Die Deutschen können auch großzügig sein. Die italienischen Zivilisten, die größtenteils jene clever angelegten tief gestaffelten Verteidigungsanlagen bauen, erhalten einen durchaus akzeptablen Lohn und Sonderzuteilungen an Lebensmitteln – auch Tabakrationen. Sie danken es den Deutschen mit einer recht engagierten Arbeitsleistung. Die Abwehrlinien nehmen zügig Gestalt an.
Die Bunker, Geschützstellungen und Unterstände werden in den Fels gesprengt und sind so angeordnet, dass sich ihr Schussfeld mehrfach überlappt. Die Feuerbereiche werden von jeder irgendwie entfernbaren Deckung für den Gegner frei geräumt. Panzerplatten schützen die Maschinengewehrnester oben und an den Seiten, andere Feuerstellungen bestehen aus Eisenbeton. Im Vorfeld dieser Bergstellungen verwehren Minen und Stacheldrahtverhaue den alliierten Soldaten wirksam die Annäherung. Jeder Vormarschweg und jede denkbare Angriffsrichtung liegt im Feuer von Geschützen und Granatwerfern, welche in guter Deckung hinter der Front eingegraben sind und auf den Feind warten. Zudem werden Panzer und Sturmgeschütze in Häusern versteckt. Sie sind so postiert, dass sie sich jederzeit zurückziehen können, aber die Vormarschrouten des Feindes im Blick ihrer Visiere haben.
Der deutsche Pionier-General Besell leistet ganze Arbeit, unterstützt von der Organisation „Todt“, deren Techniker auf die Errichtung solcher Anlagen spezialisiert sind. Generalfeldmarschall Kesselring persönlich tut seinen Teil und inspiziert unermüdlich das Werk seiner Fachleute. Die verlegen immerhin 75.000 Minen, darunter einige besonders teuflische Typen. Eine Variante explodiert beim Auftreten nicht sofort, sondern springt etwa einen Meter in die Luft und zerlegt sich erst dann in glühende Metallteile, die zerstörerisch in alle Richtungen fetzen. Noch gemeiner ist die „Schuhmine“, die selten einen Soldaten tötet, doch mit ihrer Sprengkraft meistens den Fuß oder – beim Vorwärtsrobben – die Hand abreißt. Dafür ist dieser Sprengkörper praktisch nicht auffindbar, da sein Gehäuse aus Holz besteht. Die Minenräumdetektoren der alliierten Pioniere reagieren aber nur auf vergrabenes Metall.
Im Westen der italienischen Halbinsel gibt es nur wenige halbwegs brauchbare Vormarschstraßen. Die antike „Via Appia“ führt an der Küste entlang und heißt jetzt Staatsstraße Nr. 7. Sie ist auf der einen Seite von schroffen Berghängen begrenzt, auf der anderen Seite vom Meer. Später führt sie durch Sümpfe. Beide Gegebenheiten bieten jedem Verteidiger geradezu ideale Sperrmöglichkeiten.
Ein massierter Vorstoß hier ist militärischer Unsinn – er bringt außer Verlusten mit höchster Wahrscheinlichkeit nichts ein. Bleibt also die „Via Casilina“ – oder Staatsstraße Nr. 6. Sie führt letztlich ins Tal des Flusses Liri, welches breit genug ist, um Panzern ihre militärische Entfaltung zu ermöglichen. Und damit die überlegenen Materialmengen der Alliierten zur Geltung zu bringen.
Wenn die das Liri-Tal – lebend – erreichen. Denn dazu müssen sich die amerikanischen, englischen, kanadischen, neuseeländischen, französischen, algerischen, marokkanischen, tunesischen, italienischen, polnischen, indischen und nepalesischen Kämpfer erst einmal ins Liri-Tal vorankämpfen. Um hierher zu gelangen, müssen sie durch drei deutsche Verteidigungsstellungen hindurch – die in zunehmender Stärke diesen Weg versperren.
Sie nennen sich von Süd nach Nord: „Barbara-Linie“, danach als vorgeschobene Teilbefestigung der hintersten Stellung die „Bernhard-Linie“, schließlich die unüberwindlichste von allen: „Gustav-Linie“.
Zuerst führt der dornenreiche Weg durch die so genannte„ Mignano-Enge“, ein schmales Tal, von steilen Bergen mit gut ausgebauten Abwehrlinien flankiert. In der Mitte des Korridors ragt zudem ein weiterer Berg in die Höhe – der Monte Lungo, der neben der Eisenbahnlinie nach Rom und der Staatsstraße Nr. 6 dem Vordringen trutzt. Selbstverständlich ist auch er stark befestigt.
Danach muss der kleine, aber schnell fließende Fluss Rapido überwunden werden, der von seiner Fließgeschwindigkeit her seinen Namen hat. Wäre die nicht schon gefährlich genug, tut das jahreszeitliche Hochwasser ein Übriges, um den Rapido zum reißenden Gewässer anschwellen zu lassen.
Rapido und Liri vereinen sich zum Garigliano, der zum Meer nach Westen abfließt. Hinter dem Garigliano öffnet sich das Liri-Tal. Doch der Eingang in das begehrte Tal ist von massiven Sperrstellungen verwehrt und von einem imposanten Berghügel beherrscht, an dessen Fuß die kleine Stadt Cassino liegt und auf dem majestätisch die altehrwürdige Benediktinerabtei des Monte Cassino thront.
Des Monte Cassino, der als „Berg des Todes“ in die Kriegsgeschichte eingehen soll ...
Der Luftraum über dem Kriegschauplatz in Italien gehört bereits unwiderruflich den Flugzeugen mit dem weißen Stern oder der blauweiß-roten Kokarde. Was immer sich auf dem Boden nördlich der Front bewegt oder wehrt, muss mit einem üppigen Bombenhagel und Bordwaffenbeschuss rechnen.
