10. Sturmjäger – die Curassiere der Luft

In den Morgenstunden des 7. Juli 1944 starten 756 B-17 „Flying Fortress“-Bomber und 373 B-24 „Liberator“ mit starkem Jagd-Begleitschutz (756 alliierte Jäger) zu einem Angriff auf die Hydrierwerke bei Leuna, Böhlen und Flugzeugwerke in Leipzig, Halle und Bernburg. Die „Sturmgruppen“ der II./JG 300 und IV./JG 3 (meistens Focke-Wulf 190 A-8/R2) sowie zwei Deckungs-Gruppen des JG 300 (Me 109 G-6) werfen sich – neben der II./JG 5 sowie I. und II./ ZG 26 – dem 1.885 Maschinen starken US-Verband entgegen. 199 Verteidiger gegen 1.885Eindringlinge. Die USAAF verliert außer 11 B-17 auch 29 B-24 „Libe rator“-Bomber, die meisten durch den verheeren den Angriff der 44 Sturm jäger der IV./JG 3 nahe Bernburg. Alleine die 492nd Bomb Group büßt in nur dreizehn Minuten zwölf ihrer B-24 „Liberator“ ein. Der Angriff wird von Hauptmann Wilhelm Moritz geführt. Die IV.(Sturm)/JG 3 mit der 2./JG 51 hat nach dem Luftkampf fünf Jagdflugzeuge weniger, vier deutsche Piloten beider Einheiten verlieren dabei ihr Leben.

7. Juli 1944

Die „Sturmjäger“ oder auch „Rammjäger“ des JG 3 sind eine deutsche Eliteeinheit und bei den amerikanischen Bomberbesatzungen gefürchtet. Ihre Einsätze in geschlossener Formation erfordern geradezu eiserne Nerven. Sie nehmen sich vor, bei jedem Einsatz mindestens einen gegne rischen Bomber zum Absturz zu bringen, und sei es durch Rammen. An Selbstmord ist dabei allerdings nicht gedacht. Um die Chance zu haben, ein solches Manöver zu überleben, fliegen die Piloten besonders gepanzerte Focke-Wulf. In den meisten Fällen kommt es jedoch nicht dazu, da die 20-mm-Garben der inneren und 30-mm-Geschosse der äußeren Tragflächenwaffen vorher Wirkung zeigen.

Im Gegensatz zum damals klassischen Angriff von vorne gegen die Bomber, welcher dem angreifenden Jäger zwar nur eine kurze (oft genug ausreichende) Zeit zum Zielen und Feuern bietet, ihn aber auch nur kurze Zeit dem massierten Abwehrfeuer der Bomber aussetzt, fliegen die Sturmjäger meist von hinten an. Sie haben nun nur noch die Geschwindigkeitsdifferenz als Vorteil, während sich beim Angriff von vorne die Geschwindigkeit beider Gegner addiert. Da die Jäger in geschlossener Formation Seite an Seite fliegen, können sich die Bomber nicht mehr gegenseitig decken und ihr Feuer gemeinsam auf einen Angreifer bündeln – jeder hat mit sich selber und seinem eigenen individuellen Gegner zu tun. Die Jäger fliegen dennoch in einen regelrechten Geschosshagel und feuern auf kürzeste Distanz – wenn sie es schaffen, bis an den Bomber heranzukommen. Die anschließende Wirkung vor allem der äußeren 30-mm-Kanonen (Mk 108) auf die „Fliegenden Festungen“ ist fürchterlich.

Die Sturmjäger sind im Vergleich zu der normalen Jagflugzeugausführung der Focke-Wulf 190 A-8 drastisch umgerüstet. Die Sturmjäger-Version A-8/R2 hat im Vergleich zur reinen Jägervariante A-8 eine verstärkte Panzerung mit 200 kg Mehrgewicht, die sie speziell nach vorne sehr effektiv gegen das Abwehrfeuer der Bomber-Bordschützen schützt. Die Verluste unter den Sturmjägern durch die Maschinengewehrsalven ihrer viermotorigen „Opfer“ halten sich daher in „akzeptablen“ Grenzen.

Die Bordschützen der Bomber, die eine regelrechte Phalanx von Jagdflugzeugen in stoischer, unerschütterlicher und höchst bedrohlicher Form von hinten gegen sie anrücken sehen, feuern nervös oft bereits aus 1.000 Meter Abstand. Spätestens bei einer Distanz von 600 Metern setzt dann der Feuervorhang der etwas nervenstärkeren amerikanischen Bomberbesatzungen in vollem massivem Ausmaß ein. Es muss ein beklemmendes Gefühl vor allem für die Heckschützen sein, wenn sie erkennen, dass ihre geballte Gegenwehr die deutschen Jagdflugzeuge noch nicht einmal zu den geringsten Ausweichmanövern nötigt. Diese halten unbeirrbar Kurs mit den beunruhigend auf sie gerichteten Kanonenmündungen, als gäbe es ihre Geschosse nicht. Der Tod kommt gnadenlos näher und näher.

Das Gewicht der Variante A-8/R2 wird in Relation zur A-8 noch einmal deutlich erhöht durch die geänderte Bewaffnung. Die äußeren 20-mm-Kanonen (MG 151) an den Tragflächenmitten werden gegen die schweren 30-mm-Mk 108 ausgetauscht, während die inneren MG 151 an den Tragflächenwurzeln unverändert bleiben. Dafür entfallen meistens die auf der Motorhaube üblicherweise installierten 13-mm-MG 131. Deren Munitionsvorrat beträgt 475 Schuss pro Lauf, was für 32 Sekunden Dauerfeuer ausreicht. *1 Dagegen ist die Kanonenmunition der 20-mm-MG 151 an den Tragflächenansätzen (250 Schuss pro Waffe) bereits nach 22 Sekunden aufgebraucht, die Magazine der zerstörerischen 30-mm-Mk 108 (55 Schuss pro Kanone) genügen gar nur für 5,5 Sekunden Dauerfeuer. Der Pilot einer Jägerversion Focke-Wulf 190 A-8 wird üblicherweise zuerst mit den Maschinengewehren feuern und erst dann, wenn deren Garben klar im Ziel liegen, die vier 20-mm-Kanonen einer A-8 mit dem kleineren Munitionsvorrat hinzuschalten. Diese Ziel-Option entfällt bei den Sturmjägern durch das Fehlen der MG 131. Das ist der Grund dafür, warum die Elitepiloten der Sturmgruppen durch den Feuerhagel hindurch bis auf maximal 400 Meter an ihre riesigen Gegner heranfliegen und erst dann das Feuer eröffnen, wenn sie sich der Treffer relativ sicher sein können – zunächst mit den beiden 20-mm-Kanonen. Wenn diese ihre Wirkung entfalten und den Bomber tatsächlich erfassen, werden auf höchstens 200 Meter Entfernung aus allernächster Nähe die zwei 30-mm-Waffen hinzugefügt. Mit kurzen Feuerstößen, um Munition zu sparen. Deren Explosivgeschosse reißen ganze Stücke aus dem Rumpf und den Tragflächen der getroffenen Bomber.

Es gehört eine enorme Kaltblütigkeit dazu, in einem starren Verband V-förmig nebeneinander anfliegender Jagdflugzeuge – gefolgt von einer zweiten Welle – mit eiserner Ruhe „auf Biegen und Brechen“ im Schlachtverband Position zu halten, sich nicht im Geringsten von den entgegen flirrenden Leuchtspurketten von Dutzenden an Doppelläufen beirren zu lassen, durch den Feuerzauber hindurch zu fliegen, ohne auch nur mit den Tragflächen zu wackeln, sich dann einen Bomber so eindeutig als Ziel auszusuchen, dass der Kamerad nebenan erkennen kann, welcher Bomber für ihn „noch frei“ ist, und schließlich aus nächster Nähe aus allen Rohren mitten hinein zu halten. Nachdem es gegebenenfalls bereits mehrfach im eigenen fliegenden Untersatz „gescheppert“ hat!

Erst in der allerletzten Angriffsphase passt sich die deutsche Angriffsformation hinsichtlich der Position der jeweiligen Sturmjäger den gestaffelten Flugfiguren der Bomber-Combat-Boxen an – zwangsläufig, da nun hinter jedem einzelnen Bomber der Formation ein feuerspeiendes Jagdflugzeug sitzt.

Die Erfolge sprechen für sich. So lange, wie man sich alleine mit dem designierten Gegner, dem viermotorigen schweren „Terror“-Bomber, auseinander zu setzen hat. Doch wehe, man hat es mit feindlichen Begleitjägern zu tun. In 8.000 Metern Höhe ist bereits eine Jagdversion der Focke-Wulf 190 A-8 den amerikanischen Mustangs erheblich an Wendigkeit und Geschwindigkeit unterlegen (was sich in niedrigeren Höhen bis zur Gleichwertigkeit beider Typen reduziert). Ein schwerfälliger „Sturmjäger“ hat gegen alliierte Begleitjäger kaum eine Chance in diesen Höhen. Da schlagen sich die Messerschmitt Bf 109 G-6 erheblich besser, obwohl auch sie erst auf deutliche konstruktive Verbesserungen warten müssen, um technisch (ab den Versionen G-10, vor allem K-4) wieder gleichziehen zu können.

Es gibt einen Eid, den alle Piloten der IV.(Sturm)/JG 3 vor ihrem Kommodore ablegen – wenn auch eher als Absichtserklärung. „Wir schwören, in der Verteidigung des Reiches nach den Prinzipien und Angriffsregeln der Sturmgruppe zu kämpfen. Wir wissen, dass wir, als Flugzeugführer der Sturmgruppe, in besonderer Weise dazu aufgerufen sind, die Bevölkerung unseres Heimatlandes bis zum Äußersten unserer Kraft zu schützen und zu verteidigen. Wir verpflichten uns, in jedem Einsatz bei Kontakt mit viermotorigen Bombern den Angriff bis auf kürzeste Distanz auszuführen und – falls der Abschuss durch Bordwaffeneinwirkung nicht gelingen sollte – den Feind durch Rammen zu zerstören.“

Es ist 06.30 Uhr, als die US-Formationen den Südosten Englands verlassen. Die Bomber werden eskortiert von vier Gruppen an P-38 „Lightning“-Jägern, vier aus P-47 „Thunderbolts“ bestehenden Gruppen und sieben P-51 „Mustang“-Gruppen. Die P-38 und P-51 haben mit druckbelüfteten Zusatztanks inzwischen eine Eindringtiefe von 940 Kilometer/1.040 Kilometer erreicht! Das heißt, dass die US-Bomber von England bis Prag geschützt werden können. Deutsche Horcheinheiten mit Hörweite bis in den englischen Luftraum erkennen bald, dass ein massiver Einflug im Gange ist. Somit sind die deutschen Jägerleitstellen rechtzeitig vorgewarnt. Die II. Gruppe des JG 300, die IV. Gruppe des JG 3 sowie die dem JG 3 angegliederte 2. Staffel des JG 51 sind jene spezialisierten Bomberbekämpfungseinheiten – Sturmgruppen, ausgerüstet mit Focke-Wulf 190 A-8/R2 oder A-8/R8. Zum ersten Mal werden beide Gruppen gleichzeitig (allerdings nicht gemeinsam) operieren unter dem Kommando von Geschwaderkommodore Major Dahl. Sie werden gedeckt durch die Me 109 G-6 der I. und III. Gruppe des JG 300.

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Schematische Darstellung einer Sturmgruppe im Zielanflug auf die Bomber.

08.00 Uhr – die Bomberarmada wird gesichtet und gemeldet im Anflug über Holland. Die amerikanischen Formationen werden nun aufgeteilt – die (überwiegend) B-17 „Fliegende Festung“-Bomber der 1st und 3rd Division wenden sich scheinbar nach Berlin, während die B-24 „Liberator“-Bomber der 2nd Division die Treibstoffanlagen von Leuna auf direktem Wege zum Ziel haben. 09.00 Uhr – der Flugweg der beiden Bomberströme kreuzt sich über Thüringen. Die „Fliegenden Festungen“ hätten diese Region schon eine halbe Stunde früher erreichen sollen – gemäß Einsatzplan. Sie sind verspätet – eine halbe Stunde. Es grenzt an ein Wunder, dass es keine Zusammenstöße mit den Liberator der 2nd Division gibt, welche zur gleichen Zeit gerade hier eintreffen. Doch es ist nur ein Aufschub des Desasters. Die deutsche Jäger-Leitung ist sich der Gefahr für die lebenswichtigen Anlagen zur Treibstoffversorgung bewusst. Die deutschen Piloten sind grimmig entschlossen, ihre Heimat zu verteidigen.

Etwa 20 Messerschmitt der II./JG 5 sind die ersten deutschen Jäger, die sich dem Feind entgegenwerfen. Sie werden sofort von den US-Begleitjägern attackiert. Die 4./JG 5 schafft es, zu den Bombern vorzudringen, trotz der Bemühungen der Jägergruppen des US-Begleitschutzes, dies zu verhindern. Ein Feuervorhang – errichtet von den Abwehr-Maschinengewehren der Bomber – erwartet sie.

