Operation „Shingle“ – die Landung bei Ánzio und Nettuno

Lieutenant General George Smith Patton warnt seinen alten Freund Major General John P. Lucas eindringlich. Aus der Sache komme er nicht lebend heraus, „muntert“ er ihn auf und empfiehlt ihm eine schwere Verwundung, denn ein verwundeter General werde später nicht kritisiert. „Steck Deinen Kopf nicht zu früh raus, Johnny!“ setzt der Kommandeur der 5. US-Armee, Lieutenant General Mark Wayne Clark, noch oben drauf! *26 „Das habe ich bei Salerno getan und bekam die größten Schwierigkeiten!“

Lucas, Kommandeur des VI. US-Korps und für das geplante Landeunternehmen verantwortlich, ist ohnehin kein Draufgängertyp wie Patton, sondern eher von gründlicher und vorsichtiger Art. Er sprüht nach diesen Ratschlägen geradezu vor Optimismus. Auch Ratschläge sind Schläge!

Am 22. Januar 1944 um 02.00 Uhr morgens orgelt ein Inferno an Granaten und Schiffsraketen auf die Landestrände bei den kleinen italienischen Küstenstädten Ánzio und Nettuno im Rücken der deutschen Front am Monte Cassino. Insgesamt machen sich 226 Landungsschiffe und -Boote bereit.

Die südliche Teilstreitmacht der Invasionsflotte („Southern Attack Force“ – Landeabschnitt „X-Ray“) besteht aus: einem Führungsschiff mit Admiral Lowry an Bord, einem Ansteuerungs-U-Boot, zwei Kreuzern, elf Zerstörern, vier Begleitschiffen unterschiedlicher Art (Kanonenboote u.a.), einem Flugabwehrschiff, 23 Minensuchern, 187 Landungsschiffen, Landungsbooten und kleineren Fahrzeugen aller Größen und Art.

Der Flottenverband bringt die 3. US-Infanteriedivision unter Major General Truscott an Land.

Die nördliche Teilstreitmacht der Invasionsflotte („Northern Attack Force“ – Landeabschnitt „Peter“) besteht aus: einem Führungsschiff mit Admiral Troubridge an Bord, einem Ansteuerungs-U-Boot, zwei Kreuzern, zwölf Zerstörern, 13 Begleitschiffen unterschiedlicher Art, einem Flugabwehrschiff, 16 Minensuchern, 104 Landungsschiffen, Landungsbooten und kleineren Fahrzeugen aller Größen und Art.

Der Flottenverband bringt die 1. britische Infanteriedivision unter Major General Penney an Land.

Die Überraschung auf deutscher Seite könnte vollkommener nicht sein. Der Alarm, den jene Aufklärungsmeldung vom Golf von Gaeta am 14. Januar 1944 ausgelöst hatte, wird ausgerechnet kurz vor den Anlandungen zurückgenommen. Erkundungsflüge am Tage sind gefährlich, und dichter Nebel verhindert nächtliche Aufklärungseinsätze. Zu allem Überfluss bleibt eine Radarmeldung unbearbeitet liegen. Am Abend des 21. Januar 1944 erfasst ein in Aprilia aufgestelltes deutsches Funkmessgerät den anglo-amerikanischen Flottenverband. Doch niemand erkennt die Bedeutung dieser Nachricht.

Im Landegebiet stehen nach dem Abzug der 29. und 90. Panzergrenadierdivision lediglich zwei völlig dezimierte deutsche Bataillone(der 29. Panzergrenadierdivision), welche zur „Auffrischung“ aus den Kämpfen an der Gustav-Linie herausgezogen worden waren. Sie haben nicht die mindeste Chance. Der Hafen von Ánzio und die kleine Stadt Nettuno fallen weitgehend unversehrt in alliierte Hände. Am ersten Tag gehen bereits 36.034 Mann mit 3.069 Fahrzeugen fast ungestört an Land und errichten einen Brückenkopf von 25 Kilometern Ausdehnung in der Breite, der bis zu 14 Kilometer ins Landesinnere reicht.

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Nun ist es an den Truppen Mark Clarks vor der Gustav-Linie, den Angriffsdruck so zu verstärken, dass die Deutschen es sich nicht leisten können, irgendwelche Einheiten vom Monte Cassino und dem Liri-Tal abzuziehen. Dies ist einer der Gründe für die Verbissenheit, mit der die erste Schlacht am heiligen Berg (wie bereits bis zum 11. Februar 1944 geschildert) auch von alliierter Seite ausgefochten wird.

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Panzer-Landungsschiff (LST) bei Ánzio.

Der Weg nach Rom ist für John Lucas frei.

Doch Major General Lucas zögert. Eingedenk der Warnungen seiner Freunde ist er bestrebt, zuerst einmal das eroberte Gebiet zu sichern und seine Truppen so zu verschanzen, dass diese gegen einen etwaigen Gegenangriff der – wie man ja mehrfach gesehen hatte – zu allem fähigen Deutschen gewappnet sind. Erst danach will er den Ausbruch aus dem Landegebiet wagen. John Lucas ist nun mal kein Draufgänger! Der amerikanische Kommandeur vergibt damit eine einmalige Gelegenheit.

Ein Gegenstoß der Deutschen ist am ersten Tag der Landung völlig unmöglich. Womit? Lucas könnte das wissen, alleine durch die Luftaufklärung alliierter Piloten. Er traut dem „Frieden“ nicht. Und seinem Gegner! Generalfeldmarschall Albert Kesselring ist in der Tat kein Mann, der lange in Schreckensstarre verharrt. Er reagiert sofort. Und dieses Mal hat selbst der größte Stolperstein der deutschen Generalität, Oberbefehlshaber Adolf Hitler, ein Einsehen.