Natürlich bleiben auch die deutschen Kampfflieger nicht untätig. Beispielsweise wird der wieder instand gesetzte Hafen von Neapel von den Junkers Ju 88 der Kampfgeschwader heimgesucht. Allerdings können sich die Mittelstreckenbomber der Luftwaffe fast nur nachts einigermaßen erfolgreich bewegen – und haben es dann immer noch mit der gut organisierten alliierten Nachtjagd in Italien zu tun. Am Tage werden von den zweimotorigen deutschen Maschinen allenfalls höchst gefährliche Aufklärungseinsätze geflogen, während die Last der Erdkampfunterstützung auf einem einzigen Geschwader ruht, dem Schlachtgeschwader 4. Dessen Jagdbomber des Typs Focke-Wulf 190 A-5, A-6, F-3, G-3 sind das Einzige, was die deutsche Luftwaffe bei „Büchsenlicht“ am Tage zur Entlastung der schwer bedrängten Landser und Fallschirmjäger am italienischen Boden noch aufbieten kann.
Abgesehen von den Jagdfliegern des JG 53 und JG 77 – die ebenfalls mit dem Rücken an der Wand agieren. Seit 24. September 1943 müssen die ohnehin – verglichen mit der Anzahl ihrer Gegner – zahlenmäßig zur Bedeutungslosigkeit geschrumpften Jagdverbände in Italien auch noch ohne die IV./JG 3 auskommen, die ins Reich zurückbeordert wird und ihre restlichen zwölf Me 109 an die I./JG 77 abgibt. Zwölf Me 109 – das also ist der Rest einer Gruppe! Es ist gerade die Sollstärke einer Staffel! Immerhin hatte die IV./JG 3 innerhalb der vergangenen drei Monate einschließlich der „Herausschüsse“ 66 Luftsiege vermelden können und dabei „nur“ 13 Gefallene/Vermisste zu beklagen bei ebenso vielen Verwundeten. Allerdings sind 82 Flugzeuge durch „Feindeinwirkung“ verloren gegangen – der kleinere Teil davon durch Abschuss im Luftkampf. Die Zerstörungen durch die pausenlosen Bomben- und Tieffliegerangriffe am Boden wirken sich weit höher auf den „Klarstand“ der Jägergruppen aus ...
Im Oktober 1943 wird dann noch die völlig ausgeblutete III./JG 77 zur Auffrischung nach Rumänien zurückverlegt.
Und die II./JG 53 in die Reichsverteidigung nach Österreich. Für die verbleibenden deutschen Jagdflieger in Italien wird die ohnehin hoffnungslose Übermacht ihrer alliierten Gegner geradezu grotesk.
Wie der verzweifelte Abwehrkampf des letzten „Häufleins“ an Flugzeugführern in den Jagdflugzeugen mit dem Balkenkreuz auf dem Rumpf und den Tragflächen über Italien nun aussieht, ist einem Einsatz der I./JG 77 am 2. November 1943 zu entnehmen. Von diesem Flug des Gruppenstabes und der 1. sowie 2. Staffel im Luftraum über der Mignano-Enge und Cassino kommt Unteroffizier Huwer zunächst nicht zurück. Später taucht er doch wieder auf – ohne nennenswerte Blessuren. Auch seine Messerschmitt ist mit 30 % Schaden noch glimpflich davongekommen.
Weniger Glück hat Leutnant Karl Eberle, Adjutant im Gruppenstab der I./JG 77. Er muss den Rest des „Haufens“ vorzeitig verlassen und alleine nach Centocelle zurückfliegen, da der Motor seiner „109“ (Werknummer 140016) zu mucken beginnt. Für die vier Spitfires, die prompt den einsamen deutschen Jäger erwischen, ist die „lahme Ente“ ein „gefundenes Fressen“.
Eberle hat in seiner ohnehin technisch unterlegenen, nun leistungsmäßig noch mehr abgeschlagenen „Beule“ (Me 109 G-6) gegen die vierfache Übermacht keine Chance. Innerhalb von Sekunden verwandelt sich das deutsche Jagdflugzeug in ein angeschossenes Wrack.
Raus – nichts wie raus! Eberle zieht mit der linken Hand den Notabwurf der Kabinenhaube.
Irgendwie tut sich da nichts. Eberles Gehirn gibt den Befehl an den Arm – doch der gehorcht nicht. Als der deutsche Pilot im extremen Stress des Todeskampfes hinsieht, erkennt er ungläubig, warum das so ist. Dort, wo die neuralen Impulse seines Willens Gehorsam erwarten, dort – ist nichts.
Sein linker Arm existiert nicht mehr. Ein Geschoss der beiden Kanonen, über die jede Spitfire dieser Zeit verfügt, hat ihn glatt abgetrennt. Der Schock wäre lähmend – ginge es jetzt nicht ums Ganze!
Mit dem rechten Arm gelingt es Eberle schließlich, aus seiner Messerschmitt herauszukommen.
Abschüsse des JG 77 sind am 2. November 1943 nicht zu vermelden.
Am Morgen des 17. November 1943 findet in Guidonia nordöstlich von Rom eine Lagebesprechung statt, welche der Oberbefehlshaber der Luftflotte 2, Generalfeldmarschall von Richthofen, einberufen hatte. Die Besprechung kommt einer Krisensitzung gleich, an welcher nicht nur alle Kommandeure der in Italien kämpfenden Jagdverbände teilnehmen, sondern auch ausgewählte Flugzeugführer. Von Richthofen will endlich Klarheit erlangen, woran das „Versagen“ der in seinem Verantwortungsbereich fliegenden Jagdeinheiten denn liegen mag. Und was für die „schlechte Moral“ denn verantwortlich sei.
Offenbar ist von Richthofen nun endlich bereit, auch zuzuhören. Die Zusammenkunft dürfte für ihn wenig erfreulich verlaufen sein. Selbstverständlich sieht er zunächst weder sein eigenes ungerechtes Verhalten noch die maßlos „unter der Gürtellinie“ angesetzte proletenhafte „Kritik“ des Reichsmarschalls Hermann Göring als ursächlich für das Rumoren unter seinen Schützlingen an. Bei allem Respekt vor seinem Rang hört er dann aber offene Worte.
