„Drôle de guerre“ – der ulkige Krieg

Frankreich hat seit dem Ersten Weltkrieg viel Geld für seine Verteidigung gegen den uralten Erzfeind ausgegeben. Nachdem nur Unterstände und gestaffelte Grabensysteme dem deutschen Vormarsch hatten standhalten können, ist der logische Schluss der, dass solche Verteidigungsanlagen vordringlich ausgebaut werden müssen. Nie wieder will die französische Nation in eine Lage geraten, in welcher nur noch wenige Kilometer den Feind von der eigenen Hauptstadt trennen. Kriegsminister Painlevé initiiert zwei Kommissionen, die Vorschläge zur Verteidigung der Grenzen Frankreichs gegenüber Deutschland und Italien erarbeiten und auch umsetzen sollen. Anfang des Jahres 1929 wird das Konzept vom Ministerrat angenommen. Painlevé übergibt sein Amt an André Maginot, der das Parlament abstimmen lässt. Dieses stimmt mit 90 % der Stimmen zu. Am 14. Januar 1930 wird der Bau der Befestigungslinie verabschiedet – nun „Maginot-Linie“ genannt.

Dieses Verteidigungssystem besteht aus tief gestaffelten Bunkeranlagen, die in der Regel die ansteigende Flanke eines Hügels oder einer Böschung in mehreren Höhenlinien mit gepanzerten Geschütztürmen, schießschartenbewehrten Maschinengewehrständen und Beobachtungspositionen überziehen. Alle diese betonierten Verteidigungsstände oder Panzertürme innerhalb einer einzelnen Anlage sind durch unterirdische Gänge und ein ausgeklügeltes System von Befehlsräumen, Aufenthaltsräumen, Munitionsdepots und Kommandozentralen verbunden. Einige Positionen feuern auch nach hinten – für den Fall der Umgehung. Dieser ist nicht allzu unwahrscheinlich, denn es ist unmöglich, 350 Kilometer Befestigungsanlagen zusammenhängend miteinander zu verbinden.

Bis ins Jahr 1936 wird großflächig an dem System gebaut. An einigen Stellen ist es selbst im Jahr 1940 noch nicht fertig. Die französische Bevölkerung fühlt sich sehr sicher hinter diesem scheinbar undurchdringlichen Schild, an dem sich jeder Angreifer die Zähne ausbeißen muss.

Sofern er frontal angreift und mit Infanterie vorgeht so, wie dies den Planern dieses gigantischen fuchsbauartigen Anlagenkomplexes vorgeschwebt hatte, eines Bunkersystems, das von der Schweizer Grenze bis nach Luxemburg reicht. In Luxemburg schließen sich die waldreichen Hügel der Ardennen mit ihren teils schroffen Tälern und schwierigen Pässen an die Maginot-Linie an. Ein Gebiet, das wohl kaum befestigt werden muss – welche Armee käme hier durch, zumal gar mit schweren Waffen? Wenn überhaupt, dann müsste die Überwindung dieses natürlichen Hindernisses Wochen dauern – in denen man Zeit hätte, der Bedrohung zu begegnen und den Angreifern einen gebührenden Empfang vorzubereiten.

Weiter im Norden beginnen die flachen Tiefebenen Belgiens und Hollands. Nun, die Grenze hier auch noch mit Bunkeranlagen zu überziehen, das würde den französischen Staatshaushalt endgültig überfordern, trotz der deutschen Reparationszahlungen. Schon jetzt hatte die Maginot-Linie doppelt so viel Geld verschlungen als geplant – 5 Milliarden damalige französische Francs. Geld, welches an allen Ecken und Enden zur Modernisierung der Streitkräfte an sich fehlt, für Flugzeuge, Panzer und andere Waffen, vor allem aber für ein effektives Kommunikationssystem oder die Motorisierung der Infanterie.

Andererseits: bis eine größere Armee sowohl den belgischen als auch den holländischen Widerstand überwunden hätte, sich vorbeigekämpft hätte an ebenso gut ausgebauten Forts wie an der Maginot-Linie – beispielsweise das (allerdings einzelne) belgische Eben Emael; bis diese Armee dann durch die Tiefebene vorgestoßen sein würde und schließlich an der französischen Grenze angekommen wäre, hätte man wiederum Zeit genug, die Abwehr zu organisieren. So schnell ist das Vordringen auch hier nicht möglich, denn die deutsche Grenze ist, je weiter man nach Norden kommt, desto weiter von der französischen Grenzlinie entfernt. So denken die französischen Planer in der Tradition dessen, was im Ersten Weltkrieg noch gegolten hatte. Bis dahin würde man sich zum Gegenangriff formiert oder eine Verteidigungsstellung bezogen haben – an einem der Flüsse beispielsweise. Die Dyle in Belgien böte sich an. Ihre Überquerung im französischen Feuer dürfte dann nicht so einfach sein, auch ohne Bunker und Geschütztürme, deren Schussfeld in der Ebene ohnehin nicht dieselbe Übersicht bieten könnte, wie dies an der Flanke eines Hügels der Maginot-Linie der Fall ist.

Außerdem verschlingt die Maginot-Befestigung bereits jetzt eine Besatzungsstärke von 21 vollen Divisionen! Fast ein Viertel der gesamten militärischen Stärke Frankreichs. Eine Verlängerung bis zur Küste bände zwei Drittel der französischen Armee in einer festen Stellung – Offensivoperationen wären dann unmöglich. Männer, die unbeweglich und – wie sich zeigen würde – nutzlos von Montmédy und Sedan bis Basel unter der Erde sitzen und dort auf einen Angriff warten. Einen Infanterieangriff von vorne, wie im Ersten Weltkrieg. Einen Angriff: frontal, direkt, und scheinbar chancenlos.

Dass Luftlandetruppen mitten auf dem Hügel einer Bunkerfestung landen könnten – von oben, nicht von der Frontseite her – dass Sturzkampfbomber mit tödlicher Präzision einen Geschützturm nach dem anderen aus der Luft zerstören könnten und feindliches Sperrfeuer die Beobachtungsposten im Rauch und Qualm der Explosionen blind machen könnte – wer kommt schon auf solche Ideen?