Der wichtigste Erfolg dieses deutschen Angriffs ist die Tatsache, dass die Messerschmitt die Aufmerksamkeit eines Teils der Bomber-Eskorte auf sich ziehen. Etwa um halb zehn Uhr erfüllt die 453rd US Bomb Group ihre Aufgabe – der Befehl „Bomben los“ tönt durch die Bordsprechanlagen der B-24 „Liberator“. Die Bomberpulks wenden in Richtung Süd-Westen – nach Plan sollen sie auf Parallelkurs zu den noch im Anflug auf das Ziel befindlichen Bomberformationen Deutschland verlassen. Der Plan misslingt. In der Höhe von Eisleben und Allstedt kreuzt sich der Kurs zweier Formationen.

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B-24 „Liberator“ Formation beim Feindflug ...

Die andere Formation der unverhofft auf Kollisionskurs steuernden Verbände besteht aus der 492nd und 392nd US Bomb Group. Sie ist noch im Anflug auf das Ziel – voll mit ihrer explosiven Last beladen. Die Besatzungen der 44th und 453rd Bomb Group wissen das – und geben ihren schwerfälligen Kameraden den Vorrang. Irgendetwas am Zeitplan läuft daneben! Doch die Jungs der 453rd und 44th Bomb Group bügeln es aus. Sie ziehen ihre Maschinen hoch und überfliegen die das Ziel anvisierende 492nd und 392nd Bomb Group. Gleichzeitig drehen sie nach rechts ab. Die noch weiter über ihnen in der Überhöhung patrouillierenden Jäger-Eskorten machen das Manöver mit und folgen den abdrehenden Liberator des 14th Bomb Wings. Die darunter anfliegende Formation der 492nd und 392nd Bomb Group verlieren sie dabei vollkommen aus den Augen.

Deren Besatzungen sehen nun Bernburg unter sich – und unverhofft die Kondensstreifen der in zwei hintereinander angeordneten breiten Angriffslinien von hinten unten anfliegenden 44 „Sturmjäger“ der IV./ JG 3 und 2./JG 51 hinter sich. Sie kommen in Parade-Schlachtordnung Seite an Seite - bald ergänzt durch die Leuchtspurgarben der Geschosse ihrer Bordkanonen. Wo zum Teufel sind die Mustangs? Kein einziger US-Jäger ist zu sehen weit und breit! Stattdessen aber haufenweise deutsche – und bald nicht wenige brennende „Liberator“-Bomber.

Es ist 09.40 Uhr, die 492nd Bomb Group wird Bomber für Bomber dezimiert und verliert ein viermotoriges Kampfflugzeug nach dem anderen.

Die erste zu diesem Zeitpunkt abstürzende, vielleicht von den Sturmjägern, möglicherweise aber von einem deutschen Flak-Geschoss getroffene Liberator ist der Führungsbomber der abdrehenden 453rd Bomb Group, ein von der 389th Bomb Group ausgeliehener so genannter „Pfadfinder“. Beide Piloten sind offenbar sofort tot – oder die Steuerung ist zerschossen. Jedenfalls triftet das riesige Flugzeug unaufhaltsam führungslos brennend in die Box der 492nd Bomb Group. Lieutenant O’Sullivan sieht das orientierungslose Wrack auf sich zukommen. Im letzten Moment weicht er durch einen Sturzflug aus. Die Crew 2nd Lieutenant John I. Carys hat weniger Glück.

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... und in Aktion beim Bombenwurf. Hier handelt es sich um eine Maschine der 713th Bomb Squadron aus der 448th Bomb Group (8th USAAF), stationiert in Seething (England).

Cary sieht die monströse Gefahr nicht – oder zu spät. Die steuerlose B-24 kappt eine Tragfläche der von Cary gesteuerten Liberator mit der Seriennummer 42-110091 aus der 859th Bomb Squadron, Code (Kennung)img. Der viermotorige Bomber namens „Bold Venture“ hält sich noch eine Minute in der Luft. Dann zerbricht die riesige Maschine in alle Einzelteile. Carys Bombenschütze Flight Officer James W. Byrd Jr. ist der Einzige aus beiden Bombern, der dem Inferno entrinnen kann.

Der Pilot der nächsten Tragödie heißt Captain Ernest E. Pelkey. Namen sind alles, was von ihm und seiner Crew übrig bleibt. „Laura Jo“, B-24 J 5Z img S mit der Nr. 44-40086 der 856th Bomb Squadron/ 492nd Bomb Group wird von deutschen Jäger-Geschossen getroffen, trudelt ab und explodiert mit neun Männern an Bord in einem grellen Feuerball.

Auch die Besatzung 1st Lieutenant David P. McMurrays (B-24 J „Liberator“ 5Z img R der 856th Bomb Squadron mit der Nr. 44-40145), genannt die „tough luck crew“ („zähe Glücks-Besatzung“), hat heute kein Glück mehr, aller Zähigkeit zum Trotz. Keiner von ihnen überlebt den Abschuss ihres Bombers.

Ein Besatzungsmitglied von 1st Lieutenant Frank P. Haags Bomber (5Z img G, Nr. 42-95230) kann im letzten Moment nach seinem Fallschirm greifen, als er aus dem brennenden Bomber geschleudert wird. Vier seiner Kameraden werden durch die Geschosse des deutschen Jägers sofort getötet. Die restlichen sechs schaffen es noch, herauszukommen, bevor die B-24 H der 856th Bomb Squadron explodiert. Sie schweben am Fallschirm zu Boden. Einer davon hält sich krampfhaft an den Gurten fest, die er erst im Fallen noch umschnallen konnte. Selbst dann öffnet der Schirm zunächst nicht - 2nd Lieutenant Ralph Goloven, der Navigator, muss das Tuch mit bloßen Händen aus der Hülle befreien.

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Der Beschuss einer B-24 aus der Sicht der beim Feuern automatisch ausgelösten Geschützkamera des angreifenden deutschen Jagdflugzeugs.

Dreamer“ heißt die B-24 H mit der Nummer 42-95005. Sie wird gesteuert von 2nd Lieutenant Ernest L. Watson, dem Piloten. „Dreamer“ gehört zur 859th Bomb Squadron, die mit diesem Bomber nun die nächste Maschine verliert. Nur der Funker, Staff Sergeant George S. Cataldo, überlebt den Absturz der X4 img G+ durch einen rechtzeitigen Fallhirmabsprung. Es ist erst der dritte Einsatz der Crew (abgesehen von einer abgebrochenen Mission).

Doch auch ein Fallschirm bedeutet keine Freifahrkarte in die Sicherheit. Das muss die Besatzung 1st Lieutenant Bernard N. Hardings auf böse Art erkennen. Hardings Männer schaffen es alle, aus dem getroffenen Bomber mit der Produktionsnummer 44-40110 der 859th Bomb Squadron(X4 img L+) mit dem Namen „Georgette“ herauszukommen. Es sind zwölf Mann – mehr als in einer normalerweise neun- bis zehnköpfig besetzten B-24 üblich, da die B-24 J Hardings als Führungsbomber fungiert und Captain Louis Jaques Jr. als „Air Leader“ und 1st Lieutenant Melvin Kernis als zusätzlichen Chefnavigator an Bord hat. Zwölf Amerikaner, die lebendig den deutschen Erdboden erreichen. Als ein deutscher Soldat herbeieilt und den aufgebrachte Mob endlich davon abhält, auf die amerikanischen Flieger einzuprügeln, ist es für einen von ihnen zu spät. Die hasserfüllten, selber bitter leidgeprüften Bomben-Opfer waren nun zu Tätern geworden. Der Bordschütze Staff Sergeant Franklin W. Snyder liegt erschlagen am Boden. Die anderen verdanken dem deutschen Soldaten im letzten Moment ihr Leben.

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McMurrays Consolidated B-24 J „Liberator“ N° 44-40145 vor der Auslieferung. (Hinweis: die erste Ziffer „4“ wird bei der Kennzeichnung der Rümpfe grundsätzlich weggelassen, statt „44-40145“ ist somit der Code „440145“ zu sehen. Dabei definiert die Zahl „44“ das Produktionsjahr, in diesem Fall also 1944, genannt wird hiervon die Ziffer 4. Die Zahl 40145 entspricht der Werknummer. Von 44-40145 verbleibt 440145).

„Super Wolf“ ist eine Liberator der 859th Bomb Squadron mit dem Code X4 M+ img B+, Produktionsnummer (Serial Number) 44-40050. Auch sie fliegt in der 492nd Bomb Group. So lange, bis die Geschosse eines Sturmjägers aus nächster Nähe ein Feuer im Bombenschacht auslösen. Inmitten der Bomben! Zwei Jungs aus 1st Lieutenant Elmer Smileys Crew schaffen den Absprung, bevor es den Bomber zerreißt (Smiley wird „Smilry“ geschrieben an anderer Stelle, welche aber einige Detailungereimtheiten enthält – beispielsweise wird „Laura Jo“ (siehe oben) dort der 858thBG zugeordnet, was aber nur bis Juni 1944 galt).

1st Lieutenant Clayton J. Newmans Bomber ereilt dasselbe Schicksal. „BO II“ mit der Kennungs-Markierung X4 img M+ der 859th Bomb Squadron trägt die Serien-Nummer 42-95177 am Heckleitwerk, es ist eine B-24 H. Vier der zehn Männer kommen noch heraus, bevor der Bomber im konzentrierten deutschen Feuer in die Luft fliegt. Teilweise werden sie bei der Explosion heraus katapultiert.

An Bord von 1st Lieutenant Robert H. Jacks Liberator spielt sich eine weitere Tragödie ab. Der riesige Bomber brennt, sein Absturz ist eine Frage der Zeit. Die B-24 J der 859th Bomb Squadron mit dem Code X4 img N+ hat die Produktionsnummer 44-40153. Das Flugzeug kreist als Fackel am Himmel, längst springt einer der Besatzungsmitglieder nach dem anderen aus dem todgeweihten Wrack in die Tiefe. Nur die vorderen Maschinengewehre schießen unbeirrt weiter auf die deutschen Jagdflugzeuge. Der Bug-Schütze springt nicht ab. Staff Sergeant Vincent J. Brdecka kann nicht! Die verbogenen Metallteile hindern ihn daran. Er ist in seinem Abwehrstand eingeklemmt, sitzt in der Falle. Er macht verzweifelt das Beste daraus – und feuert seine Rohre heiß. Bis ihn der Bomber schließlich zu Boden reißt, zusammen mit dem Heckschützen, Staff Sergeant Salvatore E. Stamerra, der längst tot in seinem Maschinengewehrstand kauert.

Der Pilot eines weiteren abgeschossenen viermotorigen Riesen heißt 1st Lieutenant Ralond E. Steneman. Stenemann fliegt eine B-24 J mit der Seriennummer 44-40156. Die Kennung X4 img K+ weist sie als eine Maschine der 859th Bomb Squadron aus. Stenemann überlebt, gerät in Gefangenschaft, gemeinsam mit sechs anderen Männern seiner Besatzung. Drei weitere schaffen es nicht, sie sterben.

Auch 2nd Lieutenant Alfred C. Bocksberger fällt. Er trägt einen deutschen Namen, genau wie jene Focke-Wulf-Piloten, die ihn in diesem Wahnsinn töten. Namen, die wenig über die Hölle aussagen, die jenen Männern in den letzten Minuten zuteil wird, sofern sie nicht das Glück haben, dem Tode noch von der Schippe zu springen.

Bocksberger ist der Pilot einer Consolidated B-24 H „Liberator“ ohne Namen. Vielleicht heißt sie auch „Oonie Doonie“, das ist nicht mehr sicher eruierbar. Jedenfalls ist sie gelistet unter der Produktionsnummer 42-50370 und fliegt bis zu ihrem Untergang in der 859th Bomb Squadron.Die Kennung lautet X4 img O+

Wichtiger als diese Details ist, dass von den zehn Mann an Bord immerhin acht ihr Leben behalten. Der Flugzeugführer ist nicht unter ihnen, auch nicht Bordschütze Sergeant Raymond C. Harmon.

Die Glücklicheren geraten in deutsche Kriegsgefangenschaft, wo sie in der Regel korrekt behandelt werden. Dem Piloten des letzten in diesem Angriff zerstörten viermotorigen Bombers, 1st Lieutenant Donald M. Kilpatrick Jr., ist dies nicht vergönnt. Sein Bomber, die B-24 J mit der Nummer 44-40132 und dem 859th Bomb Squadron-Code X4 img J+ „I’ll be around“ wird von den deutschen Jagdfliegern schwer getroffen. Seine Besatzung ist bereits um zwei Crewmitglieder dezimiert, die unmittelbar durch den Beschuss der Sturmjäger an Bord des Bombers tödlich getroffen werden. Von den übrigen acht schaffen es fünf ins Freie. Sie wähnen sich in Sicherheit, als sie am Fallschirm zu Boden schweben. Gewehrfeuer deutscher Soldaten auf die Hilflosen belehrt sie eines Besseren. Als Kilpatricks Füße deutschen Boden berühren, spürt der leblose Körper bereits nichts mehr. Die verbliebenen vier Amerikaner kommen mit dem Leben davon und werden als Gefangene abgeführt.

13 Minuten kosten zwölf Liberator-Bomber der unteren Formation – neun Maschinen der 859th Bomb Squadron und drei Bomber der 856th Bomb Squadron. Sie werden abgeschossen in einer Rate von statistisch fast einem „Viermot“ pro Minute.