Aus Frankreich, Deutschland, Jugoslawien und Norditalien werden im Eiltempo Truppen abgezogen und an den neuen Frontabschnitt gebracht. Selbst aus der Cassino-Front werden Teile von vier Divisionen gegen die Landungsstreitmacht in Marsch gesetzt. Innerhalb von nur 24 Stunden steht eine provisorische Abwehrlinie um den alliierten Brückenkopf. Eine ungeheure Improvisationsleistung!

Diese schwache Verteidigung wäre mit der geballten Macht der kompletten 1. britischen und 3. amerikanischen Division im Landegebiet immer noch vergleichsweise schnell zu überwinden. Doch Lucas wartet auf Verstärkungen. Er erhält sie. Die Deutschen auch! In beeindruckendem Tempo!

Die deutsche Luftwaffe konzentriert nun ihre wenigen Kräfte umgehend gegen den Brückenkopfabschnitt. Am ersten Tag der Operation ist die Zahl der alliierten Flugabwehrgeschütze an Land noch begrenzt – doch das wird sich sehr schnell ändern. An Bord der Schiffe freilich einschließlich zweier spezieller Flak-Schiffe, die geradezu gespickt sind mit Flugabwehrwaffen, sieht das ganz anders aus. Der Feuervorhang ist immens. Vom dichten anglo-amerikanischen Luftschirm bei Tage an Spitfires, Mustangs, Lightnings und Thunderbolts ganz zu schweigen, der nach Anbruch der Dämmerung ergänzt wird durch Nachtjäger des britischen Typs Bristol „Beaufighter“.

Die Deutschen fliegen am 22. Januar 1944 vier Einsätze mit etwa 40 Focke-Wulf 190-Jagdbombern des SG 4, gedeckt von 54 Messerschmitt Bf 109 G-6. Es handelt sich bei der Jagdeskorte vorwiegend um Maschinen der I./JG 4 mit einigen letzten Nachzüglern der I./ JG 53, welche gemeinsam mit der I./JG 77 soeben an den südlichen Alpenrand nach Nordostitalien verlegt wird. Die ersten beiden Angriffe der Schlachtflieger richten sich allerdings noch nicht gegen die Landungstruppen, sondern werden von 08.21 Uhr bis 09.30 Uhr und von 10.12 Uhr bis 11.02 Uhr im Raum Minturno an der Gustav-Linie ausgeführt. Erst ab 12.10 Uhr sind Major General Lucas’ Männer an der Reihe. Dass mit einer derartig „stolzen“ Streitmacht kaum mehr als lästige Ärgernisse auszuteilen sind, versteht sich.

Bis zum 28. Januar 1944 sind theoretisch 160 Messerschmitt Bf 109 G-6 der vier Gruppen der I./JG 4, II./JG 51, III./JG 53 und II./JG 77 in Mittelitalien versammelt. Einsatzbereit sind davon aber tatsächlich gerade mal fünfzig. Ähnlich sieht es bei den Schlachtfliegern des SG 4 aus. Ihre zwei verbliebenen Gruppen (I. und II.) stellen 47 Focke-Wulf 190-Jagdbomber. Auf dem Papier. Zum Kampf bereit sind davon inzwischen nur noch lächerliche 20!

Auf der anderen Seite patrouillieren ganze Squadrons an alliierten Jagdflugzeugen in allen Höhen von morgens bis abends über den Landestränden.

Selbst die Messerschmitt-Jagdflugzeuge werden nun teilweise zu Jagdbombern – abgekürzt „Jabos“ – zweckentfremdet und mit je einer Bombe unter dem Rumpf zum Einsatz gebracht. Der Brückenkopf muss zerschlagen werden, um jeden Preis!

Auch die wenigen immer noch in Italien verbliebenen deutschen Kampfgeschwader mit ihren Mittelstreckenbombern werden nun verstärkt. Von Griechenland aus wird die I. und III./LG 1 (Lehrgeschwader 1) nach Italien überstellt, aus Nordfrankreich und der Nordseeküste die II. und III./KG 30 sowie I./KG 76, von Südfrankreich die II./KG 100. Mehrere Kampfgruppen in Italien und Südfrankreich werden zudem aufgefrischt und erhalten zusätzliche neue Maschinen. Unter diesen ist die I./KG 30 und II./KG 76. Hitler ist sogar bereit, sein Prestigeobjekt zu schwächen.

Die deutsche Luftwaffe ist auf sein Geheiß soeben dabei, mit etwa 500 mühsam aus allen Fronten, auch aus Italien abgezogenen und schließlich am Kanal versammelten Bombern erneut nachts London anzugreifen. Hitler will damit an den Briten Vergeltung üben für die verheerenden Zerstörungen, die das Bomber Command in deutschen Städten anrichtet. Diese illustre Streitmacht aus allen möglichen Flugzeugtypen *27 einschließlich 46 Heinkel He 177 richtet zwar einigen Schaden an. Alleine in den beiden Nächten vom 18. auf den 19. und 20. auf den 21. Februar 1944sterben 400 Menschen in London. Die britischen Behörden bezeichnen die Verwüstungen als die schlimmsten seit dem Januar 1941.