Leutnant Richard Franz aus der 3./JG 77 stellt fest (Text in die Zeit Präsens transferiert): *19
„Die Stimmung unter uns Flugzeugführern ist sehr schlecht, denn schließlich haben wir ja seit Monaten pausenlos – auf Deutsch gesagt – ‚die Hucke voll bekommen’ und sind eigentlich nur noch stiften gegangen. Sobald wir in der Luft sind, haben wir irgendwo Spitfires über uns und die Folge sind zahlreiche Verluste und kaum eigene Erfolge. Dazu die zahlenmäßige und auch die technische Überlegenheit der anderen Seite – es ist deprimierend. Hinzu kommt die offen zu Tage liegende Vertrauenskrise zu unserer eigenen Führung; es ist ein Unding und verfehlt seine Wirkung auf die Einsatzbereitschaft nicht, wenn wir, die wir ständig unseren ‚Hintern hinhalten’, uns von Göring und von Richthofen ‚zur Sau machen’ lassen und uns als feige Hunde beschimpfen lassen müssen. All das sorgt dafür, dass es um unsere Moral tatsächlich nicht zum Besten bestellt ist.“
Ganz so schlimm scheint es aber doch nicht zu sein, wenn man die Erfolge und Verluste des JG 77 in Italien im Verlaufe des Oktobers 1943 vergleicht. Dass diese Zahlen gegen eine vielfache zahlenmäßige Überlegenheit des Gegners zustande kommen, muss nicht noch einmal betont werden. Zudem kämpfen die deutschen Jägerpiloten in der Doppelrolle als Begleitschutz für die Jagdbomber des SG 4, als taktische Luftraumdeckung der erbittert kämpfenden Bodentruppen gegen die Bombenteppiche der mittleren (und schweren) alliierten Bomber und als Abfangjäger gegen die schweren amerikanischen Viermotorigen, die von ihren Basen in Nordafrika aus zunehmend industrielle Ziele in Norditalien, Süddeutschland und Österreich attackieren. Der Zeitpunkt ist absehbar, an welchem diese Bomber von den mit Hochdruck instand gesetzten Flugfeldern Foggias in Italien abheben werden – mit entsprechend gesteigerter Reichweite, höherer Bombenladung und besser koordiniertem Jagdschutz.
Am 20. Oktober 1943 hat das gesamte JG 77 bei einem Sollstand von 124 Jagdflugzeugen (einschließlich der Flugzeuge der Gruppenstäbe und des Stabsschwarmes) gerade noch 67 Maschinen zur Verfügung. Und davon sind 31 einsatzbereit!
Wunder gibt es immer wieder, doch in Italiens Luftraum lassen sie auf sich warten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Generalfeldmarschall von Richthofen die Aufgabenverteilung für die ihm unterstellten Jagdgruppen wie folgt festgelegt:
I./JG 77 und I./JG 53: |
Überwiegend frontnahe Luftraumunterstützung für die deutschen Bodentruppen und Begleitschutz für die Schlachtflieger (Jagdbomber) des SG 4 bei ihren Erdkampfeinsätzen. |
II./JG 77 und III./JG 53: |
Vorwiegend Schutz des industriellen Nordens Italiens und Abwehr der strategischen schweren US-Bomber auf deren Einflugschneisen nach Süddeutschland und Österreich. Dabei sollen die beiden Jägergruppen von ihren Kameraden der I./JG 77 und I./JG 53 unterstützt werden, denen demnach eine Doppelrolle zufällt. Wie sie diese auch nur annähernd bewältigen sollen, ist selbst von Richthofen nicht klar. |
Der muss sich nun bei jener Besprechung in Guidonia den unerfreulichen Tatsachen stellen. Ursächlich für die Misere sei – an sachlichen Gründen – vor allem der miserable Ausbildungsstand der jungen Nachwuchspiloten, welche schneller abgeschossen würden, als man ihnen die nötigen Erfolgsrezepte und Überlebensregeln beibringen könne! Ferner die völlige Erschöpfung der erfahrenen Flugzeugführer, die einfach nicht alle Aufgaben auf einmal lösen könnten. Zumal man mit der derzeit geflogenen, oft mit Gondelwaffen oder den ungeliebten Werferrohren ausgerüsteten lahmen Messerschmitt Bf 109 G-6 schlicht nicht mehr mit der aktuellen Spitfire Mk. IX mithalten könne – nicht einmal ohne die zusätzliche Last unter den Tragflächen sei ein Luftkampf mit den schnellen und wendigen britischen Jägern ratsam. Deren Überlegenheit führe zu einem mehr als flauen Gefühl im Luftkampf. Wann man denn endlich verbesserte Me 109 erhalte? Oder die Focke-Wulf Fw 190?
Oberleutnant Armin Köhler kommandiert zu diesem Zeitpunkt die 2. Staffel des JG 77. Sein Tagebuch ist aufschlussreich: *20
„Besprechung mit Feldmarschall von Richthofen in Guidonia. Der Reichsmarschall [Göring, der Verfasser] ist ungehalten, weil hier im Süden nichts abgeschossen wird und nur Verluste eintreten. Von oben sieht eben alles ganz anders aus, als wenn man selbst mitten drin ist. Der Gegner ist uns zahlenmäßig haushoch überlegen, er hat die besseren Maschinen. Ist es ein Wunder, dass alle Neuen, die mit ihrer kurzen Ausbildung noch nicht einmal die eigene Maschine beherrschen, schon nach den ersten Feindflügen nicht wiederkommen? Soll man uns doch gerade hier, wo der härteste Kampf tobt, die Fw 190 geben!
Aber es wird wohl immer so bleiben, dass man da oben die Verhältnisse an der Front nie verstehen wird. Wie kann man auch?! Hier sind so viele tüchtige und anständige Kerle, die von dem Urteil, das sich der Reichsmarschall über uns gebildet hat, vollkommen erschüttert sind. Man braucht uns keinen Angriffsgeist zu predigen, wir wissen, worum es geht!
Und gerade dann, wenn man alles dran setzt, mit den gegebenen Mitteln den Gegner zu überlisten, wirken die moralischen Ohrfeigen von Göring am nachdrücklichsten. Wenn er wüsste, wie Unrecht er hat. Aber mehr, wie man selbst im heiligsten Zorn tut, kann man nicht.
Wie schön wäre es, wenn auch wir einmal verstanden würden. Aber auch das Schlimmste, die Missachtung des Reichsmarschalls, soll uns nicht irre machen. Wir werden siegen, Herr Reichsmarschall!
Es lebe der Führer und unser großes deutsches Vaterland!“
Der bittere Sarkasmus ist kaum zu überhören. Wer weiß, was Köhler alles „heruntergeschluckt“ hat. Schließlich weiß man nie, welche „Dienststellen“ ein solches Tagebuch möglicherweise einmal lesen werden. Der letzte Satz ist unter Umständen auch unter diesem Aspekt geschrieben worden!