Die in zwei Reihen hintereinander anfliegenden Sturmjäger nehmen sich danach noch andere, vor den zuerst angegriffenen Combat-Boxen positionierte Bomber-Pulks vor. Eine nicht exakt der IV.(Sturm)/JG 3 zuzuordnende Anzahl weiterer viermotoriger Riesen erliegt dabei dem entschlossenen deutschen Abwehreinsatz. Insgesamt werden von der IV.(Sturm)/JG 3 einschließlich der 2./ JG 51 immerhin 29 völlig vernichtete Liberator-Bomber gemeldet – ohne so genannte „Herausschüsse“ und „endgültige Vernichtungen“ (schwere Beschädigungen beziehungsweise „Fangschüsse“). Diese Anzahl entspricht allerdings bei aller Euphorie nicht ganz den Gegebenheiten.

Sie ist in Anbetracht des horrenden Zerstörungsausmaßes in diesem Angriff allerdings verständlich, denn häufig vollendet die zweite Welle das Schicksal eines bereits durch den voran fliegenden Jagdflieger tödlich getroffenen Viermotorigen. Beide Piloten sind fest davon überzeugt, den Bomber letztlich „erledigt“ zu haben! Zudem ist es in einem derartigen Inferno an zerberstenden Wracks, Trümmern und Explosionen fast aussichtslos, den Überblick zu behalten.

Aus der 10.(Sturm)/JG 3 reichen folgende Jagdflieger je eine zerstörte B-24 ein: Unteroffizier Hubert Drdla, Feldwebel Otto Erhardt, Gefreiter Günther Heinig, Leutnant Hans Weik, Leutnant Hans Iff-land und Leutnant Walter Hagenah. Feldwebel Hans Schäfer beansprucht zwei Luftsiege.

Die 11.(Sturm)/JG 3 addiert dies durch je einen bestätigten Erfolg von Unteroffizier Wolfgang Engel, Leutnant Werner Peinemann und Leutnant Karl-Heinz von den Steinen. Leutnant Werner Gerth holt zwei B-24 vom Himmel.

Die Zahlen aus der 12.(Sturm)/JG 3 betragen: je ein anerkannter Abschuss durch Unteroffizier Heinz Jeworrek, Oberleutnant Hans Rachner, Unteroffizier Reinhold Hoffmann, Leutnant Karl Müller und Unteroffizier Hans-Joachim Scholz sowie zwei B-24 seitens Feldwebel Willi Unger.

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Focke-Wulf Fw 190 A-8/R2 „Sturmbock“ des Hauptmann Wilhelm Moritz im August 1944 in Schongau, Werknummer 681382. Die Seitenscheibenpanzerung ist gut zu erkennen. Nicht alle Piloten verwenden diesen das Gewicht erhöhenden zusätzlichen Cockpitschutz. Am 7. Juli 1944 fliegt Moritz noch eine andere Focke-Wulf 190 A-8/R2, siehe das Profil auf Seite 443.

Als vierte Staffel ist die 2./JG 51 dem Sturmverband angegliedert (sie wird ab 10. August 1944 nach der Aufstockung des JG 3 auf vier Staffeln pro Gruppe offiziell zur 16./JG 3 umbenannt). Diese Einheit ergänzt die Bilanz um folgende Namen: Feldwebel Herbert Michaels, Leutnant Oskar Romm, Feldwebel Otto Pritzl, Unteroffizier Erich Nissler, Leutnant Werner Koch, Unteroffizier Kurt Gren und Flieger Hans Bergermann. Sie alle geben einen Abschuss an, der auch bestätigt werden kann. Oberleutnant Horst Haase reicht zwei Luftsiege ein.

Zwei weitere angegebene Erfolge werden den Piloten, die sie beanspruchen, nach Auswertung der Bordkameras und Luftzeugenaussagen nicht anerkannt. Die beiden Fälle werden noch nachstehend im Einzelnen genannt. Dennoch muss man sich etwas wundern über die im Vergleich zur üblichen Strenge bei diesem Einsatz offenbar ungewöhnlich großzügige Anerkennungspraxis, welche möglicherweise auch taktisch motivierte Hintergründe hat. Jochen Prien vermutet in plausibler Weise *2, dass ein überragender Erfolg der Sturmgruppen die Aufstellung weiterer derartiger Einheiten politisch durchsetzen helfen sollte. Denn normalerweise werden in den peniblen Prüfverfahren der deutschen Abschusskommissionen bei Luftkämpfen über dem Reichsgebiet nicht mehr Abschüsse akzeptiert und zugeteilt, als Absturzstellen am Boden aufzufinden sind! Und das können ganz so viele nicht sein ...

Zu den Abschüssen hinzu kommen die „Herausschüsse“. Die nachstehende Erläuterung wird in anderen Kapiteln bei den entsprechenden Zahlenangaben zwar nur noch kurz erwähnt, das aber doch, da sie eine wenig geläufige und bekannte Praxis in der deutschen Luftwaffe erklärt.

Ein solcher „Herausschuss“-Erfolg trägt der Tatsache Rechnung, dass es nicht einfach ist, einen robusten und schwer bewaffneten fliegenden viermotorigen Riesen in einem Anflug beziehungsweise durch einen Piloten abzuschießen. Daher wird in der deutschen Jagdwaffe mit dem Auftauchen dieser Flugzeuge ein Punktesystem installiert, welches die Leistung eines Jägerpiloten auch dann honoriert, wenn der Bomber lediglich aus dem Verband herausgezwungen, aber noch nicht zum Absturz gebracht werden kann. Dies ist beispielsweise durch eine schwere Beschädigung der Fall, typischerweise bei Treffern in einem Teil der Triebwerke. Solche Treffer werden relativ häufig erzielt.

Ein „Herausschuss“ (HSS) ergibt je nach Bombergröße eine bestimmte Punktzahl. Denn der Bomber ist ohne den Schutz des gebündelten Abwehrfeuers seiner Combat-Box eine leichte Beute. Alleine auf sich selbst gestellt, kann die Besatzung nur hoffen, nicht entdeckt zu werden. Mit der verräterischen Rauchschleppe mindestens eines brennenden Motors ist das ein wenig wahrscheinliches Glück. Wird das Flugzeug bemerkt und erneut angegriffen, dann nennt sich der letzte Akt des Dramas in der Werteskala der Luftwaffenjäger „endgültige Vernichtung“ (e.V.). Auch dies ergibt (nur) anteilige Meriten.

Das Punktesystem wird nicht an der Ostfront angewandt. Die Tabelle auf Seite 444 ergibt einen Überblick.

7. Juli 1944 – Angriff der so genannten „Sturmjäger“ der IV. Gruppe des JG 3 auf die B-24 „Liberator“-Bomber der 856th und 859th Squadron/492nd Bomb Group der 8th Air Force über Bernburg

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Flugzeugtyp:

Consolidated B-24 J „Liberator“

Nationalität:

US-Air Force/8th Air Force AAF

Einheit:

859th Bomb Squadron/492nd Bomb Group

Flugzeug:

(Seriennummer 44-40050) „Super Wolf“

Stationierung:

North Pickenham/England

Flugzeugtyp:

Focke-Wulf Fw 190 A-8/R2

Nationalität:

Luftwaffe

Einheit:

IV. Gruppe/JG 3

Pilot:

Gruppenkommandeur Hauptmann Wilhelm Moritz

Stationierung:

lllesheim/Deutschland

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B-24J N°44-40050 „Super Wolf“ X4 B+ der 859th Bomb Squadron/492nd Bomb Group. Am 7. Juli 1944 wird „Super Wolf“ abgeschossen, es gibt aus der Besatzung nur zwei Überlebende.

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Focke-Wulf 190 A-8/R2 der IV. Gruppe/JG 3, Gruppenkommandeur Hauptmann Wilhelm Moritz. Diese Maschine fliegt Moritz im Juli 1944, sie unterscheidet sich von jener, die später im August 1944 fotografiert wurde (vgl. Foto Seite 441).

Für die Zahl der erzielten „Abschüsse“ eines Luftwaffen-Jagdfliegers zählen ausschließlich vollständige Luftsiege – die erwiesene totale Vernichtung eines Flugzeuges (welcher Größe auch immer) durch diesen spezifischen Piloten allein – oder eindeutige Herausschüsse. Die „Abschussbilanz“ eines Flugzeugführers ist demgemäß vollkommen getrennt zu sehen von seiner „Punktestatistik.“ Letztere hat lediglich bei den offiziellen Stellen eine Bedeutung für die Frage, ob der Jagdflieger für eine Auszeichnung in Betracht kommt. Für die innere „Hierarchie“ der Piloten untereinander haben jedoch die „echten“ reinen Abschüsse einen erheblich höheren Stellenwert. „Endgültige Vernichtungen“ zählen gar nicht mit. Hat ein deutscher Jagdflieger also 100 „Abschüsse“ erzielt, so sind dies ausschließlich komplett eigene Gesamterfolge. Irgendwelche „Punkte“ werden hier nicht mitgezählt. „Anteilige Abschüsse“ kennt ein Luftwaffen-Pilot nicht. Allenfalls – selten – findet sich ein Vermerk „im Zusammenwirken mit ...“

Anteilige „Abschüsse“ sind allerdings in anderen Luftstreitkräften bekannt. Sie beziehen sich dort auf eine ganz andere Situation, in welcher mehrere Piloten gemeinsam ein gegnerisches Flugzeug „zur Strecke“ bringen – gleichzeitig. Ein solches „Teamwork“ wird in der RAF oder USAAF dazu führen, dass drei nacheinander auf ein gegnerisches Flugzeug feuernde Piloten den gegebenenfalls folgenden Absturz jeweils zu einem Drittel für sich verbuchen können. Derartige Aufteilungen von Luftsiegen gibt es in der deutschen Luftwaffe nicht. Derjenige Kamerad, welcher den Hauptanteil an jenem Absturz erzielt hatte, wird den „Abschuss“ voll für sich alleine zuerkannt erhalten. Ungeteilt! Ein Abschuss img ein Sieger! Das ist zwar manchmal ungerecht, aber sicher! Können sich die beteiligten Piloten nicht einigen, so wird der Abschuss kurzerhand der Staffel insgesamt zugeordnet.

Letztlich kann dieser wichtige Unterschied dazu führen, dass ein US-Jagdflieger oder RAF-Pilot, der nach fünf „Abschüssen“ zum Jäger-Ass (Ace) gekürt wird, in Wahrheit zehn halbe „Victories“ sein eigen nennt – wenn auch eher theoretisch. So etwas ist in der deutschen Luftwaffe unmöglich. Ebenso undenkbar ist es im Reichsluftfahrtministerium (RLM), sich auf das honorige Wort eines ehrenwerten Offiziers zu verlassen – und den Luftsieg ohne Zeugen anzuerkennen. In Deutschland gilt: kein Zeuge, eindeutig zuzuordnendes Wrack oder beweisendes Schießkamera-Foto img kein Abschuss!

Eine „endgültige Vernichtung“ wäre in der RAF und USAAF ein voll zählender Erfolg, ein „Herausschuss“ würde vermutlich als „wahrscheinlicher“ („probable“) Sieg gewertet.

Gruppenkommandeur Hauptmann Wilhelm Moritz (Stab der IV.(Sturm)/JG 3) erzielt einen solchen „Herausschuss“, ebenso Leutnant Karl-Heinz von den Steinen (11.(Sturm)/JG 3), Unteroffizier Heinz Jeworrek (12.(Sturm)/JG 3) und auch Unteroffizier Klaus Neumann (2./JG 51). Moritz und von den Steinen bleibt allerdings die endgültige Anerkennung des „HSS“ durch das RLM (Reichsluftfahrtministerium) versagt. Unteroffizier Arno Peters (2./JG 51) erreicht eine „endgültige Vernichtung“.

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Natürlich bleiben auch die deutschen Flugzeugführer nicht ungeschoren! Leutnant Hans Iffland (10.(Sturm)/JG 3) fliegt im Stabsschwarm der IV. Gruppe und wird vom Heckschützen einer der angegriffenen B-24 verwundet. Häufig ist es anders herum – für die Heckschützen oft genug noch schlimmer. Viele sterben durch die Geschosssalven der Sturmjäger in ihrem zerschossenen Abwehrstand. Doch dieses Mal setzt sich im Angesicht des Todes einer der Amerikaner durch. Iffland muss seine Fw 190 A-8/R2 verlassen und steigt mit dem Fallschirm aus.

Leutnant Alois Maier (10.(Sturm)/JG 3) hat weniger Glück. Er versucht mit seiner angeschossenen Focke-Wulf 190 A-8 auf dem Flugplatz von Bernburg eine Notlandung. Doch das Flugfeld ist ein mit Bombenkratern übersäter Trümmerhaufen. Leutnant Maier schlittert mit seiner Focke-Wulf in die Wand einer Halle und stirbt bei dem Aufprall.

Oberleutnant Hans Rachner, Staffelkapitän der 12.(Sturm)/JG 3, kann sich seines Erfolges über die von ihm abgeschossene B-24 nicht lange freuen. Die naheliegenderweise rachedurstigen amerikanischen Mustang-Piloten durchkämmen die Gegend auf der Suche nach Opfern. Bei Stassfurt werden sie fündig. Rachner wird in seiner Fw 190 A-8/R2 abgeschossen und fällt ebenso wie sein Rottenflieger Oberfähnrich Hans-Joachim Voss. Ihn ereilt sein Schicksal aus den Rohren der P-51 bei Dietfurt.