Nun – manch einer. Ein französischer Korpskommandant, der seine Bedenken anlässlich eines Besuchs des britischen Herzogs von Windsor äußert, findet sich kurz darauf seines Postens enthoben wieder. Von einer „Unüberwindbarkeit“ der teuren Befestigungslinie kann keine Rede sein. Nicht im Jahr 1940. Nicht mehr! Doch die Franzosen fühlen sich sicher. Ein trügerisches Gefühl. Selbst eine bemerkenswert zutreffende Analyse des deutschen Blitzsieges in Polen ändert nichts daran. Schließlich seien die Verhältnisse in Polen nicht vergleichbar mit einem Krieg gegen die französische Armee!

So findet ein drolliger Krieg statt, der keiner ist. Die Franzosen beobachten von ihrer Seite der Grenze aus ihre deutschen Gegner, die mit dem so genannten „Westwall“ ein ebenso (in)effektives, wenn auch lange nicht so tief in die Erde getriebenes, bei weitem nicht so teures und personalintensives Bunkersystem errichtet haben. Welches von den Franzosen aber als ähnlich unüberwindbar eingeschätzt wird, wie sie dies bei ihrer eigenen Maginot-Linie annehmen.

Deutsche Eisenbahnzüge fahren den Rhein entlang, in Schussweite der französischen Geschütztürme. Deutsche Soldaten arbeiten an Verstärkungen ihrer Verteidigungsanlagen – unter Transparenten, auf denen in französischer Sprache steht, dass sie nicht als erste schießen würden. Über allem kreist ein Aufklärungsflugzeug der deutschen Luftwaffe, verkündet per Lautsprecher Propagandasprüche ...

Ein friedliches Bild. Es fällt kein Schuss. Bisweilen kommt es sogar zu kameradschaftlichen Gesprächen zwischen Soldaten mit deutschem und französischem Stahlhelm – zwischen Waffenbrüdern, könnte man meinen. Hier und da machen Patrouillen ein paar Gefangene. Vornehmlich sind es Franzosen der Deckungsbataillone, welche vor und zwischen den Bunkeranlagen in Stellung liegen, die den deutschen Stoßtrupps in die Arme laufen. Ansonsten lässt man es sich gut gehen auf der westlichen Seite des Rheins. Die Verpflegung ist üppig, um nicht zu sagen, vorzüglich. Der Kampfeswille der Franzosen sinkt von Tag zu Tag. „Vive la France“ – so könnte es bleiben!

Inzwischen arbeitet der deutsche Generalstab fieberhaft daran, dass der französische Wunsch nicht in Erfüllung gehen möge. Allmählich nehmen die Pläne Gestalt an. Sie gleichen – durchaus zum Unbehagen des „Führers“ und Oberbefehlshabers Hitler – dem Vorgehen des Jahres 1914, einem großflächigen Vorrücken der deutschen Armeen quer durch Belgien auf die französische Grenze zu. Der Entwurf ist durchschaubar – auch wenn die militärischen Möglichkeiten des Vorpreschens mit Hilfe von Panzern und motorisierten Panzergrenadieren heute anders sind als damals. Hitler gefällt das nicht. Nicht so ...

In Großbritannien fühlt man sich derweil ebenfalls relativ sicher, was eine Invasion durch Bodentruppen betrifft. Die „Maginot-Linie“ des Königreiches kostet keinen einzigen Penny – und doch ist sie wirksamer als jede befestigte Bunkeranlage. Es ist die Insellage des britischen Heimatlandes, ihre „Verteidigungsstellung“ ist der so genannte Ärmelkanal. Ihn zu überqueren hatte schon so manchen potentiellen Angreifer Kopf und Kragen gekostet. Als Sir Francis Drake im Jahr 1588 die spanische Armada stellt und eine Eroberung Englands durch Spanien verhindert, war die britische Flotte noch hoffnungslos unterlegen gewesen. Die Zeiten haben sich geändert. Die Royal Navy ist nun eine der stärksten Seemächte der Welt. Sie würde jeden Angreifer zu Wasser vernichtend schlagen können, selbst die nicht zu unterschätzende ebenfalls gefährlich starke deutsche Kriegsmarine.

Wenn die deutschen Bomber nicht wären. In deren Gefechtsradius sollte sich ein britisches Kriegsschiff ohne Not nicht begeben. Es sei denn, es würde von eigenen Jagdflugzeugen gedeckt. Denn gegen Luftangriffe scheinen Kriegsschiffe verwundbar zu sein – noch weiß man nicht, wie sehr!

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Allmählich war in den Vorkriegsjahren daher in den britischen Stabsstellen die Erkenntnis gereift, dass eine starke Jagdabwehr für die Verteidigung des Inselreiches wichtiger ist als Panzer und Kanonen. Am 14. Juli 1936 findet eine Wende in der britischen Luftverteidigungsdoktrin statt. Air Marshal Sir Hugh Dowding wird mit der Aufstellung einer selbstständigen Jagdwaffe betraut, unabhängig von Heer und Marine, aber auch von den Bomber-Einheiten. Das „Fighter Command“ der britischen Luftwaffe (Royal Air Force) entsteht.

Auch die Einheiten – Squadrons – werden aufgerüstet – sowohl deren Anzahl als auch deren Ausrüstung. Eine Fighter Squadron ist eine selbstständige Kampfeinheit und verfügt zu Kriegsbeginn über durchschnittlich 20 Flugzeuge. Im Juli 1940 sinkt deren Zahl auf zwölf, im August 1940wird die offizielle Sollstärke von 20 Maschinen wiederhergestellt (plus zwei als Stabsreserve). Das heißt allerdings nicht, dass diese Anzahl sofort wieder erreicht worden wäre, dies dauert seine Zeit! Jene zwölf Jagdflugzeuge werden unterteilt in zwei „Flights“ zu je sechs Maschinen, die wiederum Dreiergruppen bilden. Diese nennt man „Sections“, welche mit Farbennamen gekennzeichnet werden – Blau (blue), Rot (red), Grün (green) und Gelb (yellow) sind es im Regelfall. „Blue Leader“ ist also der Führer der Dreiergruppe „Blau“. Die Squadrons wiederum werden zu „Wings“ zusammengefasst, mehrere Wings bilden eine „Group“. Grob vereinfacht ist ein britischer „Wing“ mit einer deutschen Gruppe vergleichbar.