Dass die Männer mit der blauen Luftwaffenuniform allerdings durchaus zu schmerzhaften Gegenschlägen in der Lage sind, zeigt sich noch an demselben Tag.
Der Flugplatz Calvi im Nordwesten Korsikas wird von den Alliierten als Notlandeplatz für angeschossene schwere Bomber oder ihre Begleitjäger benutzt, die auf dem Rückweg von Einsätzen über dem Reichsgebiet nicht mehr bis Nordafrika beziehungsweise Süditalien und Sizilien durchhalten können.
Die I./JG 77 fliegt im Tiefstflug von Grosseto in Italien nach Westen. Der Überfall kommt für die Flugabwehrkanoniere des korsischen Flugfeldes völlig überraschend. Wie ein Wirbelwind fegen die schnittigen deutschen Jagdflugzeuge über den Platz. Als die „deutschen Husaren“, wie es in einem amerikanischen Kriegsbericht später heißen wird – schließlich abdrehen, brennen zwei Boeing B-17, neun weitere sind beschädigt worden. Hauptmann Burkhardt vom Gruppenstab gelingt zudem der Abschuss einer P-51 „Mustang“. Die Deutschen erleiden keine Verluste.
Es versteht sich, dass die Alliierten die Antwort auf diese dreiste Unverfrorenheit nicht schuldig bleiben. Bereits am 22. November 1943 pflügen die Bomben schwerer viermotoriger Bomber den Flugplatz Ciampino-Süd um, welcher den Liegeplatz der 3./JG 77 darstellt. Bis auf vier leicht beschädigte (1x 10 %, 2x 25 %, 1x 30 %) Messerschmitt bleiben schlimmere Folgen oder Personalverluste zum Glück aus. Ebenso wenig erfolgreich bleibt ein alliierter Nachtangriff auf Ciampino-Nord wenige Stunden später, der völlig ohne Ausfälle abgeht.
Ohnehin erfreuen sich die deutschen Luftbasen größter Beliebtheit durch alliierte Bomber und Tiefflieger. Man macht es den Deutschen nicht leicht!
Dass neben dem Mangel an Flugzeugführern auch die Materialverluste ein empfindliches Maß angenommen haben, wird alleine dadurch deutlich, dass die II./JG 77 seit Wochen ohne Messerschmitt Bf 109 ist – es gibt einfach nicht genügend deutsche Jagdflugzeuge, um die Piloten damit auszurüsten.
Daher wird die Gruppe auf die italienische Macchi C.205 umgerüstet, ein Flugzeugtyp, welcher nach der Entwaffnung der italienischen Kampfeinheiten zur Verfügung steht. Die mit in Lizenz gebauten deutschen DB-605-Motoren ausgerüstete MC.205 „Veltro“ ist eine Weiterentwicklung der MC.202 „Folgore“ und ein durchaus achtbares, schnelles und wendiges Jagdflugzeug. Sie ist mit 642 km/h Höchstgeschwindigkeit eher schneller als eine Me 109 G-6 (630 km/h) und zudem wendiger. Wäre da nicht ihre relative technische Unzuverlässigkeit, welche immer wieder zu tödlichen Flugunfällen führt.
Erst am 31. Dezember 1943 wird die II./JG 77 wieder auf Me 109 G-6 umgerüstet. Die Macchis erhalten die italienischen Piloten der I° Gruppo Caccia, welche nach der Gründung einer faschistischen Gegenregierung unter Führung des im Handstreich aus seiner Gefangenschaft befreiten „Duce“ Benito Mussolini auf deutscher Seite in die Kämpfe eingreifen. Mussolini hatte am 18. September 1943 die faschistisch-republikanische Republik (Repubblica Sociale Italiana) gegründet, welcher die Aufstellung einer eigenen Luftwaffe folgt – unter deutscher Aufsicht, versteht sich. Am 27. Oktober 1943 entsteht die „Aeronautica Nazionale Repubblicana“ (ANR), deren Piloten durchaus engagiert denen der Alliierten entgegentreten.
Seit der offiziellen Kriegserklärung der mit den Alliierten verbündeten italienischen Regierung Badoglios an das Deutsche Reich am 13. Oktober 1943 befindet sich Italien somit im Bürgerkrieg.
Eine Anzahl ausgewählter Luftkämpfe im Herbst/Winter 1943 über Italien sei herausgegriffen, stellvertretend für unzählige weitere mit wechselhaftem Ausgang:
18. Oktober 1943:
Die Piloten der 2./JG 77 sitzen gerade auf ihrem Platz Tuscania in der Baracke beim Essen. Schlechtes Wetter reduziert die Einsatztätigkeit. Plötzlich bellen Maschinenwaffen auf. Die Männer stürzen nach draußen und erkennen einen ihrer Kameraden von der 3. Staffel in der Luft. Hinter seiner Me 109 hängt im Abstand von 40 Metern eine Spitfire. Aus dieser Entfernung kann man kaum danebenschießen. Unteroffizier Horst Neumann überlebt den Bruch – mit viel Dusel nur verwundet.
22. Oktober 1943:
Leutnant Horst Horn von der 2./JG 77 startet bei Carbognano zu seinem ersten Feindflug. Er kommt nicht weit. Unmittelbar nach dem Abheben sitzen völlig überraschend P-51 „Mustangs“ an seinem Heck. Horns Me 109 G-6 (, Werknummer 160386) zerschellt Sekunden später zusammen mit ihrem Piloten. Ähnlich ergeht es einem der alliierten Jagdflieger, dessen Mustang von deutscher 2-cm-Flak zu Boden geschickt wird – auch er fällt. Leutnant Reinert von der 3. Staffel holt eine B-25 „Mitchell“ herunter – sein 163. Luftsieg.