Die 2./JG 51 beklagt am Abend dieses Tages zwei Tote, allerdings ist nur einer der beiden Ausfälle auf Feindeinwirkung zurückzuführen. Leutnant Werner Koch wird am Steuer der Fw 190 A-8/R2 vom Abwehrfeuer der Liberator umgebracht, während der Tod Unteroffizier Erich Nisslers auf einen Unfall nach dem Einsatz zurückzuführen ist. Nissler war in Halberstadt gelandet und ist im Begriff, nach Illesheim zurückzufliegen. Doch der Start mit seiner Fw 190 A-8/ R2 misslingt dem Unteroffizier! Zwei weitere Focke-Wulf werden im Luftkampf beschädigt, was für die Piloten ohne Folgen bleibt.

Die Bilanz der Verluste dieser einen Sturmgruppe ergibt somit fünf zerstörte Jagdflugzeuge, einen Verwundeten und vier Gefallene. Ferner – wie erwähnt – einen Unfalltoten. In Anbetracht der Anzahl vernichteter Feindbomber – selbst dann, wenn diese durch den heutigen Kenntnisstand „bereinigt“ worden ist – handelt es sich um einen klaren deutschen Abwehrerfolg.

Auf deutscher Seite war um 07.15 Uhr die Alarmmeldung erfolgt. Die beiden Sturmjägergruppen bringen zusammen etwa 70 Focke-Wulf in die Luft, davon nur 24 von der II./JG 300. Sie starten ab 08.20 Uhr, gefolgt von 32 Messerschmitt Bf 109 G-6 der I./JG 300 und 37 Me 109 G-6 der III./JG 300, die um 08.30 Uhr in Jüterbog abheben. Während letzterer Jagdverband dazu bestimmt ist, die 42 Messerschmitt Me 410-„Zerstörer“ der I. und II. Gruppe/ZG 26 zu decken, sollen sich die anderen Einheiten einschließlich der dem JG 3 zugeteilten 2./JG 51 zu einem Sturm-Kampfverband vereinigen.

Die Piloten der 2. Staffel des Jagdgeschwaders 51 sind aus Russland zur Reichsverteidigung abkommandiert worden und erst jüngst von den reinrassigen Jagdflugzeugen Messerschmitt Bf 109 G-6 auf den Vielzweckjäger Focke-Wulf 190 umgerüstet worden. Hinzu kommt, dass die schwer bewaffnete und stark gepanzerte Sturmjägervariante A-8/R2 so viel an Agilität eingebüßt hat, dass sie wenig gemeinsam hat mit dem „nervösen Rennpferd“ Messerschmitt Bf 109. Entsprechend groß ist die Umstellung der Piloten der ehemaligen Ostfrontstaffel. Dort, im Osten – so berichtet Unteroffizier Werner Talkenberg – habe man sich doch etwas wohler gefühlt als „zu Hause im Reich“.

Das Originalzitat ist in die Zeit Präsens übersetzt: *3

„Die Verhältnisse sind in der Reichsverteidigung ganz anders als an der Ostfront, wo wir noch richtige Jäger sind, wo in Rotten und Schwärmen geflogen wird und wo es noch richtigen Luftkampf gibt. Wir Mölderianer [Anmerkung des Verfassers: Angehörige des Jagdgeschwaders 51„Mölders“] fühlen uns nie so richtig heimisch im JG 3. Da ist einmal das großspurige Gehabe derjenigen, die nach ein paar Feindflügen das Glück gehabt hatten, an einen Viermotorigen heranzukommen, an dem sie dann beim besten Willen nicht mehr vorbeischießen konnten, Auszeichnungen bekamen und auf uns herab blicken. Einer nennt sich gar „Lightning-Schreck“.

Die Fliegerei in Gruppenstärke und im geschlossenen Verband hat eigentlich nichts mehr mit Jagdfliegerei zu tun, es ist ein reines Abschlachten in der Luft. Kommt man an die Viermots heran, ohne dass die Begleitjäger auftauchen, ist es ein gefundenes Fressen, sind sie aber da, so ist man eine fast bewegungslose Zielscheibe, wenn man in der Staffel ist, die im eigenen Verband hinten fliegt. Das Gejammere derjenigen, die von den Thunderbolts, Mustangs und Lightnings angeknabbert wurden, ist herzzerreißend. [...] Das Fliegen mit der gepanzerten Fw 190 ist auch kein Vergnügen, wenn es zum Luftkampf mit Jägern kommt.“

Es gelingt nun nicht – wie es eigentlich geplant ist –, die Bündelung beider Sturmgruppen in einen gemeinsamen Angriffskeil zu vollziehen. Nördlich von Ansbach kommen die jeweiligen Jagdgruppen in Sichtweite zueinander. Die Sturmjäger der IV.(Sturm)/ JG 3 mit denen der 2./JG 51halten jedoch einen gewissen Abstand zu jenen der II./JG 300 einschließlich der Stabsmaschinen des Geschwaders und der Messerschmitt-Deckungsgruppe I./JG 300. Das rettet sie vor einem ersten Angriff, der die Formation des JG 300 in etwa 4.000 Meter über Leipzig völlig unvorbereitet „kalt“ erwischt.

Es ist der Beschuss durch Flugabwehrgeschütze! Deutsche Flugabwehrgeschütze! Hauptmann Wilhelm Moritz, der die IV.(Sturm)/ JG 3 in den Kampf führt, sieht den Irrtum der deutschen Flak-Kanoniere mit Bestürzung. Aus der Distanz des etwas entfernt fliegenden Verbandes sind die Sprengwolken gut erkennbar – und deren Wirkung. Vier Focke-Wulf des JG 300 gehen mit einer Rauchfahne nach unten. Zum Glück gelingt den Piloten unverletzt eine Bruchlandung.

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Messerschmitt Me 410 A-1/U2 mit zwei weiteren 20-mm-Kanonen zusätzlich zur vorderen Standardbewaffnung (2x 7,9-mm-MG 17, 2x 20-mm-MG 151). Der äußerlich sehr ähnliche Typ B-2/U2/R2 hat zwei aufgerüstete 30-mm-Mk 108 vorne unten statt der 20-mm-Kanonen. Diese Versionen verwendet das ZG 26 im Jahr 1944 nebeneinander.

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Messerschmitt Me 410 B-2/U4 des Zerstörer-Geschwaders (ZG) 26, wie sie im Sommer 1944 beispielsweise von der 6./ZG 26 oder 2./ZG 26 geflogen werden. Die 50-mm-BK-5-Kanone hat mit ihren 5-cm-Kaliber eine schwere, weit reichende Zerstörungskraft.

Feldwebel Karl Rusack fliegt hinter seinem Schwarmführer Feldwebel Anton Gaißmayer hinterher. Die Piloten sind angewiesen, den Führungsmaschinen peinlichst genau zu folgen – komme, was da wolle. Und so geschieht es auch hier. Gaißmayer hält eisern Kurs – Beschuss von unten hin oder her. Rusack hält es befehlsgemäß ebenso. Auch die „Nummer Vier“ im Schwarm. So lange, bis ein Flaktreffer Rusacks Kameraden zur Erde zwingt.

Zehn Minuten später – die Uhr zeigt inzwischen 09.35 Uhr – macht der Sturmverband des JG 300 unter Führung von Kommodore Major Walther Dahl (Stab/JG 300) einen weiten Halbkreis und erreicht nun in 6.500 Metern Höhe eine ideale Abfangposition hinter zwei Combat-Boxen aus amerikanischen B-24 „Liberator“-Bombern. Major Dahl gibt den Angriffsbefehl. *4

Der amerikanische Bomber-Pulk befindet sich nun über der Gegend von Halberstadt, Quedlinburg, Aschersleben.

Plötzlich schert ausgerechnet Kommodore Dahl mitsamt seinem Stabsschwarm – der ihm befehlsgemäß auf „Gedeih und Verderb“ zu folgen hat – nach links aus dem Angriffskeil aus. Der Grund hierfür ist reichlich banal! Dahl bekommt seine Waffen nicht klar!

Feldwebel Anton Gaißmayer berichtet (erneut in die Gegenwart-Erzählform transferiert. Er fliegt eine Focke-Wulf 190 A-8 mit der img, Werknummer 730284): *5

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Abschuss einer viermotorigen B-24 „Liberator“ durch einen Sturmjäger. Bemerkenswert ist die weitere Focke-Wulf 190 unten links im Bild, die in der Formation offenbar etwas weiter vorne fliegt oder zu einer vorderen Welle gehört. Der Sturmjägerpilot in derjenigen Focke-Wulf, welche entsprechend der mitlaufenden Geschützkamera feuert (man vergleiche das Fadenkreuz, welches mit Sicherheit zu Demonstrationszwecken später hinzugefügt wurde), ist sich der Flugbahn seiner Geschosse und Stabilität seiner fliegenden Schussplattform offenbar so sicher, dass er feuern kann und dieses auch tut, ohne seinen Kameraden zu gefährden. Dies zeigt, wie hoch der fliegerische Ausbildungsstand dieser Elitepiloten ist. Auch die deutsche Flak schießt häufig weiter trotz eines Sturmjägerangriffes.

„Als wir zum ersten Anflug aufschließen, leite ich den vorderen Schwarm an Focke-Wulfs auf der linken Seite, hinter dem Stabsschwarm von Kommodore Dahl. Ich kann nicht unverzüglich das Feuer eröffnen, weil Kommodore Dahl und seine Schwarmkameraden nach links abdriften. Dennoch kann ich die fast vollständige Vernichtung einer kompletten Bomber-Box beobachten, bevor mein Flugzeug den Bomberstrom erreicht. Ich bin plötzlich auf allen Seiten von zahllosen viermotorigen Bombern umgeben – sie sind überall, wohin das Auge blickt. Meine Flügelleute hatte ich inzwischen verloren. Da sehe ich eine isolierte B-24, die etwa 500 Meter über den anderen fliegt. Ich denke, das ist vielleicht das Flugzeug des Formationsführers, ziehe hoch und jage aus weniger als 200 Metern Abstand einen Feuerstoß in dieses ideale Ziel. Meine Salve sitzt. Die Liberator fängt Feuer und beginnt, fast majestätisch abzutrudeln. Sechs Fallschirme tauchen auf. Ich sehe brennende Trümmerteile hinabtaumeln in Richtung auf eine Stadt – ohne Zweifel muss das Quedlinburg sein.

Zum selben Zeitpunkt realisiere ich, dass der spektakuläre Absturz der B-24 nicht unbemerkt geblieben war! Vier Lightnings jagen auf mich zu! Ich ziele einen kurzen Feuerstoß auf eine von ihnen, und obwohl wir mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zurasen, bin ich sicher, dass ich ihn herunter geholt habe [was mangels Beweis nicht anerkannt wird]. In einem Kurvenkampf, wie er nun folgt, bin ich geradezu deklassiert und werde folgerichtig von den Amerikanern abgeschossen. Schwer verwundet werfe ich das Kabinendach ab und springe heraus. Fast unmittelbar darauf schwinden mir die Sinne.

Augenzeugen erzählen mir später, dass die drei verbliebenen P-38 mich am Fallschirm mit ihren Bordwaffen zu töten versucht hatten. Die Löcher in meinem Fallschirm legen ein beredtes Zeugnis davon ab! Ich muss bis März 1945 im Krankenhaus verbleiben.“

Feldwebel Karl Rusack ist mitten drin (zur Zeitform siehe die vorherigen Zitate): *6

„Der Pulk viermotoriger Bomber wird größer und größer vor meiner Windschutzscheibe, bis er schließlich mein komplettes Sichtfeld ausfüllt. In 150 Metern Abstand bin ich fasziniert von den brillanten Kreisen, welche ihre vier Propeller in den Himmel zeichnen. Der Feind – so nah ...

Doch das ist keine Übung! Schmale graue Perlenketten von Geschossen flirren mir entgegen. Die feindlichen Bordschützen kämpfen um ihr Leben! Mein Daumen und der Zeigefinger schließen sich um den Steuerknüppel und entfesseln die Hölle aus meinen sechs Bordwaffen. [Anmerkung des Verfassers: Rusack fliegt eine Jägerversion der Focke-Wulf 190, eine A-7, die mit vier 20-mm-Kanonen und zwei 13-mm-MGs bewaffnet ist, img, Werknummer 340343]. Meine Focke-Wulf schüttelt sich durch, als ich die Salve aus 20-mm-Granaten aus ihr herausjage. Panzerbrechende Projektile, Explosivgeschosse und Brandmunition, ein tödlicher Regen für den Bomber, der durch die Explosionen Feuer fängt. Lichtblitze tanzen über die Tragflächen und den Rumpf. Stichflammen schlagen heraus. Ich schieße mehrere weitere kurze Feuerstöße hinein. Eine lange schwarze Rauchfahne strömt heraus vor mir. Sein rechter Innenmotor bleibt stehen. Große Metallteile an Trümmern wirbeln um meine Focke-Wulf herum. Mehrere menschliche Körper fallen aus der B-24 und taumeln ins Nichts. Die Besatzung verlässt die Kiste.

Ich nehme das Gas zurück, um hinter meinem Opfer bleiben zu können. Zwei weitere Feuerstöße. Die rechte Tragfläche knickt plötzlich ab. Der riesige Bomber zerlegt sich im Todeskampf in seine Einzelteile. Erregt gebe ich mit bebender Stimme per Sprechfunk meinen Luftsieg zu Protokoll: ‚Horrido! Abschuss!’.

