Der Kampf um Norwegen

Auch wenn die Operation den Namen trägt, „Weserübung“ ist alles andere als eine Übung. Das merken die Soldaten schnell, die im April 1940 auf deutschen Fracht- und Kriegsschiffen eingeschifft werden. Die Soldaten bleiben – für mögliche Aufklärungsflugzeuge unsichtbar – unter Deck.

Auch britische und französische Soldaten gehen seit dem 7. April im Firth of Clyde bei Glasgow an Bord der britischen Kreuzer HMS „Devonshire“, HMS „Berwick“, HMS „York“ und HMS „Glasgow“.

Deutschlands Kriegsindustrie ist in hohem Maße von schwedischem Erz abhängig. Dieses Erz wird von Kiruna in Nord-Schweden per Eisenbahn nach Norwegen transportiert und im norwegischen Hafen von Narvik nach Deutschland verschifft. Die Unterbindung dieser Erztransporte durch die West-Alliierten müsste Deutschland nachhaltig schwächen, das liegt auf der Hand. Den Engländern und Franzosen kommt es daher nur zu gelegen, als die russische Rote Armee am 30. November 1939 das kleine Finnland überfällt. Ist es nicht ein moralisches Gebot der Stunde, den tapferen, sich unglaublich zäh und clever gegen die zahlenmäßig haushoch überlegenen sowjetischen Truppen wehrenden Finnen zu Hilfe zu eilen? Gut, es gibt auch finnische Häfen, an denen man Hilfslieferungen anlanden könnte. Beispielsweise in der Ostsee – was allerdings eine Passage der Schiffs-Konvois an Dänemark vorbei in die Reichweite der deutschen Bomber erforderlich machen würde, direkt vor der Nase der deutschen Kriegsmarine mit ihren Nordsee- und Ostseehäfen. Eine riskante und wenig erfolgversprechende Variante. Das finnische Petsamo im hohen Norden wiederum wird vorsorglich von der Roten Armee in den ersten Kriegstagen eingenommen, um eben das zu verhindern, was die Franzosen und Engländer nun vorhaben – Hilfslieferungen an Finnland. Die Wahl des ersten Lords der britischen Marine, neuerdings ein Mann, der kurzfristig zum zweiten Mal in seiner Laufbahn in diesen Posten berufen wird, fällt auf einen anderen Hafen. Obwohl dieser Hafen auf neutralem norwegischen Gebiet liegt und auch noch durch einen kleinen, aber militärisch stark verteidigten Streifen ebenfalls neutralen schwedischen Gebietes von Finnland getrennt liegt, hat Winston Churchills Stab ganz zufällig einen bestimmten Ort zur Landung der britischen und französischen Truppen auserkoren. Den norwegischen Hafen Narvik. Truppenanlandungen sind unverzichtbar, um die Hilfslieferungen an Finnland zu sichern, so argumentiert man. Am 6. Januar 1940 erklären die Alliierten in Noten an die norwegische und schwedische Regierung, sie würden ohne Rücksicht auf die Neutralität beider Staaten vorgehen. Dem deutschen Nachrichtendienst (Amt „Ausland/Abwehr“ unter Admiral Canaris) bleibt dies – unter anderem dank einer Warnung durch die finnische Botschaft – nicht verborgen. Die Konsequenzen sind klar. Man muss den Engländern und Franzosen zuvorkommen. Zumal deren Entschlossenheit, die norwegische Neutralität zu missachten, durch einen Eklat unter Beweis gestellt wird. Denn am 16. Februar 1940 entert ein Sturmtrupp des britischen Zerstörers HMS „Cossack“ das deutsche Versorgungsschiff „Altmark“ mitten im norwegischen Jössing-Fjord trotz der Anwesenheit norwegischer Torpedoboote und befreit 303 alliierte Matrosen, die durch die Kaperfahrt des Panzerschiffs „Admiral Graf Spee“ im Südatlantik in deutsche Hände geraten waren. Die Deutschen wehren sich erfolglos – sieben Matrosen der Altmark sterben im Feuergefecht. Die Norweger protestieren ...

Am 12. März 1940 unterzeichnen die finnischen Unterhändler einen Friedensvertrag unter Verlust der karelischen Landenge einschließlich der Hafenstadt Viipuri, ferner von Gebieten um den Ladogasee und Petsamo. Nach wochenlangem Trommelfeuer und konzentrierten Sturmangriffen hatten die Männer mit dem sowjetisch-roten Stern auf den Mützen schließlich die Mannerheim-Linie durchbrochen und stehen nun vor Viipuri. Die Finnen sind zutiefst verbittert. Kein einziges alliiertes Hilfsschiff hatte Mannerheims Kämpfer entlastet, nur leere Worte waren angekommen – wie schon in Polen. Man würde sich wohl in Zukunft besser überlegen müssen, auf wessen Unterstützung man als Bundesgenosse gegen Stalins Sowjetarmee zählen kann. Als die deutsche Wehrmacht ein gutes Jahr später keine Worte, dafür aber Taten folgen lässt, werden die Karten neu gemischt. Die Finnen haben 25.000 Gefallene, 45.000 Verwundete zu beklagen, die Verluste der Roten Armee stehen hierzu mit 85.000 Toten und 186.000 Verwundeten in keinem Verhältnis. Dennoch müssen die Finnen aufgeben – die Übermacht der Sowjettruppen ist zu groß. Dieser Umstand beraubt die Alliierten ihres Vorwandes. Dennoch wird der Plan einer Besetzung Nordnorwegens durch britische und französische Truppen nicht aufgegeben. So geht die britische Marine zunächst dazu über, den Hafen von Narvik zu verminen – was eine eindeutige Neutralitätsverletzung Norwegens darstellt. Norwegen protestiert, doch es sieht tatenlos zu. Am 26. März 1940 gibt der Leiter des deutschen Nachrichtendienstes, Admiral Canaris, Details des britischen und französischen Planes „Wilfred“ an das deutsche Oberkommando weiter. Demnach sind für den 6. und 7. April 1940 alliierte Truppenanlandungen in Norwegen beschlossen.