1. Dezember 1943:
Alarmstart. Es ist 12.10 Uhr, als die „schwere Gruppe“ III./JG 53 ihre Me 109 G-6 beschleunigt und in die Luft abhebt. Die Ende Oktober komplett neu gelieferten Messerschmitts sind überwiegend mit Gondelkanonen ausgerüstet – im Gegensatz zu jenen der I. Gruppe, die auf dieses zusätzliche Gewicht ebenso verzichtet wie auf die zusätzliche Feuerkraft andererseits. 20 Minuten nach dem Start sichten die Flugzeugführer etwa sechzig amerikanische P-38 „Lightning“. Wenig später ist eine erbitterte „Kurbelei“ im Gange. Fahnenjunker-Oberfeldwebel Seidl hat das Glück des Tüchtigen und schafft es, hinter eine Dreierkette der Doppelrumpfjäger zu kurven. Er kommt in Schussposition – und feuert. Die P-38 vor ihm bäumt sich auf und explodiert mitten im Flug. Die amerikanische Maschine zerfetzt in alle Einzelteile, die wie Geschosse durch die Luft rasen – und prompt eine weitere P-38 zum Absturz bringen, deren rechte Tragfläche nach der Kollision mit den Trümmern abreißt. Die Kontrahenten lösen sich schließlich voneinander. Um 12.35 Uhr schlagen die beiden „Lightnings“ auf Italiens Boden.
Die Ruhe für die Deutschen währt nicht lange. So voll ist der Himmel über dem Apennin von feindlichen Flugzeugen, dass man nicht weit zu fliegen braucht, um welche zu treffen. 12.45 Uhr: eine weitere P-38 zerschellt im Mittelmeer bei La Spezia. Es ist der 24. Abschuss des Fahnenjunker-Oberfeldwebel Seidl. Deutsche Verluste sind nicht zu beklagen.
2. Dezember 1943:
Luftkampf mit circa 50 P-38 nahe der Stadt Venedig. Feldwebel Feller aus der 9./JG 53 gelingt es nicht, Anschluss an seinen Rottenführer zu halten. Und jenem nicht, auf seinen „Katschmarek“ aufzupassen. Die beiden verlieren sich aus den Augen. Es ist das Letzte, was man bis heute von Feller weiß.
16. Dezember 1943:
Die 3./JG 77 hat einen vielversprechenden Nachwuchspiloten. Er ist seit 21. September 1943 bei der Staffel und hat seither nicht nur überlebt, sondern es sogar bereits zu einem Abschuss gebracht. Und heute legt er noch einen drauf! Um 11.05 Uhr schießt Unteroffizier Karlheinz Buch eine Spitfire vom Himmel. Sein zweiter Luftsieg!
19. Dezember 1943:
Wieder sind es die verfluchten Spitfire, die den deutschen Jagdfliegern das Leben schwer machen. Auch amerikanische Squadrons fliegen das britische Modell. Im Gebiet des Liri-Tales nördlich von Cassino treffen die Flugzeugführer der 1. und 3. Staffel des JG 77 auf starke Gruppen feindlicher Spitfire. Verbissen wird um das Überleben gerungen. Um 15.35 Uhr schießen Gefreiter Steinheuer und Unteroffizier Schmidt jeweils eine Spitfire in die Tiefe. Auf der anderen Seite stürzen aber drei Me 109 G-6 getroffen zu Boden.
Zwei der deutschen Piloten können sich retten. Der dritte stürzt in seiner (Werknummer 18774) in den Tod. Es ist Unteroffizier Karlheinz Buch.
25. Dezember 1943:
Inzwischen ist die seit 13. Juli 1943 nicht mehr einsatzbereite II./JG 51 in Neubiberg aufgerüstet worden und an ihrer alten Wirkungsstätte im Mittelmeerraum wieder eingetroffen. Die Gruppe ist ab Dezember 1943 in Udine stationiert. Und nun sind sie im Einsatz ...
Der Alarmstart erfolgt am späten Vormittag. Auch die III./JG 53 ist in der Luft. Ein Verband von etwa 100 „Fliegenden Festungen“ Boeing B-17 ist gemeldet, der offenbar Bozen zum Ziel hat.
In etwa 8.000 Metern Höhe treffen die deutschen Jäger auf den amerikanischen Begleitschutz. Es sind P-38 „Lightnings“. Die III./ JG 53 meldet nach dem Luftkampf einen Abschuss, der erfolgreiche Schütze ist Fahnenjunker-Feldwebel Müller aus der 7. Staffel des JG 53, die andererseits eine Maschine verliert. Unteroffizier Werner Walk kann zum Glück nur leicht verletzt aus seiner abspringen und findet sich wenig später wieder bei seiner Einheit ein. Die II./JG 51 meldet vier weitere P-38 als abgeschossen, das ergibt eine Bilanz von fünf. Die Amerikaner geben sechs Verluste zu Protokoll.
Es sind alles P-38 „Lightnings“. Die Bomber entkommen unbeschadet ...
28. Dezember 1943:
... was sich nun ändern sollte. Jetzt ist auch die I./JG 4 mit von der Partie, die heute in Italien ihren ersten Einsatz fliegt. Wieder werden auch die II./JG 51 und III./JG 53 auf einen Verband von viermotorigen Consolidated B-24 „Liberators“ angesetzt, der Vicenza anfliegt. Zwischen dem Angriffsziel der Amerikaner und Padua werden die Bomber von den drei deutschen Jägergruppen gestellt.
„Die Amis haben keinen Jagdschutz!“. Na also, wer sagt es denn? „Horrido!“ Diese Gelegenheit ist vielversprechend! Oft genug hatte man nur eingesteckt – jetzt gilt es, zur Abwechslung auszuteilen!
Wo die amerikanische Eskorte zu diesem Zeitpunkt abgeblieben war, weiß keiner der deutschen Piloten. Es ist ihnen auch egal – Hauptsache ist, er fehlt! Die deutschen Jagdflieger stürzen sich mit Inbrunst auf die verhassten „dicken Autos“, wie man die Viermots zu nennen pflegt. Die Bordschützen der Liberator wehren sich mit all ihrer Feuerkraft, doch vergeblich. Auf deutscher Seite gibt es Verwundete, jedoch keinen einzigen „endgültigen“ Verlust.
Dagegen werden von den deutschen Dienststellen 20 Liberator als abgeschossen anerkannt. Elf davon finden sich in den offiziellen amerikanischen Verlustlisten später unbestritten wieder.
Es kann allerdings nicht verschwiegen werden, dass es sich bei diesem Erfolg um eine glückliche Ausnahmesituation und dann konsequent und engagiert herausgeflogene Einzelaktion handelt. Um dies zu verdeutlichen, sei abschließend eine Tabelle über die (von deutschen Luftzeugen bestätigten) Abschüsse und Verluste im Dezember 1943 dargelegt. Sie erfasst die beiden Jagdgeschwader, welche in Italien die Hauptlast der Luftkämpfe aufgebürdet erhalten – JG 53 und JG 77.
