Auch wenn die Operation den Namen trägt, „Weserübung“ ist alles andere als eine Übung. Das merken die Soldaten schnell, die im April 1940 auf deutschen Fracht- und Kriegsschiffen eingeschifft werden. Die Soldaten bleiben – für mögliche Aufklärungsflugzeuge unsichtbar – unter Deck.
Auch britische und französische Soldaten gehen seit dem 7. April im Firth of Clyde bei Glasgow an Bord der britischen Kreuzer HMS „Devonshire“, HMS „Berwick“, HMS „York“ und HMS „Glasgow“.
Deutschlands Kriegsindustrie ist in hohem Maße von schwedischem Erz abhängig. Dieses Erz wird von Kiruna in Nord-Schweden per Eisenbahn nach Norwegen transportiert und im norwegischen Hafen von Narvik nach Deutschland verschifft. Die Unterbindung dieser Erztransporte durch die West-Alliierten müsste Deutschland nachhaltig schwächen, das liegt auf der Hand. Den Engländern und Franzosen kommt es daher nur zu gelegen, als die russische Rote Armee am 30. November 1939 das kleine Finnland überfällt. Ist es nicht ein moralisches Gebot der Stunde, den tapferen, sich unglaublich zäh und clever gegen die zahlenmäßig haushoch überlegenen sowjetischen Truppen wehrenden Finnen zu Hilfe zu eilen? Gut, es gibt auch finnische Häfen, an denen man Hilfslieferungen anlanden könnte. Beispielsweise in der Ostsee – was allerdings eine Passage der Schiffs-Konvois an Dänemark vorbei in die Reichweite der deutschen Bomber erforderlich machen würde, direkt vor der Nase der deutschen Kriegsmarine mit ihren Nordsee- und Ostseehäfen. Eine riskante und wenig erfolgversprechende Variante. Das finnische Petsamo im hohen Norden wiederum wird vorsorglich von der Roten Armee in den ersten Kriegstagen eingenommen, um eben das zu verhindern, was die Franzosen und Engländer nun vorhaben – Hilfslieferungen an Finnland. Die Wahl des ersten Lords der britischen Marine, neuerdings ein Mann, der kurzfristig zum zweiten Mal in seiner Laufbahn in diesen Posten berufen wird, fällt auf einen anderen Hafen. Obwohl dieser Hafen auf neutralem norwegischen Gebiet liegt und auch noch durch einen kleinen, aber militärisch stark verteidigten Streifen ebenfalls neutralen schwedischen Gebietes von Finnland getrennt liegt, hat Winston Churchills Stab ganz zufällig einen bestimmten Ort zur Landung der britischen und französischen Truppen auserkoren. Den norwegischen Hafen Narvik. Truppenanlandungen sind unverzichtbar, um die Hilfslieferungen an Finnland zu sichern, so argumentiert man. Am 6. Januar 1940 erklären die Alliierten in Noten an die norwegische und schwedische Regierung, sie würden ohne Rücksicht auf die Neutralität beider Staaten vorgehen. Dem deutschen Nachrichtendienst (Amt „Ausland/Abwehr“ unter Admiral Canaris) bleibt dies – unter anderem dank einer Warnung durch die finnische Botschaft – nicht verborgen. Die Konsequenzen sind klar. Man muss den Engländern und Franzosen zuvorkommen. Zumal deren Entschlossenheit, die norwegische Neutralität zu missachten, durch einen Eklat unter Beweis gestellt wird. Denn am 16. Februar 1940 entert ein Sturmtrupp des britischen Zerstörers HMS „Cossack“ das deutsche Versorgungsschiff „Altmark“ mitten im norwegischen Jössing-Fjord trotz der Anwesenheit norwegischer Torpedoboote und befreit 303 alliierte Matrosen, die durch die Kaperfahrt des Panzerschiffs „Admiral Graf Spee“ im Südatlantik in deutsche Hände geraten waren. Die Deutschen wehren sich erfolglos – sieben Matrosen der Altmark sterben im Feuergefecht. Die Norweger protestieren ...