Dem setzen die Deutschen nun ihren eigenen Plan entgegen: „Weserübung“. Während die deutschen Invasionsvorbereitungen laufen, wird die britische und französische Landung wegen des schlechten Wetters um zwei Tage verschoben. Als britische Luftaufklärer in der Meerenge des Skagerrak einen deutschen Flottenverband melden, werden die alliierten Truppen wieder ausgeschifft. Stattdessen läuft nun die britische Home Fleet aus – die Schlachtschiffe HMS „Valiant“ und HMS „Rodney“, der Schlachtkreuzer HMS „Repulse“, fünf leichte Kreuzer (einschließlich des französischen Kreuzers „Emile Bertin“) und 30 Zerstörer (incl. drei polnische und zwei französische). Unter dem Schutz des Schlachtkreuzers HMS „Renown“ befinden sich bereits 14 britische Zerstörer und Minenleger-Zerstörer vor Nordnorwegen. Auf deutscher Seite machen sich die Schlachtschiffe „Scharnhorst“ und „Gneisenau“, die schweren Kreuzer „Admiral Hipper“ „Lützow“ und „Blücher“, die leichten Kreuzer „Emden“, „Karlsruhe“, „Köln“ und „Königsberg“, der Schulkreuzer „Emden“, das Artillerieschulschiff „Bremse“, das Linienschiff „Schleswig-Holstein“ sowie 14 Zerstörer, acht Torpedoboote, zwölf Schnellboote, 26 Minensucher, 20 Minenleger, 30 U-Boote und circa 15 Truppentransportschiffe aller Art zum Kampf bereit. Die Besatzungen der deutsche U-Boote wissen noch nicht, dass sie trotz günstigster Angriffspositionen durch komplettes Versagen der neuen Magnetzünder-Torpedos so gut wie nichts ausrichten werden können. Dagegen haben am 9. April 1940 vier britische Minen-U-Boote sowie 17 reguläre britische, drei französische Unterseeboote und ein polnisches U-Boot ihre Positionen vor Norwegen bezogen. Deren Torpedos zünden!

Am Morgen des 9. April 1940 stehen die deutschen Verbände vor ihren Zielhäfen. Etwa 500 Transportflugzeuge heben von ihren Plätzen ab. Dänemark wird innerhalb von 40 Minuten im Handstreich besetzt. Fallschirmjäger landen auf den dänischen Flughäfen Ålborg-Ost und –West und dem norwegischen Stavanger-Sola. Die deutsche Gruppe 5 läuft in den Oslo-Fjord ein. Am Ausgang der Drøbak-Meerenge wird der schwere Kreuzer „Blücher“ plötzlich von 28 cm-Granaten eingedeckt. Die Geschütze der norwegischen Küsten-Festungen Oskarsborg und Akerhus schießen sich auf das schwere deutsche Schiff ein. Zwei Torpedos der Batterie Kaholm treffen den Kreuzer mittschiffs. Das Schiff sinkt. 125 Mann Besatzung und 195 Soldaten der Landungstruppen sterben. Der Rest des deutschen Verbandes macht kehrt. Auch die Fallschirmjäger, welche den Flugplatz Oslo-Fornebu hätten einnehmen sollen, hatten wetterbedingt nach Ålborg umgeleitet werden müssen. Doch die zweite Welle, Hauptmann Wagners Kampfgruppe z.b.V. 103, ist bereits unterwegs. Die dreimotorigen Junkers Ju 52-Transportflugzeuge landen mitten hinein in norwegisches MG-Feuer, gedeckt von zweimotorigen Messerschmitt Bf 110-Zerstörern, welche sich mit norwegischen Gloster „Gladiator“-Doppeldeckern britischer Bauart herumschlagen. Der Flugplatz wird nach hartem Kampf eingenommen. Am Abend ist Oslo besetzt.

Auch die anderen Flugplätze werden erobert. Gegen Mittag sind die übrigen norwegischen Häfen Narvik, Trondheim, Bergen und Kristiansand in deutscher Hand. 47 Junkers Ju 88-Bomber des KG 30 und 41 Heinkel He 111 des KG 26 starten gegen die heraneilende britische Flotte. Das Schlachtschiff HMS „Rodney“ wird in der Nähe von Bergen von einer 500-kg-Bombe getroffen. Auch die Kreuzer HMS „Devonshire“, HMS „Southampton“ und HMS „Glasgow“ werden durch diese Luftangriffe beschädigt, der Zerstörer HMS „Ghurkha“ wird versenkt. Vier der Ju 88 werden von britischen Flugabwehrgeschützen abgeschossen.

Es ist neblig und die See ist schwer und hoch. Es schneit, die Sicht ist miserabel. Der britische Zerstörer HMS „Glowworm“ trifft unverhofft auf den deutschen Zerstörer „Bernd von Arnim“ und den schweren Kreuzer „Admiral Hipper“ und versucht, die Hipper zu rammen. Dies gelingt, doch das britische Schiff versinkt unter dem konzentrierten Feuer der deutschen Geschütze. Plötzlich tauchen nahe dem Vestfjord die deutschen Schlachtschiffe „Gneisenau“ und „Scharnhorst“ vor dem britischen Schlachtkreuzer HMS „Renown“ auf. Die Salven beider Seiten liegen schlecht, das Schneegestöber erschwert die Sicht durch die Zieloptiken. Noch ist die Technik beider Seiten nicht so weit, Sicht durch Elektronik zu ersetzen. Zwei deutsche Granaten treffen die „Renown“, detonieren aber nicht. Drei Treffer der „Renown“ beschädigen die „Gneisenau“. Nach zehn Minuten Gefecht verlieren sich die Schiffe aus den Augen. Die Schäden der „Gneisenau“ können auf See repariert werden.