Mit dem ungeheuren Ausmaß an Vernichtung, welches das britische Bomber Command unter Air Chief Marshal Arthur Harris gleichzeitig in Deutschland anrichtet, kann Reichsmarschall Hermann Görings Luftwaffe freilich nicht annähernd mithalten. Zum Glück, darf man sagen, denn militärisch sind diese blutigen Vergeltungsangriffe ebenso sinnlos wie der erbarmungslose britische Bombenterror.

Dafür sind die Verluste unter den größtenteils eher unerfahrenen Besatzungen hoch, von denen kaum einer die früheren Angriffe der Luftschlacht um England im Jahre 1940 bis ins Jahr 1941 noch miterlebt hatte. Alleine in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1944 kommen 15 Bomber nicht zurück.

Die Männer haben keine Ahnung, welche inzwischen noch weiter verbesserte Luftabwehr sie über der britischen Hauptstadt erwartet. Und dies, obwohl nun auch die Deutschen durch den Abwurf von Stanniolstreifen die britische Radarortung durcheinander bringen. Es mutet merkwürdig an, dass teilweise deutsche Bomber in der Größenordnung von rund 200 Maschinen pro Angriff im Anflug auf die britische Hauptstadt sind, während sich ihre „Kollegen“ mit den britischen Kokarden am Rumpf gleichzeitig auf dem Weg nach Berlin befinden – wenn auch in ungleich höherer Zahl. In der letzten Januarnacht 1944 sterben etwa 1.000 Berliner im Bombenhagel. Männer, Frauen und Kinder.

So wie die Briten vom 18. November 1943 bis zum 16. Februar 1944 ihre Luftoffensive vier Monate lang vor allem auf Berlin konzentrieren, fliegen die Deutschen ab dem 21. Januar 1944 bis Mai 1944 ebenso ausdauernd nachts nach London, suchen aber auch Hull, Bristol, Weymouth, Torquai und Falmouth heim. Auf britischer Seite fallen insgesamt etwa 1.500 Menschen dem Bombenhagel dieser Phase zum Opfer, während es in Berlin alleine im November 1943 4.330 zivile Opfer sind.

Und noch ein Vergleich: „Operation Steinbock“, von den Briten hämisch zu „Baby-Blitz“ verniedlicht, kostet die deutsche Luftwaffe wertvolle 330 Bomber - meist mitsamt ihren Besatzungen -, welche dringend in Italien oder Russland militärisch sinnvoll gebraucht würden. Die Briten verlieren in ihrer Angriffsserie gegen Berlin 427 ihrer überwiegend viermotorigen Bombenflugzeuge. Das sind deutlich mehr (bei allerdings ungleich höherer Zahl eingesetzter Maschinen), doch die Royal Air Force kann (und Arthur Harris will) sich diesen Aderlass leisten. Für die Luftwaffe dagegen zählt jeder Bomber!

Der erste Luftangriff der Deutschen auf London im Jahr 1944 findet zufällig in derselben Nacht statt, in welcher das VI. US-Korps bei Ánzio und Nettuno an Land geht. Hitler kann sich dazu durchringen, einige wenige Bombergruppen unverzüglich von der „Operation Steinbock“ nach Italien abzuziehen.

Die Luftkämpfe dort sind heftig. Das italienische Verkehrs- und Bahnnetz ist durch vorangegangene Bombenteppiche stark und effektiv zerstört, sodass die Heranführung deutscher Verstärkungen nicht einfach ist. Merkwürdigerweise bombardieren die Alliierten die Anlagen nicht weiter. Damit kommen Reparaturmaßnahmen weitaus besser voran, als von Kesselrings Stäben befürchtet.

Dafür nehmen sich die Engländer und Amerikaner systematisch die deutschen Flugplätze vor, vor allem jene in Mittelitalien. Sie überwachen mit Jägerpatrouillen die Fliegerhorste ihrer Gegner. Die Deutschen versuchen, auf versteckte Feldflugplätze auszuweichen – doch Italien ist gebirgig, so viele Möglichkeiten gibt es nicht. Erst recht nicht für die Bomber, die allerdings etwas weiter weg von der Frontlinie in Norditalien starten – beispielsweise in Aviano oder Villaorba. Und trotz der Erfassung einfliegender Feindverbände durch die Funkmesstechnik (Radar) dennoch nicht ungefährdet sind.

Die I./JG 4 verlegt ihre Messerschmitt-Jäger aus diesem Grund von Osa (bei Orvieto, 95 Kilometer nördlich von Rom) nach Fabrica di Roma (nur 30 Kilometer nördlich von Rom, dafür aber schwerer zu entdecken). Selbst die eigenen deutschen Flugzeugführer haben Schwierigkeiten, den Landeplatz aufzufinden und als solchen zu erkennen. Dies gelingt nur durch eine Wegmarke – den Sender Rom – von dem aus ein bestimmter Kompasskurs eine Minute lang geflogen werden muss.

Der Platz liegt auch noch neben einer tiefen Schlucht! Leutnant Hermann Weber berichtet *28:

„Die Piste von Fabrica ist so eng und staubig, dass immer nur zwei von uns zusammen starten können. Wir versuchen, unseren Platz dadurch zu schützen, dass wir auf einem in der Nähe gelegenen Feld Attrappen aufstellen, um die feindlichen Tiefangriffe dorthin zu lenken. Das gelingt auch einigermaßen, und mehr als ein Bomber und Jabo fällt auf die Täuschung herein.“

Am 22. Januar 1944 startet der Gruppenstab der I./JG 4 um 15.39 Uhr in Osa. Die Messerschmitt-Piloten haben kaum das Fahrwerk eingezogen, als bereits amerikanische P-38 „Lightning“ und sogar betagte P-40 „Kittyhawk“ über die Handvoll deutscher Jagdflugzeuge herfallen.