Eine Sekunde später gehe ich mit meinem Flugzeug in eine weite Kurve, um aus diesem Hexenkessel herauszukommen. Doch zu spät! Mein rechtes Bein wird von einem gewaltigen Schlag getroffen. Mein rechter Arm fängt sofort zu schmerzen an. Mein Bein, mein Arm ...! Ich bin offensichtlich getroffen worden – aber von wem? Ich werde es nie erfahren. Mein taubes Bein nimmt meine Aufmerksamkeit gefangen. Meine Fliegerkombination ist blutbespritzt, aufgerissen von Glassscherben und Metallsplittern. Mir wird übel. Ich muss hier raus, und das schnell!

Mit einigen Mühen stabilisiere ich meine Focke-Wulf in die Horizontale. Dann aktiviere ich den Hauben-Abwurfmechanismus. Eine kleine Explosion [Anmerkung des Verfassers: ... der Treibsätze zum Absprengen des Kanzeldaches] - und ich werde vom eisigen Luftstrom durchgepeitscht. Es sind nur Sekunden, dann sind die Gurte gelöst und der Steuerknüppel ist nach vorne gestoßen. Das Flugzeug taucht unter mir in die Tiefe und ich bin alsbald draußen im leeren Raum. Ich drehe mich mehrfach kopfüber um die eigene Achse – ein beängstigendes Gefühl. Ich lasse mich für einige lange Momente frei nach unten fallen. Ich darf jetzt unter keinen Umständen den Fallschirm bei der Fallgeschwindigkeit in dieser Höhe öffnen. Ich muss schon eine Menge Blut verloren haben, denn mich überkommt ein übermächtiges Gefühl von Schwäche. Meine Hand zieht die Reißleine. Ein kurzer Augenblick des Zweifels, der mein Herz zum Hals klopfen lässt: wird sich der Fallschirm öffnen? Ein mächtiger Ruck in meinen Schultern beruhigt mich. Er hat sich aufgebläht!

Nun zieht ein immenser Schmerz aus meinen verwundeten Gliedern quälend scheinbar direkt in mein Gehirn. Ich fühle ein brennendes Feuer und versuche verzweifelt zu atmen! In dem Moment verliere ich das Bewusstsein. Ich weiß nicht, was danach passiert und nicht einmal, wie ich am Boden aufgekommen bin.“

Als Rusack wieder zu sich kommt, liegt er auf einem Feld. Die Wunden brennen wie Höllenfeuer. Wütende Stimmen umgeben ihn, Hände drehen ihn grob hin und her. Es ist ein Alptraum. Man durchsucht seine Fliegerkombination. Irgendjemand schreit zornig: „Definitiv ein Amerikaner! Wir sollten ihn erledigen!“ „Er ist bereits verwundet, jagt ihm eine Kugel in den Kopf, dann sind wir fertig mit ihm!“

Rusack fängt an zu begreifen, dass ihn dieselben Menschen soeben zur Hölle befördern wollen, zu deren Verteidigung er noch wenige Minuten vorher seinen Hintern hingehalten hatte!

Er ist unfähig, irgendetwas zu sagen. Mit größter Mühe kann er den Mund öffnen – doch kein Laut kommt aus ihm heraus. Über seinem Kopf hört er die Worte: „Wartet einen Moment. Wir sollten wenigstens prüfen, ob er irgendeinen Ausweis oder Personalpapiere bei sich hat!“ Erneut wird Rusack untersucht. Schließlich ruft jemand: „Seht her! Das ist doch Deutsch! ‚DREHEN, DANN DRÜCKEN!’ Er ist ein Luftwaffenpilot!“ Die Inschrift steht auf dem Schließkopf seines Fallschirmgurtzeuges.

Und dann: „Schaut mal, wie jung der ist, der arme Kerl ...!“

So schnell können Emotionen wechseln. So unsäglich unfair ist das, was ein Krieg entfesselt. Die Amerikaner, welche Rusack kurze Zeit vorher zum Verlassen ihres brennenden Wracks gezwungen hatte – soweit sie es noch geschafft haben – sind auch nicht wesentlich älter als ihr Bezwinger. Und selbst wenn! Es sind genauso Menschen wie er!

Aber sie fliegen ja einen „Terror-Bomber“. In der Tat – ja, mag sein. Sie gehorchen ihren Befehlen. Nicht mehr und nicht weniger als die deutschen Flieger auch. Über Leuna wie über Coventry.

Rusack verliert erneut das Bewusstsein, als man ihn schließlich ins Krankenhaus transportiert. Sein Blutverlust ist enorm. Mit knapper Not entgeht er der Amputation seines Beines. Er fällt für mehrere Monate aus.

Inzwischen hat Major Walther Dahl seine Waffen wieder schussbereit bekommen. Mit den anderen drei Focke-Wulf 190 A-8 des Stabsschwarmes kehrt er zu den Bombern zurück. Dann sucht er sich die am weitesten hinten mittig in der Combat-Box fliegende B-24 heraus. Ab 400 Metern Abstand drückt er auf die Feuerknöpfe. Erst in 50 Metern Nähe hält der Kommodore ein. Die Liberator fängt an zu brennen, Teile fliegen weg. Vier Mann springen aus dem todgeweihten Wrack. Dann geht der Riese senkrecht in die Tiefe. Ein fünfter Fallschirm taucht auf. In 4.500 Meter Höhe explodiert die B-24.

Zwei Stabskameraden des Kommodore, Leutnant Klaus Bretschneider und Feldwebel Walter Loos, sind ebenfalls erfolgreich. Auch die anderen Sturmjäger der II./JG 300 drehen nun erneut ein und setzen ihr Zerstörungswerk fort.

Hauptmann Rudolf Scharfenberg (5./JG 300) kann eine B-24 so beschädigen, dass sie später – aus dem Bomber-Pulk abgedrängt – vermutlich von Unteroffizier Peters aus der 2./JG 51 endgültig vernichtet wird. Zusammen ergibt dies jeweils „Punkte“ für beide Piloten (zwei Punkte für den „Herausschuss“ – HSS – einerseits und einen für die „endgültige Vernichtung“ – e.V. – andererseits).

Leutnant Norbert Graziadei (6./JG 300) fliegt ungewöhnlicherweise eine Focke-Wulf 190 G-8 ( img, Werknummer 190102). Das ist eigentlich ein Jagdbomber. Deshalb ist die Bewaffnung der G-8 normalerweise auf die zwei 20-mm-Kanonen an den Tragflächenwurzeln reduziert. Die Maschine ist also erheblich geringer bewaffnet als selbst eine normale Jagdversion A-8. In einer Sturmgruppe hat das Flugzeug eigentlich nichts verloren! Allerdings ist die Aufrüstung mit weiteren Kanonen am Fliegerhorst jederzeit möglich.

Doch auch sie erfüllt ihre Aufgabe. Beziehungsweise ihr Pilot mit ihr. Auch Graziadei hört erst auf zu schießen, als sein Opfer bereits fünfzig knappe Meter vor ihm monströs das Sichtfeld überdeckt. Bei so einer geringen Flugdistanz gehört Können und Kaltblütigkeit gleichermaßen dazu, um den Bomber nicht (unbeabsichtigt) zu rammen. Der Bomber brennt nahe der Treibstofftanks. Viel fehlt nicht mehr ...

... als plötzlich das Heck des deutschen Jagdflugzeuges in einem gewaltigen Schlag auseinander fliegt. Feindliche Jäger? Nein! „Freundliches Feuer“ – so nennt man das im amerikanischen Sprachgebrauch. „Friendly fire“ ist die nette, beschönende Umschreibung für einen tragischen Irrtum, hier einen deutschen Flak-Treffer, der Graziadeis Flugzeug das Heckleitwerk abtrennt. Die deutschen Flugabwehrkanoniere feuern ihre präzise gezielten Salven mitten in den Bomberstrom hinein – eigener Jägerangriff hin oder her. Die riesigen Bomber müssen herunter, koste das, was es wolle. Und die Chance, einen der Monster zu treffen, ist doch viel größer, als einen kleinen deutschen Jäger versehentlich gleich mit zu erwischen. So denkt man. Und denken kann man viel ....

In diesem Moment sackt der feindliche Bomber nach links ab – und Graziadei hat plötzlich andere Sorgen! Daher reicht es ihm nur für die Meldung eines „Herausschusses“. Selbst das lässt sich später nicht beweisen. Der Jägerpilot ist verwundet, sein linker Arm ist von Splittern durchsiebt. *7

„Ich benutze meine rechte Hand, um die Gurte zu lösen, und springe ins Freie. Dies ist mein erster Fallschirmabsprung und ich empfinde es als schwierig, meinen Fall zu stabilisieren. Schließlich schaffe ich es. Blutbesudelt falle ich in ein Tal und kann dabei die Luftschlacht beobachten, die über mir und um mich herum tobt. Das Spektakel ist von einer brachialen Urgewalt, die schwer zu beschreiben ist. Flugzeuge in hellen Flammen, Teile von Tragflächen mit laufenden Motoren, Bomber und Jäger in Spiralen zur Erde trudelnd, in einer fürchterlichen Kakophonie aus ratternden Maschinengewehrsalven und aufheulenden Motoren.

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Tod (?) des Heckschützen einer B-24, dokumentiert durch die Schießkamera in der Focke-Wulf 190 eines Piloten der 2./JG 51.

Ich sehe auch Thunderbolt- und Mustang-Jäger den Himmel durchstreifen in allen Flughöhen auf der Suche nach ihren Widersachern. Eine P-51 schießt sogar auf einen unserer Piloten, nachdem der mit dem Fallschirm ausgestiegen ist. Ich bin zutiefst bestürzt über diesen Vorgang und berichte das sofort meinem Gruppenkommandeur, als ich aus dem Krankenhaus entlassen werde.“

Angesichts dieser amerikanischen Skrupellosigkeit – aus der Sicht und moralischen Einstellung eines deutschen Jägerpiloten – zieht Graziadei erst in einer vor Feindbeschuss relativ sicheren Höhe von 400 Metern über dem Boden die Reißleine. Absprungtechnisch ist das allerdings etwas mutig für einen ersten Versuch! Am 10. September 1944 kehrt er aus dem Hospital zu seiner Einheit zurück.

Der vierte Verlust der Sturmgruppe (II./JG 300, 4. bis 6. Staffel) neben Gaißmayer, Rusack und Graziadei ist Unteroffizier Gerhard Schlingheider (4./JG 300, Kennung und Werknummer unbekannt). Der deutsche Jagdflieger kann in seinem Sturmjäger mehrfach den Feuerstößen hinter ihm eindrehender amerikanischer Mustangs ausweichen – dann „rappelt es im Karton“. Schlingheider kann aus seiner Focke-Wulf entkommen und bleibt bis auf leichte Brandwunden an den Beinen ungeschoren.

Feldwebel Walter Loos (Stab/JG 300) reicht neben einem kompletten Abschuss zusätzlich wie seine beiden Kameraden Rudolf Scharfenberg und Norbert Graziadei einen „Herausschuss“ ein, er wird vom Oberkommando der Luftwaffe allerdings ebenso wenig gewertet wie jener Graziadeis.

Insgesamt zerstören aus dem Sturmverband des JG 300 einschließlich des Stabsschwarmes folgende Piloten je einen ihrer angeflogenen viermotorigen B-24 „Liberator“: Major Walter Dahl (Stab/JG 300), Feldwebel Walter Loos (Stab/JG 300), Leutnant Klaus Bretschneider (Stab/JG 300), Unteroffizier Walter Zeuner (4./JG 300), Oberfeldwebel Richard Löfgen (5./JG 300), Feldwebel Karl-Heinz Rusack (5./JG 300), Feldwebel Hubert Engst (6./JG 300), Oberleutnant Ernst-Erich Hirschfeld (6./JG 300), Feldwebel Rudi Zwesken (6./JG 300), Feldwebel Anton Gaißmayer (6./JG 300) und Leutnant Gerhard Bärsdorf (Stab der II. Staffel). Letzterer Pilot muss seinen Abschuss allerdings mit einem Kameraden „teilen“, es ist Oberleutnant Kurt Gabler (8./JG 300). Da es anteilige (hälftige) Luftsiege in der Luftwaffe aber nun mal nicht gibt, findet sich ein Vermerk „im Zusammenwirken mit ...“ Ferner kann Feldwebel Konrad Bauer, ein von der Ostfront aus dem JG 51 in die 5./JG 300 versetzter „alter Hase“, gleich zwei B-24 vom Himmel holen. Die beiden Abschüsse der Piloten Hirschfeld und Engst tragen allerdings in den Listen des RLM den Vermerk „V.N.E“ und/oder „A.S.M.“! Die Bedeutung dieser Kürzel ist nicht sicher, wird aber als „Vernichtung nicht erwiesen“ und „Anerkennung später möglich“ interpretiert. Mit anderen Worten: der Abschuss wird „mangels Beweis“ nicht akzeptiert.

Zusammen mit jenen zweifelhaften (weil für das eingereichte Ergebnis der tatsächlichen Vernichtung des Gegners zeugenlosen) Abschüssen sind dies zwölf alleine von den Sturmjägern der II./JG 300 abgeschossene B-24 – wenn man Bärsdorfs „Zusammenwirken“ mit Oberleutnant Gabler Letzterem zuordnet, denn Gabler, der als Angehöriger der III. Gruppe keinen Sturmjäger fliegt, war mit seiner Me 109 G-6 um 09.55 Uhr „als Letzter dran“ gewesen.