Am frühen Morgen des 10. April 1940 dringt überraschend bei miserablem Wetter die britische Zweite Zerstörer-Flottille mit den Zerstörern HMS „Hardy“, HMS „Hunter“, HMS „Hotspur“, HMS „Havoc“ und HMS „Hostile“ in den Ofotfjord vor Narvik ein und versenkt durch Torpedotreffer die deutschen Zerstörer „Wilhelm Heidkamp“ und „Anton Schmitt“. Die Zerstörer „Diether von Roeder“ und „Hans Lüdemann“ werden beschädigt. Sechs deutsche Handelsschiffe gehen verloren. Doch die Deutschen schlagen zurück. Als sich die Briten zurückziehen, tauchen plötzlich aus dem Herjangsfjord drei weitere deutsche Zerstörer auf. Die Briten stellen sich zum Kampf – als überraschend Granaten im Rücken ihrer Schiffe detonieren. Aus dem Ballangenfjord eilen zwei weitere deutsche Zerstörer herbei und nehmen das englische Geschwader nun ins konzentrierte Kreuzfeuer. Im Gefecht mit den verbliebenen Zerstörern der deutschen Narvik-Gruppe sinken die britischen Zerstörer HMS „Hardy“ und HMS „Hunter“, während HMS „Hotspur“ und HMS „Havoc“ beschädigt werden. Alleine der Sorge, den weit reichenden Geschützen des in der Nähe vermuteten englischen Schlachtkreuzers HMS „Renown“ vor die Rohre zu geraten, ist es zu verdanken, dass das britische Geschwader nicht verfolgt und völlig vernichtet wird. Auf dem Rückzug fällt den restlichen britischen Zerstörern der deutsche Nachschubtransporter „Rauenfels“ zum Opfer. Dieser hat fast die gesamte schwere Ausrüstung für die Gebirgsjäger an Bord. Zwei Angriffe von U 51 (Kapitänleutnant Knorr) gegen die einlaufenden britischen Zerstörer im Vestfjord am 10. April 1940 und je ein Angriff von U 51 und U 25 (Korvettenkapitän Schütze) gegen die auslaufenden britischen Zerstörer schlagen infolge Torpedoversager fehl. Der zur Unterstützung der Zerstörer in den Vestfjord einlaufende britische Kreuzer HMS „Penelope“ gerät am 11. April 1940 nachts auf Grund und wird schwer beschädigt von dem Zerstörer HMS „Eskimo“ abgeschleppt.

Die deutschen Gebirgsjäger in Narvik haben mit den gesunkenen Frachtern viel Material verloren, vor allem ihre schweren Waffen. Und nun werden die britischen und französischen Landungstruppen doch noch auf den Weg gebracht. Zu allem Übel stoßen nun das britische Schlachtschiff HMS „Warspite“ und der britische Flugzeugträger HMS „Furious“ zur Home Fleet. Am 13. April 1940 um 12.30 Uhr eröffnen neun britische Zerstörer zusammen mit der „Warspite“ das Feuer im Fjord vor Narvik. Zwei deutsche Zerstörer („Erich Köllner“ und „Erich Giese“) werden auf den Meeresgrund geschickt, „Hans Lüdemann“ ist angeschlagen. Die deutschen Matrosen wehren sich mit dem Mut der Verzweiflung. Im Gegenzug werden drei britische Zerstörer teilweise schwer beschädigt, der englische Zerstörer HMS „Eskimo“ z.B. verliert durch Torpedotreffer von „Georg Thiele“ das komplette Vorschiff. Doch den deutschen Schiffen gehen nun Treibstoff und Munition aus. So bleibt den Besatzungen keine andere Wahl, als ihre Schiffe schließlich selbst zu versenken.

Am 17. April 1940 landen Briten und Franzosen nördlich von Narvik an dem kleinen Hafen Harstad, die Polen im Skjomenfjord – immerhin 20.000 gut ausgerüstete Soldaten. Von See her feuert die Royal Navy. Generalmajor Dietls Gebirgsjägerregiment ist von drei Seiten eingeschlossen und besitzt nur zwei Batterien Gebirgsjägerkanonen mit wenig Munition. Die vierte Seite ist das neutrale Schweden. Doch der Himmel kommt zu Hilfe. Eineinhalb Meter Schnee veranlassen den britischen Befehlshaber MacKesey, die ohnehin sehr schwierige Bergregion zwischen Harstad und Narvik erst nach der Schneeschmelze anzugehen. Dennoch entbrennen verbissene Kämpfe um den Erzhafen.

Auch in Namsos nördlich und in Åndalsnes südlich der von den Deutschen besetzten Hafenstadt Trondheim landen britische und französische Truppen. Trondheim ist bedroht, denn der norwegische General Ruge sperrt mit seinen Einheiten immer noch bei Lillehammer das Gudbrandsdal. Die Norweger stehen damit dem Entsatz der in Trondheim von der alliierten Einkesselung bedrohten deutschen Truppen durch das Gros der in Oslo gelandeten deutschen Einheiten im Wege. Inzwischen erhalten die Briten und Franzosen Luftunterstützung durch die Flugzeuge der herbeigeführten britischen Flugzeugträger HMS „Ark Royal“, HMS „Glorious“ und HMS „Bearn“. Doch die Deutschen bombardieren ihrerseits konzentriert die alliierten Truppen und Schiffe. Der schwere Kreuzer HMS „Suffolk“ wird durch Ju 88 A-1-Bomber der II./KG 30so schwer getroffen, dass er sich nur mühsam in den britischen Kriegshafen Scapa Flow zurückschleppt, der Flugzeugträger HMS „Furious“ wird am 18. April 1940 durch Bomben einer Heinkel He 111 beschädigt. Am 19. April 1940 treffen Bomben der Ju 88 der II./KG 30 den französischen Kreuzer „Emile Bertin“. Die Schiffsverluste der Alliierten hätten sich gut und gerne verdoppelt, hätten die unzähligen Torpedotreffer der hervorragend geführten deutschen Unterseeboote ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Zündmechanismus versagt fast in allen Fällen.

Am 29. April 1940 nimmt der britische Kreuzer HMS „Glasgow“ in Molde den norwegischen König und Kronprinzen an Bord. Am 30. April 1940 haben sich die Deutschen durch das Gudbrandsdal schließlich bis nach Trondheim durchgekämpft. Die alliierten Truppen – im Bombenhagel der deutschen Kampfflugzeuge dezimiert – werden evakuiert. Sie müssen ihr komplettes schweres Gerät den Deutschen überlassen. Um ein Haar entgehen die Männer einem Desaster, als die Geleitzüge in der Nordsee von deutschen Kriegsschiffen angegriffen werden. Sechs Schiffe gehen mit „Mann und Maus“ in den Fluten verloren. Die HMS „Glasgow“ entkommt mit der norwegischen Regierung an Bord nur mit knapper Not. Am 8. Juni 1940 räumen die Alliierten das hart umkämpfte Gebiet um den Erzhafen Narvik – nicht, ohne auf Churchills Order hin alles an Infrastruktur zu zerstören, was in ihrer Macht steht. Doch der Aderlass der Royal Navy nimmt kein Ende. Die deutschen Schlachtschiffe „Scharnhorst“ und „Gneisenau“ versenken den britischen Flugzeugträger „Glorious“ und zwei Zerstörer – von 1.564 Matrosen überleben 46! Am 9. Juni 1940 kapitulieren die letzten norwegischen Truppen unter General Otto Ruge. Die Versorgung der deutschen Kriegsindustrie mit dem überlebenswichtigen hochwertigen schwedischen Eisenerz ist gesichert. Die deutschen Transportschiffe, die sich nun - küstennah zwischen den Fjorden und den dem norwegischen Festland vorgelagerten Inseln fahrend - unter dem Schutz der deutschen Luftwaffe vor britischen Überwasserschiffen sicher fühlen dürfen, haben nur noch zwei Gegner zu fürchten. Den Meeresgott Neptun – und die britische Royal Air Force.