Ein eigenständiger deutscher Jagdverband beinhaltet mehrere Untereinheiten. Ein Jagdgeschwader besteht zu dieser Zeit aus drei (später bis zu vier) Gruppen. Jede Gruppe besitzt einen Stabsschwarm (meist vier Flugzeuge) und drei (später bis zu vier) Staffeln zu je zwölf Maschinen. Eine deutsche Jagdstaffel als kleinster Verband ist einer britischen Squadron also im Juli 1940 zahlenmäßig gleichwertig, später im Verlauf des Krieges jedoch an Maschinen unterlegen, zumal etwa 1944 selten eine Staffel der Luftwaffe Sollstärke erreichen wird, während die Royal Air Force keine Nachschubprobleme hat. Ein ganzes Geschwader mit 120 Jagdflugzeugen entspricht Mitte 1940 zehn britischen Squadrons. Während die britische Squadron selbstständig operiert, ist die deutsche Staffel eine Untergruppe des Geschwaders, welches erst in dieser Größenordnung als selbstständige Kampfeinheit gesehen wird. Was allerdings nicht bedeutet, dass nicht einzelne Staffeln oder Gruppen separat zu einem Einsatz befohlen werden. In der Luft sind diese organisatorischen Unterschiede also weitgehend irrelevant.

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Hawker „Hurricane“ Mark IA.

Gut zu sehen ist die klassische Dreierkette der Royal Air Force, in welcher die Hurricanes den Fliegerhorst überfliegen. Ein Pilot fliegt vorne, die beiden anderen fliegen dem „Leader“ an beiden Seiten nach.

Am 6. November 1935 hebt ein Jagdflugzeug zu seinem Jungfernflug ab, welches die bisher in der Royal Air Force geflogenen Doppeldecker ablösen soll. Bei Kriegsbeginn sind etwa 500 dieser Jagdflugzeuge, welche fast zeitgleich mit der deutschen Messerschmitt Bf 109 zum Erstflug gestartet waren, an das britische Fighter Command ausgeliefert. Die Hawker „Hurricane“ Mark I (Mk. I) ist an Wendigkeit der deutschen Me 109 E-3 oder E-4 deutlich überlegen, kann dafür aber hinsichtlich Höchstgeschwindigkeit (521 km/h), vor allem im Steig- und Sturzflug, sowie Bewaffnung mit dem deutschen Gegenstück nicht mithalten. Während der britische Jäger über acht 7,7-mm-Maschinengewehre verfügt, die durch ihre große Anzahl eine hohe „Schrotschuss“-Trefferdichte besitzen, jedoch keine Panzerung durchschlagen können, besitzt die deutsche Me 109 nur zwei 7,92-mm-Maschinengewehre, dafür aber zusätzlich zwei 20-mm-Kanonen. Deren Durchschlagskraft kann – gut gezielt – vernichtend sein. Die Hurricane stellt zu Kriegbeginn den Hauptanteil der britischen Jäger.

Der zweite britische Standardjäger, die Supermarine „Spitfire“, unternimmt am 5. März 1936 seinen Erstflug. Auch dieses Jagdflugzeug hat lediglich eine Bewaffnung in Form von Maschinengewehren, was sich unter dem Eindruck der Effektivität deutscher Kanonen später ebenso ändern sollte wie auch im Falle der Hurricane. Doch in den Jahren 1939 und 1940 ist dies in den Versionen Mk. IA und Mk. IIA der technische Stand der Dinge. Wiederum erlauben acht MGs eine beträchtliche Feuerdichte, welche bei im Ziel liegenden Feuerstößen mit höchster Wahrscheinlichkeit irgendein sensibles Teil des gegnerischen Flugzeuges, beispielsweise im Motor, außer Gefecht setzen. Doch nur ungepanzerte Flugzeugteile werden durchschlagen – mit entsprechender Gefahr für die Besatzung eines nur an wichtigen Stellen mit Panzerungen geschützten Bombers, weniger für den Piloten eines Jägers, sofern dessen Cockpit gegen Beschuss mit einer Panzerung (teil-)geschützt ist – wie im Falle der Me 109 E. Bei einem robusten gegnerischen Flugzeug sind schon eine ganze Serie von Treffern nötig, um es zum Absturz zu bringen.

Auf deutscher Seite kann ein einziges 20-mm-Geschoss aus der Mündung einer der zwei Kanonen jeder Me 109 E-3 (diese Version ist mit MG FF-Kanonen ausgerüstet) oder Me 109 E-4 (mit MG FF/M, die eine höhere Feuergeschwindigkeit bieten) dazu genügen, ein Feindflugzeug vom Himmel zu holen. Die „MG FF“ sind trotz der Bezeichnung „MG“ keine Maschinengewehre, sondern Schnellfeuerkanonen, denn ab dem Kaliber 20 mm spricht man in der deutschen Luftwaffe von einer Kanone.

Die Spitfire ist ein sehr ernster Gegner für die deutsche Me 109, ein gleichwertiger Widersacher – allerdings mit anders gewichteten Qualitäten. Ähnlich wie im Falle der Hurricane ist die Spitfire dem Messerschmitt Bf 109-Jäger im Kurvenkampf überlegen, da die Spitfire erheblich engere Kurvenradien fliegen kann als ihr deutscher Erzrivale. Auch an Höchstgeschwindigkeit im Horizontalflug schenken sich beide Entwürfe mit etwa 587 km/h (Spitfire) zu 570 km/h (Me 109 E-1) nicht viel. Die Spitfire ist etwas schneller, abhängig von der Flughöhe, unterhalb von 6.000 Metern ist sie langsamer. Diese geringe Differenz im Horizontalflug ist kaum von Bedeutung. Doch im Steigflug – zumindest unterhalb einer Höhe von 6.000 Metern – und Sturzflug kann ein Me 109-Pilot jede Spitfire abhängen.

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Vickers-Supermarine „Spitfire“ Mark IA.

Das „A” steht für den Tragflächentyp mit acht Maschinengewehren. Dagegen ist Tragfläche Typ „B“ mit vier Maschinengewehren und zwei Kanonen ausgerüstet. Dieser Bewaffnungstyp ist im Jahr 1940 nur sehr vereinzelt an einigen Spitfire Mk. IIB anzutreffen, wird bei der Mk. VB ab dem Jahr 1941 dann unter dem Eindruck der deutschen Erfolge zur Standardvariante.