Insgesamt fliegen die alliierten Luftstreitkräfte alleine im Dezember 1943 im Mittelmeerraum etwa 27.500 Einsatzflüge. Über Italien sind dies etwa 10.000 Einsätze. Auf deutscher Seite beschränken sich die Zahlen auf diejenigen Verbände, welche diese Eindringmissionen eigentlich zu unterbinden hätten – wenn sie es denn könnten: die Jagdflieger der deutschen Luftwaffe. Sie fliegen 511 Einsätze zur Abwehr strategischer Bombenangriffe der Alliierten gegen Norditalien, Süddeutschland und Österreich und 886 zur freien Jagd über der Front und zum Schutz der Jagdbomber des SG 4. Das sind zusammen 1.397 Flüge, mit speziellen Missionen (Schutz von Aufklären etc.) 1.408 Einsätze. Dabei werden 72 Abschüsse erzielt; es sind im Einzelnen: 29 vom JG 53, 20 von der II./ JG 51, 14 vom JG 77, vier von der I./JG 4 und zusätzlich fünf von den in den Einsatzzahlen nicht erfassten Schlachtfliegern (SG 4). Die Tabelle auf Seite 342 unten erfasst die genannten Zahlen der JG 53 und JG 77 und deren Verluste.
Ernie Pyle ist ein bekannter amerikanischer Kriegsberichterstatter. *21 Er ist betroffen von der Wucht des Artilleriefeuers der amerikanischen Geschütze – die Erde bebt bereits an der Abschussposition. Pyle malt sich aus, welchen Effekt die Geschosse wohl an der Einschlagsstelle haben würden. Der Amerikaner rechnet hoch, was das Kosten-Nutzen-Verhältnis dieser Orgie der Gewalt wohl sein könnte. Da ist der beträchtliche finanzielle Wert der schweren Geschütze selbst, dann 50 US-$ pro Granate. Beides muss mit dem Schiff nach Italien transportiert werden, was Unsummen an Transportkosten verschlingt. Und die Geschützbedienungen müssen auch noch ausgebildet werden. Wie viele ihrer Gegner haben wohl die 95.000 Granaten umgebracht, die alleine die Artillerie der 36. US-Division innerhalb von zwei Novemberwochen aus ihren Rohren jagt? Wer kennt schon die genauen Zahlen, auch diese? Wenn man sie aber schätzt und durch die hochgerechneten Kosten teilt, dann ergibt sich als Bilanz – sagen wir – etwa 25.000 US-$ pro auf die Art und Weise getötetem Deutschen?
Als Pyle über jene Summe siniert, kommt ein Kanonier auf die Idee, man könnte doch jedem deutschen Soldaten diesen Betrag für sein Leben anbieten. Das ganze Morden könnte man sich dann sparen, nicht wahr? Also – er als Deutscher würde das Angebot wohl gerne annehmen!
Doch Pyle bezweifelt, dass sich die Deutschen auf diesen Handel einlassen würden.
Mit ziemlicher Sicherheit hat er Recht damit!
An der Schlucht von Mignano feuern 925 amerikanische Geschütze innerhalb von 24 Stunden bei einer Gelegenheit 164.999 Granaten auf die Deutschen ab. Die beeindruckt das nicht im Geringsten.
Acht lange Tage hindurch versucht die britische 56. Infanteriedivision, den Berg zur Linken des Eingangs in die Engstelle zu erstürmen. Sie beißt sich am Monte Camino die Zähne aus.
Der Monte de Difesa („Berg der Abwehr“ – sinnigerweise) ist die Aufgabe der Amerikaner. Die 3. US-Infanteriedivision hält zehn Tage und Nächte durch, bevor sie den blutigen Verlusten gerecht wird und die Erstürmung vorerst aufgibt. Lediglich der rechts des Tales aufragende Monte Rotondo kann von der 34. und 45. US-Infanteriedivision eingenommen werden. Als es endlich vollbracht ist, stehen die GI’s vor den Gefallenen beider Seiten – und vor dem nächsten verfluchten italienischen Berg ...
Das Gelände ist derartig teuflisch befestigt und vermint, dass sich Stoßtrupps Wege suchen müssen, auf deren Erklimmen selbst Gämsen stolz wären. Manchmal trifft man derartig unverhofft auf deutsche Spähpatrouillen, dass Schusswaffen nicht mehr einsetzbar sind. Ein Handgemenge bis aufs Messer ist die Folge. Wer das Gleichgewicht verliert, hat verloren! Meistens sein Leben ...
In solchen Nahkämpfen sind die Inder und Marokkaner in ihrem „Element“. Stolz auf ihren „Beruf“ und tief erfüllt von dem Glauben, ihrer ruhmreichen Tradition gerecht werden zu müssen, ist ihnen keine Entbehrung zu groß. Ein nächtlicher Überfall mit dem Dolch ist ihnen allemal lieber als ein Feuergefecht mit Maschinenwaffen.
In diesen Berghängen und Schluchten dauert es viele Stunden, einen Verwundeten zu bergen. Am 15. November 1943 gönnt Lieutenant General Mark Clark seinen völlig erschöpften Männern eine Ruhepause. So wie bisher geht es am Frontabschnitt der 5. Armee in Italiens Westen nicht weiter.
Jetzt sind Montgomerys Männer an der Ostküste Italiens dran. Am 20. November 1943 greift die 8. Armee am Sangro an. Britische Schiffsgeschütze bereiten den Angriff ebenso vor wie die Feldkanonen der britischen Armee selbst. Die alliierte Luftwaffe tut ein Übriges.
Vor allem die schwere Artillerie der Royal Navy bereitet den in Schützenlöchern auf den Angriff wartenden deutschen Soldaten ein kaum zu ertragendes Inferno. Im Gegensatz zu den gut verschanzten Stellungen an der felsigen Mignano-Enge ist der Frontabschnitt am Sangro eine Abwehrlinie in flacherem Gelände, welches abgesehen von einigen Terassenhängen weniger natürliche Deckung bietet.