Doch damit nicht genug. Auch die B-17 G „Flying Fortress“ der 1st und 3rd Bomb Division sind im Einsatzgebiet der deutschen Abfangjäger.

Und sie werden genauso erbarmungslos angegriffen, wie ihre Bomben auf der Erde gnadenlos Tod und Zerstörung bewirken. Die Abschussmeldungen der beiden Sturmjägerpiloten Gefreiter Rein-hard Hasselbach (5./JG 300, 09.38 Uhr, westlich von Leipzig) und Unteroffizier Johann Lechner (4./JG 300, 09.42 Uhr, in 6.000 Meter Höhe über Sangershausen) finden keine ausreichenden Augenzeugen. Offenbar zeigt auch die mitlaufende Schießkamera keine beweisende Trefferwirkung an den Boeing-Bombern. Auch Feldwebel Konrad Bauer (5./JG 300), der nach den beiden unter Zeugen zerstörten viermotorigen Liberator-Bombern noch eine P-38 „Lightning“ vom Himmel geholt haben will, wird die Anerkennung dieses Abschusses durch das RLM vorerst verweigert (Vermerk „A.S.M.“).

Hinzu kommen die Piloten der anderen Gruppen des Geschwaders, die ebenfalls Erfolge erzielen. Aber auch Verluste hinnehmen müssen. Konrad Bauer nimmt sich nach der Lightning noch eine P-51 „Mustang“ vor, die einem Kameraden in dessen Messerschmitt Bf 109 im Genick sitzt. Er schafft es zwar, die Mustang zu vertreiben, doch die Me 109 geht bereits brennend in die Tiefe.

Denn jetzt wendet sich das Blatt! Die Mustangs und Lightnings erscheinen auf der Bildfläche. Die I. Gruppe des JG 300 hatte von Anfang an die Jäger der US-Eskorte auf sich gezogen und steht längst in erbittertem, irgendwo aber auch verzweifeltem Abwehrkampf gegen eine längst nicht mehr beherrschbare Übermacht. 32 Messerschmitt Bf 109 G-6 stehen gegen den Teil der 756 alliierten Jäger, der sich nicht mit den anderen der insgesamt nur 199 deutschen Flugzeuge beschäftigt oder auf der Suche nach ihnen ist. Es ist der „Löwenanteil“.

Wenn man sich vor Augen hält, dass in den Anflughöhen eines Bomberstromes (6.000 bis 8.000 Meter) die Leistungsdaten der Focke-Wulf 190 A-8 und erst recht A-8/R2 bzw. A-8/R8 mit jenen einer Mustang, Lightning oder Thunderbolt nicht mehr mithalten können und die „Zerstörer“ Me 410 A-1/B-2 geradezu deklassiert sind, dann verbleiben zur Abwehr der amerikanischen Jagdeskorte lediglich die Messerschmitt-Jäger. Deren Kampfkraft kann bei der Version G-6 in diesen Höhen zwar gerade noch leidlich mithalten, gegen die US-Modelle aber auch nicht gerade auftrumpfen. Eher im Gegenteil.

Feldwebel Konrad Bauer drückt dies bezogen auf seinen Focke-Wulf 190 „Sturmjäger“ so aus: *8

„Diese Mustangs sind einfach zu flink für uns in solchen Höhen. Die Messerschmitt-Piloten können sich da besser behaupten als wir. In der Zukunft müssen wir Luftkämpfe mit Begleitjägern in Höhen über 6.000 Metern unbedingt vermeiden. Unsere Focke-Wulfs haben zu wenig Motorleistung in diesen Höhen. Diejenigen, welche dumm genug sind, sich mit ihnen anzulegen, werden wie reife Früchte am Baum gepflückt werden ...!“

Damit stehen die 20 Messerschmitt Bf 109 G-6 der II./JG 5 (welche abseits vom Rest der deutschen Jäger ihre Kämpfe ausficht), 37 Me’s der III./JG 300 und jene 32 „109“ der I./JG 300 alleine da, wenn es darum geht, den amerikanischen Begleitschutz einigermaßen in Schach zu halten.

An nackten, nüchternen Zahlen heißt dies 89 gegen 756 oder 1 : 8. In der Luft heißt dies, dass sich die Jagdflieger in ihren Messerschmitts praktisch aufopfern, um die „Sturmjäger“ und „Zerstörer“ zu schützen, um den Focke-Wulf 190 beziehungsweise Messerschmitt Me 410 den Durchbruch zu den Bombern zu ermöglichen. „Selbstmord“ kann man es nicht nennen, denn immerhin 69 der 89 deutschen Messerschmitt-Piloten überleben den Schlagabtausch tatsächlich unverletzt.

Immerhin drei Viertel ...

Zwischen Bitterfeld und Leipzig tobt der Kampf zwischen den amerikanischen P-51 B bzw. D „Mustangs“ und der I./JG 300. Unteroffizier Heinz Wischhöfer fliegt als Katschmarek seines Rotten-führers Unteroffizier Otto Hinz. Wenig später ist er alleine – wenn man die mindestens zehn P-51 nicht mitzählt, die er in Todesangst an seinem Heck kleben sieht. Nachdem die Me 109 G-6 seines Kameraden Hinz (1./JG 300, img, Werknummer 165402) direkt vor Wischhöfers Augen in der Luft explodiert ist, reißt der Deutsche seine Messerschmitt brutal in eine unkalkulierbare Trudelspirale. Es ist seine einzige Chance – gegen zehn Gegner. Vermutlich produziert er mit dieser Finte einen amerikanischen Abschuss-„claim“. Doch der verzweifelte, weil höchst gefährliche Trick rettet ihm das Leben.

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Eine deutsche Focke-Wulf 190 A-8 fliegt unter dem soeben angegriffenen Bomber hindurch – und taucht nun im Blickfeld des Piloten und damit auch des Bug-Bordschützen wieder auf.

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Abschuss einer P-51 „Mustang“. Der US-Pilot ist offenbar völlig überrascht. Denn angesichts der Gefahr wäre es das Allererste, die zwei ...

Es gelingt dem Unteroffizier, seine Me 109 weiter unten wieder abzufangen. Sicher ist es nicht, ob sich ein solches Jagdflugzeug aus dem wilden Ringelpietz wieder stabilisieren lässt ...

Leutnant Kurt Landl aus der 2. Staffel hält der Übermacht lange Stand. Irgendwann einmal ist dann doch sein Schicksal besiegelt. Die img (Werknummer 165398) wird vernichtend getroffen – ihr Pilot ebenso. Man findet seinen Körper etwa elf Kilometer südlich von Magdeburg.

Anderen deutschen Jagdfliegern gelingt noch der Fallschirmabsprung. Es ist 10.05 Uhr, als Unteroffizier Hein Kirchner (3./JG 300) zwei Mustangs hinter sich hat. Der Motor seiner Messerschmitt überhitzt bereits, durch einen Treffer, den ein Bomber-Bordschütze ihm beigebracht hat. Kirchner hat keine Chance. Verwundet steigt er aus seiner durchsiebten Me 109 G-6 über Leipzig aus ( img, Werknummer 165405). Ganz in der Nähe springt Gefreiter Konrad Steinke aus seiner img, Werknummer 412430. Kirchners Staffelkamerad erleidet böse Verbrennungen, bevor er sich retten kann.

Es bleibt nicht dabei! Werner Güldenpfennig muss über Pretzsch aus der img (Werknummer 412948) heraus. Der Unteroffizier der 3. Staffel ist verwundet. Ebenso Leutnant Günther Sinnecker (um 10.30 Uhr, 3./JG 300, img, Werknummer 411464) und Unteroffizier Alfred Büthe (3./JG 300, img, Werknummer 163866). Drei weitere Brüche (einer reparabel) bleiben folgenlos für die Piloten.

Büthe schafft es aber immerhin, auch den Amerikanern Verluste beizubringen. Um 09.40 Uhr meldet er seinen ersten Abschuss heute, es ist eine P-51 „Mustang“ über Torgau. Als es 09.48 Uhr schlägt, geht die zweite Mustang durch Büthes Geschosse nach unten. Beiden Einträgen fehlt der Bestätigungsvermerk des RLM. Wenig später haben sich die Amerikaner an dem Unteroffizier revanchiert ...

Bevor die Überlebenden der I. Gruppe den Ort des Dramas verlassen, jagen einige von Ihnen noch durch die Liberator-Pulks. Feldwebel Resech (an anderem Ort „Resesch“ geschrieben, 1./JG 300) beansprucht zwei B-24, Oberfähnrich Friedrich-Wilhelm Schenk (2./JG 300) und Leutnant Manfred Dieterle (2./JG 300) je eine Liberator.

Anerkannt werden die Abschüsse allerdings alle miteinander nicht, sie tragen ebenfalls den Vermerk „A.S.M.“ – zurückgestellt aus Mangel an Beweisen.

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... Zusatztanks unter den Tragflächen abzuwerfen. Dass dies nicht geschieht, beweist, dass der amerikanische Jagdflieger die Gefahr viel zu spät realisiert!

Auch die B-17 „Flying Fortress“-Pulks bleiben nicht ungeschoren. Fahnenjunker-Oberfeldwebel Eberhard Kroker (3./JG 300) schießt um 09.55 Uhr mit seiner Me 109 G-6 eine Fortress vom Himmel – anerkannterweise! Die Boeing kracht 15 Kilometer südöstlich von Gera in die Erde des Feindes.

Der Ablauf der Luftschlacht zeigt eindringlich, mit welcher Inbrunst jede irgendwie denkbare Gelegenheit genutzt wird, trotz hoffnungsloser zahlenmäßiger Unterlegenheit den verhassten „Terror-Bombern“ Einhalt zu gebieten und einen gehörigen „Denkzettel“ zu verpassen. Und er zeigt noch etwas. Die amerikanische Jagdeskorte muss noch eine Menge lernen!

Sie wird es sich merken! Und ihre Hausaufgaben machen! Ausgesprochen zielstrebig!

Die 37 Messerschmitt-Jäger der III./JG 300 starten um 08.29 Uhr. Sie haben die Aufgabe, 42 Me 410 A-1-Zerstörer der I. und II./ZG 26 zu beschützen. Dies hindert sie allerdings nicht daran, die Gelegenheit zu nützen, zu den Bombern durchzubrechen. Sie bietet sich. Trotz der amerikanischen Eskorte.

Oberleutnant Gabler aus der 8. Staffel des JG 300 leitet den Stabsschwarm der Gruppe am Steuer seiner img. Er berichtet, dass er zunächst per Funk mit den übrigen Maschinen des Gruppenstabes zur Abwehr einer Formation von Lightnings dirigiert worden sei, die aber – ohne Notiz von den Deutschen zu nehmen – in westlicher Richtung über sie hinweggeflogen sei. Dadurch habe man den Anschluss an den Rest der Gruppe verloren. Doch dann kommen die Bomber-Pulks in Sicht: *9

„Zwischen Leipzig und Halle nähern wir uns einer Box aus etwa 20 Liberators. Zu meiner reichlichen Überraschung eröffnen die amerikanischen Bordschützen zunächst nicht das Feuer. Vielleicht halten sie uns für ihre Begleitjäger. Wie auch immer: als sie schließlich reagieren, ist es zu spät.

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Die andere Seite der Medaille! Dieses Mal ist eine Me 109 das Opfer amerikanischer Geschosse. Es ist ein bemerkenswertes Foto, welches den Absprung des deutschen Jagdfliegers aus seiner Me 109 dokumentiert.

Meine Messerschmitt ist nun auf kürzeste Entfernung heran. Ich schalte den Heckschützen einer B-24 mit mehreren kurzen Feuerstößen aus. Wo ich auch hinsehe, entstehen Blitze, Flammen und Rauch. Hinter und zwischen den amerikanischen Bombern sehe ich zahlreiche Fallschirme. Ich benötige drei volle Minuten, meine erste Liberator zusammenzuschießen. Sie stürzt erst ab, nachdem sie eine ordentliche Menge an 20-mm-Geschossen geschluckt hat.

Dann nehme ich mir einen zweiten Bomber vor. Dieser verteidigt sich energisch. Nachdem keine Begleitjäger in der Nähe sind, kann ich mich auf ihn konzentrieren, ohne dauernd den Himmel hinter mir im Auge behalten zu müssen. Nach weniger als fünf Minuten stürzt mein zweites Opfer in Flammen gehüllt zur Erde.

Während dieses Angriffes habe ich sogar noch die Zeit, die Vernichtung einer B-24 durch einen Unteroffizier meines Stabsschwarmes zu beobachten. Leider habe ich den Namen des Piloten vergessen. Zu meiner Rechten und meiner Linken ‚tanzen’ Messerschmitts hinter den Bombern und verursachen Beschussschäden in vielerlei Fällen. Ich zähle mindestens 25 Fallschirme vor meiner Nase.

Dann stelle ich fest, dass ich immer noch genügend Munition habe, um den Luftkampf fortzusetzen. Mit Oberfeldwebel Knoll an meiner Seite fliege ich die dritte B-24 an und eröffne aus nächster Nähe das Feuer. Zu meiner großen Freude fängt auch die an zu brennen und trudelt spiralförmig ab nach links. Vier Piloten meines Stabsschwarmes [Anmerkung: mit ihm sind es dann mehr als vier, was somit streng genommen kein „Schwarm“ mehr ist. An anderer Stelle ist von sechs Me 109 des Gruppenstabes die Rede] haben ihre Munition aufgebraucht und brechen den Kampf ab, sodass Knoll und ich auf uns selbst gestellt sind. In dieser Höhe empfiehlt es sich nicht, herumzuhängen.