Dies hat beträchtlichen Einfluss auf die angewandte Kampftaktik, denn die deutschen Piloten versuchen, sich nicht auf einen Kurvenkampf einzulassen, sondern überraschend – beispielsweise mit der Sonne im Rücken anfliegend, welche den Gegner blenden muss – aus der Überhöhung heraus anzugreifen. Nach der Attacke tauchen sie sofort weg – nur, um aus dem Abschwung heraus einen neuen Angriff einzuleiten. Die unflexible britische v-förmige Dreier-Ketten-Formation („Vic“) begünstigt dieses deutsche Angriffsverfahren zusätzlich, da sie ein Gegenmanöver in geordneter Form fast unmöglich macht. Der einzige Ausweg, der den Engländern bleibt, ist, auseinander zu stieben.

Danach sind die britischen Piloten selbst in ihrer Vielzahl jeder für sich zu Einzelkämpfern zersplittert.

Einer der wichtigsten Trümpfe der deutschen Messerschmitt Bf 109 E gegenüber den britischen Jagdflugzeugen der Jahre 1939 und 1940, Hawker „Hurricane“ Mark I und Supermarine „Spitfire“ Mark I und Mark II, ist ihr 1175 PS (876 kW) starker Daimler-Benz-DB-601Aa-V-12-Einspritzmotor. Dieser Motor hat gegenüber seinem britischen Gegenstück, dem in der Spitfire wie auch der Hurricane eingebauten Rolls-Royce-Merlin-II-V-12-Motor, einen entscheidenden Vorteil: die Benzineinspritzung! Denn der Rolls-Royce Merlin II ist ein 1.030 PS (768 kW) starker Vergasermotor, dessen Schwimmvergaser bei negativer g-Belastung die Benzinzufuhr kurzzeitig unterbricht und Aussetzer verursacht.

Dies bedeutet als Konsequenz, dass eine Messerschmitt Bf 109 E aus dem Horizontalflug heraus ohne Verzögerung sofort in einen harten Sturzflug übergehen kann, ohne dass der Motor irgendwelche Probleme damit hätte – durch die Einspritzpumpe ist die Benzinzufuhr gesichert. Versucht ein Spitfire-Pilot mit demselben Manöver zu folgen, so wird der Sog der nach oben gerichteten Fliehkraft seinen Motor „abwürgen“. Der britische Flugzeugführer hat keine andere Wahl, als eine halbe oder ganze Rolle zu fliegen, die sein Flugzeug im Abschwung auf den Rücken dreht, und erst dann wieder in die aufrechte Position auszutarieren, wenn er seine Sturzflugneigung erreicht hat. Nur so kann er negative „g“ für seine Rolls-Royce-Maschine vermeiden.

Nach dem Manöver muss er sich erst einmal umsehen, wo sein deutscher Gegenpart geblieben ist.

In der Regel hat der bereits einen großen Vorsprung, der durch die bessere Sturzfluggeschwindigkeit der Messerschmitt Bf 109 E schnell uneinholbar wird ...

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Messerschmitt Bf 109 E-1 der 2./JG 2 „Richthofen“ img . Bei den vier „Strichen“ vor dem Hakenkreuz am Heck handelt es sich um die Werknummer (hier nicht um Abschussmarkierungen).

So bleibt zusammenzufassen, dass die deutsche Messerschmitt Bf 109 E den britischen Spitfire Mk. I/Mk. II und Hurricane Mk. I gegenüber im Sturz- und Steigflug an Geschwindigkeit überlegen ist. Ihr Vorteil im schnellen Wegsteigen nach oben verliert sich in Bezug auf die Spitfire ab 6.000 Meter Höhe zunehmend. Im Horizontalflug schlägt die „109“ mit 570 km/h jede Hurricane, die mit 521 km/h nicht mithalten kann. Im Gegensatz zur Spitfire, welche dem Messerschmitt-Jäger in dieser Hinsicht ungefähr ebenbürtig ist und daher im Verlaufe des Krieges geradezu zum Erzrivalen avanciert.

Beiden Jagdflugzeugen der englischen Royal Air Force kann ein Me 109-Pilot in dieser Zeit mit einiger Leichtigkeit entkommen, wenn er unvermittelt seinen Jäger in einen steilen Sturzflug zwingt. Kaum ein britischer Flugzeugführer wird ihm dann schnell genug folgen können. Dies sollte sich später ändern, da die Briten selbstverständlich notgelandete deutsche Jagdflugzeuge untersuchen und ihre Entwicklungs-Schlüsse aus dem Ergebnis ziehen werden. Doch auch die Deutschen schlafen nicht!

Anders werden die Karten im Kurvenkampf gemischt. Hier sind beide britischen Modelle dem deutschen Messerschmitt-Jäger überlegen und können ihn mühelos auskurven. Es ist also für den deutschen Piloten in einer Me 109 nicht ratsam, sich auf ein solches Duell einzulassen – wenn es denn vermeidbar ist! Ist es das nicht, ist fliegerisches Können gefragt! Viele haben diese Fähigkeiten 1940 noch. Der Ausbildungsstand der deutschen Flugzeugführer – auch der Nachwuchspiloten – ist hoch. Das sollte sich unter dem gnadenlosen Druck der Luftlage im Laufe der Jahre gründlich ändern.

Hinsichtlich der Bewaffnung wiederum hat der deutsche Pilot alle Asse im Ärmel. Wenige Treffer seiner beiden Bordkanonen sind für einen feindlichen Jäger bereits das Ende, während die kleinkalibrigen britischen Geschosse schon in größerer Zahl treffen müssen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Daher haben die britischen Jäger folgerichtig auch doppelt so viele Waffen an Bord, wenn auch bei den fast ausschließlich verbauten „A“-Tragflächen ausnahmslos nur Maschinengewehre.