Die hat inzwischen alle Hände voll zu tun, über einen Strandabschnitt nahe der französischen Hafenstadt Dünkirchen.

Dass die britische Luftwaffe überhaupt in der Lage ist, ihre Aufgabe wahrzunehmen, verdankt das Inselreich einem weitsichtigen Mann. Sir Hugh Trenchard ist nach Ende des Ersten Weltkrieges Stabschef der RAF (Royal Air Force). Er gilt als ihr „Gründungsvater“ als unabhängige Teilstreitmacht am 1. April 1918 und widersetzt sich energisch den Vorstellungen der damaligen Militärs dahin gehend, dass die britischen Fliegertruppen vorrangig die Aufgabe hätten, taktische Unterstützungseinsätze für vorrückende Bodentruppen zu übernehmen oder den eigenen Seestreitkräften Aufklärung und Deckung zu liefern. Eine Vorstellung, wie sie damals weit verbreitet ist und auch im Jahr 1940 noch von den meisten Nationen so getragen wird. Vornehmlich von Deutschland, welches die eigene Luftwaffe als fliegende Artillerie sieht und für diese Aufgabe geradezu perfekt organisiert hat. Strategische Luftangriffe, welche das Ziel haben, völlig unabhängig vom Vormarsch eigener Armeen den Krieg weit in feindliches Hinterland zu tragen und dort die industrielle Basis des Gegners zu zerstören, passen nicht in das Denkmuster von Generalfeldmarschall Hermann Göring, dem ehemaligen Jagdflieger-Ass des ersten Weltkrieges, welcher zum Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe emporgestiegen war. Und erst recht nicht in die Vorstellungswelt Hitlers, welcher für die Geduld nicht geschaffen ist, einen langen Abnützungs-Luftkrieg gegen feindliche Infrastruktur-Einrichtungen im Herzland des Gegners zu führen. Eines Mannes, dessen Gunst Hermann Göring erheblich wichtiger ist als jeglicher etwaig abweichende eigene Standpunkt. Hitlers Vorstellungen kreisen fast besessen nur um eines: schnelle „Blitzsiege“ am Boden, unerhörte Eroberungen ausgedehnter Gebiete, und das im Rekordtempo! Panzerkrieg! Unterstützt von Bombenteppichen gegen feindliche Nachschublinien und von Stukas gegen Widerstand am Boden.

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Das Symbol mit dem blauen Hakenkreuz entspricht dem damaligen finnischen Hoheitskennzeichen!

Auf die Bedenken einiger ebenso klar wie Trenchard vorausdenkender Luftwaffenoffiziere hin, dass Deutschland praktisch keine Langstreckenbomber besitze und in sträflicher Missachtung möglicher Aufgaben auch nicht in Auftrag gebe (entsprechende Entwürfe liegen zu diesem Zeitpunkt vor, werden aber verschmäht), antwortet Göring denn auch beflissen: „Der Führer fragt mich nicht, wie groß die Bomber sind, sondern: wie viele es sind!“ Dies legt den Finger auf die größte Achillesferse der deutschen Luftrüstung: die Rohstoff-Knappheit. Ein viermotoriger großer Bomber verschlingt erheblich mehr der wertvollen, mühsam nach Deutschland importierten Ressourcen, als ein vergleichsweise kleines und schnelles zweimotoriges Kampfflugzeug, welches aber weder die schwere Abwehrbewaffnung noch die Reichweite für strategische Luftangriffe haben kann, die bei Einflügen lange über feindlichem Territorium nötig wären. So sind später die sowjetischen Rüstungsschmieden hinter dem Ural für die deutsche Luftwaffe praktisch unerreichbar und können ungestört Tag und Nacht produzieren, während gleichzeitig Deutschlands Kriegsindustrie systematisch in Grund und Boden gebombt werden wird. Eine Fabrikationstechnik, die allerdings dennoch erstaunlich effektiv weiterproduziert, bis zum Zusammenbruch, und sei es dann bombensicher unter der Erde. Solange sie Rohstoffe hat. Deren Quellen am Boden zu erobern ist dann auch folgerichtig eine zwingende Notwendigkeit für den machtbesessenen deutschen Diktator Hitler, den selbst ernannten Oberbefehlshaber der Wehrmacht.

In England ist das anders. Natürlich hat auch England nur sehr begrenzt eigene Rohstoffe, doch es hat einen mächtigen Gönner, dessen diesbezügliche Kapazitäten praktisch unerschöpflich scheinen: die Vereinigten Staaten von Amerika. Obwohl sich die USA derzeit noch aus dem Krieg heraushalten, schaffen sie doch ganze Schiffsladungen an industriellen Gütern auf die britische Insel. Großbritannien ist geradezu abhängig von diesen Konvois, und Winston Churchill wird später sagen, dass die Bedrohung und Versenkungserfolge der gegen diese Frachter mit Begleitschutz eingesetzten deutschen U-Boot-„Wolfsrudel“ im Atlantik das Inselreich knapp an den Rand der Niederlage gebracht hätten. Das einzige in nennenswerter Stückzahl verfügbare viermotorige Flugzeug Deutschlands, ein umgebautes ehemaliges Verkehrsflugzeug, wird dann auch nicht zum Bomber umgebaut, sondern primär als Langstrecken-Seeaufklärer zur Unterstützung der U-Boot-Angriffe eingesetzt. Die Focke-Wulf 200 „Condor“ trägt zwar auch Bomben, doch es sind wenige, sie sind gegen Seeziele gedacht.

