folgen den Männern und trauen ihren Augen kaum. He – halt, was soll denn das? Ehe die beiden sich versehen, steigen Männer in „ihre“ Yaks. Lidiya muss zusehen, wie sich ein fremder Pilot ihrer „Troika“ (Zahl Drei) bemächtigt, den Motor startet und abhebt. Katya geht es nicht anders.
Das kann nicht sein, nein, das muss ein Versehen sein! Mayor Baranov ist ein viel beschäftigter Mann, unter enormem Erfolgsdruck! Das hat er bestimmt nicht so gemeint, ausgeschlossen!
Er hat!
Baranov hat eine Menge an Kameraden verloren in den letzten Wochen und Monaten. Er nimmt das nicht leicht, jeder einzelne Gefallene lastet schwer auf seinen Schultern, obwohl er manchmal nicht einmal ihre Namen kannte. Sie waren so schnell abgeschossen und getötet worden, dass sie kaum ihre ersten Feindflüge überlebt hatten.
Der Regimentskommandeur hat keine Lust, den harten Kern seiner Einheit den unkalkulierbaren Gefühlsausbrüchen weiblicher Psyche in der Luft auszusetzen. Schön, die Flugbücher der beiden Damen sehen ja nicht schlecht aus. Aber Papier ist geduldig! Im Luftkampf muss man sich aufeinander verlassen können – und vor allem, einen kühlen Kopf behalten. Irgendwelche Sensibelchen, Raubkatzen oder Kratzbürsten sind da fehl am Platze!
Als die Yaks wieder landen, fehlt eine. Es ist nicht Lidiyas Nummer Drei, ihre „Troika“ *6 scheint unbeschädigt zu sein – Gott sei Dank. Lilya und Katya laufen zu den Maschinen, machen sich nützlich, ziehen die Munitionswagen zu den Jagdflugzeugen. Baranov ist dabei, dem überlebenden Piloten der Rotte („Para“-Formation aus zwei Jagdflugzeugen) einem Ersatzmann zuzuteilen, nachdem die Yak seines Rottenkameraden beim Angriff auf eine deutsche Ju 88 in der Luft explodiert war. Alexei Solomatin blickt kurz von der Karte auf – und erhascht einen Blick aus Lilyas Augen. Er zwinkert.
In vielen Bildern wird dieser Moment mit einem Engel assoziiert, der einen kleinen Pfeil abschießt. Jedenfalls trifft der Engel auf dem Flugfeld ins Schwarze.
Katya ist derweil damit beschäftigt, die Löcher in ihrem Jagdflugzeug zu zählen. Wenige der Yak-1-Maschinen sind unbeschädigt geblieben. Lidiyas Troika hat Glück gehabt.
Als die Piloten zur Einsatznachbesprechung in Richtung auf den Kommandobunker gehen, stellt sich Lidiya ihrem Regimentskommandeur in den Weg und salutiert.
„Herr Mayor, ich sollte meine Flugaufgaben für morgen mit Ihnen durchsprechen, wenn Sie etwas Zeit erübrigen können!“
Die Antwort ist niederschmetternd. Baranov sieht Serzhant Lidiya Litvyak kurz und intensiv an. Dann sieht er weg.
„Ich werde keine Frauen mit mir fliegen lassen. Da gibt es keine Widerrede! Sie werden innerhalb der nächsten zwei Tage von hier wegversetzt werden!“
Wie sollen Lidiya und Katya wissen, dass sie lediglich das Schicksal zweier Kameradinnen teilen sollen, welche bereits einige Wochen zuvor in Baranovs Regiment versetzt worden und ebenso bestimmt wieder herausgeworfen worden waren? Warum sollte Baranov jetzt im Januar anders handeln? *7
Ina Pasportnikova, Mechanikerin der Yak-1 „Troika“, ahnte es bereits. Schon am nächsten Morgen wird sie selber die Vorurteile der russischen Jagdflieger zu spüren bekommen. Ein Pilot, offensichtlich der neue „Besitzer“ der Troika, schleppt einen erkennbar wutschnaubenden Chef-Mechaniker zu dem Flugzeug und verkündet Ina, er werde mit diesem Flugzeug nicht fliegen. Es habe schließlich eine Frau gewartet. Ina ist völlig vor den Kopf gestoßen. Ob er an ihrer Arbeit etwas auszusetzen habe, fragt sie den Chef-Mechaniker, der offensichtlich auf ihrer Seite steht. Nein, soweit er sehen könne, nicht – er habe sie gestern eingehend beobachtet!
Das interessiert den Piloten nicht! Entschlossen in seiner Weigerung trabt er zum Kommandobunker.
Ina ist tief verletzt und gespannt darauf, wie Mayor Baranov nun reagieren wird. Beim nächsten Einsatz wird es sich zeigen. Er reagiert – anders, als erwartet.
Indem plötzlich Alexei Solomatin vor Ina Pasportnikova und „ihrer“ Yak-1 steht und sie fragt, ob das die „Troika“ sei? Was für eine Frage? Die Nummer steht doch groß und deutlich auf dem Jagdflugzeug!
Doch Ina Pasportnikova hat die Frage schon verstanden – so, wie sie charmant gemeint war! „Wie ich höre, haben meine Piloten Angst vor ihnen?“ lacht der Staffelkapitän. Dann steigt er in die Yak, die Lidiya hierher geflogen hatte.
Der Pilot, der Angst davor gehabt hatte, der Motor einer weiblich gewarteten Yak könne versagen, benutzt ein anderes Jagdflugzeug. Bei einem späteren Einsatz dieses Tages stürzt er in Flammen eingehüllt zu Boden.
Auch Baranovs Yak wird getroffen – er schafft es mit letzter Kraft seiner Maschine zurück zum Flugplatz. Er selber ist unverletzt. Als Lidiya in seinem Kommandoraum auftaucht, hat er offensichtlich bereits ein volles Glas Wodka hinter sich. Man sollte ihm seine 30 Jahre nicht glauben, der Mann sieht heute deutlich älter aus.
Baranov ist schon wieder ganz guter Dinge. Sein Lachen friert allerdings schlagartig ein, als Serzhant Litvyak den Raum betritt. Der Regimentskommandeur zündet sich eine Zigarette an, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und fragt messerscharf:
„Was wollen Sie, Litvyak? Ich habe ihnen meine Entscheidung mitgeteilt! Da gibt es absolut nichts zu diskutieren!“
„Bitte,“ becirct ihn die hübsche Untergebene „bitte, Herr Mayor, lassen Sie uns fliegen! Wir wären nicht hierher gesandt worden, wenn wir nicht gut wären!“
Baranov starrt ungläubig auf die Uniform-Mütze seiner Bittstellerin. Sieht er da wahrhaftig eine kleine gelbe Rose im Mützenband?
„Ich habe nicht einmal genug Flugzeuge für die Männer hier zur Verfügung!“ antwortet Baranov. „Sie wissen ganz genau, dass ich Ihr Flugzeug einem männlichen Piloten übergeben musste. Und ich habe nicht vor, mich dafür zu entschuldigen!“
„Herr Mayor,“ begehrt Lilya auf, „ich denke nicht, dass Sie gerecht sind! Katya Budanova und ich kamen hierher, um zu kämpfen!“
Jetzt wird es Baranov zu bunt. Es ist der Moment, als sein bester Freund Solomatin den Raum betritt. „So. Serzhant Litvyak, morgen wird mein Adjutant das Divisions-Hauptquartier in Kenntnis davon setzen, dass ich Ihre Versetzung zurück zu Ihrem alten Regiment wünsche!“
Lidiya hat das Gefühl, dass sie nun sowieso nichts mehr zu verlieren hat, und bockt. „Wir wollen aber mit Ihnen fliegen, und ich bleibe jetzt hier sitzen, bis Sie sagen, dass wir das dürfen! Sie wissen doch, ich bin am Tag der Flieger geboren, dem 18. August ...!“
Ein wahrlich schlagendes Argument! Solomatin erfasst die Situation sofort. Wenn er jetzt nicht eingreift, wird sein Freund und Chef Baranov keine andere Wahl mehr haben, als sich durchzusetzen, wenn er als Kommandeur und Mann nicht das Gesicht verlieren will. Dann gibt es kein Zurück mehr für die sympathische Kleine da. Vielleicht ahnt Solomatin auch, dass Baranov – dies mag man unterstellen – ohnehin schwer genug an der Verantwortung für den Verlust seiner männlichen Untergebenen „kaut“ und sich nicht auch noch mit dem Tode weiblicher Kameradinnen belasten will. Auch wenn die noch so sehr auf die Gefahr versessen sind. Die Flasche Wodka spricht eine deutliche Sprache, vor allem das, was fehlt in ihr. Vielleicht ist es Solomatin lieber, wenn er selber ein schützendes Auge auf die Mädchen haben kann – besonders auf diese kleine Wildkatze da. Wer weiß, wer in einem anderen Regiment auf sie aufpassen würde.