Leutnant Werner Gerhartz (Me 109 G-6, img Werknummer 161315) hat das Glück, nur leicht verletzt eine Notlandung zu bewerkstelligen. Auch Hauptmann Franz Hahn, der Gruppenkommandeur (Kennung der Me 109 G-6 unbekannt), wird abgeschossen. Er schlägt beim Fallschirmabsprung mit dem Kopf gegen das Leitwerk und verliert sofort das Bewusstsein. Vor dem tödlichen Aufprall kommt er nicht mehr rechtzeitig zu sich. Fast hätte es auch Feldwebel Manfred Reiter „erwischt“ (Kennung der Me 109 G-6 unbekannt). Der deutsche Jagdflieger hat keine andere Wahl als abzuspringen, obwohl seine unzureichende Flughöhe nicht mehr genügend Zeit für den Öffnungsvorgang des Fallschirmes bietet. Reiter kann nur noch auf ein Wunder hoffen – und beten.

Seine Gebete werden erhört. Nur wenige Meter vor dem sicheren Ende auf dem italienischen Erdboden schrammt der deutsche Pilot an einem Balkon vorbei. Sein halb geöffneter Fallschirm nicht. Er bleibt ruckartig an dem Vorsprung hängen – gerade noch rechtzeitig ...

Der vierte Verlust der Gruppe heute ist Unteroffizier Erich Vögler (2. Staffel, Kennung der Me 109 G-6 unbekannt). Er fällt bereits bei dem Begleitschutzeinsatz für die Jagdbomber („Jabos“) des SG 4 kurz nach Mittag – der dritte Einsatz heute, doch der erste gegen den Brückenkopf selbst.

Wie hart diese Einsätze sind, beschreibt Gefreiter Friedrich Schwab aus der 3./JG 4:*29

„Am 21.1.1944 um 13.04 Uhr startet unsere Staffel vom Flugplatz Fabrica die Roma in Richtung Nettuno. Unser Auftrag lautet, eine Staffel Ju 88, die mit Bomben beladen sind, zu begleiten.

Wir fliegen in 8.000 Meter Höhe gemeinsam an. Unser Ziel sind die Schiffe. Als wir den Sperrgürtel erreichen, bekommen wir Feuer. In diesem Kugelregen kommt das Kommando durch die Lautsprecher: ‚Achtung!! Wir stürzen! Kopf über mit Vollgas!‘

Der Fahrtmesser geht auf 950 km/h Geschwindigkeit, der Höhenmesser rasch herunter auf 2.000 Meter. Da ist es höchste Zeit, mit beiden Händen am Steuerknüppel zu ziehen, um die Maschine mit größter Kraftanstrengung abzufangen. Unten ist es rot vor lauter Mündungsfeuer. Ein Hagel von Kugeln und Granatsplittern. Die Hölle ist los.

In Bodennähe angekommen, trägt mich die Fahrt hinauf auf knapp 800 Meter. Dort merke ich dann, dass der Motor mehrere Treffer abbekommen hat. Die Fahrt lässt nach und der Motor nimmt kein Gas mehr an. Die Propellereinstellung funktioniert nicht mehr, weder auf Automatik noch auf Handverstellung. Die Anzeigeuhr bleibt auf 09 Uhr stehen, und damit kann man nicht fliegen (normal muss zum Fliegen der Zeiger auf 11 Uhr stehen).

Ich schaue nach rechts: da ist eine Spitfire zehn Meter neben mir. Ich schaue nach links: das ist auch eine Spitfire zehn Meter neben mir! Ich schaue nach hinten: da sitzt mir eine Spitfire im Nacken! Vorne kommen die Albaner Berge.

Da gibt’s nur eins – nichts wie raus! Ich werfe die Kabine ab und steige aus. Beim Aussteigen krache ich mit dem Rücken gegen das Leitwerk. Die Folge ist eine Verletzung von zwei Wirbeln und drei Rippen. Ich drehe mich dreimal in der Luft, schlage Purzelbaum, weil ich dreimal die Erde sehe und dreimal nicht. Dann komme ich nur mit Mühe und aller Kraft mit der rechten Hand an den Griff des Fallschirmes und ziehe fest an der Reißleine. Der Fallschirm öffnet sich.

Es ist Südwind und ich lande recht unglücklich irgendwo mitten im Albanergebirge. Ich bin im Niemandsland, aber ich kann die Geschützrohre der alliierten Truppen sehen, die aus den Olivenbäumen herausragen. Zwei Infanteristen auf vorgeschobenem Posten haben alles mit angesehen und kommen mir zu Hilfe.

Die drei Spitfire ziehen eine Schleife. Ich bedanke mich mit erhobener Hand und sie fliegen zurück nach Süden.“

Friedrich Schwab hat eine schwere Gehirnerschütterung und bekommt auch noch hohes Fieber. Die beiden Infanteristen – deutsche Landser – bringen ihn zurück. Schwab kommt ins Lazarett. Er ringt mit dem Tode. Schwab fällt für Monate aus und kann erst ab 1. November 1944 wieder Einsätze fliegen.

Bei aller Gefährlichkeit der Kampfeinsätze über dem Brückenkopf – sie werden mit aller Entschlossenheit geflogen. Und sie sind nicht erfolglos!