Am 12. März 1940 unterzeichnen die finnischen Unterhändler einen Friedensvertrag unter Verlust der karelischen Landenge einschließlich der Hafenstadt Viipuri, ferner von Gebieten um den Ladogasee und Petsamo. Nach wochenlangem Trommelfeuer und konzentrierten Sturmangriffen hatten die Männer mit dem sowjetisch-roten Stern auf den Mützen schließlich die Mannerheim-Linie durchbrochen und stehen nun vor Viipuri. Die Finnen sind zutiefst verbittert. Kein einziges alliiertes Hilfsschiff hatte Mannerheims Kämpfer entlastet, nur leere Worte waren angekommen – wie schon in Polen. Man würde sich wohl in Zukunft besser überlegen müssen, auf wessen Unterstützung man als Bundesgenosse gegen Stalins Sowjetarmee zählen kann. Als die deutsche Wehrmacht ein gutes Jahr später keine Worte, dafür aber Taten folgen lässt, werden die Karten neu gemischt. Die Finnen haben 25.000 Gefallene, 45.000 Verwundete zu beklagen, die Verluste der Roten Armee stehen hierzu mit 85.000 Toten und 186.000 Verwundeten in keinem Verhältnis. Dennoch müssen die Finnen aufgeben – die Übermacht der Sowjettruppen ist zu groß. Dieser Umstand beraubt die Alliierten ihres Vorwandes. Dennoch wird der Plan einer Besetzung Nordnorwegens durch britische und französische Truppen nicht aufgegeben. So geht die britische Marine zunächst dazu über, den Hafen von Narvik zu verminen – was eine eindeutige Neutralitätsverletzung Norwegens darstellt. Norwegen protestiert, doch es sieht tatenlos zu. Am 26. März 1940 gibt der Leiter des deutschen Nachrichtendienstes, Admiral Canaris, Details des britischen und französischen Planes „Wilfred“ an das deutsche Oberkommando weiter. Demnach sind für den 6. und 7. April 1940 alliierte Truppenanlandungen in Norwegen beschlossen.
Dem setzen die Deutschen nun ihren eigenen Plan entgegen: „Weserübung“. Während die deutschen Invasionsvorbereitungen laufen, wird die britische und französische Landung wegen des schlechten Wetters um zwei Tage verschoben. Als britische Luftaufklärer in der Meerenge des Skagerrak einen deutschen Flottenverband melden, werden die alliierten Truppen wieder ausgeschifft. Stattdessen läuft nun die britische Home Fleet aus – die Schlachtschiffe HMS „Valiant“ und HMS „Rodney“, der Schlachtkreuzer HMS „Repulse“, fünf leichte Kreuzer (einschließlich des französischen Kreuzers „Emile Bertin“) und 30 Zerstörer (incl. drei polnische und zwei französische). Unter dem Schutz des Schlachtkreuzers HMS „Renown“ befinden sich bereits 14 britische Zerstörer und Minenleger-Zerstörer vor Nordnorwegen. Auf deutscher Seite machen sich die Schlachtschiffe „Scharnhorst“ und „Gneisenau“, die schweren Kreuzer „Admiral Hipper“ „Lützow“ und „Blücher“, die leichten Kreuzer „Emden“, „Karlsruhe“, „Köln“ und „Königsberg“, der Schulkreuzer „Emden“, das Artillerieschulschiff „Bremse“, das Linienschiff „Schleswig-Holstein“ sowie 14 Zerstörer, acht Torpedoboote, zwölf Schnellboote, 26 Minensucher, 20 Minenleger, 30 U-Boote und circa 15 Truppentransportschiffe aller Art zum Kampf bereit. Die Besatzungen der deutsche U-Boote wissen noch nicht, dass sie trotz günstigster Angriffspositionen durch komplettes Versagen der neuen Magnetzünder-Torpedos so gut wie nichts ausrichten werden können. Dagegen haben am 9. April 1940 vier britische Minen-U-Boote sowie 17 reguläre britische, drei französische Unterseeboote und ein polnisches U-Boot ihre Positionen vor Norwegen bezogen. Deren Torpedos zünden!