Niemand kann so genau nachvollziehen, was in dem jungen Mann vor sich geht, insoweit sind dies Vermutungen. Aber nahe liegende!
„Hast Du Dich schon entschieden, was Du mit den Mädchen machen wirst, Kolya?“ fragt Solomatin seinen Freund, von dem er weiß, dass der ihm kaum einen Wunsch abschlagen kann. Doch normalerweise nützt Alexei das nicht aus. Die Frage ist eigentlich überflüssig, schließlich war Baranovs Statement überdeutlich! Der bestätigt nun noch mal, dass und wie er sich entschieden hat.
„Aber andererseits, Kolya, das musst Du doch verstehen! Sie ist ein Pilot. Du musst ihr schon eine Chance geben, mit uns zu fliegen!“ Solomatin klopft seinem Freund aufmunternd auf die Schulter.
Baranov sitzt ein paar Augenblicke stumm auf seinem Stuhl. So ist das also! Dann steht er auf.
„Na schön. Also gut. Morgen früh fliegt Serzhant Litvyak als Dein Flügelmann. Aber, bei Gott, sie sollte ihre Sache gut machen! Und vergiss nicht, das geschieht auf Deine Verantwortung alleine!“
Tut es nicht! Und Baranov weiß das! Aber Lilyas Augen glänzen! Sie atmet tief durch.
„Und was ist mit Starshii Leitenant Budanova?“ fragt sie. Baranov sieht sie an mit einem Blick, als würde er jeden Moment in einen Vulkan explodieren! Doch wieder rettet Solomatin die Situation. Er bricht in schallendes Gelächter aus ...
Irgendwann ringt sich schließlich selbst Baranov ein Grinsen ab. „Ich lasse sie morgen irgendwann fliegen – wenn wir irgendwelche Deutsche finden, mit denen sie sich anlegen kann ...!“
Baranov gibt den beiden keine paar Tage Überlebenschance. Aber sie hatten es so gewollt.
Der nächste Morgen kommt. Solomatin ist konzentriert und geschäftig wie immer vor einem Einsatz. Lidiya ist schweigsam, angespannt. Wer wäre es nicht in ihrer Lage? Jeder weiß inzwischen von dem Gespräch in Baranovs Kommandobunker. Ein weiterer Offizier war zugegen gewesen, der sich nicht eingemischt hatte. Als Ina sie anlächelt, kommt ein fast unnatürlicher Gesichtsausdruck zurück.
Solomatins Lächeln hat einen aufmunternden Charakter. „Es mag blöde klingen in einer Situation wie dieser, aber machen Sie sich keine Sorgen! Denken Sie dran – machen Sie alles einfach genau so nach, wie ich es mache. Folgen Sie mir jede einzelne Flugfigur. Vergessen Sie das Gerede, Sie müssten als mein Flügelmann mich decken. Kleben Sie an meinem Heck, was auch immer ich mache!“
Lilya murmelt, sie habe verstanden, und kaut auf ihrer Unterlippe. Dann geht es los. Lidiya sitzt in ihrer angestammten „Troika“. Auch die anderen beiden Männer sind bereit. Sie fliegen zu viert „freie Jagd“ heute.
Die vier Yaks stehen am Start. Ein grünes Leuchtsignal, Solomatin als Führer des „Zveno“ hebt den Arm. Auf geht’s. Wenig später sind die vier Jagdflugzeuge in der Luft. Sie gewinnen an Höhe ...
Die Maschinen sind mit Funkgeräten ausgerüstet. Lidiya hört plötzlich eine Stimme in ihrem Kopfhörer. Eine Stimme, die unmissverständlich befiehlt: „Folgen Sie mir!“ In demselben Augenblick rollt Solomatins Yak-1 auf den Rücken und stürzt in Richtung Boden. Lidiya bleibt keine Zeit zu überlegen. „Klebe an meinem Heck wie eine Klette!“ hatte Solomatin gesagt. Und genau das macht Lilya jetzt.
Lidiya hängt sich so dicht an Solomatin, dass sie Angst hat, ihn zu rammen. Andererseits – geht sie jetzt vom Gas, holt sie ihn nie mehr ein! Die beiden Jäger fangen den Sturzflug ab, rasen mit dem Fahrtüberschuss korkenzieherartig wieder in die Gegenrichtung des Loopings in den Himmel. Was soll das? Ein Test? Lidiya sieht keine Deutschen! Aber sie klebt an Solomatin, wie befohlen ...
Lidiya könnte schwören, dass sie Maschinengewehrfeuer hört. Das andere Jägerpaar rast an ihnen vorbei, Feinde sieht sie nicht. Aber sie sieht Solomatin, der schon wieder abkippt. Sturzflug, Kurswechsel...! Seine Flugmanöver sind so abrupt und radikal, dass Lilya alle Konzentration benötigt, ihm zu folgen. Die Fliehkräfte rauben ihr fast das Bewusstsein. Aber sie bleibt dran ...
Als sie landen, ist sich die schweißgebadete junge Russin klar, dass sie auf die Probe gestellt worden war. Aber schlecht abgeschnitten hatte sie wohl nicht. Als sie zu den anderen stößt, sind Solomatin und die beiden Jagdflieger in eine Schilderung des Luftkampfes vertieft. Sie reden von einer Heinkel, die mit beiden brennenden Motoren abgestürzt sei, und Solomatin besteht darauf, dass er den Abschuss der Messerschmitt mit dem Führer der anderen Rotte teilen müsse.
Lidiya steht wie vom Blitz getroffen da. Es ist doch nicht möglich, dass sie nichts vom Feind gesehen hat? Eine im schlimmsten Fall tödliche Fehlleistung! Wie soll sie ihren Rottenführer im Ernstfall beschützen, wenn sie den Gegner nicht einmal sieht?
Solomatin fragt Lidiya, wie sie das denn beurteile. Müsse er den Abschuss der Messerschmitt teilen? Lidiya verliert völlig die Nerven. „Ja aber – aber was für eine Messerschmitt denn, Herr Leitenant?“ *8 Lidiya ist kurz davor, fassungslos in Tränen auszubrechen.
Die beiden Piloten der anderen Rotte können sich nicht mehr halten. Sie brechen lauthals in schallendes Gelächter aus. Auch Solomatin grinst liebevoll. Lidiya versteht überhaupt nichts mehr.
Dann nimmt der Staffelkapitän seinen Schützling zur Seite. Ina kümmert sich derweil unauffällig um Lidiyas Yak und hört so nebenbei jedes Wort. „Sehen Sie, Serzhant *9, - schau mal, Lily. Ich will ganz ehrlich zu Dir sein!“ Lidiyas Gesicht ist gezeichnet von Angst.
„Ganz ehrlich – Du warst fantastisch! Keiner hat es jemals geschafft, alle Manöver hindurch so an mir dran zu bleiben wie Du!“ Er lächelt wieder. „Und natürlich gab es da auch keine Deutschen! Du hast alles drauf, was man braucht, und ich werde auf direktem Wege zu Baranov gehen und ihm genau das sagen!