Der zweite deutsche Jäger, die Messerschmitt Bf 110, ist in seinem grundsätzlichen Nachteil bereits beschrieben. Die Forderung nach Langstreckentauglichkeit und entsprechendem Tankvolumen setzt zu diesem Zeitpunkt die Konstruktion eines größeren Flugzeuges voraus, welches somit nur dann gleich schnell sein kann wie seine einmotorigen Widersacher, wenn das aus dieser Größe resultierende höhere Gewicht von mehr PS vorwärts getrieben wird – somit also von zwei Motoren. Dass eine höhere Rumpflänge zwangsläufig auf Kosten der Wendigkeit gehen muss, ist im technischen Stadium der Jahre 1939 und 1940 nicht vermeidbar. Die amerikanische Firma Lockheed wird später beweisen, dass ein Defizit an Manövrierfähigkeit zweimotoriger Jäger in der konstruktiven Fortentwicklung kein Naturgesetz ist. Es gelingt, mit der P-38 den Unterschied zu einmotorigen Jägern fast zu nivellieren.

Auch der Me 110-Jäger ist 562 km/h schnell, deklassiert eine Hawker „Hurricane“ geschwindigkeitsmäßig in allen Belangen und kann einer Spitfire im Steigflug wie im Sturzflug ebenfalls leicht entkommen – etwas Zeit zum Manövrieren vorausgesetzt. Bei der Taktik der so genannten „freien Jagd“ haben die Piloten diese Zeit in aller Regel. Diese Einsatzart bedeutet, dass die Verbandsführer durch den gegnerischen Himmel streunen auf der Suche nach geeigneten „Opfern“, aber (wenn sie nicht überrascht werden) selbst entscheiden können, ob sie den Kampf aufnehmen oder vielleicht besser nicht – je nach Situation. Bei einem Angriff nach dem „hit and run“-Muster kann diese Maschine auch gegen moderne Eindecker wie die beiden genannten Jäger der Royal Air Force erfolgreich sein – und ist es auch durchaus! Herausfliegen eines taktischen Vorteils, Manövrieren in eine günstige, überhöhte Angriffsposition, dann blitzartiger Sturzflug auf den Gegner, ein gut gezielter Feuerstoß aus der gefürchtet schweren Bewaffnung in der Flugzeugnase, dann Abtauchen oder steil nach oben Wegziehen – das ist das Erfolgsrezept! Auch gegen Spitfires und Hurricanes! Doch als Eskorte für schutzbedürftige Bomber stehen diese „Freie Jagd“-Optionen den Piloten nicht zur Verfügung. Hier gilt es, bei den Bombern zu bleiben – die Gegner sind es nun, die den Angriff einleiten, aus der Position ihrer Wahl heraus. Das Ende vom Lied ist der Kurvenkampf, in welchem die Me 110-Besatzungen hoffnungslos auf verlorenem Posten stehen. Es sei denn, sie drehen zum Abwehrkreis ein – was sie faktisch neutralisiert. Obwohl es sich um ein zweisitziges Flugzeug handelt, welches zusätzlich zum Flugzeugführer immerhin einen Heckschützen zur Verteidigung nach hinten oben aufbieten kann.

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Boulton Paul „Defiant“ NF Mk. II der 151 Squadron.

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Messerschmitt Bf 110 D der 8./ZG 26.

Der ist um seine Aufgabe allerdings wahrlich nicht zu beneiden – und scheitert daher mit seinem einzelnen 7,92-mm-Maschinengewehr (MG) oft genug. In dem Moment, in dem das eigene Flugzeug angegriffen wird, fliegt der Zerstörerpilot wilde Ausweichmanöver um sein Leben. Die Schussposition des Heckschützen bewegt sich entsprechend mit. Und von dieser rasanten Bodenplattform aus soll der Bordschütze nun eine flink einkurvende Spitfire oder Hurricane erwischen, mit wohl gezieltem Abwehrfeuer im richtigen Vorhaltewinkel, und mit der Durchschlagswirkung von Geschossen aus nur einem MG – falls es ihm vergönnt ist, zu treffen! Gegen den Hagel aus acht Rohren der Gegenseite ...

Bei vertauschten Rollen ist die Trefferwirkung schon eine andere! Denn nach vorne hat der deutsche „Zerstörer“ immerhin vier Maschinengewehre und zwei 20-mm-Kanonen aufzubieten, exakt die Konfiguration des späteren britischen „B“-Flügelpaares, jedoch im Gegensatz zu diesem auch noch konzentriert an einem idealen Punkt im Jagdflugzeug: dem Bug. Der Effekt ist vernichtend.

Auch die Briten besitzen einen zweisitzigen Jäger, allerdings ist dieser einmotorig und prompt entsprechend langsam! Das zusätzliche Gewicht eines motorbetriebenen bemannten Drehturmes mit vier parallel feuernden Maschinengewehren zehrt stark an der Leistung des Rolls-Royce-Merlin-Motors, der das Flugzeug daher nur auf höchstens 489 km/h beschleunigen kann. Zu wenig für ein Duell mit einer Messerschmitt Bf 109 E, für dessen Flugzeugführer die Boulton Paul „Defiant“ Mk. I allerdings dann eine sehr unangenehme Überraschung bereit hält, wenn der deutsche Pilot seinen Gegner mit einer Hurricane verwechseln sollte. Denn der Vierlings-Drehturm ist nach hinten oben/oben seitlich, die klassische Anflugrichtung eines angreifenden Jägers, deutlich wehrhafter als das einzelne und auch noch handgeführte (dafür aber viel leichtere) Maschinengewehr des Heckschützen einer Me 110.

Nach vorne jedoch ist die Defiant gar nicht bewaffnet – sie wiegt ja so schon zu viel! Dieses Fehlen einer Angriffsbewaffnung in Flugrichtung ist allerdings fatal. Die deutschen Piloten finden schnell die Achillesverse des britischen Zwei-Mann-Jägers heraus. Gegen einen Angriff von vorne unten ist die Besatzung der Defiant machtlos. Ein Todesurteil für den Heckschützen, dessen wenig menschenfreundliche Behausung dann zu seinem Grab wird: der Drehturm erlaubt kaum ein Entkommen!

Und wie stehen die Dinge bei der französischen Luftwaffe?