Winston Churchill hatte bereits im Jahr 1934 vor dem britischen Unterhaus behauptet, in Deutschland existiere eine versteckte Luftwaffe. Zu diesem Zeitpunkt hat Trenchard die Royal Air Force bereits als eigenständige und unabhängige Waffengattung durchgesetzt, abgekoppelt von der Befehlshoheit von Heer und Marine (ähnlich wie dies in Deutschland neu eingeführt wird), und auf ein solides organisatorisches Fundament gestellt. Sowohl Trenchard als auch Churchill, der im Ersten Weltkrieg die britische Marine befehligt hatte und bis zum Jahr 1922 nacheinander die politischen Ämter des Kriegs-, Luftfahrt- und Kolonialministers inne hatte, sehen die Einsatzmöglichkeiten für Luftstreitkräfte völlig anders als Hitler oder der ihm ergebene Göring. Dies mag in der Insellage des britischen Königreiches begründet liegen, denn parallel hierzu bestehen Pläne für eine Aufrüstung der Luftstreitkräfte mit weit reichenden strategischen Bombern auch in den USA, einem Land mit ähnlicher quasi „Insellage“ in geografischer Relation zu möglichen Gegnern in Europa oder Asien. Es hat jedoch auch etwas mit der persönlichen Denkweise der Entscheidungsträger zu tun.

In den USA bestehen ehrliche Skrupel gegen jegliche Gefährdung von Zivilisten im Zuge eines strategischen Bombenkrieges. Hier ist die Intention des Baus schwerer Bomber der gezielte Angriff auf die industrielle und militärische Infrastruktur des Gegners. Wie bei den eher taktischen Überlegungen innerhalb der deutschen Luftwaffe denkt man nicht an zivile Ziele.

Auch in der Royal Air Force hat man dieses Ziel. Allerdings scheiden sich hier die „Geister“. Manch einer der britischen Offiziere teilt die Einstellung der Amerikaner. Zumindest Winston Churchill aber gelingt es äußerst „wirkungsvoll“, sich von solchen Gewissensbissen zu befreien. So beinhaltet der im Jahr 1938 vorgelegte englische Kriegsplan bei einem möglichen Waffengang gegen Hitlers Deutschland bereits eine Reihenfolge von Zielen im deutschen Reichsgebiet selbst – militärisch-industrielle Ziele, deren Wahl aber eine hohe Gefährdung der Zivilbevölkerung beinhaltet.

So heißt es in der Definition: Angriffsziele sind [...] Gruppenziele, z.B. große Räume, in denen zahlreiche Angriffsziele gleicher oder etwa gleicher Bedeutung eng zusammen liegen und nicht mit Bombenzielgenauigkeit angegriffen werden müssen, um die günstigsten Trefferergebnisse zu erzielen. Dies sind beispielsweise Großstadtgebiete, Industriestädte, Verteidigungszentren oder Lagerplätze.“

Unabhängig von ihrer eigenen menschlichen Skrupellosigkeit denken Hitler und Göring zu diesem Zeitpunkt an nichts dergleichen. Konkret nicht an Flächenbombardements auf „Großstadtgebiete“.

Dagegen wird die britische Royal Air Force konsequent hochgerüstet, als in Deutschland die Tarnung für die Luftwaffe fällt. Die Weichen sind von Trenchard längst gestellt, die Kapazitäten vorbereitet. Bis Kriegsbeginn werden moderne Jäger und zweimotorige Bomber entwickelt und in Dienst gestellt.

Von diesen ist zumindest der Typ Vickers „Wellington“ zu einem eingeschränkten strategischen Bombenkrieg in der Lage.

Am 1. September 1939 besitzt das britische Bomber Command:

  • 15 Squadrons mit einmotorigen, zwei- bis dreisitzigen Fairey „Battle“-Schlachtflugzeugen, leichten Bombern zur direkten Erdkampfunterstützung. Ein 7,7-mm-MG feuert aus der Eintrittskante der Steuerbordtragfläche (rechte Tragfläche) starr eingebaut nach vorne, ein weiteres, bewegliches dient dem Heckschützen von der Rumpfkanzel an der Oberseite aus zur Verteidigung nach hinten oben. Die betagte Battle ist 406 km/h schnell. Bombenlast: 680 kg.
  • Zehn Squadrons mit zweimotorigen Mittelstreckenbombern des Typs Handley Page „Hampden“, ein 426 km/h schneller Bomber mit vier Mann Besatzung. Die Hampden ist ein relativ manövrierfähiges Flugzeug, dessen Bauform ein wenig an eine Kaulquappe erinnert. Allerdings ist der Rumpf so eng, dass sich die Besatzungsmitglieder nicht gegenseitig aushelfen können, sollte einer verletzt werden. Ein starres 7,7-mm-Browning-MG feuert aus der Backbordseite des Vorderrumpfes nach vorne, ein weiteres 7,7-mm-Vickers-MG ist beweglich nach vorne zielend angebracht. Nach hinten oben verteidigt der Heckschütze das Flugzeug mit einem 7,7-mm-Vickers-Zwillings-MG, zwei weitere machen aus einem unteren Heckstand heraus von hinten unten angreifenden Jägern das Leben schwer. Die Bombenlast beträgt 1.814 kg. Spart man Gewicht auf Kosten der Bombenzuladung, so kann der Bomber ein 3.057 Kilometer entferntes Ziel mit immer noch 907 kg Bomben belegen.
  • Zehn Squadrons mit zweimotorigen Mittelstreckenbombern des Typs Bristol „Blenheim“, ein schneller dreisitziger Bomber mit einem kraftbetriebenen Drehturm auf dem Rumpfrücken und einer Geschwindigkeit von 459 km/h. Die Version Mk. I besitzt nur ein 7,7-mm-MG, welches aus dem Backbord-Flügel (linke Tragfläche) starr nach vorne feuert, und ein 7,7-mm-MG im Rückenturm, während die Mk. IV besser bewaffnet, dafür aber etwas langsamer ist (428 km/h). Der Rückenturm fasst nun zwei 7,7-mm-Maschinengewehre, weitere zwei feuern aus einem Kinnstand heraus nach hinten unten, während das einzelne nach vorne feuernde Maschinengewehr nicht verändert wird. Die Bombenlast ist mit 454 kg eher gering. Mit dieser Last kommt das Flugzeug in der Version Mk. IV 2.350 Kilometer weit (Gesamtflugstrecke = Reichweite).
  • Acht Squadrons mit zweimotorigen Mittelstreckenbombern des Typs Armstrong Whitworth „Whitley“, 370 km/h langsam, fünf Mann Besatzung mit sich führend. Der Bomber ist zur Verteidigung in einem hydraulisch drehbaren Bugturm mit einem 7,7-mm-MG ausgerüstet, während ein zweiter Drehturm im Heck vier 7,7-mm-Maschinengewehre aufbietet. Der Bomber trägt eine Bombenlast von 3.175 kg. Bei einer reduzierten Bombenlast von 1.361 kg beträgt die Reichweite 2.655 Kilometer.
  • Zehn Squadrons mit zweimotorigen Mittelstreckenbombern des Typs Vickers „Wellington“, als Mk. I 378 km/h schnell, mit einem nur stoffbespannten Rumpf, dessen Grundkonstruktion jedoch aus robusten und daher Beschuss-unanfälligen Leichtmetall-Gitterstäben besteht. Eine Flak-Explosion in Flugzeugnähe mag die Stoff-Bespannung zerfetzen, der Luftdruck wird der Gitterkonstruktion jedoch relativ wenig anhaben können. Allerdings verändert der nun eindringende Fahrtwind möglicherweise die Flugeigenschaften des Bombers nachhaltig und gefährlich. Meistens bleibt er jedoch steuerbar. Der Typ besitzt zwei hydraulisch bewegte Drehtürme, einer im Bug (mit zwei 7,7-mm-MGs), einer im Heck (im Jahr 1940 mit zwei – später ab Mk. III – mit vier 7,7-mm-MGs) und zwei einzelne Maschinengewehre an den Rumpfseiten. Die Besatzung besteht aus sechs Mann, die Bombenlast aus 2.041 kg. Auch hier gilt, dass eine maximale Reichweite von 3.033 Kilometer nur bewältigt werden kann, sofern die Bombenlast auf 680 kg reduziert wird.