Ach – und übrigens! Gubanov – der da, der am lautesten gelacht hat – der hat bei seinem ersten Flug als mein Flügelmann die Kontrolle über sein Flugzeug komplett verloren und kam ins Trudeln! Aber sag ihm nicht, dass ich Dir das erzählt habe!“
Ina Pasportnikova ist sich sicher, dass die Liebesgeschichte der beiden an diesem Tag ihren Anfang nimmt. Und Boris Gubanov spricht wenig später Lidiya an und bittet darum, den Bluff nicht allzu krumm zu nehmen. Sie sei echt toll gewesen, und außerdem – ganz im Vertrauen – bei seinem ersten Flug als Solomatins Flügelmann ...“!
Lilya läuft überglücklich zu ihrer Mechanikerin und Freundin Ina, um alles zu erzählen. Die ist längst im Bilde. Sie hat das Gesicht Gubanovs gesehen und weiß es zu deuten. Auch die Augen Solomatins. Aber vor allem – sie kennt auch Lidiya gut. Sehr gut! Und weiß mehr, als diese selber weiß.
Lidiya Litvyak (links) und Katya Budanova (Mitte)
Lidiya spürt da ein Gefühl in sich, was ihr gar nicht in den Kram passt. Hatten sie sich nicht alle geschworen, keine Beziehung mit einem Mann einzugehen, bevor der Krieg nicht zu Ende ist? Sie will nicht so recht wahrhaben, dass sich da etwas verändert hat.
In 3.000 Metern Höhe verbieten sich solche Überlegungen. Vor allem in Gegenwart von deutschen Heinkel He 111-Bombern und deren Begleitschutz! Solomatin wartet, bis die Bomber ihre Bomben abgeworfen haben. Nicht, dass er die Wirkung der Sprengkörper unterschätzte, doch er will die Deutschen in ihrer verwundbarsten Phase erwischen – beim Abdrehen. Offenbar haben die seine Yaks noch nicht gesehen!
Was nun passiert, mag so geschehen sein, oder auch nicht. Der Autor hat erhebliche Zweifel, dennoch möge jeder Leser selbst urteilen.
Solomatin befiehlt den Angriff, Lidiya folgt ihm und die beiden nehmen sich den Führungsbomber vor*10. „Losha“, wie Solomatin mit Spitznamen genannt wird, trifft die Heinkel zuerst, den Rest besorgt Lilya. Als der Bomber abstürzt, sucht Lidiya ihren verehrten Staffelkapitän. Sie findet ihn nicht.
Aber sie hört seine Stimme. „Troika, Troika, Vorsicht, hinter Dir! Kipp’ weg nach rechts!“ Lidiya sieht in ihren Rückspiegel und direkt ins Mündungsfeuer einer Messerschmitt Bf 109, die nach einem Sturzangriff hinter ihr ausbalanciert. Es kracht und hämmert in den Rumpf der Yak-1. Lidiya reißt die Yak nach rechts, rollt und stürzt ohne Unterlass – doch der Deutsche folgt ihr hartnäckig. Sie sieht sein Mündungsfeuer, spürt aber keine Treffer mehr. Irgendwann erkennt sie einen orangefarbenen Explosionspilz in ihrem Rückspiegel. Irgendjemand hatte ihr wohl die Messerschmitt vom Leib geschossen.
Losha wartet auf sie einige hundert Meter über ihr. Lilya nimmt ihre Flügelposition wieder ein. Das nächste Opfer ist eine weitere, abgeschlagene Heinkel He 111. Solomatin überlässt sie seinem Schützling. Lidiya fliegt ganz nahe heran, feuert aus allen Rohren. Als die Heinkel brennend nach unten geht, folgt ihr Solomatin. Die beiden greifen abwechselnd an, bis der Bomber zerschellt.
Es bleibt der Hinweis, dass eine Heinkel He 111 weder als persönlicher noch als anteiliger Abschuss zu irgendeinem Zeitpunkt in irgendeiner dem Autor bekannten Abschussliste Lidiya Litvyaks auftaucht!
Das menschlich amüsante Resultat dieses wie auch immer abgelaufenen Luftkampfes ist jedenfalls die Rückkehr des siegreichen Teams. Welches sich die Abschüsse offensichtlich so aufteilt, dass jeder zumindest einen für sich persönlich beansprucht. Denn beide rasen im Tiefflug über den Flugplatz und vollführen gekonnt eine triumphale Siegesrolle vor allen Zuschauern.
Lidiya Litvyak.
Vor allem vor Nicolai Baranov, der soeben zu einem eigenen Feindflug in sein Jagdflugzeug steigt und im Übrigen derartigen Übermut strikt verboten hat. Was ist, wenn einer der beiden Yakovlev-Jäger irgendwelche unbemerkten Treffer hat? Unbemerkt müssen sie ja wohl sein, denn andernfalls ist dem Piloten wirklich nicht mehr zu helfen! Der geringste Funktionsausfall bei einem derartigen Manöver im Tiefflug ist höchstwahrscheinlich tödlich. Muss so ein kindischer Blödsinn auch noch zu Verlusten führen? Das kann und will sich der verantwortungsvolle Regimentskommandeur absolut nicht leisten! Das unterbleibt! Strikt!
Tja, und nun das! Baranov erfasst sofort, um welches besondere Paar es sich da handelt. Ina Pasportnikova erwartet einen fürchterlichen Wutausbruch.
Nicolai Baranov beobachtet das übermütige Schauspiel der beiden. Und grinst wissend ...
Als Solomatin und Litvyak landen, läuft „Losha“ zu „Lilya“ und legt liebevoll seinen Arm um das glückliche Mädchen. „Dieses Mädel wird mal ein Ass – ich setze jede Wette da drauf!“
Inzwischen sieht sich Ina Pasportnikova stumm die vielen Löcher im Hinterrumpf von Lidiyas Yak an, dort, wo die Steuerkabel verlaufen ...
Alexei und Lidiya haben hierfür keinen Blick. Die Zuneigung der beiden zueinander ist von dem Moment an jedem offensichtlich. Allerdings verhindern die Umstände, dass irgendjemand allzu lange alleine sein kann. Selbstverständlich schlafen die Frauen getrennt von den Männern. Von allen Männern! Die Verhältnisse sind schwierig, das fängt schon mit der Körperhygiene an. Heißes Wasser in einem Topf und Seife – mehr ist nicht möglich üblicherweise. Haare waschen ist schwierig – es gehört Erfindungsgeist dazu. Den hat der Blondschopf namens Lilya. Wozu heizt der Motor ihrer Yak das Kühlwasser auf? Ein bisschen Seife und den Kopf beugen unter den Rumpf des Jagflugzeuges, den Ablasshahn auf – es ist fast wie eine Dusche! Schließlich kann man ja kaltes Wasser nachfüllen ...
Jeder rechnet damit, dass Baranov solche Extravaganzen unterbinden würde. Doch Baranov schmunzelt amüsiert. Lilya hat auch seine Sympathie erobert inzwischen. Zumal der Regimentskommandeur seinem besten Freund alles erdenkliche Glück gönnt. So drückt er beide Augen zu.
Allerdings hat er es nicht schwer damit – was die Zuneigung der beiden Untergebenen zueinander betrifft. Sie ist zwar offensichtlich – ihre Blicke sprechen Bände – doch in der „Öffentlichkeit“ verbieten sich irgendwelche Zärtlichkeiten. Oft sieht man die beiden spazieren gehen. Aus Sicherheitsgründen stehen Wachen rund um das Flugfeld. Es sind nun mal schlechte Zeiten für ein Liebespaar.
Lidiya Litvyaks unkonventionelle Art hatte ihr während ihrer gesamten militärischen Karriere nur Probleme eingebracht. Nicht nur, dass sie sich sehr schwer tat, einen militärisch kurzen Haarschnitt zu tragen, wie gefordert, und nur zu einer Art Kompromiss zu bewegen war (Katya Budanova hat damit kein Problem, zumindest gehorcht sie), auch zu Uniformen hat Lilya ein gespaltenes Verhältnis.