Und man kann nichts gegen diese Kampfschiffe tun. Die Einzigen, die das könnten – die deutschen Junkers Ju 88-Bomber – müssen vor der feindlichen Übermacht weichen. Und die Focke-Wulf 190-Jagdbomber des Schlachtgeschwaders 4 haben alle Hände voll zu tun, den britischen Bodentruppen das Leben schwer zu machen. Nachdem die III. Gruppe des Geschwaders Anfang November 1943 nach Graz in Österreich abgezogen wird und sich nach der Auffrischung in Nordfrankreich wiederfindet, verbleiben der I. und II. Gruppe im Tagesdurchschnitt etwa dreißig Focke-Wulf 190 der diversen Typen A-4, A-5/U3, A-5/U8, A-6, F-3 und G-3. Dreißig! Für die gesamte italienische Front! Doch mit diesem lächerlichen „Haufen“ fliegen die Piloten manchmal 90 Einsätze pro Tag. Viel richten sie trotz engagierter unermüdlicher Einsätze nicht aus – ein Angriff gegen die Schiffe wäre ein Himmelfahrtskommando. Man kann es sich nicht leisten, die wertvollen Flugzeuge im Feuervorhang der Schiffs-Flak zu opfern. Mit den gefährlichen alliierten Jägern hat man auch so schon genug zu tun.
Also können die Landser nur die Köpfe einziehen. Montgomery geht mit der üblichen Gründlichkeit über sie hinweg. Was das bedeuten kann, ist anschaulich einem Artikel im Internet zu entnehmen, in welchem der Soldat Werner Mork seine Erlebnisse schildert. *22 Tagelang liegen die Männer in ihren Drecklöchern und müssen das Trommelfeuer eines Gegners über sich ergehen lassen, der offenbar jeden deutschen Soldaten einzeln zerfetzen will. Wie das dann aussieht, kann laut eigenem Bericht Werner Mork bis heute nicht vergessen. Sein Zugführer Feldwebel Müller wird von einem Artillerie-Splitter im Bauch getroffen. Es dauert fürchterliche Stunden, in denen er nach seiner Frau und seiner Mutter fleht, bis die qualvollen Schmerzensschreie in ein leiser werdendes erschütterndes Wimmern übergehen. Niemand kann ihm bei einer solchen Wunde helfen! Der Tod kommt endlich als Erlösung.
Trotz aller Materialüberlegenheit mühen sich die Briten und Kanadier sehr, die deutschen Linien zu überwinden. Der Sangro führt Hochwasser, und beide Ufer sind ein morastiger Sumpf. Steinladungen, Stahlmatten, Eisenbahnschwellen, Holzbohlen – was auch immer eine Befestigung des Grundes bietet, wird eingesetzt. Alles in gut gezieltem, schwerem deutschen Abwehrfeuer, versteht sich.
Als es endlich an einer Stelle geschafft ist, eine Bailey-Brücke über den dreckigen Wasser-Strom Sangro zu errichten und zu sichern, ist die ebenso eingefärbte Flut an gepanzerten Fahrzeugen und Truppen der Briten nicht mehr aufzuhalten. Die 65. deutsche Infanteriedivision stemmt sich dem Ansturm mit letzter Kraft entgegen. Sie kämpft fast buchstäblich bis zum letzten Mann. Danach gibt es die Division nicht mehr.
Die alliierten Jäger und Jagdbomber fliegen täglich etwa 400 Einsätze alleine über der Sangro-Front. Die Attacken der Bomber sind dabei nicht mitgezählt. Montgomery hat etwa 4.000 Flugzeuge zu seiner üppigen Verfügung.
Den deutschen Soldaten, die angstvoll zum Himmel blicken, bleibt nur die eigene Flak und das Beten. Und ihre Gebete werden erhört. Petrus schlägt sich auf die schwächere Seite und hilft ein bisschen nach. Die schweren Regengüsse schwemmen sämtliche britischen Behelfsbrücken in die Adria.
Montgomery bleibt keine andere Wahl, als eine Kampfpause einzulegen. Diese ermöglicht es seinem Gegen„spieler“ Kesselring, Verstärkungen heranzuführen und die britischen Einbrüche abzuriegeln. Als Montgomery am 27. November 1943 erneut zum Angriff bläst, kommen seine Männer gegen den erbitterten Widerstand kaum mehr voran. Innerhalb von vier blutigen Wochen nehmen sie stolze 25 Kilometer Boden ein. Mehr geben die verbissen kämpfenden deutschen Widersacher nicht preis.
Erst am 21. Dezember 1943 erreicht die 1. kanadische Division die Küstenstadt Ortona. Die Stadt wird Haus für Haus verteidigt – und Meter für Meter erobert. Schuttberge gezielt gesprengter Häuser versperren den britischen Panzern das Vordringen und die Sicht auf deutsche Ziele. Von den umgebenden Mauern und Fenstern aus wird jeder Brite oder Kanadier, der sich auf der Straße voranrobbt, von Maschinengewehrnestern und Scharfschützen erledigt. Also müssen die Schuttberge weg! Kanadische Feldgeschütze pulverisieren den oberen Teil so lange, bis die Abhänge zu für Panzer passierbaren Rampen zerbröselt sind. Und die feindlichen Stellungen in den Häuserblocks werden systematisch niedergekämpft, indem die Kanadier mit Sprengladungen Löcher in die Trennwände der Reihenhäuser sprengen. Wo sie die Ladungen anbringen, ist kaum vorhersehbar – der Überfall durch das plötzlich entstandene Sprengloch kommt also immer recht spontan. Wenn auch nicht überraschend. Handgranaten fliegen, Nahkämpfe toben, Maschinenpistolen und Bajonette fordern ihren Tribut. Die Verluste beider Seiten sind hoch. Und einen Block weiter verschanzen sich die Deutschen erneut ...
Am 28. Dezember 1943 droht Ortona umgangen zu werden. Also räumen die Deutschen den Ort. Doch die Angriffskraft der 8. Armee ist nun gebrochen. Montgomery muss den Plan, Pescara einzunehmen und von dort über die Staatsstraße Nr. 5 nach Westen über die Apennin-Berge in Richtung Rom durchzubrechen, vorerst zähneknirschend aufgeben. Wieder einmal kann er der 5. Armee seines Konkurrenten Clark nicht wie vorgesehen zu Hilfe kommen. Und, was ihm wohl wichtiger ist, dem Amerikaner die Lorbeeren streitig machen.