  • Bereits am 22. Januar 1944 wird das Landungsschiff LCI 20 (für „Landing Craft Infantry“) durch eine deutsche Bombe versenkt.
  • Am 23. Januar 1944 greifen sowohl Torpedoflieger des Kampfgeschwaders 26 (I./KG 26 mit He 111, III./KG 26 mit Ju 88) von Piacenca in Italien aus als auch Heinkel He 177 der II./KG 40 die Invasionsflotte an. Die modernen He 177-Langstreckenbomber starten um 13.30 Uhrvon Bordeaux-Mérignac in Frankreich zu einem vierstündigen Flug ins Kampfgebiet, um bei Einbruch der Dämmerung über der feindlichen Flotte einzutreffen. Allerdings ist es – bedingt durch eine dichte Wolkendecke – schon fast zu dunkel für einen Angriff auf Sicht, als die Lenkwaffen-Träger im Zielgebiet erscheinen. Für solche Fälle haben die Maschinen Leuchtbomben an Bord. Dennoch ist der Angriff deutlich gehandicapt, da die Wolkendecke ein Sammeln zum gemeinsamen Vorgehen unmöglich gemacht hatte.

    Mindestens zwei Torpedobomber werden am Nachmittag von Spitfires Mk. IX der 2nd US Fighter Squadron („American Beagle-Squadron“) abgeschossen. Das KG 40 verliert zwei viermotorige He 177 auf dem nächtlichen Rückflug an Beaufighters, eine davon schießt 2nd Lieutenant Clyde George aus der 414th Night Fighter Squadron USAAF vom Himmel. Die Besatzung kann sich über Korsika mit dem Fallschirm retten und gerät in Gefangenschaft. Die Insel Korsika ist ein idealer Luftstützpunkt für die Amerikaner, um die deutschen Bomber auf Ihren Annäherungsrouten abzufangen. Dennoch können die alliierten Piloten nicht verhindern, dass der Zerstörer „Janus“ versenkt und der Zerstörer „Jervis“ durch eine Gleitbombe beschädigt wird.
  • Welche Hilfe die Funkspionage „Ultra“ den Alliierten bei ihrer Luftabwehr bietet, ist einer Entschlüsselung vom 24. Januar 1944 zu entnehmen. Mit allerhöchster Priorität werden die Luftstützpunkte sofort alarmiert.

„Die deutsche Kriegsmarine gab eine Warnung durch um 12.00 Uhr (GMT) 24ter, dass ziemlich große Formationen diverser Flugzeugtypen am heutigen Nachmittag und gegen Abend auf der Route Marseille – Livorno – Nettuno einfliegen! Wenn es wolkenlos ist, über Siena, bei bedecktem Himmel über Elba und Civitavecchia“

„GMT“ bedeutet hierbei „Greenwich Mean Time“.

Die Original-Warnung ist natürlich an die Flak-Bedienungen deutscher Kriegsschiffe adressiert, um zu verhindern, dass eigene Kanoniere die Verbände für feindliche Flugzeuge halten und schießen. Doch dank „Ultra“ ist der Effekt das Gegenteil. Eine bessere Einladung für die amerikanischen Jäger gibt es kaum. Prompt greifen die Spitfires der 2nd US Fighter Squadron nur 80 Minuten später zwei Ketten deutscher Do 217-Bomber an. Die Deutschen halten den Verband diszipliniert zusammen und erwidern das Feuer mit ihren Bordwaffen. Die Spitfire des US-Lieutenants Clyde Cleveland wird vom Abwehrfeuer der deutschen Bordschützen getroffen und in die Tiefe geschickt, allerdings erst, nachdem Cleveland seinerseits einen Bomber abgeschossen hatte. Der Amerikaner kann sich mit dem Fallschirm retten.

An diesem Tag kommt ein alliierter Nachschubkonvoi am Brückenkopf an. Das Lazarettschiff „St. David“ wird versenkt, die Zerstörer „Plunkett“ und „Mayo“ beschädigt („Mayo“ durch einen Lufttorpedo), ferner wird der Minensucher „Prevail“ getroffen. Auch der Nachschubhafen Neapel wird bombardiert, dort wird der Frachter F.A.C. Muhlenberg beschädigt.

Es geht auf diese Art weiter – doch die deutschen Verluste sind hoch. Zu hoch!

  • Am 25. Januar 1944 beschädigen deutsche Bomben den U-Boot-Jäger PC 676. In der Nacht vom 25. auf den 26. Januar 1944 greifen zwölf Ju 88 der III./KG 26 die alliierten Schiffe an. Als der Torpedobomber des Staffelkapitäns der 9./KG 26 (Oberleutnant Werner Konrad) von Flugabwehrgeschossen getroffen wird, gerät der Oberleutnant in Gefangenschaft. Zu diesem Zeitpunkt sind nach seiner Erinnerung seit Beginn der Einsätze gegen die Landungsflotte mindestens zehn Besatzungen des Geschwaders der alliierten Luftabwehr über dem Brückenkopf zum Opfer gefallen. Die enttäuschende andere Seite der Medaille beschränkt sich in dieser Zeit auf Torpedotreffer an einem einzigen Zerstörer und einem Transportschiff.
  • Am 26. Januar 1944 erwischen die Jagdbomber des SG 4 das Panzer-Landungsschiff LST 336 (für „Landing Ship Tank”) und die Transporter “John Banyard” und “Hilary A. Herbert” jeweils schwer.
  • Am 27. Januar 1944 treffen Bomben den U-Boot-Jäger SC 534.
  • Am 29. Januar 1944 attackieren Do 217 der III./KG 100 mit Gleitbomben und Ju 88 der I./LG 1 mit herkömmlichen Sturzangriffen die anglo-amerikanische Flotte. Der Kreuzer „Spartan“ wird versenkt, ein voller Erfolg, ebenso der große Transporter „Samuel Huntington“. Inzwischen versuchen die Amerikaner, die Steuerungs-Funksignale der deutschen Gleitbomben elektronisch zu stören. Der Effekt ist nicht zuverlässig einschätzbar. Er ist jedoch eher dürftig.