Mit der naiven Kreativität eines Mädchens hatte sie sich in ihrer Ausbildungszeit einige Tage Arrest eingehandelt, als sie den Pelzbesatz ihrer Fliegerstiefel kurzerhand zu einem adretten Pelzkragen für ihre Fliegerkombination umfunktionierte. Der Arrest dauerte so lange, bis der Pelz wieder dort war, wo er hingehörte. Später verwendet sie eingefärbte Fallschirmseide zur Herstellung hübscher Halstücher und bleicht ihre naturblonden Haare mit Wasserstoffperoxid aus dem Medizinschrank ...
Außerdem liebt sie Blumen! Es ist einfach nicht wegzudiskutieren, dass Lilya eine Frau ist! Sie ist derartig versessen auf Blumen, dass sie oft welche im Flugzeug mitführt. Ganze Bouquets werden diskret im Cockpit ihrer Yak platziert.
Was prompt auffliegt, wenn einmal ein männlicher Kollege ihr Jagdflugzeug benutzen soll. Mehr als einmal kommt es zu bühnenreifen Szenen, wenn die Herren der Schöpfung Lidiyas liebevoll arrangierte Zugaben entdecken.
„Was, zum Teufel, ist das denn ...?“ schallt es deutlich hörbar über das Rollfeld, als der Pilot mit zwei spitzen Fingern indigniert das Blumengesteck am ausgestreckten Arm aus dem Cockpit hält wie einen angefaulten Kadaver und dann demonstrativ aus dem Führerstand der Yak entfernt ...
Er kann sich des Lacherfolges unter seinen Kameraden sicher sein!
Auch auf dem Seitenrumpf ihrer Yak soll Lidiya angeblich eine weiße Lilie aufmalen lassen – obwohl es kein einziges Foto dieses Kunstwerkes gibt. Jedenfalls bringt ihr das den Spitznamen „die weiße Rose von Stalingrad“ ein. Man möge den männlichen Betrachtern der Verzierung verzeihen, dass sie wohl eine Yak von einer Me 109 unterscheiden können – aber was, bitte, ist eine Lilie?
Lidiya Litvyak ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Tief in ihrem Inneren ist sie immer noch mehr Kind, als sie sich eingestehen will. Das Schicksal ihres Vaters hat sie tief geprägt!
Während ihr Bruder den Mädchennamen ihrer Mutter angenommen hatte, um sich nicht mit dem Namen des hingerichteten „Staatsfeindes“ sein weiteres Leben zu belasten, steht Lidiya innerlich fest zu ihrem Vater. Dies beeinflusst sie viel intensiver, als ihr bewusst ist.
Lidiyas glühender Wunsch ist, sich im Luftkampf zu bewähren – für Stalin und das Vaterland. Sie will, ja sie muss unter allen Umständen den Namen ihres Vaters reinwaschen! Sie muss die verlorene Ehre der Familie wiederherstellen. Das Mädchen ist wie besessen von dieser Vorstellung, welche ein innerer Zwang für sie ist. Jeder soll sehen, dass ihrem Vater Unrecht widerfahren war. In der Familie Litvyak gibt es doch keinen Feind des Volkes, sie kämpfen doch für die Sowjetunion, seht her! Die Hinrichtung ihres Vaters war ein Missverständnis, das muss doch jeder jetzt begreifen!
In unzähligen Fällen von Betroffenen der „Säuberungswellen“ Stalins ist es das wirklich. Die allermeisten dieser Bürger sind genauso unschuldig wie auf der anderen Seite Menschen jüdischen Glaubens. Und auch unter Stalin sind es viele, sehr viele, die eine Ideologie und Phobie mit ihrem Leben bezahlen ...
Sie fallen einem geradezu irrwitzigen Verfolgungswahn des sowjetischen „Väterchen Stalin“ zum Opfer. Einer ungerechten und jedes Maß vermissen lassenden Betrachtungsweise, die auch jetzt noch ihre Blüten treibt. So gilt in der Sowjetarmee des Jahres 1943 jeder von deutschen Truppen gefangen genommene Soldat als Verräter, jeder Pilot, der über feindlichem Territorium vermisst wird, als vermutlicher Überläufer ...
Nichts, wirklich gar nichts, wäre für Lidiya so schlimm wie dieses Schicksal – außer vielleicht der Tod ihres „Losha“ Solomatin! Sie will doch gerade ihre Loyalität beweisen!
Daher ist es für Lidiya sehr wohltuend, in Solomatins Obhut als Rottenkameradin zu fliegen. Die beiden passen perfekt aufeinander auf, ergänzen sich auch in der Luft fantastisch und verstehen sich blind. Unter seinen wachsamen Augen ist es kaum denkbar, dass Lidiya unbemerkt „verloren geht“. Es ist einfach ein perfektes Jagdfliegerpaar.
Am 11. Februar des Jahres 1943 ist Serzhant Lidiya Litvyak mit Solomatin, Baranov und einem vierten Piloten zusammen auf „freier Jagd“. Die Formation aus vier Jagdflugzeugen trifft auf einen weit überlegenen deutschen Verband – immerhin 29 Feindflugzeuge. Dennoch greifen die vier an, und Lidiya gelingt es, einen Junkers Ju 87-Sturzkampfbomber abzuschießen. Gemeinsam mit Baranov kann sie zudem noch einen der Begleitjäger vom Himmel holen – es ist eine Focke-Wulf 190. Inzwischen fliegt Lidiya eine Yak-1 mit der gelben Nummer 44 .
Die junge Pilotin gewöhnt sich nun ihre Siegesrolle im Tiefflug über dem Flugplatz an. Wohl wissend, dass es streng verboten ist! Immer, wenn sie nach einer derartigen „Zirkusnummer“ landet, fragt sie ihre Mechanikerin Ina Pasportnikova sorgenvoll nach der Reaktion ihres Chefs. Baranov hat solche Showeinlagen nicht nötig und ist längst gelandet.
„Hat Batya [Papa] arg geschimpft”?
„Ja, ganz arg!“ kommt es von Ina zurück!
Lilya senkt den Kopf und trabt scheinbar zerknirscht und reumütig mit all ihrem Charme zu Papa Baranov zwecks Einsatznachbesprechung und zum Abholen des Rüffels ...
Am 8. März 1943 wird das 296. IAP in den Gardestatus erhoben. Auf Grund seiner Verdienste für das Vaterland. Für Baranov ist es eine große Ehre, sein Regiment heißt nun 73. GvIAP. Und Lidiya Litvyak ist nun zum Zveno-Führer (Schwarmführer) in einem Garderegiment avanciert.
Junkers Ju 88 A-4 der 5./KG 3 über Südrussland.
22. März 1943. Es sind sechs Yak-1, die eine Staffel Junkers Ju 88 Bomber angreifen. Lidiya gelingt es, einen der deutschen Bomber abzuschießen.