Wir stürzen auf direktem Wege in Richtung Halberstadt. Dort landen wir und munitionieren wieder auf um 10.10 Uhr.“

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Das Cockpit einer Messerschmitt Bf 109 G-6. Links neben dem Revi 16B-Reflexvisier sind drei vertikale Säulen erkennbar. Sie zeigen dem Piloten an, wie viel Munition er noch übrig hat. Der mittlere Balken zählt die 200 Geschosse der durch die Propellernabe feuernden 20-mm-Kanone MG 151/20. Die beiden äußeren Linien betreffen die zwei auf der Motorhaube installierten 13-mm-MG 131 (300 Projektile pro Lauf der MG 131).

Als die beiden eine Stunde später wieder zu ihrer Heimatbasis Jüterbog zurückkehren, ist Gabler noch derartig aufgeputscht von der grandiosen Siegesmeldung, die er gleich abgeben wird – drei Viermotorige in einem Einsatz, das ist schon was –, dass er glatt vergisst, beim Aufsetzen sein Fahrwerk auszufahren! Die unfreiwillige Bauchlandung produziert glücklicherweise keine allzu großen Schäden. Bei Mensch und Material.

Die letzte B-24 muss Oberleutnant Gabler allerdings mit Leutnant Bärsdorf (Stab II./JG 300) „teilen“. Was in dieser Form – wie dargelegt – in der deutschen Luftwaffe nicht üblich ist. Offenbar kann man sich nicht einigen. Es führt dazu, dass eigentlich keiner von beiden den Abschuss „seinen“ nennen kann. Er steht nicht „anteilig“ (hälftig) in den Statuten, sondern: „bestätigt als Nr. 9 (4/11/1944) in Zusammenarbeit mit Leutnant Bärsdorf (Stab II./JG 300). Zeuge: Unteroffizier Knoll (8./JG 300)“.

Die angegriffenen Bomberbesatzungen haben andere Sorgen. Denn Gabler und Bärsdorf sind schließlich nicht die einzigen Luftwaffenpiloten, welche über sie herfallen. Unteroffizier Martin Haase (8./JG 300) schießt mit seiner Me 109 G-6 um 09.30 Uhr die erste B-17 des Abwehreinsatzes vom Himmel. Innerhalb der III. Gruppe ist der nächste, dessen Garben einen „Viermot“ zum Absturz bringen, um 09.40 Uhr Unteroffizier Helmut Richter (8./JG 300). Nur, dass dessen Opfer aus einem B-24-Verband herausgeschossen wird, es ist eine Liberator. Erneute zehn Minuten späterist der Gefreite Eberhard Schneider (10./JG 300) am Zug. Auch er holt mit seiner Messerschmitt Bf 109 G-6 eine Liberator herunter. Die nächste B-24 folgt nun schon nach drei Minuten. Der Bezwinger dieser US-Bomber-Crew heißt Unteroffizier Rudi Reinhardt. Er ist ein Pilot der 9. Staffel. Oberfähnrich Karl Fronius und Unteroffizier Hans Träger (beide 8./JG 300) vereinigen ihr Feuer gemeinsam auf eine Consolidated B-24. Sie zerstören sie. Und schließlich fliegt eine bereits „herausgeschossene“ Boeing B-17 um 10.00 Uhr dem Gefreiten Werner Nerger von der 7./JG 300 vor die Rohre. Nerger erhält eine „endgültige Vernichtung“ zuerkannt. Bis auf den Abschuss Unteroffizier Richters akzeptiert das RLM die genannten Meldungen, Aussagen sowie Belege und bestätigt die Erfolge.

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Messerschmitt Me 410 „Hornisse“-Zerstörer der I./ZG 26, zweisitzige schwer bewaffnete Jäger mit den hochmodernen ferngesteuerten Abwehr-MGs an den Rumpfseiten, die dennoch die Unterlegenheit an Kurvenfähigkeit gegenüber einsitzigen Jägern nicht wettmachen können. Es gelingt nur einem der Heckschützen, sich gegen eine P-38 durchzusetzen.

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Abschuss einer Messerschmitt Me 410 aus nächster Nähe. Die vier BR-21-Werferrohre unter den Tragflächen sind gut erkennbar. Die dunklen Punkte im Hintergrund am Horizont zeigen den gegnerischen Bomberverband, den der Pilot des Zerstörers offenbar angreifen wollte.

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Lockheed P-38 „Lightning“-Begleitjäger. Die Bomber werden am 7. Juli 1944 unter anderem von vier Fighter Groups an P-38 eskortiert. Die hier gezeigte vordere Maschine wird von Lieutenant Loren R. Wilson geflogen. Es ist eine P-38 J der 383rd Fighter Squadron/364th Fighter Group vor deren Umrüstung auf P-51 „Mustang“ im August 1944. Diese Einheit fliegt mit ihren P-38 bereits bis in die Nähe von Berlin.

Die vielen zurückgestellten Anerkennungsverfahren der Behörde zeigen die Akribie, mit der zumindest versucht wird, zuverlässige Ergebnisse zu dokumentieren. Nach Ansicht vieler Historiker übertrifft diese Sorgfalt jene der Alliierten, ohne dass deshalb Fehler völlig auszuschließen wären und waren.

Nun haben sich auch die Zerstörer an den Bomberstrom herangearbeitet und mit der Bugbewaffnung ihrer Messerschmitt Me 410 A-1 ihre Opfer gefunden. Zwei 20-mm-Kanonen des Typs MG 151 vereinigen sich mit vier 7,9-mm-MG 17 zu einer ordentlichen Feuerkraft. Die Besatzungen der Me 410 reichen drei B-24 (+ einen „Herausschuss“), vier P-38 und eine P-51 beim Reichsluftfahrtministerium ein.

Die zweimotorigen deutschen schweren Jäger geben ihr Bestes, die US-Kräfte aufzuhalten, doch ihre Aufgabe ist hoffnungslos. Als die P-38 „Lightnings“ der 20th und 55th US Fighter Group die abdrehenden Staffeln der II./ZG 26 ausmachen, ist der Ausgang des ungleichen Kampfes von vorneherein klar. Dies gilt erst recht, als auch noch Mustangs in die Kämpfe eingreifen. Obwohl die P-38 des Captain Morris (77th Fighter Squadron, 20th Fighter Group) vom Abwehrfeuer des Heckschützen einer der deutschen Me 410 (Unteroffizier Dahnert, 5./ZG 26) abgeschossen wird, werden im Gegenzug acht Me 410 von den P-38 und P-51 heruntergeholt, wobei eine davon – vermutlich reparabel – notlandet. Die Amerikaner beanspruchen immerhin 22 Me 410 als sicher zerstört, davon werden 15 von P-51 „Mustang“-Piloten eingereicht und sieben von den Jagdfliegern in den Lockheed P-38-Doppelrumpfjägern.

Die Messerschmitt Bf 109 G-6 der III./JG 300 werfen sich – ihrem Schutzauftrag entsprechend – dazwischen. Bald ist eine wilde „Kurbelei“ im Gange. Die US-Eskorte für die amerikanischen Viermotorigen kämpft somit gegen den deutschen Deckungsverband für die zweimotorigen Zerstörer. Begleitschutz gegen Begleitschutz! Und beiden gelingt es im Verlauf der Luftkämpfe letztlich nicht, ihre Anbefohlenen vor bösem Unheil zu bewahren. Doch nun ziehen eindeutig die Deutschen den Kürzeren.

In Anbetracht der vielfachen Übermacht werden die Kräfte der III./JG 300 sehr schnell verstreut und zersplittert. Und wieder müssen Namen fallen.

Es ist 09.40 Uhr, als sich die img (Werknummer 441876) eines Piloten der 7./JG 300 unter den Salven der amerikanischen Browning-MGs aufbäumt und in die Erde bohrt. Die Mustangs hatten Feldwebel Friedrich Helmsen mit Vollgas gejagt und schließlich doch erwischt. Helmsen fällt. Zur selben Zeit springt sein Staffelkamerad Leutnant Hans-Werner Kahl aus seiner img(Werknummer 440138) heraus. Er ist schwer verwundet, lebt aber. Genauso wie Oberfeldwebel Heinrich Wolfert. Auch er ist Angehöriger der 7./JG 300. Er fliegt die img(Werknummer 163548) und greift wie Kahl über Sangershausen zum Fallschirm. Nur ist es 17 Minuten später. Auch er ist schwer verwundet.

Oberfähnrich Karl Fronius aus der 8./JG 300 hatte nur kurze Zeit zuvor stolz die Vernichtung einer Liberator per Funk durchgegeben. In „Zusammenarbeit mit Unteroffizier Träger“. Was – noch – für keinen der beiden in der persönlichen Abschussbilanz „zählt“. Nun muss Fronius das Teamwork der Gegenseite erleben. Leider wird er es nicht überleben. Der blutjunge Karl Fronius fällt in seiner Me 109 G-6 img, Werknummer 413506) um 10.07 Uhr zwei amerikanischen Mustangs zum Opfer. Er stürzt nahe Esperstedt bei Oberrücklingen tödlich ab.

Der nächste Pilot ist ein Staffelkamerad des Oberfähnrichs – sein Staffelführer! Leutnant Willi Trabert legt seine img (Werknummer 163009) um 10.30 Uhr mit viel zu hoher Restgeschwindigkeit bei Sangershausen „auf den Bauch“. Es kracht fürchterlich, die Tragflächen scheren ab, selbst der Motor trennt sich vom restlichen Rumpf. Traberts Kopf wird hart gegen das Reflexvisier geschleudert. Irgendjemand zieht den verletzten Leutnant schließlich aus dem Flugzeugwrack.

Unteroffizier Helmut Schwarzpaul (9./JG 300) fällt in seiner img (Werknummer 441883) nahe Halberstadt. Niemand weiß, wer ihn auf seinem Konto hat. Eindeutiger ist der Tod von Leutnant Egon Ohletz (in der WASt. Oletz – 10./JG 300) nachvollziehbar. Er startet zusammen mit drei Kameraden in seiner img (Werknummer 440634) auf dem Flugplatz Jüterbog, als patrouillierende US-Jäger über den Flugplatz herfallen. Ohletz kommt nicht weit. Er versucht noch abzuspringen, doch hierfür hat sein Flugzeug bisher nicht genug Flughöhe gewonnen.

Die deutschen Piloten revanchieren sich mit dem Abschuss dreier Mustangs. Die Meldungen werden von Unteroffizier Haas (7./JG 300), Oberfähnrich Otto Köhler 9./JG 300) und Fahnenjunker-Unteroffizier Klaus Grothues (9./JG 300) abgegeben, doch nur Grothues erhält eine Bestätigung. Es scheint, dass Köhlers Meldung gar nicht an das Oberkommando der Luftwaffe weitergeleitet wird.

Sechs weitere Messerschmitt-Jäger der III. Gruppe/JG 300 sind Totalverluste. Doch ihre Piloten können sich unverletzt retten. Damit ist der Verlust irrelevant. Die Materialeinbußen sind ersetzbar.

Auch auf dem Boden. Die Schäden auf den angegriffenen Flugplätzen werden offiziell als „mäßig“ bezeichnet. Doch das hatten die Briten während der Luftschlacht um England ebenso behauptet. Immerhin sind die Zerstörungen der Industriewerke mittelschwer, was auch zugegeben wird. Aber vor allem: drei Hydrierwerke sind „schwer getroffen“. Das heißt: ziemlich zerstört. Und das zählt!

Es wird auf die Dauer Folgen haben, die den Krieg maßgeblich mitentscheiden.

Die Luftschlacht wird bis kurz vor 11.00 Uhr gefochten, als schließlich die US-Pulks auf dem Rückflug nach England die Nordsee erreichen. Zwischenzeitlich sind zwei andere US-Bomberströme von alliierten Plätzen in Italien aus in Deutschland eingeflogen. Sie werden angegriffen von den deutschen Einheiten der II./JG 27, I./JG 302 und schließlich von der ungarischen „Puma“-Jägergruppe 101 (Me 109 G-6). Dem entschlossenen ungarischen Angriff erliegen acht viermotorige B-24-Bomber und drei (?) US-Begleitjäger. Die Ungarn kostet der Einsatz einen Verwundeten, es ist Leutnant Debory.

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Unteroffizier Willi Maximowitz ist einer der bekanntesten „Sturmjäger“ der IV.(Sturm) im Jagdgeschwader 3. Die Kennung seiner Focke-Wulf ist eine schwarze img

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Unteroffizier Willi Maximowitz in seiner Focke-Wulf 190 A-8/R2 „Sturmbock“. Maximowitz verzichtet auf die seitlichen Panzerglasplatten an der Kabinenhaube zu Gunsten einer höheren Geschwindigkeit.

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Crew der B-24 No 44-40050 „Super Wolf“, img X4 B+ 859th Bomb Squadron, 492nd Bomb Group. Zwei von ihnen haben den Einsatz am 7. Juli 1944 überlebt …

Die Bilanz des Tages beinhaltet Verluste der in England stationierten 8th US Air Force durch Abschuss in Höhe von 37 schweren Bombern (neun B-17 und 28 B-24), davon sieben durch Flak *10, sowie sechs Jägern (vier P-51, eine P-47 und eine P-38). Zusätzlich schaffen es eine B-24, zwei B-17 und eine P-51 zwar nach Hause, doch sind sie so schwer zusammengeschossen, dass sie abgeschrieben werden müssen, was eine Verlustbilanz von 47 Maschinen ergibt. Zählt man eine US-Mosquito hinzu, so ergibt sich die Zahl 48. Unzählige weitere kommen böse zerrupft „nach Hause“ – mit Toten und Verwundeten an Bord.