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Fairey „Battle“ Mk. I.

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Handley Page „Hampden“ Mk. I.

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Bristol „Blenheim“ Mk. IV.

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Armstrong Whitworth „Whitley“ Mk. V.

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Vickers „Wellington“ Mk. IC.

Lediglich 272 Bomber aller Typen sind im Bomber Command der Royal Air Force einsatzbereit. Doch das zu ändern, ist nur eine Frage der Zeit. Ebenso die Entwicklung schwerer viermotoriger Bomber. Sie sind in Auftrag gegeben und bereits in der Erprobungsphase. Es wird mit Hochdruck gearbeitet.

Die Frage ist nur: Wird Hitler England die nötige Zeit gewähren?

Das Fighter Command kann 17 Squadrons an Jagdflugzeugen aufbieten, die sich aber teilweise noch in der Ausbildung und Umschulung befinden. Nur wenige Spitfire sind schon ausgeliefert, während die Hurricanes bereits einen beträchtlichen Teil der Einheiten erreicht haben. Die Umrüstung ist in vollem Gange.

Die Franzosen besitzen bei Kriegsausbruch ähnlich wie bei den Jagdflugzeugen eine ganze Reihe von unterschiedlichen Bombern. Es können an dieser Stelle auf Grund ihrer Vielzahl nicht alle französischen Modelle genannt werden. Teilweise sind diese völlig veraltet – wie die Amiot 143oder Bloch MB.210, es gibt jedoch auch einige moderne Konstruktionen, wie die:

  • Breguet 693, ein zweisitziger leichter zweimotoriger Bomber mit 489 km/h Höchstgeschwindigkeit und einer starren Bewaffnung für Tiefangriffe von einer 20-mm-Kanone, zwei starr vorwärts und drei starr rückwärts bzw. nach hinten unten gerichteten 7,5-mm-MGs sowie einem handbedienten 7,5-mm-Abwehr-Maschinengewehr nach hinten oben. 254 Stück werden ausgeliefert, längst nicht alle rechtzeitig. Ähnliches gilt für das Schwestermodell Breguet 695, dessen amerikanische Motoren die eher als Erdkampf-Schlachtflugzeug zu verstehende Maschine immerhin auf stolze 560 km/h beschleunigen – nicht weniger, als eine deutsche Me 110 zu bieten hat. Nur 50 erreichen die Armée de l’Air vor Frankreichs Niederlage im Juni 1940. Die zuladbare Bombenlast ist mit 400 kg eher gering.
  • Potez 63.11, ein leichter zweimotoriger Aufklärer und Bomber mit drei Mann Besatzung und 425 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die Grundbewaffnung besteht aus einem 7,5-mm-MG unter dem Mittelrumpf (nach hinten unten feuernd), einem weiteren im hinteren Rumpf und einem dritten nach hinten oben feuernd an der Cockpit-Hinterseite. Die Bewaffnung kann allerdings durch Zurüstungen erheblich verstärkt werden. Im Juni 1940 sind 925 Flugzeuge ausgeliefert. Die mögliche Bombenlast auch dieses Kampfflugzeuges beträgt lediglich 300 kg.
  • Bloch MB.174. Dieses Flugzeug ist als leichter zweimotoriger Aufklärungsbomber konzipiert und immerhin 530 km/h schnell. Drei Mann Besatzung sind an Bord, der Heckschütze bedient zwei lenkbare 7,5-mm-MGs zur Abwehr nach hinten oben, während weitere drei Maschinengewehre starr nach rückwärts feuern und zwei MGs an den Eintrittskanten der Tragflächen nach vorne gerichtet sind. Nur 56 Modelle stehen den Franzosen bis Juni 1940 zur Verfügung. Das Flugzeug führt eine bescheidene Bombenlast mit dem Gewicht von 400 kg mit sich.
  • Lioré-et-Olivier LeO 451. Ein hochmodernes Kampfflugzeug, vermutlich der beste französische Bomber. Wie alle französischen Modelle ist auch dieser zweimotorige Bomber nur für taktische Aufgaben gedacht, die Unterstützung eigener Bodenkampftruppen. In dieser Hinsicht gleichen sich die französische und deutsche Gefechtsfelddoktrin. Die LeO 451 hat vier Mann Besatzung und ist 494 km/h schnell. Der Bomber kann nach vorne mit einem 7,5-mm-MG feuern und besitzt nach hinten unten ein weiteres Abwehr-MG. Die LeO 451 wird nach hinten oben von einer 20-mm-Kanone verteidigt – eine relativ starke Abwehrposition. Insgesamt 373 Flugzeuge diesen Typs fliegen Einsätze gegen den deutschen Feind. Die für diesen schnellen Bomber vorgesehene Bombenlast wiegt 2.000 kg. Mit einer Zuladung von 500 kg Bomben kann das Flugzeug ein 2.300 Kilometer entferntes Ziel angreifen.

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Breguet 695 (französische Armée de l’Air).

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Potez 63.11 (französische Armée de l’Air).

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Bloch MB.174 (französische Armée de l’Air).

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Lioré-et-Olivier LeO 451 (französische Armée de l’Air).

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Junkers Ju 87 B-2 „Stuka“.

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Dornier Do 17 Z, der 6./KG 53 img.