In den Verlustlisten der Luftwaffe kommt nur eine Junkers Ju 88 an diesem Tag als Lidiyas Gegner infrage. Die deutsche Luftwaffe verliert am 22. März 1943 insgesamt sechs Ju 88 A-4 und einen Aufklärer des Typs Ju 88 D-1. Nur diese letzte Maschine und eine einzige Ju 88 A-4 werden durch „Jägerbeschuss“ zerstört – zu einem nicht bekannten Grad (Prozentsatz). Bei der genannten Ju 88 A-4 handelt es sich um einen Bomber der 9./KG 3, welche in Saporoshje-Ost östlich von Stalino (heute: Donezk) stationiert war. Diese Maschine wird in der Gegend von Barwenkowo getroffen, einem Ort in erreichbarer Nähe zu Lidiyas „Wirkungsbereich“ in der Ukraine. Barwenkowo liegt etwa 110 Kilometer nordöstlich von Stalino. Alle anderen in Bezug auf jene Ju 88-Tagesverluste dokumentierten Abschussorte liegen weit ab von Südrussland (und dort ficht das 73. GvIAP), zumal die Absturzursachen („Überschlag bei der Landung“, „Motorbrand“, „Fahrwerksschaden“, „Motorstörung“) eher Unfälle als Ursache des „Bruches“ nahe legen als Beschussschäden – abgesehen von jener Aufklärungsmaschine. Der Ort des Luftkampfes wird in diversen Quellen (wieder einmal) unterschiedlich angegeben. Harold Stockton, Dariusz Tyminski und Christer Bergström nennen die Gegend von Charkov, was grob (Distanz ~100 Kilometer) zu dem Einsatzort der 9./KG 3 passt. Safarik gibt „Rostow am Don“ an. Letzteres deckt sich mit einem Brief, den Lidiya an Solomatins Mutter schreibt. Wenn sie bei dem dort erwähnten Abschuss den am 22. März 1943 meint, dann stellt sich die Frage nach der Richtigkeit der Abschuss- oder Verlustmeldungen überhaupt. Entweder stimmen dann die russischen Erfolgsmeldungen nicht, oder die Verlustlisten der Luftwaffe, oder die dokumentierten Orte. War Barwenkowo nicht der Luftkampfort, sondern erst der des Absturzes?
Unmittelbar nach ihrem Erfolg über den deutschen Bomber kracht es fürchterlich in der gelben Nummer 44 . Lidiya fühlt einen stechenden Schmerz in ihrem Bein und sieht sich plötzlich unter Beschuss von zwei angreifenden Me 109. Die sowjetische Pilotin weiß, dass sie gegen die schnellen deutschen Gegner die überlegene Kurvenfähigkeit ihrer Yak-1 nützen muss. Sie dreht ab, so scharf, wie es geht. Und sieht sich vier weiteren Me 109 gegenüber. Wo sind ihre fünf Kameraden geblieben?
Jetzt wird es allmählich eng! Sechs gegen einen – gegen eine –, das geht auf die Dauer nicht gut! Lidiya setzt alles auf eine Karte – viel Entscheidungsspielraum bleibt ihr ohnehin nicht mehr. Doch sie hat viel gelernt inzwischen! Und an Mut fehlt es ihr auch nicht!
Die sowjetische Yak-1 mit der blonden Russin am Steuer rast den deutschen Messerschmitt-Jägern frontal entgegen. Die drehen erst im letzten Moment ab. Auch Lidiya kurvt – und hat eine Me 109 urplötzlich im Visier. Feuer!
Die Messerschmitt stürzt getroffen ab. Das macht deren Kameraden nur noch entschlossener. Lidiya muss alles Können aufbieten, um diesen Einsatz zu überleben. Irgendwie schafft sie es dann doch, den deutschen Piloten zu entkommen.
Es ist fast übermenschlich, denn das Mädchen hat starke Schmerzen. Ihre Yakovlev sieht böse aus. aber sie fliegt, mit Lidiya, die alles tut, um nur ja nicht über feindlichem Gebiet abspringen zu müssen. Lilya verliert Blut – die Minuten werden zu Stunden.
Irgendwann einmal hat sie es dann doch geschafft! Da ist der eigene Flugplatz! Endlich! Lidiya kurvt ein, fährt das Fahrwerk aus. Dann ist sie unten. Mitten auf der Rollbahn kommt die schwarz-grüne Yak-1 zum Stehen.
Lidiya verliert das Bewusstsein.
Sofort leistet man ihr erste Hilfe. Doch damit ist es dieses Mal nicht getan. Die junge Russin muss ins Lazarett und wird nach Moskau gebracht.
Dort hält sie es nicht lange aus. Das soll es ja auch auf deutscher Seite gegeben haben. Nur dürften die Tricks, die angewandt werden, um aus der Behandlung vorzeitig entlassen zu werden, etwas unterschiedlich sein. Lidiya fällt es jedenfalls nicht schwer, bald wieder in einen Transport an die Front zu gelangen.
Wenig später ist sie wieder in ihrem Regiment bei Alexei Solomatin.
Das neue Jagdflugzeug der tatendurstigen jungen Russin ist eine optisch sehr elegant wirkende Maschine. Yakovlev hat seinen Entwurf überarbeitet und den hinteren Rumpfanteil der Yak-1 vertikal verschmälert, den Rumpfrücken abgeflacht. Dadurch kann die Cockpithaube in moderner Weise voll auf den Rücken des Flugzeuges aufgesetzt werden, was die Rundumsicht für den Piloten deutlich verbessert. Im Gegensatz zu den deutschen Focke-Wulf-Piloten, die eine ähnlich gute Aussicht aus ihrer Kanzel genießen, werden die Flugzeugführer der Messerschmitt Bf 109 bis zum Kriegsende nicht mit einer derartigen Übersicht verwöhnt werden. Auch die Leistungsdaten des neuen Flugzeugtyps, der Yak-1b, sind deutlich verbessert. Das Jagdflugzeug ist in hohem Maße konkurrenzfähig und ein gefährlicher Widersacher für die deutschen Jagdflieger – zumindest in der Hand eines guten Piloten.
Oder einer guten Pilotin! Die deutschen Gegner bekommen es zu spüren. Obwohl sie noch nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte ist, schießt Lidiya am 5. Mai 1943 eine Me 109 vom Himmel. Als Baranov ihren Zustand sieht nach erfolgter Landung, weigert er sich, den frisch gebackenen Mladshii Leitenant an diesem Tage noch einmal fliegen zu lassen.
Am 7. Mai 1943 wiederholt Lidiya ihren Erfolg. Wieder fällt ihren Geschossen eine Me 109 zum Opfer. Mayor Nikolai Baranov kann sie nicht mehr davon abhalten zu starten. Einen Tag zuvor, am 6. Mai 1943, hatte es ihn selber erwischt. Lidiyas „Batya“ hatte es noch fertig gebracht, aus seiner in Flammen aufgehenden Yak herauszukommen. Doch der Fallschirm hatte bereits Feuer gefangen.
Hilflos müssen seine Kameraden zusehen, wie ihr Regimentskommandeur in den Tod stürzt, eine lange Rauchfahne brennenden Fallschirmtuches hinter sich her ziehend. Ein fürchterlicher Schock.
Besonders wohl für Baranovs besten Freund Solomatin. Sicher auch für Lidiya, die aber in Solomatin Halt und Stütze findet. Bis zum 21. Mai 1943.
Alexei Frolovich Solomatin ist neuerdings zum Kapitan befördert worden. Vor zwei Wochen hatte er die höchste Tapferkeitsauszeichnung erhalten, die Stalins Militärhierarchie vergeben kann. Er ist nun ein „Held der Sowjetunion“ und hat 17 persönliche und 22 anteilige Luftsiege erzielt!
22. März 1943
Flugzeugtyp: |
Yakovlev Yak-1 |
Nationalität: |
VVS (Sowjetische Luftwaffe) |
Einheit: |
73. GvIAP (Garde-Jäger-Regiment) |
Pilot: |
Serzhant Lidiya Litvyak |
Stationierung: |
Donez-Region, Ukraine, 22. März 1943 |
Flugzeugtyp: |
Junkers Ju 88 A-4 |
Nationalität: |
Luftwaffe |
Einheit: |
9. Staffel (III. Gruppe)/KG 3 |
Flugzeug: |
möglicherweise Werknummer 144642 |
Stationierung: |
22. März 1943, Verlust bei Barwenkowo |
Hinweis: die Karte zeigt im Gegensatz zu den Frontverlaufskarten den Nachkriegsgrenzverlauf, da hier die Lokalisation des Ortes aus heutiger Sicht im Vordergrund steht.
Yakoviev Yak-1, 73. GvIAP, Serzhant Lidiya Litvyak.
Lidiya Litvyak.
Junkers Ju 88 A-4 der 9. Staffel des KG 3, am 22. März 1943 ging eine Ju 88 der 9./KG 3 verloren.