Am Morgen des 9. April 1940 stehen die deutschen Verbände vor ihren Zielhäfen. Etwa 500 Transportflugzeuge heben von ihren Plätzen ab. Dänemark wird innerhalb von 40 Minuten im Handstreich besetzt. Fallschirmjäger landen auf den dänischen Flughäfen Ålborg-Ost und –West und dem norwegischen Stavanger-Sola. Die deutsche Gruppe 5 läuft in den Oslo-Fjord ein. Am Ausgang der Drøbak-Meerenge wird der schwere Kreuzer „Blücher“ plötzlich von 28 cm-Granaten eingedeckt. Die Geschütze der norwegischen Küsten-Festungen Oskarsborg und Akerhus schießen sich auf das schwere deutsche Schiff ein. Zwei Torpedos der Batterie Kaholm treffen den Kreuzer mittschiffs. Das Schiff sinkt. 125 Mann Besatzung und 195 Soldaten der Landungstruppen sterben. Der Rest des deutschen Verbandes macht kehrt. Auch die Fallschirmjäger, welche den Flugplatz Oslo-Fornebu hätten einnehmen sollen, hatten wetterbedingt nach Ålborg umgeleitet werden müssen. Doch die zweite Welle, Hauptmann Wagners Kampfgruppe z.b.V. 103, ist bereits unterwegs. Die dreimotorigen Junkers Ju 52-Transportflugzeuge landen mitten hinein in norwegisches MG-Feuer, gedeckt von zweimotorigen Messerschmitt Bf 110-Zerstörern, welche sich mit norwegischen Gloster „Gladiator“-Doppeldeckern britischer Bauart herumschlagen. Der Flugplatz wird nach hartem Kampf eingenommen. Am Abend ist Oslo besetzt.
Auch die anderen Flugplätze werden erobert. Gegen Mittag sind die übrigen norwegischen Häfen Narvik, Trondheim, Bergen und Kristiansand in deutscher Hand. 47 Junkers Ju 88-Bomber des KG 30 und 41 Heinkel He 111 des KG 26 starten gegen die heraneilende britische Flotte. Das Schlachtschiff HMS „Rodney“ wird in der Nähe von Bergen von einer 500-kg-Bombe getroffen. Auch die Kreuzer HMS „Devonshire“, HMS „Southampton“ und HMS „Glasgow“ werden durch diese Luftangriffe beschädigt, der Zerstörer HMS „Ghurkha“ wird versenkt. Vier der Ju 88 werden von britischen Flugabwehrgeschützen abgeschossen.
Es ist neblig und die See ist schwer und hoch. Es schneit, die Sicht ist miserabel. Der britische Zerstörer HMS „Glowworm“ trifft unverhofft auf den deutschen Zerstörer „Bernd von Arnim“ und den schweren Kreuzer „Admiral Hipper“ und versucht, die Hipper zu rammen. Dies gelingt, doch das britische Schiff versinkt unter dem konzentrierten Feuer der deutschen Geschütze. Plötzlich tauchen nahe dem Vestfjord die deutschen Schlachtschiffe „Gneisenau“ und „Scharnhorst“ vor dem britischen Schlachtkreuzer HMS „Renown“ auf. Die Salven beider Seiten liegen schlecht, das Schneegestöber erschwert die Sicht durch die Zieloptiken. Noch ist die Technik beider Seiten nicht so weit, Sicht durch Elektronik zu ersetzen. Zwei deutsche Granaten treffen die „Renown“, detonieren aber nicht. Drei Treffer der „Renown“ beschädigen die „Gneisenau“. Nach zehn Minuten Gefecht verlieren sich die Schiffe aus den Augen. Die Schäden der „Gneisenau“ können auf See repariert werden.