Die französische Armée de l’Air besitzt zu Beginn des Zweiten Weltkrieges eine Vielzahl von Jagdflugzeugen. Als Frankreich das Ausmaß der deutschen Luftrüstung erkennt, kommt die Nation in Zugzwang – und in Schwierigkeiten. Denn die französische Luftfahrtindustrie ist nicht in der Lage, in der nötigen Geschwindigkeit in diesem Rüstungswettlauf mitzuhalten. Vor allem die Produktion von Flugzeugmotoren wird zum Engpass. Dies mündet in die Forderung, dass in französische Neukonstruktionen möglichst auch Import-Motoren aus Frankreich und England einfügbar sein müssten. Die zweimotorige Breguet Bre.693 mit Gnome-Rhône-Sternmotoren beispielsweise wird als Breguet Bre.695 von zwei amerikanischen Pratt & Whitney-R-1830-SB4G-Twin-Wasp-Triebwerken angetrieben.

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Morane-Saulnier MS.406.

Der zahlenmäßig wichtigste Jäger der französischen Luftstreitkräfte bei Kriegsbeginn ist die Morane-Saulnier MS.406. 535 Jagdflugzeuge diesen Typs stehen den Franzosen zu Beginn der Kampfhandlungen zur Verfügung. Die Maschine ist ein Tiefdecker, der von einem Hispano-Suiza-Motor mit 860 PS (640 kW) auf 486 km/h Höchstgeschwindigkeit beschleunigt wird.

Diese Geschwindigkeit ist zu gering in der Konfrontation mit einer deutschen Messerschmitt Bf 109 E. Bei einer solchen Geschwindigkeitsdifferenz von über 80 km/h rettet den französischen Piloten meistens auch die größere Wendigkeit seines Jagdflugzeuges nicht.

Bei 175 eigenen Erfolgen im Luftkampf gehen 400 dieser Jagdflugzeuge im Gefecht mit den Deutschen verloren. Dies ist eine hohe Misserfolgsrate für die französische Jagdwaffe und ein schwerer Rückschlag für die Einheiten der Armée de l’Air.

Die MS.406 ist mit einer 20-mm-Hispano-Suiza-Kanone in der Propellernabe und zwei 7,5-mm-Maschinengewehren an den Tragflächenansätzen bewaffnet.

Erheblich leistungsstärker und moderner als die Morane-Saulnier ist eine andere französische Eigenproduktion, ein Flugzeug des französischen Konstrukteurs Emile Dewoitine.

Ab März des Jahres 1939 wird die Dewoitine D.520 an die Armée de l’Air ausgeliefert, doch sind erst 36 Maschinen dieses Typs einsatzbereit, als die Luftkämpfe gegen die deutsche Luftwaffe blutiger Ernst werden. Mit 529 km/h Höchstgeschwindigkeit und einer ernst zu nehmenden Bewaffnung ist dieses Jagdflugzeug konkurrenzfähig und nicht zu unterschätzen. Die durch die Propellernabe feuernde 20-mm-Kanone wird durch immerhin vier 7,5-mm-Maschinengewehre ergänzt, welche an den Tragflächen nahe des Rumpfes angebracht sind. Das Triebwerk Hispano-Suiza-12Y-45 leistet 930 PS (693 kW). Der Jäger ist wendiger als eine Messerschmitt Bf 109 E, allerdings ist er an Geschwindigkeit spürbar unterlegen.

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Dewoitine D.520.

Es sind gerade mal 36 dieser Flugzeugmuster, deren Piloten sich mit den Me 109 mit dem Balkenkreuz auf Rumpf und Flächen anlegen können. Viel zu wenige, um ernsthaft etwas auszurichten. Die Jagdflieger mit der Trikolore dürften sich zu diesem Zeitpunkt kaum träumen lassen, dass sie sich in ihren französischen Dewoitine-Jägern einmal gegen australische Piloten in britischen Diensten auf amerikanischen Jagdflugzeug-Konstruktionen über Syrien behaupten würden.

Eine weitere Eigenkonstruktion französischer Techniker ist ein eher plump aussehendes Flugzeug, welches in zwei Varianten zum Einsatz kommen sollte. Es handelt sich um die Bloch MB.151 und MB.152. Von ersterer kommen 144 Exemplare zur Auslieferung, während 488 Flugzeuge der verbesserten MB.152 die Truppe erreichen. Die Unterschiede liegen in der Motorleistung und Bewaffnung.

Der 1.080 PS (805 kW) starke Gnome-Rhône-14N/25-Motor beschleunigt den Jagd-Eindecker MB.152 immerhin auf 515 km/h. Auch die Bewaffnung des Jägers mit vier 7,5-mm-Maschinengewehren (MB.151), vor allem aber mit zwei 20-mm-Kanonen und zwei 7,5-mm-MGs (MB.152) ist nicht mager – die MB.152 ist in dieser Hinsicht einer Messerschmitt Bf 109 E gewachsen. Allerdings nur in dieser Hinsicht, insgesamt ist das deutsche Jagdflugzeug eindeutig die bessere Maschine. Dennoch können sich die französischen Piloten in ihren Bloch-Jägern recht teuer verkaufen – deren plumpes Äußeres täuscht. Das Verhältnis zwischen Abschüssen und Verlusten ist erheblich besser als im Falle der Morane-Saulnier MS.406.

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Bloch MB.151/MB.152.

74 im Kampf zerstörten französischen Bloch stehen 115 gemeldete Luftsiege gegenüber. Die deutschen Kollegen mögen das hässliche Entlein nicht besonders!

Der letzte Jäger in den Reihen der Armée de l’Air ist aus der Not geboren: so schnell, wie es nötig ist, um der wieder auferstandenen deutschen Luftrüstung Herr zu werden, kann die französische Industrie keine eigenen Flugzeuge produzieren. Zu lange hatte man jeden Franc in die Maginot-Linie investiert! Also bleibt den besorgten Franzosen keine andere Wahl, als – für teures Geld – Flugzeuge hinzuzukaufen – im Ausland. Die Wahl fällt auf einen amerikanischen Flugzeugtyp: die Curtiss P-36 A/P-36 C, in der gelieferten Version als Curtiss „Hawk“ H75 in den Subtypen A1bis A4 bezeichnet. Ein Jagdflugzeug dieses Typs ist immerhin doppelt so teuer wie eine Eigenkonstruktion der Typen Morane-Saulnier MS.406 oder Bloch MB.151. Doch die französische Regierung sieht keine Alternative zu einer derartigen Aufrüstung.