Bis zu diesem Tag werden von den Alliierten bei Ánzio 68.886 Soldaten, 508 Geschütze und 237 Panzer aus den Schiffen ans Ufer gebracht. Die erbitterten deutschen Luftangriffe können das höchstens behindern, jedoch nicht ansatzweise verhindern. Immerhin sind sie nachhaltig genug, um die Amerikaner zu Gegenmaßnahmen zu veranlassen.

Die Alliierten setzen sich entschlossen zur Wehr. Am 27. Januar 1944 rollen Bombenteppiche über die deutschen Kampffliegerbasen in Salon, Montpellier und Istres in Südfrankreich. Am 28. Januar 1944 wird der Flugplatz Aviano in Norditalien in Schutt und Asche gelegt. Am 30. Januar 1944 setzt sich diese systematische Luftoffensive gegen die Basen Udine, Lavariano, Villaorba und Maniago fort. Als die durch Funkmess-Radargeräte vorgewarnten Bomber im Alarmstart abheben, um nicht am Boden zerstört zu werden, fliegt eine Gruppe prompt marodierenden P-47 „Thunderbolt“-Jägern der Amerikaner in die Arme ...

Im Norden Italiens stehen neben italienischen Jägereinheiten lediglich die I./JG 77 und I./JG 53 zur Jagdverteidigung zur Verfügung. Nominell besitzen die beiden deutschen Gruppen 63 Messerschmitt-Jäger. Doch einsatzbereit sind lediglich 43 Me 109 G-6.

Oberleutnant Armin Köhler startet mit seinen Kameraden von der I./JG 77 im Alarmstart. *30

„In 6.500 Meter treffe ich mit der Gruppe auf eine amerikanische Luftarmada, wie ich sie noch nie auf einem Haufen erlebt habe. Sie werfen Bomben auf Udine. 300 Viermots [Erläuterung: Kurzform für „viermotorige Bomber“], über 120 Lightnings und circa 100 Thunderbolts rasen in der Gegend umher. Die Thunderbolts sind in allen Höhen.

Wir zersprengen einen Viermot-Pulk. Ein Abschuss für Oberfeldwebel Meschke, einer für mich, Nr. 24. Eine Thunderbolt sitzt mir im Genick und trotz 750 km/h Fahrt komme ich nicht weg. Ich bekomme Treffer in der rechten Fläche und das Rohr wird mir weggeschossen. Der Ami zieht eng an mir vorbei, seine Leuchtspur flitzt an mir vorbei. Ich kann, während er vorbeizieht, in die Läufe sehen und bewundere die Thunderbolt aus nächster Nähe.

Wir landen zwischen Bombentrichtern! Von meiner Staffel haben noch drei weitere Maschinen Beschuss. [Hinweis des Autors: gemeint sind Beschuss-Schäden] Der Gefreite Scherer bekam Splitter in die linke Brust, Unteroffizier Schmidt wurde nach dem Landen am Boden getötet. Niederhagen kehrte vom Feindflug nicht zurück, ebenfalls ein Fähnrich der 1. Staffel.

Die Gruppe hat heute insgesamt acht Abschüsse erzielt. Von Meschkes Bomber stiegen acht Mann aus. Aus einer anderen Maschine sprangen acht Mann ohne Fallschirm ab. Drei Maschinen gingen gleichzeitig brennend zu Boden.“

Die beiden von Köhler genannten Kameraden Schmidt (richtigerweise Feldwebel Paul Schmidt) und Scherer (richtigerweise Gefreiter Leo Scherers) sind nach erfolgtem Einsatz bereits wieder gelandet, als der Flugplatz Lavariano taktisch geschickt von einer weiteren Bomberwelle heimgesucht wird. Die angerichteten Schäden an der Anlage sind böse, wenn auch nur eine Me 109 G-6 beschädigt wird. Viel schlimmer aber für die I./JG 77 als Sachschäden ist der Tod des Feldwebels und die Verwundung des Gefreiten im amerikanischen Bombenhagel – zwei Flugzeugführer weniger im Einsatz!

Dazu kommen Oberfähnrich Wilhelm Bossow, der mit seiner Messerschmitt Bf 109 G-6 img (Werknummer 161799) im Luftkampf mit den Viermotorigen bei Aquileia abgeschossen wird, sowie der erwähnte Fahnenjunker-Oberfeldwebel Kurt Niederhagen (img, Werknummer 161312). Beide Piloten der 1. Staffel sind seither vermisst. Drei weitere Me 109 G-6 gehen im Luftkampf verloren, eine vierte wird beschädigt. Die Jagdflieger am Steuer bleiben allerdings allesamt unverletzt.

Auf der anderen Seite stehen acht Abschussmeldungen – sieben Boeing B-17-Bomber und ein P-47 „Thunderbolt“-Begleitjäger. Die erfolgreichen Piloten sind Oberleutnant Baumann und Leutnant Krause (1. Staffel), Oberleutnant Köhler und Fahnenjunker-Oberfeldwebel Meschke (2. Staffel), Leutnant Schlenzig, Oberfeldwebel Stahl und Feldwebel Focke (3. Staffel). Sie schießen jeweils eine B-17 vom Himmel, während die P-47 auf das Konto von Leutnant Franz geht (ebenfalls 3./JG 77).