Zusätzliche 22 Bomber und mindestens zwei Jäger verliert die in Italien stationierte 15th US Air Force, davon zehn durch Flak. Der Abwehreinsatz kostet 51 deutsche Maschinen (vier weitere werden irrtümlich durch eigene Flak im Anflug heruntergeschossen, eine beim Angriff), jedoch „nur“ 20 gefallene Piloten, welche dauerhaft ausfallen, und 25 (größtenteils vorübergehend) kampfunfähige Verwundete.

Die Amerikaner verlieren während des Zweiten Weltkrieges gegen Deutschland und seine Verbündeten 4.754 B-17 „Flying Fortress“-Bomber, 2.112 B-24 „Liberator“-Bomber, 2.201 P-51 „Mustang“-Jäger, 1.043 P-47 „Thunderbolt“-Jäger und 451 P-38 „Lightning“-Jäger, zusammen 10.561Maschinen nur dieser fünf Typen alleine. Betrachtet man selektiv den berühmtesten US-Bomber, die „Flying Fortress“ der Boeing-Werke, so wurden 46.500 B-17-Besatzungsmitglieder im Einsatz getötet oder verwundet.

Es wird berichtet, dass die deutsche schwere Flak im Raume Leipzig auf die anfliegenden Gruppen des JG 300 das Feuer eröffnet hat, was die Piloten der IV. (Sturm)/JG 3 aus der Ferne mit ansehen konnten und mussten. Die vier Verluste, die hierdurch entstanden sind, finden sich nicht wie sonst üblich gekennzeichnet als „Abschuss durch eigene Flak“ in den Angaben der WASt (via Salonen).

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Consolidated B-24 „Liberator“ – durch deutsche Jäger in Brand geschossen.

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Consolidated B-24 J-55-CO der 328th Bomb Squadron/93rd Bomb Group. Der untere Kugelturm ist eingezogen. Diese Liberator geht am 21. September 1944 verloren.

Hinweis: deutsche Flugzeuge, welche zwar vom Gegner abgeschossen wurden, ohne jedoch den Piloten dabei „außer Gefecht zu setzen“, sind in der Spalte „Gesamt“ miterfasst (/Flugzeug = Anzahl verlorener Flugzeuge). Hinweise finden sich im Feld „Bemerkungen“. Dagegen werden in britischen und amerikanischen Quellen (MACR-Listen) oft die auf eigenem Gebiet notgelandeten Maschinen nicht mitgezählt. Zudem finden sich die von der deutschen Flak (Flugabwehrkanonen) vernichteten alliierten Flugzeuge nicht in dieser Aufstellung. Daher muss es zwangsläufig zu Differenzen zwischen Abschussmeldungen und den tatsächlichen Verlusten kommen!

Verluste durch Tiefangriffe oder Bomben am Boden, durch „technische Mängel“ oder durch Unfälle werden nicht „gezählt“, da die gegenseitigen Erfolge im Luftkampf gegenübergestellt werden sollen. Unversehrt gebliebene Piloten saßen oft wenige Stunden später in einer neuen Maschine, deren materialtechnischer Nachschub fast bis zum Kriegsende gesichert war. Bei einem Abschuss mit unverletztem Fallschirmabsprung entsteht in der Spalte „Gesamt“ ein Materialverlust (/Flugzeug), jedoch nicht ein personeller „Verlust“ (Pilot/).

*16 Ferner soll auch an dieser Stelle noch einmal die Anzahl der gemeldeten Abschüsse am 7. Juli 1944 kommentiert werden. Nach Berichten war es offenbar sehr schwierig, bei den in Art einer Phalanx mit gleichzeitig nebeneinander anfliegenden Sturmjägern erfolgenden Sturmangriffen einen einzelnen Abschuss zuzuordnen. Viele der Bomber werden von beiden angreifenden Jägerwellen nacheinander schwer getroffen. Der erste Pilot trifft den Bomber bereits vernichtend und ist sich dessen Absturzes sicher, der zweite vollendet das Vernichtungswerk. Jeder der Piloten ist fest davon überzeugt, dass der nun tatsächlich abstürzende Bomber „sein“ Abschuss ist. Zudem finden die Piloten nach ihrem Angriff ein groteskes Inferno an brennenden Wrackteilen vor, wenn sie zurückblicken. Wie viele Bomber sind es, die sich da in ihre Einzelteile zerlegen? Offensichtlich weniger, als es den Piloten erscheint! Dieser Sachverhalt erklärt, warum der Unterschied zwischen den Abschussmeldungen der Luftwaffe und den tatsächlichen Verlusten der USAAF am 7. Juli 1944 ungewöhnlich hoch ist.

Die meisten Autoren gehen bei den überhöhten Abschussmeldungen nicht von einer Absicht aus, ebenso wenig, wie dies bei den „claims“ der US-Bordschützen im Gegenzug unterstellt werden kann.

Der Autor hat sich entschlossen, in der Tabelle die Abschussmeldungen der Piloten anzugeben in der Anzahl, wie sie zunächst von den Flugzeugführern eingereicht wurde. Diese Anzahl wurde – wie im Text im Einzelnen erwähnt wird – durch die gründlichen deutschen Anerkennungsverfahren teilweise erheblich reduziert. Oft jedoch nur „aus Mangel an Beweisen“. Da dem Autor die amerikanischen „claims“ jedoch nur vorliegen vor einer (allerdings erheblich weniger strengen) Überprüfung, ergäbe sich andernfalls eine ungerechte Verzerrung im Vergleich zu den alliierten Angaben.

Verlustmeldungen der Westalliierten im Detail:

Hinweis: für die Tabelle werden die Zahlen inklusive der als Kategorie „E“ (Cat.E) abzuschreibenden Totalverluste addiert analog zu den Summen auf deutscher Seite, die alle Brüche mit Beschädigungsgrad über 60 % als Totalverluste bewerten. Die beiden kollidierten B-24 „Liberator“ bleiben als Unfall außer Betracht – auch hier entsprechend der Zählweise bei den Verlusten der deutschen Luftwaffe.

8th USAAF (von England aus operierend): *17

B-17 „Flying Fortress”:

9

(+ 2 Kategorie „E” img irreparabel

beschädigt = 11)

B-24 „Liberator”

28

(+ 1 Kategorie „E” img irreparabel beschädigt = 29) allerdings 2 durch Kollision ohne Feindeinwirkung img verbleibt als Verlust durch den Gegner: 27)

P-38 „Lightning”:

2

P-47 „Thunderbolt”:

(Quelle *18 nennt 1 P-38 und 1 P-47 der 8th USAAF)

P-51 „Mustang”:

4

(+ 1 Kategorie „E” img irreparabel beschädigt = 5)

de Havilland

„Mosquito”:

1

15th USAAF (von Italien aus operierend): *18

B-17 „Flying Fortress”:

7

B-24 „Liberator”:

14

B-25 „Mitchell”:

1

P-38 „Lightning”:

1

P-51 „Mustang”:

1

*1Quelle: img „Jagdgeschwader 3” Chronik einer Jagdgruppe – IV. Gruppe/Struve Druck Eutin/Jochen Prien. Es sei an dieser Stelle der Respekt vor der umfassenden Recherche dieses Autors ausgedrückt.

*2Quelle: img „Jagdgeschwader 3” Chronik einer Jagdgruppe – IV. Gruppe/Struve Druck Eutin/Jochen Prien.

*3Quelle: img „Jagdgeschwader 3” Chronik einer Jagdgruppe – IV. Gruppe/Struve Druck Eutin/Jochen Prien.

*4Anmerkung des Verfassers: es kursieren unterschiedliche Versionen darüber, in welcher Form dieses geschehen sei. Dahl, später von der Propaganda-Maschinerie zum Nationalhelden hoch gepuscht, verbreitet – möglicherweise im Rausch seiner Popularität – eine reichlich schwülstige Fassung. Demnach will er befohlen haben „An alle kleinen Brüder: noch dichter aufschließen zum Sturmangriff! Wer keinen abschießt, rammt! Rabazanella!“ Quelle: img „Jagdgeschwader 3” Chronik einer Jagdgruppe – IV. Gruppe/ Struve Druck Eutin/Jochen Prien. Eine andere Fassung findet sich bei Quelle img „Jagdgeschwader 300 ‚Wilde Sau’ Volume 1, June 1943 – September 1944“/Eagle Editions Ltd. 2005/Jean-Yves Lorant und Richard Goyat. Feldwebel Rusack will den Befehl an die Flugzeugführer gehört haben: „Die Position in der Formation um jeden Preis einhalten!” – und dann den Funkspruch an die Bodenleitstelle: „An Horizont, wir machen Pauke, Pauke – Rabazanella”. „Horizont” ist hierbei die Bodenkontrolle, “Pauke, Pauke” bedeutet “Angriff ” und “Rabazanella” soll ein Schlachtruf sein. Ein Ruf, an den sich laut Prien, Quelle: img „Jagdgeschwader 3” Chronik einer Jagdgruppe – IV. Gruppe/Struve Druck Eutin/Jochen Prien. (Seite 172), aber weder Wilhelm Moritz noch Walter Hagenah oder Siegfried Müller erinnern können. Ebenso wenig an den übrigen, reichlich pathetischen Angriffsbefehl. Die genannten Piloten flogen zwar im anderen Sturmverband (IV./JG 3), waren seinerzeit aber gleichzeitig in der Luft und funktechnisch „auf Empfang“. Der Eindruck einer nachträglichen Stilisierung des Angriffsbefehls drängt sich also in der Tat auf.

*5Quelle: img „Jagdgeschwader 300 ‚Wilde Sau’ Volume 1, June 1943 – September 1944“/Eagle Editions Ltd. 2005/Jean-Yves Lorant und Richard Goyat. Auch diesen beiden Autoren sei für ihr umfassendes Werk gedankt.

*6Quelle: img „Jagdgeschwader 300 ‚Wilde Sau’ Volume 1, June 1943 – September 1944“/Eagle Editions Ltd. 2005/Jean-Yves Lorant und Richard Goyat.

*7Quelle: img „Jagdgeschwader 300 ‚Wilde Sau’ Volume 1, June 1943 – September 1944“/Eagle Editions Ltd. 2005/Jean-Yves Lorant und Richard Goyat.

*8Quelle: img „Jagdgeschwader 300 ‚Wilde Sau’ Volume 1, June 1943 – September 1944“/Eagle Editions Ltd. 2005/Jean-Yves Lorant und Richard Goyat.

*9Quelle: img „Jagdgeschwader 300 ‚Wilde Sau’ Volume 1, June 1943 – September 1944“/Eagle Editions Ltd. 2005/Jean-Yves Lorant und Richard Goyat.

*10Quelle: img „Die Luftoffensive gegen die deutsche Treibstoff-industrie und der Abwehreinsatz 1944 – 1945“/Motorbuch Verlag/2003/Werner Girbig.

*11Quelle: img „Jagdgeschwader 3” Chronik einer Jagdgruppe – IV. Gruppe/Struve Druck Eutin/ Jochen Prien, sowie hinsichtlich JG 300 Quelle: img „Jagdgeschwader 300 ‘Wilde Sau’ Volume 1, June 1943 – September 1944”/Eagle Editions Ltd. 2005/Jean-Yves Lorant und Richard Goyat. Ferner Quelle: img „Die Luftoffensive gegen die deutsche Treibstoff- industrie und der Abwehreinsatz 1944 – 1945“/Motorbuch Verlag/2003/Werner Girbig, Seite 103 und letztlich Quelle: img WASt – Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht, Berlin. Verluste der deutschen Luftwaffe via Recherche Salonen.

*12Quelle: img Internetdokumentation – Abschussmeldungen der Luftwaffe –- von Jan Josef Safarik, Institute of Mathematics and Descriptive Geometry, Faculty of Civil Engineering, Brno University of Technology.

*13Quelle: img „Messerschmitt Bf 109 im Einsatz bei der (I./II./III./IV.- 3 Bände, Band II./JG 27) Jagdgeschwader 27/Struve Druck Eutin/Jochen Prien, Peter Rodeike und Gerhard Stemmer.

*14Quelle: img „Jagdgeschwader 301/302“ „Wilde Sau“/Schiffer Military History 2005/Willi Reschke.

*15Quelle: img „Die Luftoffensive gegen die deutsche Treibstoffindustrie und der Abwehreinsatz 1944 – 1945“/Motorbuch Verlag/2003/Werner Girbig.

Vgl. auch Tabelle *13 Quelle: img „Messerschmitt Bf 109 im Einsatz bei der (I./II./III./IV.- 3 Bände, Band II./JG 27) Jagdgeschwader 27/Struve Druck Eutin/Jochen Prien, Peter Rodeike und Gerhard Stemmer, Seite 443, und Quelle: img WASt – Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht, Berlin. Verluste der deutschen Luftwaffe.

*16siehe Erläuterung im zweiten Absatz der linken Spalte.

*17Quelle: img „Mighty Eighth War Diary”/Jane’s Publishing Company 1981/Roger A. Freeman.

*18Quelle: img USAAF Missing Air Crew Reports (MACR).

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