Am frühen Morgen des 10. April 1940 dringt überraschend bei miserablem Wetter die britische Zweite Zerstörer-Flottille mit den Zerstörern HMS „Hardy“, HMS „Hunter“, HMS „Hotspur“, HMS „Havoc“ und HMS „Hostile“ in den Ofotfjord vor Narvik ein und versenkt durch Torpedotreffer die deutschen Zerstörer „Wilhelm Heidkamp“ und „Anton Schmitt“. Die Zerstörer „Diether von Roeder“ und „Hans Lüdemann“ werden beschädigt. Sechs deutsche Handelsschiffe gehen verloren. Doch die Deutschen schlagen zurück. Als sich die Briten zurückziehen, tauchen plötzlich aus dem Herjangsfjord drei weitere deutsche Zerstörer auf. Die Briten stellen sich zum Kampf – als überraschend Granaten im Rücken ihrer Schiffe detonieren. Aus dem Ballangenfjord eilen zwei weitere deutsche Zerstörer herbei und nehmen das englische Geschwader nun ins konzentrierte Kreuzfeuer. Im Gefecht mit den verbliebenen Zerstörern der deutschen Narvik-Gruppe sinken die britischen Zerstörer HMS „Hardy“ und HMS „Hunter“, während HMS „Hotspur“ und HMS „Havoc“ beschädigt werden. Alleine der Sorge, den weit reichenden Geschützen des in der Nähe vermuteten englischen Schlachtkreuzers HMS „Renown“ vor die Rohre zu geraten, ist es zu verdanken, dass das britische Geschwader nicht verfolgt und völlig vernichtet wird. Auf dem Rückzug fällt den restlichen britischen Zerstörern der deutsche Nachschubtransporter „Rauenfels“ zum Opfer. Dieser hat fast die gesamte schwere Ausrüstung für die Gebirgsjäger an Bord. Zwei Angriffe von U 51 (Kapitänleutnant Knorr) gegen die einlaufenden britischen Zerstörer im Vestfjord am 10. April 1940 und je ein Angriff von U 51 und U 25 (Korvettenkapitän Schütze) gegen die auslaufenden britischen Zerstörer schlagen infolge Torpedoversager fehl. Der zur Unterstützung der Zerstörer in den Vestfjord einlaufende britische Kreuzer HMS „Penelope“ gerät am 11. April 1940 nachts auf Grund und wird schwer beschädigt von dem Zerstörer HMS „Eskimo“ abgeschleppt.
Die deutschen Gebirgsjäger in Narvik haben mit den gesunkenen Frachtern viel Material verloren, vor allem ihre schweren Waffen. Und nun werden die britischen und französischen Landungstruppen doch noch auf den Weg gebracht. Zu allem Übel stoßen nun das britische Schlachtschiff HMS „Warspite“ und der britische Flugzeugträger HMS „Furious“ zur Home Fleet. Am 13. April 1940 um 12.30 Uhr eröffnen neun britische Zerstörer zusammen mit der „Warspite“ das Feuer im Fjord vor Narvik. Zwei deutsche Zerstörer („Erich Köllner“ und „Erich Giese“) werden auf den Meeresgrund geschickt, „Hans Lüdemann“ ist angeschlagen. Die deutschen Matrosen wehren sich mit dem Mut der Verzweiflung. Im Gegenzug werden drei britische Zerstörer teilweise schwer beschädigt, der englische Zerstörer HMS „Eskimo“ z.B. verliert durch Torpedotreffer von „Georg Thiele“ das komplette Vorschiff. Doch den deutschen Schiffen gehen nun Treibstoff und Munition aus. So bleibt den Besatzungen keine andere Wahl, als ihre Schiffe schließlich selbst zu versenken.
Am 17. April 1940 landen Briten und Franzosen nördlich von Narvik an dem kleinen Hafen Harstad, die Polen im Skjomenfjord – immerhin 20.000 gut ausgerüstete Soldaten. Von See her feuert die Royal Navy. Generalmajor Dietls Gebirgsjägerregiment ist von drei Seiten eingeschlossen und besitzt nur zwei Batterien Gebirgsjägerkanonen mit wenig Munition. Die vierte Seite ist das neutrale Schweden. Doch der Himmel kommt zu Hilfe. Eineinhalb Meter Schnee veranlassen den britischen Befehlshaber MacKesey, die ohnehin sehr schwierige Bergregion zwischen Harstad und Narvik erst nach der Schneeschmelze anzugehen. Dennoch entbrennen verbissene Kämpfe um den Erzhafen.