An diesem Tag übt der Staffelkapitän über dem Flugplatz mit einem neu angekommenen Ersatzpiloten die ersten Schritte im Luftkampf. „Bleiben Sie an mir dran wie eine Klette ...!“
Solomatin fliegt eine jüngst reparierte Yak. Ihre Steuerung hält die Flugmanöver des versierten Jagdflieger-Asses nicht aus. Vor den Augen des gesamten entsetzten Regimentes kommt das Jagdflugzeug Solomatins ins Trudeln. Es gelingt ihm nicht, die Gewalt über die Maschine zurückzuerlangen.
Sekunden später zerschellt die Yakovlev mit Lidiyas Hoffnung an Bord mitten auf dem Flugplatz.
In Mladshii Leitenant Litvyak geht eine Veränderung vor. Lidiya hatte Solomatin verehrt, so hatte sie es auch immer gesehen und ihrer engen Vertrauten Ina Pasportnikova gebeichtet. Dass sie ihn liebe, kam nie über ihre Lippen. Zu sehr wohl ist die junge Frau innerlich mit ihrer Bestimmung verhaftet, fixiert auf ihre Aufgabe, ihrem Vater verpflichtet.
Erst als Solomatin tot ist, realisiert die junge Russin, was allen anderen, die Augen im Kopfe haben, längst klar ist – außer ihr selber. Wie sehr sie Losha doch geliebt hatte!
Es existiert ein aufschlussreicher Brief, den Lidiya an Solomatins Mutter schreibt. Alexei sei nicht „ihr Typ“ gewesen – eigentlich, so schildert Lidiya den ersten Eindruck, den sie von Solomatin hatte. Aber seine beständige ausdauernde Werbung um sie und seine tiefe Liebe zu ihr habe ihre Wirkung nicht verfehlt. Sie bedauere es zutiefst, dass sie dies erst jetzt in vollem Umfang erkenne, in der Stunde seines Todes. Jetzt wisse sie, dass auch sie ihn geliebt habe, und sie werde nie mehr jemanden treffen können, der ihm gleich kommen könne.
Wäre sie nicht in eine andere Staffel [des Regimentes] versetzt worden, dann wäre sie über Rostow am Don wohl auch nicht abgeschossen worden ... (denn dann hätte Solomatin sie herausgehauen, Anmerkung des Verfassers).
Lidiya schildert einen Traum. Sie steht vor einem wild schäumenden Fluss, es ist völlig unmöglich, ans andere Ufer zu schwimmen. Solomatin steht auf der anderen Seite und ruft sie, intensiv, er ruft sie mit Tränen in der Stimme. „Zuletzt hat es Batya doch geschafft, mich zu sich zu holen, er hat es ohne mich nicht ausgehalten!“ Losha ruft erneut, lockt sie. „Liebste Lili, Lilka, kommst Du nicht zu mir?“
„Lilka“ antwortet im Traum: „Wenn sie mich zu Dir lassen ...!“ Und weiß doch, dass sie über den tosenden Fluss nicht schwimmen kann. Dann sei sie aufgewacht. *11
Von nun an kämpft Lidiya geradezu todesverachtend erbittert. Waghalsig, alle Gefahren missachtend – als lege sie es darauf an. Sie fällt durch diese unerschrockene Kampftaktik unter den sowjetischen Jägerpiloten auf, auch den Deutschen wird die Yak-1b mit der weißen „Rose“ durch Berichte von Gefangenen ein Begriff.
Über Troizkoje beobachten die Deutschen die Wirkung ihres Artilleriefeuers mit Hilfe eines Heißluftballons, der an Kabeln mit dem Boden verankert ist und blitzartig eingeholt werden kann. Das Geschützfeuer wird von da oben mit tödlicher Präzision gelenkt und hat verheerende Wirkung. Es hat bereits mehrere Versuche gegeben, den Ballon zu zerstören – doch die Flakartillerie um den Artilleriebeobachter herum ist mörderisch. Bevor die Jäger an den Panorama-Aussichtsposten herankommen, ist er an den Halteseilen bereits eingeholt.
Lidiya fliegt in einem weit ausholenden Bogen um den Ballon herum tief ins deutsch besetzte Hinterland. Dann nähert sie sich von hinten, völlig überraschend aus einer unerwarteten Richtung. Sie zerstört den Ballon im ersten Anflug. Und wird gefeiert. Es ist der 31. Mai des Jahres 1943.
Der Sommer kommt, die Kämpfe werden immer erbitterter. Im Juni 1943 versucht der neue Regimentskommandeur I.V. Golyshev, ein gemeldetes deutsches Aufklärungsflugzeug abzufangen. Lidiya fliegt mit ihm, prompt geraten sie an den deutschen Begleitschutz. Es sind vier Me 109. Golyshev wird verwundet, Lidiya boxt ihn heraus und deckt seinen Rückzug. Nicht, ohne selber böse „gerupft zu werden“. Als sie mühsam landet, finden sich zehn große Löcher in ihrer Yak-1b. Auch sie selber ist verwundet.
Es hört nicht auf. 16. Juli 1943. Golyshevs Yaks greifen eine Formation von etwa 30 Junkers Ju 88 an, gedeckt von etwa sechs Me 109. Lidiya wird schon zu Beginn des Ringens verwundet, kämpft aber unbeirrt weiter. Nach den sowjetischen Erfolgsmeldungen gelingt ihr der Abschuss einer Junkers Ju 88 und einer Me 109.
Was den Flugzeugtyp Ju 88 ergibt, so ist dieser Abschuss nicht nachvollziehbar. Im weiteren Umkreis der Ukraine geht an diesem Tag nur eine Ju 88 verloren, doch es handelt sich um eine (in der Regel einzeln fliegende!) Aufklärungsmaschine Ju 88 D-1 der 2.(F)/22. Dieser Verlust passt nicht zu einem Verband von 30 Bombern. Bei einer weiteren Ju 88 A-14 der 5./KG 3 wird „Motorschaden“ als Beschädigung angegeben, ein Bruch zu 35 % ist zudem kein Abschuss. Er mag dem Gegner allerdings als solcher erscheinen, und ganz eindeutig ist die Angabe der Ursache nicht. Aber fast eindeutig, denn üblicherweise wird bei Luftkämpfen der Begriff „Bordwaffenbeschuss“ o.ä. vermerkt, nicht ein „Schaden“ irgendwelcher Art. Eine Ju 88 A-4 der 8./KG 51 soll durch „Flakbeschuss“ abgeschossen worden sein. Die III./KG 51 war jedoch in Mittelrussland bei Brijansk eingesetzt, ebenso wie die II. Gruppe des KG 51, welche eine Ju 88 A-4 ebenfalls durch „Flakbeschuss“ zu 25 % nach Bauchlandung in Karatschew einbüßt. Das liegt über 600 Kilometer von der Region um Krasnyi Lutsch entfernt. Alle anderen Verluste dieses Flugzeugtyps kommen räumlich nicht infrage, liegen teilweise in Italien, Frankreich oder Deutschland. In Bezug auf die Erfolgsmeldung einer abgeschossenen Me 109 kommen Verluste des JG 3 in Betracht, in einem Fall der 5. Staffel ist konkret von einem Luftkampf mit Yak-1 (Yak-1b?) die Rede. Nun, von denen gab es allerdings an der „Ostfront“ mehr als genug ...!
Lidiya Litvyak hat alle Hände voll zu tun, sich in diesem Schlagabtausch ihrer Haut zu wehren. Sie löst sich mühsam vom Gegner und versucht, ihre angeschossene Yak-1b nach Hause zu fliegen. Die Deutschen sind keine leichten Gegner, und sie wollen es wissen heute!
Auf dem Rückflug wird Mladshii Leitenant Litvyak erneut angegriffen – und zusätzlich verwundet! Es zeugt von ihren hohen fliegerischen Fähigkeiten, dass sie wieder entkommen kann. Sie ist fix und fertig, als sie landet.