Die Bilanz der I./JG 53 ist erheblich negativer. Drei Piloten der Gruppe fallen den jeweils acht schweren Maschinengewehren der P-47 „Thunderbolts“ zum Opfer. Auch hier bleibt nur, die Namen der Unglücklichen zu nennen. Junge Männer, gefallen im Glauben, für ihr Vaterland – das heißt letztlich, für die Ihnen bekannten und geliebten Menschen ihrer Heimat – zu kämpfen.

Es sind Fahnenjunker-Unteroffizier Bernhardt Konetzny (1. Staffel, img, Werknummer 161344), Fahnenjunker-Feldwebel Hans Kölsch (2. Staffel, img, Werknummer 161327) und Unteroffizier Kurt Thäsler (3. Staffel, img, Werknummer 162165). Thäslers Staffelkamerad Unteroffizier Heinz Stegmeyer ( img, Werknummer 161342) schafft verwundet noch einen Fallschirmabsprung.

Dagegen steht nur ein Luftsieg. Leutnant Thüroff (2./JG 53) schießt eine Boeing B-17 herunter.

Auch die „achsentreuen“ Italiener starten und verteidigen den Norden ihrer Heimat gegen die, welche sie als Eroberer betrachten, während eine erhebliche Anzahl ihrer Landsleute eher den Begriff „Befreier“ wählen würde. Die italienischen Piloten stehen den deutschen an Einsatzwillen kaum nach.

Sie kämpfen tapfer, was auch Generalfeldmarschall von Richthofen in einer Notiz anerkennt. Doch ihre Verluste sind schwer, noch höher als die der Luftwaffenpiloten.

Auf der anderen Seite versuchen die amerikanischen Bomberbesatzungen, mit angeschossenen Maschinen buchstäblich um jeden Preis eigenes Gebiet zu erreichen. Die Gründe werden in einem Einsatzbericht aus Oberleutnant Armin Köhlers Tagebuch am 8. Februar 1944 deutlich. *31

Nach wie vor fliegen einige Staffeln mit der ungeliebten Ausrüstung der Werfer-Rohre unter den Tragflächen. Die Erfolge der Granatwerfer im Luftkampf gegen die Viermotorigen sind eher bescheiden, dafür wiegt das Handicap an Leistungseinbuße gegen feindliche Jäger umso schwerer. Es ist unverständlich, warum man es wieder und wieder mit diesen klobigen Waffen versucht.

Dieses Mal wenigstens leidlich mit Effekt.

„Alarmstart auf 50 B-17 und starken Jagdschutz zwischen Venedig und Padua, zwischen 12.00 und 13.00 Uhr. Die Werfer zwingen einen Verband zum Notwurf und kratzen zwei Bomber schwer an. Insgesamt werden sieben Apparate wirksam beschossen. Die Amerikaner quälen sich wer weiß wie weit, sie schmeißen sich mit ihren Maschinen lieber ins Meer.

Das mag daher kommen, wie jetzt einer der Flugzeugführer im Lazarett aussagte, dass man ihnen vor dem Start erzählt, wenn sie hier über deutschem Gebiet abspringen müssen, werden sie anschließend von uns erschossen.

Er fragte auch immer, wann er denn nun erschossen würde ... !!!“

Inzwischen gehen die Kämpfe am Brückenkopf bei Ánzio und Nettuno weiter. Am Boden wie in der Luft. Und zur See.

Am 16. Februar 1944 werden der große Truppentransporter „Elihu Yale“ und das Panzer-Landungsboot LCT 35 bei Bombenangriffen versenkt.

Der Zerstörer „Herbert C. Jones“ wird am 15. Februar 1944 beschädigt, eine ferngesteuerte Gleitbombe Typ HS 293 schickt am 25. Februar 1944 den Zerstörer „Inglefield“ auf den Meeresgrund.

Und auch von dort selbst droht den alliierten Schiffen Gefahr. Deutsche U-Boot-Besatzungen geben ihr Bestes, mit ihren Torpedos dem Feind Verluste zuzufügen. Alleine im Monat Februar stehen drei wertvolle Panzerlandungsschiffe, ein großer „Liberty“-Frachter („William B. Woods“, 7176 BRT) und selbst ein Kreuzer (HMS „Penelope“) auf der deutschen Versenkungsbilanz. Doch auch die Alliierten schlafen nicht. Dank „Ultra“ werden die deutschen U-Boote gnadenlos gejagt und mit Hilfe von Wasserbomben beziehungsweise den neueren „Hedgehog“-Granatwerfern angegriffen. Letztere verfeuern Salven eintauchender Geschosse mit Aufschlagszünder vor den Bug des angreifenden Zerstörers.

Während eines Wasserbombenangriffes muss der angreifende Zerstörer über den durch die „ASDIC“-Unterwasser-Schallortung erfassten Standort des Unterseebootes hinweglaufen, um dann die Bomben mit eingestellter Explosionstiefe über Heck abzuwerfen. Dies bietet dem U-Boot-Kommandanten die Chance eines abrupten Ausweichmanövers im allerletzten Augenblick, denn „ASDIC“ erkennt Position und Tauchtiefe des U-Bootes vom Zerstörer aus nur nach vorne. Jener ist in der letzten Anlaufphase also „blind“ – was sich im U-Boot durch die Registrierung der Schallimpulse und Schraubengeräusche des Angreifers akustisch nachvollziehen lässt.