Immerhin hatte die deutsche Führung einige Truppen von der Mignano-Enge an die britische Adria-Front verlegen müssen. Diese Schwächung ist es, was die 5. Armee Clarks benötigt hatte. Clark geht nun erneut zum Angriff über. Bombenangriffe und Artilleriefeuer bereiten wieder einmal den Ansturm vor. Der Monte de Difesa schluckt in einer einzigen Stunde 22.000 Granateinschläge.
Er wird schließlich von einer Spezialeinheit aus Amerikanern und Kanadiern eingenommen, die mitten in der Nacht eine senkrechte, für unpassierbar gehaltene Wand bergsteigerisch erklimmen. Doch die Überraschung gelingt nicht ganz. Felsbrocken, die sich mit donnerndem Getöse lösen, verraten die „Teufelsbrigade“. Und wieder sind gnadenlose Nahkämpfe die Folge. Schließlich setzen sich die etwa 600 Amerikaner und Kanadier durch. Sie werden rasch verstärkt. Nur, um wenig später deutsche Gegenangriffe abwehren zu müssen. Nachdem einem der ihren beim Versuch, einen Deutschen gefangen zu nehmen, von dessen Kameraden aus nächster Nähe ins Gesicht geschossen worden war, kennen die Männer der Brigade kein Erbarmen mehr. Es wird niemand verschont. Aber das hat seinen Preis. Die Reaktion bleibt nicht aus. Nach einer Woche kämpfen von den 1.800 Mann noch 1.289.
Auch der Monte Camino wird erstürmt – von der 56. britischen Division. Wenig später treibt ein wütender deutscher Gegenstoß die Briten wieder vor sich her. Die erobern den Berg erneut – und werden im Gegenzug wieder aus den deutschen Stellungen geworfen. Nach fünf Tagen endlich haben sich die blutigen englischen Verluste für die Alliierten „gelohnt“. Die westlichen Felsen sind in Clarks Besitz.
Auf der östlichen Seite des Taleinganges ringen die Amerikaner um das dortige Tor zur Mignano-Enge. Irgendwann einmal hat die 36. US-Division den Monte Maggiore erkämpft.
Jetzt ist der Blick frei auf den Monte Lungo ...
Wie steht es geschrieben in jenem amerikanischen Generals-Tagebuch?
„Ich hoffe, bis an mein Lebensende niemals wieder einen Berg zu sehen ...!“
Es sollten noch viele kommen. Besonders einer. Auf ihm steht eine altehrwürdige Benediktinerabtei.
Noch ...
Der Monte Lungo erhebt sich in der Mitte des Mignano-Korridors. Nordöstlich davon verläuft die Straße in der Senke, dort liegt der Ort San Pietro Infine. Und hinter diesem Ort ragt der 1.200 Meter hohe Monte Sammucro empor.
Clark ist der festen Überzeugung, dass die Deutschen in diesem verfluchten Tal nun genug haben. Sie werden sich zurückgezogen haben in ihre nächste Befestigungslinie weiter hinten. Vorerst hat man wohl die Oberhand gewonnen.
Inzwischen kämpfen auch Italiener an seiner Seite. Der 1. motorisierten italienischen Brigade dürfte ein leichter Sieg in ihrer Kampfmoral gut tun. Clark rechnet mit Nachhutgefechten auf dem Monte Lungo. Mehr wird es wohl nicht sein. Die Erstürmung des Monte Sammucro teilt er der 36. US-Division samt einigen Ranger-Einheiten zu. Vermutlich ist auch dieser Berg schon weitgehend feindfrei.
Es ist der Morgen des 8. Dezember 1943. Ein alliierter Feuerschlag ebnet den Italienern den Weg. Die Angriffslinien der beiden Bataillone in stolzer geschlossener Formation ergeben ein farbenfrohes Bild, wie sie mit ihren schwarzen „Bersaglieri“-Federbüschen den Hang des Monte Lungo hinaufstreben. Dann versperrt der Nebel die Sicht der alliierten Kampfbeobachter auf die Tragödie.
Als die zerschlagenen Reste der Italiener zurückfluten, ist die Farbenpracht dahin.
Die Amerikaner nehmen den Gipfel des Monte Sammucro, müssen dann aber feststellen, dass die Flanke des Berges zum Ort San Pietro zu einer Festung ausgebaut worden war. Nach 350 Metern ist Schluss! Die Deutschen können es sich leisten, ihr eigenes Artilleriefeuer fast auf ihre Stellung selbst zu lenken, wenn ein Vorstoß in die Nähe der Befestigungen vorankommt – so gut sind sie verschanzt.
Und sie gehen nun sogar zum Gegenangriff auf den Gipfel über. Wieder sind erbitterte Gefechte die Folge. Ein amerikanisches Regiment verliert 80 % seiner Männer, ein anderes die Hälfte. Doch die US-GI’s halten den Berg. So wie die Deutschen den Ort.
Nach einer Woche und drei Sturmangriffen ist San Pietro immer noch in deutscher Hand.
Als die Texaner der 36. US-Division schließlich das 142. Regiment zum Angriff auf den Monte Lungo abstellen und den Berg mit italienischer Unterstützung endlich nach schweren Kämpfen am 16. Dezember 1943 einnehmen, ist San Pietro von zwei Seiten einsehbar. Von den Gipfeln des Monte Sammucro und des Monte Lungo. Erst jetzt setzen sich die Deutschen unbesiegt aus dem Dorf ab.
Längst hatte man erwogen, den hartnäckigen deutschen Widerstand durch eine weitere amphibische Landung zu umgehen. Doch bald mangelt es an Schiffsraum – die Landungsflotte wird für die Invasion Nordfrankreichs in England benötigt. Der Abzug vieler Schiffe ist bereits erfolgt, weiterer Boote für Anfang 1944 geplant. Reicht die Zeit noch für so ein gewagtes Unternehmen? Allenfalls dann, der Schluss liegt nahe, wenn die Landungstruppen recht rasch durch einen Vorstoß zu Lande in den Rücken der vermutlich den Brückenkopf abriegelnden deutschen Truppen „herausgehauen“ werden können. Man müsste also irgendwie ins Liri-Tal durchbrechen, um so etwas bewerkstelligen zu können. Und zwar bald, solange die Landungsschiffe noch zur Verfügung stehen. Doch das erscheint derzeit illusorisch. Glaubt Lieutenant General Mark W. Clark und auch sein Vorgesetzter Alexander. Dessen mächtigster Landsmann aber sieht das anders. Winston Churchill will nach Rom! Und damit basta!