Die wichtigsten Bomber der deutschen Luftwaffe sind bereits erwähnt, doch sollen hier noch die technischen Details nachgetragen werden. Auch ist es angebracht, einen weiteren Bomber zu beschreiben, dessen Auslieferung an die Truppe soeben beginnt – die Junkers Ju 88.

  • Junkers Ju 87 B-2 „Stuka“. Die Besatzung des einmotorigen Sturzkampfbombers besteht aus dem Piloten und dem Funker, der auch die Rolle des Heckschützen übernimmt. Im charakteristischen Knick der Tragfläche, welche die Länge des starren Fahrwerks und somit dessen Strömungswiderstand reduzieren hilft, feuern zwei 7,92-mm-MGs starr nach vorne. Der Heckschütze bedient ein weiteres bewegliches MG nach hinten oben zur Verteidigung. Die Maschine ist nur 383 km/h schnell, jedoch sehr robust. In der Regel wird eine Hauptbombe unter dem Rumpf mitgeführt, deren Größe beim Typ B-2 nun auf 500 kg gesteigert ist. Sie wird ergänzt um vier 50-kg-Splitterbomben unter den Tragflächen. Die maximale Bombenlast beschränkt sich in der Version B-1 auf 500 kg, wird beim Typ B-2 aber bereits auf 1.000 kg verdoppelt.
  • Dornier Do 17 Z-2. Die Höchstgeschwindigkeit des zweimotorigen „fliegenden Bleistiftes“ beträgt mit 1.000 kg Last 410 km/h, seine Besatzung variiert an Zahl stark nach dem jeweils vorgesehenen Einsatzzweck. Sind bei Aufklärern oft nur drei Mann an Bord, ist die Normalbesatzung bei einem Bomber um den Bombenschützen ergänzt. Statt vier Mann können aber auch fünf Besatzungsmitglieder an Bord sein. Die normale Abwehrbewaffnung besteht aus einem beweglichen 7,92-mm-MG in der Glaskanzel nach vorne unten feuernd, ein weiteres für den Beobachter hat die Schussrichtung nach vorne bzw. vorne oben. Der Heckschütze hat nach hinten oben ein drittes MG zur Verfügung, ein viertes deckt die Anflugrichtung von hinten unten. Zusätzlich finden sich oft zwei weitere Maschinengewehre an den Seiten der oberen Glaskanzel. Die Reichweite beträgt 1.158 Kilometer mit 500 kg Bomben, die maximale Bombenlast 1.000 kg. Die Aufklärerversion Do 215 B-1 bzw. B-4 unterscheidet sich äußerlich durch Reihenmotoren von den Bombervarianten.
  • Heinkel He 111 H-1. Ein eleganter zweimotoriger mittelschwerer Bomber mit einer Reichweite von 2.060 Kilometern. Üblicherweise werden acht mit dem Konus (der Spitze) nach oben aufgehängte 250-kg-Bomben in den beiden Innenschächten mitgeführt, was einer Bombenzuladung von 2.000 kg entspricht, seltener 32 kleine 50-kg-Bomben. Ab der Version H-4 können die vier Kammern des linken Bombenschachtes für einen 835 Liter fassenden Zusatztank nutzbar gemacht werden, während der rechte Bombenschacht mit seinen vier Aufhängungen unverändert bleibt. Meistens wird in diesem Fall ein externes Bombenschloss angebaut, welches den dann für Bomben nicht verwendbaren linken Schacht als Waffenträger ersetzt. Diese Maschinen führen ab der Variante H-5 bis zu 2.500 kg an Sprengkörpern mit sich (eine von vielen möglichen Kombinationen umfasst vier 250-kg-Bomben innen und eine 1.000-kg-Bombe außen oder eine einzige SC-2.500-Bombe von 2.500 kg Gewicht an einer ETC-2.000-Außenaufhängung). Werden zwei PVC-1.006-oder ETC-2.000-Außenaufhängungen angebracht, so ist auch der rechte interne Bombenschacht verdeckt und damit unbenutzbar, denn die externen Träger versperren die Luken des jeweiligen Bombenschachtes, unter dem sie montiert sind. Typischerweise werden in diesen Fällen zwei SC-1.000-Bomben untergehängt.

    Die Besatzung besteht zunächst in der Version H-1 aus dem Piloten, dem Bombenschützen (gleichzeitig Navigator und Bugschütze), dem Funker (gleichzeitig Schütze des oberen Rumpfrückenstandes) und dem Bordschützen des unteren Gondelstandes, somit vier Besatzungsmitgliedern. Ab der He 111 H-2 wird ein weiterer MG-Schütze für die beidseits im Rumpfmittelteil ergänzten, aus den Seitenfenstern feuernden Abwehr-Maschinengewehre zur Verstärkung an Bord geholt.

    Die Abwehrbewaffnung besteht aus handbetriebenen Maschinengewehren wie auch bei der Dornier Do 17. Die He 111 H-1 besitzen ein nach vorne schießendes 7,92-mm-MG 15 der Firma Rheinmetall in der voll verglasten Rumpfnase („A-Stand“), ein weiteres wird im Liegen aus einer unter dem Rumpf angebrachten Gondel nach hinten unten bedient („C-Stand“). Auf dem Rumpfrücken beherbergt eine im Notfall zum Ausstieg nach vorne verschiebbare Plexiglas-Vollsichthaube den Schützen für die Verteidigung nach hinten oben („B-Stand“).

    Ab der im September 1939 eingeführten Version H-2 wird die Motorenleistung von 1.010 PS (743 kW) um 90 PS (66 kW) erhöht, ferner die Defensivbewaffnung verstärkt. In der unter dem Rumpf angebrachten Gondel befindet sich nun auch ein nach vorne unten feuerndes MG 15, der Bordschütze muss sich zur Nutzung dieser Waffe allerdings von seiner normalen Blickrichtung (hinten unten) abwenden, sich umdrehen und jetzt in Flugrichtung in die Wanne legen. Im oberen vorderen Teil des Bugkonus („A-Stand“) wird bisweilen ein zusätzliches MG 15 für ein besseres Schussfeld nach vorne oben nachgerüstet. Zwei Maschinengewehre in den Fenstern der Rumpfseiten erhöhen die Abwehrbewaffnung auf sechs bis sieben MGs.