Im Gegensatz zum Wasserbombenwurf verliert der alliierte Kapitän während eines „Hedgehog“- Angriffes den ASDIC-Schallortungskontakt zum U-Boot nicht. Ein unbemerkter Kurs- oder Höhenwechsel des U-Boot-Kommandanten im letzten Moment – die einzige reelle Chance bei einem Wasserbombenangriff – wird so unmöglich. Jede Salve deckt ein Quadrat von etwa 40 Metern Seitenlänge ab – durch die Aufschlagszünder unabhängig von der Tauchtiefe des Bootes. Das System ist erschreckend effektiv. Alleine im März 1944 werden vier deutsche Unterseeboote vom Gegner mit Hedgehog und auch herkömmlich mit Wasserbomben im Mittelmeer versenkt.

Selbst durch Taucher gesteuerte Einmann-Torpedos („Neger“) kommen gegen Ánzio zum Einsatz. Eine deutsche Geheimkonstruktion. Sie erzielen keine greifbaren Erfolge. Von 23 kehren 13 zurück.

Derweil fliegen die Jagdbomber des SG 4 unermüdlich ihre Einsätze. Die Schiffe sind nicht das primäre Ziel der Focke-Wulf A-6, G-2 und G-3. Abwurfbehälter mit bis zu 50 Splitterbomben verstreuen die tödlichen Sprengkörper über eine beträchtliche Fläche und fordern zahlreiche Opfer unter den im Landekopf zusammengepferchten alliierten Soldaten am Boden. Die inzwischen versammelte deutsche Artillerie tut ein Übriges. Allmählich beginnen die GI‘s, ihre Kameraden vor Cassino zu beneiden.

Die Piloten des SG 4 stürzen sich über dem Brückenkopf von Ánzio fast wie Stukas im 65° Gleit-Sturzflug auf ihre Ziele, um dem alliierten Flakfeuer zu entgehen. Die Maschinen beschleunigen dabei bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit und rasen durch den Fahrtüberschuss des Sturzfluges mit einem „Affenzahn“ durch den Geschosshagel. Sie erreichen beim Abfangen 800 km/h und sind mit dieser Geschwindigkeit als Ziel schwer anzuvisieren.

Bei einem Feuervorhang, wie er über Ánzio herrscht, ist allerdings ein Zielen nicht mehr nötig, um zu treffen. Ein herkömmlicher Jabo-Angriff im Tiefflug andererseits ist inzwischen nahezu Selbstmord.

Am 30. Januar 1944 treten die beiden inzwischen verstärkten Divisionen des Major General John Lucas zum Angriff aus der Landezone an. Die Briten erobern den Ort Campoleone – dann bleiben sie im deutschen Abwehrfeuer liegen. Die 1. britische Division steckt am linken Angriffsflügel fest. Es sieht so aus, als käme die 3. amerikanische Infanteriedivision rechts von den Briten besser voran. Ihre Speerspitze sind 767 US-Rangers, die sich lautlos in einem Deckung bietenden Bewässerungsgraben in Richtung auf den Ort Cisterna voranarbeiten. Es ist 01.30 Uhr, als sich die Spezialeinheit in Marsch setzt und die Lücke findet, in welcher sie die deutsche Front unbemerkt durchdringen kann.

Bei Tagesanbruch sind die Amerikaner bereits weit auf ihr Ziel Cisterna vorgedrungen. Die ganze Nacht über hatten die Männer gedämpfte Geräusche auf deutscher Seite gehört. Doch offenbar hatte sie niemand entdeckt. Jetzt graut der Morgen. Nun ist die Überraschung auszunützen! Angriff!

Der Morgen wird sehr schnell zum Grauen. Die Amerikaner sind in eine böse Falle gelaufen. Als sie losstürmen, werden sie von allen Seiten mit Maschinengewehrsalven, Granatwerferfeuer und Panzergranaten zugedeckt. Auch der Rückweg ist versperrt.

Sechs Männer schaffen es trotzdem bis zu den US-Linien zurück. Von 767 ...

Ein anderes Bataillon erreicht die Außenbezirke von Cisterna. Zu Beginn des Vorstoßes sind es 800 amerikanische GI‘s. Nach dem Zusammenbruch leben noch 150 von ihnen.

Auf beiden Seiten der Front sterben etwa 5.500 Soldaten. Dann gibt Lucas den Befehl zum Rückzug. „Ultra“ gibt den Ausschlag. Denn die Funkspionage erkennt einen massiven deutschen Gegenstoß!

Die Alliierten graben sich ein und harren der Panzer, die da kommen mögen.

Sie kommen! Inzwischen leitet General Eberhard von Mackensen als Oberbefehlshaber der neu aufgestellten 14. Armee die deutschen Verbände um den alliierten Brückenkopf. Er hat den etwa 100.000 Engländern und Amerikanern inzwischen fast 125.000 eigene Männer entgegenzustellen.

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Focke-Wulf 190 G-2- oder G-3-Jagdbomber. Die im Frühjahr 1944 in der I./und II./SG 4 üblichen Varianten G-2/G-3 sind modifizierte A-5/A-6 und verzichten nicht nur auf die Außenflügelkanonen, sondern auch auf die MGs über dem Motor. Die G-3 unterscheidet sich durch andere Tragflächenhalterungen vom Typ G-2.

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