Aber nicht geschlagen – nicht andeutungsweise. Als der Regimentsarzt ihr Bein und ihre Schulter untersucht, lehnt sie jede medizinische Betreuung in einem Feldlazarett strikt ab. „Ich fühle mich gut genug zum Kämpfen“, ist ihr lapidares Statement.
Ob sie über irgendwelche merkwürdigen Ecken mit einem gewissen Hans-Ulrich Rudel verwandt ist?
Der hat sich inzwischen im Kursker Bogen einen Namen gemacht, Hunderte Kilometer weiter nördlich der Ukraine, jenes Luftraumes, in welchem Lidiya Litvyak ihren „Mann“ steht.
Inzwischen sind dort heftige Gegenoffensiven der Roten Armee im Gange. Bei Orel und Brijansk wird erbittert gekämpft, die Deutschen sind schwer bedrängt in der Defensive. Schon bald wird sich das gesamte Ausmaß der sowjetischen Reserven an Männern im kampffähigen Alter zeigen – und die Fähigkeit, Nachschub im Überfluss zu produzieren.
Im Kampfraum um Kursk hat sich so manche Prominenz versammelt – auf beiden Seiten.
Weit ab im Süden Russlands halten andere den Kopf hin – bekanntere und weniger umjubelte Persönlichkeiten, doch in jedem Falle Menschen ...
Am 19. Juli 1943 schlägt das Schicksal erneut zu.
Mladshii Leitenant Litvyak fliegt eine Begleitschutzmission für Iljuschin Il-2 „Stormovik“-Schlachtflugzeuge. Die Deutschen greifen an, versuchen, die schwer gepanzerten Tiefflieger an der Ausführung ihres Kampfauftrages zu hindern. Lidiya schießt erneut eine Me 109 vom Himmel.
Die Messerschmitt-Piloten revanchieren sich oft genug, besonders schmerzhaft bei einem anderen Einsatz heute. Es ist wieder eine Begleitschutzmission, und ein verzweifelter Luftkampf über Woroschilowgrad (heute: Luhansk) entbrennt. Der Tag ist heiß, der Kampf nicht minder. Die russische Pilotin zerstört eine Me 109, eine weitere entkommt ihr mit einer schwarzen Rauchfahne hinter sich. Doch auch ihre eigene Yak ist schwer getroffen. Die Russin kann ihr angeschossenes Jagdflugzeug noch im Niemandsland notlanden. Doch als Bauern sie aus dem Wrack herausziehen, ist sie schon tot.
Es ist Starshii Leitenant Yekaterina Vasilevna Budanova. Sie wird am Ortsrand von Novokrasnovka begraben. Ein Ort dieses Namens existiert 30 Kilometer südöstlich von Krasnyi Lutsch. Zu diesem Zeitpunkt schreibt man ihr elf Luftsiege zu, allerdings nur fünf davon als alleinigen persönlichen Erfolg.
Zuerst Baranov, dann Losha Solomatin, jetzt Katya Budanova. Es ist mehr, als Lidiya wirklich ertragen kann. Sie ist ein Schatten ihrer selbst, und sie hasst die Deutschen inbrünstig aus tiefstem Herzen!
Oft sieht man sie alleine spazieren gehen. Alleine – so, wie sie sich nun fühlt.
Nur zwei Tage später wird sie erneut gefordert. Es ist der 21. Juli 1943. Der Luftkampf ist hart, und wieder hat sie es mit Messerschmitt Bf 109 zu tun. Auch ihr Regimentskommandeur Golyshev ist dabei. Es ist sein letzter Kampf.
Ivan Golyshev fällt. Und Lidiya? Sie erwischt wieder eine Me 109, wird dann aber selber getroffen. Sie muss mit dem Fallschirm abspringen.
Der August bricht an. Es sind noch zwei Wochen bis zu ihrem 22. Geburtstag. Und dieser fürchterliche Krieg will kein Ende nehmen.
Lidiya Litvyak tut ihre Pflicht. An diesem ersten August startet sie wieder einmal mehrfach. Inzwischen sind die Jagdflugzeuge auf einem Flugplatz in der weiteren Umgebung der Stadt Krasnyi Lutsch stationiert, welche sich noch in deutscher Hand befindet. Die Yak-1b mit der auffälligen Lilien-Kennzeichnung trägt die weiße Nummer 23 . Viermal startet sie heute, in ihrem dritten Feindflug ist sie am Abschuss einer Me 109 mitbeteiligt. Nun ist sie das vierte Mal in der Luft. Das letzte Mal heute.
Nicht nur für heute.
Sie bekommen es mit etwa 30 Junkers Ju 88 zu tun, gedeckt von zwölf Me 109. Ivan Ivanovich Borisenko schreibt später in einem Brief: *12
„Lily sah die Messerschmitts nicht, die als Deckung für die Bomber flogen. Ein Rottenpaar von ihnen stürzte sich auf sie. Als sie das bemerkte, drehte sie ein und stellte sich ihnen. Dann verschwanden sie hinter einer Wolke.“
Borisenko berichtet, er habe selber alle Hände voll damit zu tun gehabt, sich seiner Haut zu wehren, und sei um sein Leben geflogen. Durch eine Wolkenlücke habe er einen Blick auf Lidiyas Yak werfen können. Sie habe eine Rauchfahne hinter sich hergezogen und sei von mehreren Me 109 verfolgt worden.
Borisenko erinnert sich dann später bezüglich des Begriffes „mehrere“ genauer, es seien ganze acht deutsche Jagdflieger nötig gewesen, um Lidiya zu besiegen. Dies ist nicht plausibel und scheint eher einer späteren Heroisierung der blonden Heldin zu dienen, denn dann wären höchstens noch drei der ursprünglich zwölf und nach einem postulierten Abschusserfolg Lidiyas drei von nun noch elf Me 109 übrig geblieben, um den Rest der mindestens sechs Yaks so intensiv zu beschäftigen, dass Borisenko in größter Not „um sein Leben fliegen“ muss. Immerhin ist das spätere Jagdflieger-Ass mit 25 Abschüssen auch kein Anfänger und bereits ebenso lange im Einsatz wie die blonde Regiments-Kameradin.
Reina Pennington spricht in „Wings, women & war“ dann auch glaubhafter von zweien. Zwei weiteren, denn eine der angreifenden sei von Lidiya zuvor noch zur Strecke gebracht worden ...
Wie viele auch immer es gewesen sein mögen, für Lilya ist es eine zu viel heute!
Ihr schlimmster Alptraum wird wahr! Der Luftkampf findet über feindlichem Territorium statt! Keiner sieht sie abstürzen. Als die Überlebenden des Luftkampfes landen, sollen männliche Kameraden des Blondschopfes bei der Nachricht ihres Verschwindens weinend zusammen gebrochen sein.
Das Entschwinden ihrer Yak in den Wolken ist das letzte, was man von Lidiya Vladimirovna Litvyak sieht. Wenig später erobern sowjetische Truppen das Gebiet, über welchem Sie abgeschossen wurde. Sie ist bekannt genug, sodass nach ihr gesucht wird. Intensiv sogar. Sie bleibt verschollen. Und genau so steht es in ihrer Personalakte. „Spurlos verschwunden“.
Was die nachträgliche Verleihung des Ordens des „Helden der Sowjetunion“, der ihr bei zwölf alleinigen und drei anteiligen Abschüssen normalerweise zuerkannt würde (der Ballon ist noch nicht einmal mitgezählt), zuverlässig verhindert. Ihre Akte hat ganz genau den Makel, vor dem sie sich mehr gefürchtet hat als vor dem Tode selbst. Prompt rumoren Spekulationen über ihre Gefangennahme ...
Ina Pasportnikova ruht nach dem Kriege so lange nicht, bis sie herausfindet, was tatsächlich geschehen ist. Lidiya hatte verzweifelt versucht, eigenes Gebiet zu erreichen, und war deshalb weit weg von der Stelle notgelandet, an der man sie gesucht hatte. Nahe des Ortes Dimitriyevka im Schachtërskij Distrikt hatten Bauern eine bruchgelandete Yak gefunden, mit einer toten jungen Frau im Cockpit. Sie sei recht klein gewesen, blond, mit einer Wunde am Kopf.