    Die Version H-3 verstärkt ab November des Jahres 1939 die vordere Bauchgondelwaffe im C-Stand auf eine 20-mm-MG-FF-Bordkanone, bisweilen wird auch im A-Stand des Glasbuges eine Kanone dieses Typs nachgerüstet, die in dem Fall das reguläre MG 15 ablöst. Das bisher optional nachgerüstete zusätzliche vordere obere MG 15 im Rumpfbug wird zur Standardausrüstung. Die Bewaffnung der Anfang 1940 eingeführten He 111 H-4 ändert sich nicht.

    In der erst ab Mai 1941 produzierten Variante H-6 befindet sich – ähnlich den französischen Modellen – ein starres 7,92-mm-MG 17 im Heckkonus, welches Feindjäger davon abhalten soll, direkt hinter den Bomber zu fliegen und dort in idealer Feuerstellung „zu verweilen“. Diese gefährliche Angriffs-Position ist vom Rumpfrückenschützen nur schwer zu treffen, will er nicht das eigene Leitwerk beschädigen. Das MG wird vom B-Stand per Fernbedienung ausgelöst. Es ist allerdings ziemlich unwahrscheinlich, dass der Pilot des angegriffenen Bombers lange stur geradeaus weiterfliegen und dem Feindjäger ein ungestörtes Zielen ermöglichen wird. Die beiden Junkers-Jumo-211-F-1-12-Zylinder-Motoren leisten nun jeweils 1.300 PS (957 kW). Die Mehrheit der 1940 eingesetzten He 111 sind Maschinen der Typen H-1 bis H-4. Diese Bomber sind 425 km/h schnell.

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Bugstand („A-Stand“) einer He 111 H-1 oder H-2 mit einem 7,92-mm- MG 15.

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Bugstand („A-Stand“) einer He 111 H-10 des Jahres 1942 mit einer 20-mm MG-FF-Kanone und „Kabelschneidern“ an der Kanzel gegen die Halteseile von Sperrballonen.

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Heinkel He 111 H-2 des Geschwaderstabes des KG 53 im August 1940.

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Junkers Ju 88 (des späteren Typs A-4) im Verbandsflug – 6./KG 54.

  • Junkers Ju 88 A-1. Am 22. September 1939 ist erst eine Gruppe eines einzigen deutschen Kampfgeschwaders mit Ju 88 A-0 und A-1 ausgerüstet. Es ist die I./KG 30. Doch dies sollte sich ändern. Die leistungsfähige, agile und vielseitige Junkers Ju 88 sollte zum Standardbomber der deutschen Luftwaffe werden und in unzähligen Varianten eingesetzt werden – vom herkömmlichen Horizontalbomber mittlerer Reichweite bis zum Torpedobomber, Tiefangriffs-Schlachtflugzeug oder Nachtjäger. Im Sturzflug kann sie sogar einer Spitfire entkommen – mit dem Glück des Tüchtigen! Doch nicht immer ist der Schutzengel parat.

    Die Ju 88 ist ein zweimotoriger Bomber mit vier Mann Besatzung. Im Gegensatz zur Dornier Do 17 und Heinkel He 111 besitzt dieses Flugzeug Sturzkampfeigenschaften. Angriffe auf Punktziele sind somit möglich, vorzugsweise werden bei solchen Einsätzen die Bomben an externen Schlössern mitgeführt, beispielsweise vier 500-kg-Bomben, welche dann zwischen den Motoren und dem Rumpf an den Tragflächenunterseiten befestigt sind. Besonders im Angriff auf Schiffsziele sind die Sturzbombereigenschaften dieser hervorragenden Maschine gefragt. Bei einem Angriff von Ju 88 auf die britische Flotte in Scapa Flow Ende September 1939 entgehen die britischen Schiffe nur deshalb schweren Schäden, weil die SC 500-Bomben nicht detonieren. Dennoch jagen die neuen deutschen Bomber den Briten einen gehörigen Respekt ein. Die Ju 88 des Sommers 1940 ist in ihrer überwiegenden Mehrzahl vom Typ A-1 oder A-5 (die A-4 folgt später – die verdrehte Reihenfolge liegt in einer Verzögerung der Konstruktion des Typs A-4 begründet!) Die Höchstgeschwindigkeit der A-1 und A-5 beträgt 460 km/h – die Ju 88 ist damit deutlich schneller als die beiden anderen deutschen Mittelstreckenbomber. Die A-1 trägt gemäß Junkers Originaltabelle eine Bombenlast von 2.400 kg und besitzt dann eine Reichweite von 1.260 Kilometern. Üblicherweise wird jedoch der vordere Bombenschacht als Tank mit 1.218 Litern genutzt. Die Flugweite beträgt so laut Junkers (bei 1.500 kg Bomben) 2.340 Kilometer, laut Green 1.697 Kilometer. Ihre Abwehrbewaffnung wird aus einem engen Cockpit heraus bedient, welches die vier Besatzungsmitglieder in einem Bugraum vereint. „Damit sie sich aneinander kuscheln und Mut zusprechen können“, vermuten sarkastisch die Briten. Nicht ohne Bewunderung für den Gegner, dessen Leistungen die englischen Piloten anerkennen müssen.

    Die Abwehrbewaffnung besteht aus zwei separaten 7,92-mm-MGs im oberen Heckfenster, welche unabhängig voneinander von einem Schützen – dem Bordmechaniker – von Hand bedient werden. Ursprünglich war es nur ein 7,92-mm-MG gewesen, doch das schnell leer geschossene (allerdings auch rasch gewechselte) Trommelmagazin macht ein einsatzbereites zweites MG ratsam. Außerdem – und dies ist der Hauptgrund – vergrößern die beiden geneigt nebeneinander positionierten Waffen das Schussfeld. Der Funker einer Ju 88 ist für das nach hinten unten deckende MG in der Bodenwanne verantwortlich, während der Bombenschütze rechts neben dem Piloten eine nach vorne oben schießende Waffe vor sich hat. Auch das nach vorne unten zielende fünfte Maschinengewehr wird von ihm bedient.

    Äußerlich unterscheidet sich die Variante A-4 (ab 1941) nur geringfügig von der Vorgängerversion A-5. Kennzeichnend sind die asymmetrischen Ausbuchtungen an den Motorunterseiten der stärkeren Jumo-211-F- und J-Triebwerke. Auch die Bewaffnung wird von den mit Trommelmagazinen bestückten MG 15 auf die schneller feuernden MG 81J umgerüstet, welche die Munition mit Gurten aufnehmen und deshalb nicht so oft nachgeladen werden müssen. Damit ist ein lästiger Nachteil der MG 15 behoben.

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Junkers Ju 88 A-5 der I. Gruppe des Kampfgeschwaders (KG) 54.

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