Der Jäger (P-36 C/H75-A3) besitzt einen Pratt & Whitney-R-1830-17-S1C3-G-Twin-Wasp-Motor mit einer Leistung von 1.200 PS (895 kW). Die Inneneinrichtung wird auf französische Bedürfnisse modifiziert, die Anzeigen erhalten ein metrisches System, der Sitz wird zur Aufnahme eines Rückfallschirmes abgeändert. Die Bewaffnung des 500 km/h schnellen Jägers besteht aus vier, ab A2 sechs französischen 7,5-mm-Maschinengewehren.

Trotz ihrer Unterlegenheit gegenüber der deutschen Messerschmitt Bf 109 E werden die Curtiss-Jäger erfolgreich geflogen. Die Franzosen haben 291 Flugzeuge dieses Typs in ihren Reihen, als die deutsche Wehrmacht zum Angriff auf Frankreich übergeht. Am 8. September 1939 erreicht die französische Groupe de Chasse II/4 mit dem Abschuss von zwei deutschen Me 109 E die ersten Luftsiege der Westalliierten Frankreich und England gegen die deutsche Luftwaffe. Über zwei Jahre später, im November des Jahres 1942, werden französische Piloten in Curtiss-Jägern einem anderen amerikanischen Flugzeugtyp gegenüberstehen. Bei der Landung amerikanischer Truppen im französischen Teil Nordafrikas verlieren sie 15 ihrer Curtiss „Hawk“ gegen Grumman F4F „Wildcats“ der US Navy bei immerhin sieben eigenen Abschüssen – ein achtbares Ergebnis in Anbetracht der Tatsache, dass die „Wildcat“ zu diesem Zeitpunkt das erheblich modernere Jagdflugzeug ist.

Sieben von elf französischen Flieger-Assen erzielen ihre Erfolge gegen die Deutschen in der Curtiss „Hawk“. Ein Kompliment an diesen gedrungenen kompakten Jäger, dessen Karriere in den Vereinigten Staaten von Amerika nur von kurzer Dauer ist. Dort wird die Maschine bald von der P-40 abgelöst.

Der Winter des Jahres 1939 kündigt sich an. Die polnische Nation ist seit Wochen besiegt, besiegt von den Deutschen. Doch hier im Westen tut sich nicht viel. Statt feindlicher Granaten hagelt es Regenschauer in diesem grauen November 1939. Ohne Zweifel ist das die angenehmere Wahl.

Der Morgen ist kalt auf der Graspiste 80 Kilometer südöstlich von Reims. Ein französischer Feldflugplatz ist nun die Heimat der 1 Squadron RAF. Die britische Einheit ist eine von vier Squadrons der Royal Air Force, welche mit Hurricanes ausgerüstet nach Frankreich verlegt worden sind. Seit 9. September 1939 genau. Sie sollen den Schutz des ebenfalls auf dem Kontinent stationierten britischen Truppenkontingents am Boden gegen deutsche Luftangriffe übernehmen – unter anderem.

Viel haben sie derzeit nicht zu tun, die 15 jungen Engländer der ersten Squadron des Fighter Command. Hin und wieder starten sie zu Aufklärungseinsätzen oder Patrouillenflügen. Die Luft ist klar heute morgen – wie geschaffen für einen Aufklärungsflug. Das scheinen auch die Deutschen bemerkt zu haben, denn plötzlich gibt es Alarm auf dem Fliegerhorst Vassincourt.

Flying Officer Cyril D. Palmer ist einer der drei Piloten, die nun zu ihren abgestellten Jagdflugzeugen rennen. Man muss sich schon beeilen, wenn man den deutschen Aufklärer noch erwischen will. Irgendwelche elektronischen Hilfsmittel stehen in Frankreich zur Vorwarnung vor einem feindlichen Einflug nicht zur Verfügung – ein deutsches Flugzeug kann frühestens dann erkannt und von Beobachtungsposten am Boden gemeldet werden, wenn es die Frontlinie überfliegt. Oder sagen wir besser: die Staatsgrenze – bei den derzeitigen „Kriegs-Verhältnissen“.

Bis die Meldung in Anbetracht der schwerfälligen und langsamen Meldeverhältnisse in Frankreich – meistens per Telefon – schließlich den Feldflugplatz erreicht, hat das gegnerische Flugzeug meistens schon seinen Auftrag erledigt und befindet sich auf dem Rückflug. Ein Umstand, der sich noch als bedeutend herausstellen sollte! Er bestätigt die deutsche Luftwaffe in der Möglichkeit überraschender Bombenangriffe auf ahnungslose Ziele.

Diese Überraschungsangriffe werden in Frankreich noch möglich sein. Bereits beim nächsten Schlagabtausch werden elektronische Hilfsmittel beider Seiten dieser Art Überfall ein Ende setzen.

Doch noch fallen keine Bomben auf die britischen oder französischen Feldflugplätze. Der deutsche Aufklärer hat die Aufgabe, die Datenlage dafür zu beschaffen, dass sich das ändern kann. Er fotografiert akribisch die alliierten Flugplätze. Wie damals in Polen – vor kurzem erst, doch scheinbar schon so lange her! Man könnte seine Schlüsse daraus ziehen auf französischer Seite! Man könnte ...

Die Sicht ist gut, als die drei Hurricanes die Höhe von 6.000 Metern erreichen und nun nach dem Eindringling Ausschau halten. Palmer führt die Dreierkette an. Er sucht den Horizont ab. Der Fluss Marne schlängelt sich unter ihnen im Morgenlicht. Doch kein feindliches Flugzeug ist zu seh ... – halt: was ist das? Da haben wir ihn!

Es ist eine Dornier Do 17, ein „fliegender Bleistift“, wie man die elegante Maschine nennt. Die drei Hurricanes nähern sich schnell – kein Kunststück bei einem Geschwindigkeitsvorteil von 100 km/h. Der deutsche Bomber dürfte in seiner Aufklärerrolle ohne Bombenlast etwa 420 km/h schnell sein – auch nicht gerade eine langsame Mühle! Doch es reicht nicht zum Entkommen! Trotz aller Bemühungen des deutschen Piloten, der auf schnellstem Wege auf die deutsche Grenze zuhält. Offenbar hat die Besatzung die britischen Jäger gesehen und ist sich der Gefahr bewusst.