Sie war begraben worden, wo sie starb.
Es ist der einzige Verlust einer Pilotin an diesem Tag. Im Jahr 1990 wird Lidiya Litvyak vom sowjetischen Staatschef Mikhail Gorbatchov in allen Ehren rehabilitiert.
Ihre Personalakte endet nun mit „gefallen“ ...
*1entnommen aus „A Dance with Death“, Texas A & M University Press/Anne Noggle.
*2Quelle „Schlacht um Stalingrad” – Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942/Tosa im Verlag Carl Ueberreuter GmbH 2006/Will Fowler, Seite 181f.
*3Quelle: “Black Cross, Red Star” Volume 3/Eagle Editions Limited/Christer Bergström und Andrew Dikov und Vlad Antipov und Claes Sundin.
*4Der Autor ist im Studium der Quellen zu diesem Buch selten mit so viel Widersprüchen konfrontiert worden wie in Bezug auf die schillernde Persönlichkeit und kurze Lebensgeschichte Lidiya Litvyaks. Die Autoren Christer Bergström, Andrew Dikov, Vlad Antipov und Claes Sundin schildern in ihrem Buch „Black Cross, Red Star” Volume 3 auf Seite 168 jenen Einsatz und definieren das Datum auf den 27. September 1942, der 13. September – wie er sich hier und da finde – sei ein Missverständnis. Reina Pennington sieht in ihrem Buch
„Wings, Women & War”/University Press of Kansas 2001 dieses Missverständnis exakt entgegengesetzt. In der „Geschichte der 8. [sowjetischen] Luftarmee“ erscheine dieses Ereignis laut dieser Autorin zwar irrtümlich am 27. September, in allen persönlichen Quellen und sämtlichen Archivunterlagen jedoch sei ausnahmslos der 13. September genannt.
Bergström et alii definieren übereinstimmend mit fast allen Quellen den ersten Abschuss Lidiyas in diesem Luftkampf als eine Ju 88, erzielt in ihrer Rolle als Deckungsmaschine für den Regimentskommandeur ihres IAP, Mayor Khvostikov ( 437. IAP ! ). Dieser fliegt angeblich eine Yak-1 (sein Regiment ist mit Ausnahme der vier Frauen mit La-5 ausgerüstet ...?). Sie schildern den Einsatz im Detail aber ansonsten gemäß der Buchquelle „Night Witches”/Presidio Press 1981/Bruce Myles, Seite 93 ff, auf welche in einer Fußnote verwiesen wird. Dort im Original nachgelesen ist allerdings „Mitte September“ von Heinkel He 111 als Gegnern die Rede, nicht von Ju 88, ferner davon, dass Lidiya eine Yak-9 fliege. Diese Details, welche allen anderen dem Autor bekannten Quellen zu diesem Luftkampf widersprechen (nach denen Litvyak zudem überhaupt nie eine Yak-9 flog), finden sich in Bergström et alii’s Darstellung nicht. Bergström et alii übernehmen diese beiden Einzelheiten also ausdrücklich nicht von Bruce Myles, wohl aber die Namen Solomatin ( 296. IAP ) und Baranov (Mayor Nikolai Baranov, 296. IAP). Angeblich sei Litvyak laut Bergström und letztlich Bruce Myles als „Flügelmann“ Solomatins geflogen und auf dem Flugplatz bei der Landung von einem grinsenden Baranov erwartet worden. Dies ist jedoch erst möglich nach der Überstellung Litvyaks zum 296. IAP, also nach ihrer Zeit im 437. IAP, mit dessen Regimentskommandeur Mayor Khvostikov zusammen sie doch ausdrücklich laut Bergström et alii (und auch gemäß Reina Pennington) diesen Einsatz geflogen sei, der folgerichtig in ihre Phase beim 437. IAP einzuordnen sein muss. Die spätere Versetzung zum 296. IAP erfolgte aber erst im Januar 1943 ...! Starshii Leitenant Alexei Frolovich Solomatin kann somit „Mitte September“ 1942 gar nicht Litvyaks „Para“-Führer (Rottenführer) gewesen sein – und Baranov hat noch keinen Grund zu grinsen ...
*5Hinweis des Autors: solche Begriffe mögen vielleicht aus heutiger Sicht befremden. Doch damals sorgte eine perfide Propaganda auf allen Seiten dafür, dass man vielfach die Gegner so sah, vor allem in Russland. Der sowjetische Befehl Nr. 4 vom 1. September 1942 an die Streitkräfte der Stalingrad-und Südwestfront enthält den Satz „Hitlers brutale Horden rücken über Berge von Leichen ihrer eigenen Soldaten und Offiziere in Richtung Stalingrad und an die Wolga vor. [...] Nicht einen Schritt zurück! [...]Tod dem deutschen Eindringling!“ Gezeichnet von A. Jerjomenko und keinem Geringeren als Nikita Chrustschow. Das Zitat ist entnommen aus Quelle „Schlacht um Stalingrad” – Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942/Tosa im Verlag Carl Ueberreuter GmbH 2006/Will Fowler.
*6gemäß „Stalin’s Falcons“/Grub Street London 1999/Tomas Polak mit Christopher Shores, flog Litvyak Nr. 32 …! „Troika“ steht auch für „Dreigespann“ und einen russischen Volkstanz.
*7Hinweis des Verfassers: dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die zeitliche Angabe „Mitte September“ in der Buchquelle “Night Witches”/Presidio Press 1981/Bruce Myles, Seite 96 ff nicht zutreffen kann. Denn nach übereinstimmender Datenlage waren die im September vom 586. IAP versetzten acht Frauen die ersten Jagdfliegerinnen, welche in männliche Regimenter transferiert wurden, vgl. unter anderem
“Wings, Women & War”/University Press of Kansas 2001, Reina Pennington, Seite 130. Das erste Quartett, bestehend aus den Pilotinnen Lebedeva, Necheva, Blinova und Shakova, wurde zum 434. IAP versetzt, von dort zum 653. IAP. Von diesen vier Frauen kommt also keine für Baranovs 296. IAP infrage, jedenfalls nicht Mitte September, denn dies war der Zeitpunkt der allerersten Transfers. Über das zweite Quartett wurde bereits berichtet. Es wurde Mitte September dem 437. IAP unterstellt. Welche beiden Pilotinnen sollen also „einige Wochen vor“ September 1942 in Baranovs Jägerregiment versetzt worden sein? „Einige Wochen vor“ Januar 1943 wäre dies denkbar. Der Rang Baranovs wird im Übrigen unterschiedlich angegeben, bisweilen findet sich auch die englische Bezeichnung „Colonel“ (russisch = Polkovnik).
*8*9Im Originaltext wird der Rang Litvyaks mit „Lieutenant“ und jener Solomatins mit „Captain“ angegeben. Gemäß „Stalin’s Falcons“/Grub Street London 1999/Tomas Polak & Christopher Shores, war Lidiya „Mitte September 1942“ Serzhant (ab Mai 1943 Mladshii Leitenant) und Solomatin Starshii Leitenant (ab Mai 1943 Kapitan). Die angegebenen Dienstgrade sprechen also auch für einen späteren Zeitpunkt, der im Kontext mehrfach negiert wird. Sie würden keinesfalls in den September 1942, sondern erst sehr spät, nämlich erst nach Mai 1943 passen und wurden daher vom Autor im Text für den plausiblen Zeitrahmen Anfang des Jahres 1943 auf Serzhant Litvyak und Leitenant Solomatin korrigiert.
*10Quelle “Night Witches”/Presidio Press 1981/Bruce Myles, Seite 116 ff
*11Quelle: “Wings, Women & War”/University Press of Kansas 2001, Reina Pennington, Seite 139.
*12Quelle “Night Witches”/Presidio Press 1981/Bruce Myles, Seite 232.