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Curtiss H75-A1 bis A4, „Hawk“ (Mohawk).

Dieser Jäger ist nicht zu verwechseln mit dem Doppeldecker Curtiss „Hawk“, dessen Sturzflugeigenschaften zum Bau der Ju 87 inspiriert hatten!

Die drei Hurricanes nehmen sich die deutsche Do 17 vor – aus der üblichen Angriffsposition von hinten oben. Der deutsche Heckschütze im oberen Abwehrstand feuert sich das einzelne Rohr seines Maschinengewehres heiß – gegen jeweils acht Mündungen der anderen Seite hat er einen schweren Stand. Oft genug waren die erstaunlich manövrierfähigen Do 17 feindlichen Jägern schon entkommen – im Sturzflug, welcher zusätzliche Geschwindigkeit erzeugt und durch das höhere Gewicht des zweimotorigen Bombers den diesbezüglichen Vorteil der schnellen Angreifer reduziert. Denn die leichten Jagdflugzeuge beschleunigen im Sturzflug nicht so stark wie eine Do 17. Oder man versucht es mit haarsträubenden Ausweichmanövern, bisweilen im Tiefflug – unter Hochspannungsleitungen hindurch! Ein beliebter Trick, denn der schnellere Verfolger fliegt in aller Regel aus Sicherheitsgründen mit etwas mehr Abstand zum Boden und sieht die dünnen Drähte meistens sehr viel später ...

Dieses Mal hat die Besatzung keine Chance! Nicht bei einem Verhältnis von drei Jägern – und auch noch Hurricanes – gegen einen. Der erste der beiden Motoren steht in Flammen, die Dornier verliert an Höhe. Der Bordschütze und der Beobachter steigen aus. Palmer kann die beiden Fallschirme erkennen. Doch das Flugzeug selbst will offenbar noch nicht aufgeben. Die Kiste brennt, aber sie fliegt!

Also noch mal ran! Palmer hat die Dornier voll im Visier – und feuert. Doch nichts tut sich. Verdammt, die Munition ist alle – kein Geschoss ist mehr übrig. Na gut, dann müssen eben die beiden Kameraden den Rest erledigen. Doch Palmer hätte halt zu gern den Abschuss für sich selbst beansprucht! Der junge, noch unerfahrene Brite will es wissen. Warum in drei Teufels Namen hatte er es nicht geschafft, dieses offenbar unverwüstliche deutsche Flugzeug vom Himmel zu holen? Die Dornier fliegt auch noch mit einem Motor, wenn auch stetig weniger hoch. Wieso, verflixt und zugenäht?

Palmer ist hinter dem Deutschen. Dann drosselt er seine Geschwindigkeit und setzt seine Hurricane auf gleicher Höhe neben den Bomber. Der englische Jägerpilot riskiert einen Blick in das Cockpit des von Geschossen durchlöcherten deutschen Flugzeuges. Die großflächige Glaskanzel des Vorderrumpfes der Dornier gewährt einen guten Überblick – und Einblick. Palmer sieht den Körper des Piloten, der zusammengesunken reglos über seinem Steuerruder zusammengebrochen war. Neben dem vorderen Maschinengewehr, das bei Angriffen von vorne oben dem Beobachter auf dem Nebensitz zur Verteidigung dient. Doch der ist inzwischen am Fallschirm auf dem Weg in die Gefangenschaft.

Zur Verteidigung dient, wohl gemerkt. Doch das interessiert den deutschen Unteroffizier Arno Frankenberger in diesem Moment nicht. Urplötzlich erweist sich die Leblosigkeit des Bomberpiloten als raffinierter Bluff. Frankenberger drosselt blitzartig die Motorleistung, dann gibt er wieder Gas. Bevor sich der britische Jagdflieger von seiner Überraschung erholt hat, ist dessen Hurricane bereits an Frankenbergs Do 17 vorbeigeflogen. Der Deutsche lässt das Steuer los – die hervorragenden Flugeigenschaften seiner Dornier erlauben dies. Während der Bomber trotz eines brennenden Motors führerlos weiterfliegt, klettert der Unteroffizier auf den Beobachtersitz und schickt dem nun verdutzt vor ihm her fliegenden Palmer eine wütende Salve MG-Munition hinterher!

Palmer duckt sich instinktiv – das rettet ihm das Leben. Seine Hurricane ist nach hinten völlig ungepanzert – ein sträflicher konstruktiver Fehler. Knapp am Kopf des britischen Piloten vorbei durchschlägt ein deutsches Geschoss quer durch das Cockpit von innen die Windschutzscheibe. Der englische Flying Officer reißt sein Jagdflugzeug geistesgegenwärtig in einen Sturzflug. Dann ist er außer Schussweite. Mein lieber Mann – das war gerade noch mal gut gegangen. Fast! Irgendeine Kühlleitung der Hurricane hat offenbar etwas abbekommen. Der Jäger zieht eine weiße Schleppe hinter sich her – Glykol! Das lässt Palmer keine Wahl. Fluchend legt der britische Flugzeugführer seine Mühle in einem Acker auf den Bauch. Eine schöne Bescherung! Zum Glück sind die Schollen französisch ...!

Sie sind es auch wenige Kilometer daneben. Dort erfolgt nun eine weitere Bruchlandung. Es ist der deutsche Aufklärer, durchsiebt von britischen Geschossen. Unteroffizier Frankenberger bleibt unverletzt, wie durch ein Wunder.

Die Franzosen übergeben ihn alsbald den britischen Jagdfliegern – für einen Abend. Unter Protest – die Briten hatten das durchgesetzt. Es gehört zu den Besonderheiten jener Anfangszeit des Luftkrieges im Westen, dass zwischen den Kontrahenten eine gewisse Ritterlichkeit herrscht. Noch! Es ist ein Überbleibsel aus den Zeiten des Ersten Weltkrieges, in denen es allerdings solches und auch anderes gab. Frankenberger speist gemeinsam mit seinen britischen Widersachern vorzüglich. Er wird fast kameradschaftlich behandelt. In der Offiziersmesse wird Bier getrunken, werden Fotos gezeigt.

In die Hurricanes und Spitfires wird bald darauf eine Rückenpanzerung für den Piloten eingebaut ...

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