Auch in Namsos nördlich und in Åndalsnes südlich der von den Deutschen besetzten Hafenstadt Trondheim landen britische und französische Truppen. Trondheim ist bedroht, denn der norwegische General Ruge sperrt mit seinen Einheiten immer noch bei Lillehammer das Gudbrandsdal. Die Norweger stehen damit dem Entsatz der in Trondheim von der alliierten Einkesselung bedrohten deutschen Truppen durch das Gros der in Oslo gelandeten deutschen Einheiten im Wege. Inzwischen erhalten die Briten und Franzosen Luftunterstützung durch die Flugzeuge der herbeigeführten britischen Flugzeugträger HMS „Ark Royal“, HMS „Glorious“ und HMS „Bearn“. Doch die Deutschen bombardieren ihrerseits konzentriert die alliierten Truppen und Schiffe. Der schwere Kreuzer HMS „Suffolk“ wird durch Ju 88 A-1-Bomber der II./KG 30so schwer getroffen, dass er sich nur mühsam in den britischen Kriegshafen Scapa Flow zurückschleppt, der Flugzeugträger HMS „Furious“ wird am 18. April 1940 durch Bomben einer Heinkel He 111 beschädigt. Am 19. April 1940 treffen Bomben der Ju 88 der II./KG 30 den französischen Kreuzer „Emile Bertin“. Die Schiffsverluste der Alliierten hätten sich gut und gerne verdoppelt, hätten die unzähligen Torpedotreffer der hervorragend geführten deutschen Unterseeboote ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Zündmechanismus versagt fast in allen Fällen.
Am 29. April 1940 nimmt der britische Kreuzer HMS „Glasgow“ in Molde den norwegischen König und Kronprinzen an Bord. Am 30. April 1940 haben sich die Deutschen durch das Gudbrandsdal schließlich bis nach Trondheim durchgekämpft. Die alliierten Truppen – im Bombenhagel der deutschen Kampfflugzeuge dezimiert – werden evakuiert. Sie müssen ihr komplettes schweres Gerät den Deutschen überlassen. Um ein Haar entgehen die Männer einem Desaster, als die Geleitzüge in der Nordsee von deutschen Kriegsschiffen angegriffen werden. Sechs Schiffe gehen mit „Mann und Maus“ in den Fluten verloren. Die HMS „Glasgow“ entkommt mit der norwegischen Regierung an Bord nur mit knapper Not. Am 8. Juni 1940 räumen die Alliierten das hart umkämpfte Gebiet um den Erzhafen Narvik – nicht, ohne auf Churchills Order hin alles an Infrastruktur zu zerstören, was in ihrer Macht steht. Doch der Aderlass der Royal Navy nimmt kein Ende. Die deutschen Schlachtschiffe „Scharnhorst“ und „Gneisenau“ versenken den britischen Flugzeugträger „Glorious“ und zwei Zerstörer – von 1.564 Matrosen überleben 46! Am 9. Juni 1940 kapitulieren die letzten norwegischen Truppen unter General Otto Ruge. Die Versorgung der deutschen Kriegsindustrie mit dem überlebenswichtigen hochwertigen schwedischen Eisenerz ist gesichert. Die deutschen Transportschiffe, die sich nun - küstennah zwischen den Fjorden und den dem norwegischen Festland vorgelagerten Inseln fahrend - unter dem Schutz der deutschen Luftwaffe vor britischen Überwasserschiffen sicher fühlen dürfen, haben nur noch zwei Gegner zu fürchten. Den Meeresgott Neptun – und die britische Royal Air Force.
Die hat inzwischen alle Hände voll zu tun, über einen Strandabschnitt nahe der französischen Hafenstadt Dünkirchen.
Dass die britische Luftwaffe überhaupt in der Lage ist, ihre Aufgabe wahrzunehmen, verdankt das Inselreich einem weitsichtigen Mann. Sir Hugh Trenchard ist nach Ende des Ersten Weltkrieges Stabschef der RAF (Royal Air Force). Er gilt als ihr „Gründungsvater“ als unabhängige Teilstreitmacht am 1. April 1918 und widersetzt sich energisch den Vorstellungen der damaligen Militärs dahin gehend, dass die britischen Fliegertruppen vorrangig die Aufgabe hätten, taktische Unterstützungseinsätze für vorrückende Bodentruppen zu übernehmen oder den eigenen Seestreitkräften Aufklärung und Deckung zu liefern. Eine Vorstellung, wie sie damals weit verbreitet ist und auch im Jahr 1940 noch von den meisten Nationen so getragen wird. Vornehmlich von Deutschland, welches die eigene Luftwaffe als fliegende Artillerie sieht und für diese Aufgabe geradezu perfekt organisiert hat. Strategische Luftangriffe, welche das Ziel haben, völlig unabhängig vom Vormarsch eigener Armeen den Krieg weit in feindliches Hinterland zu tragen und dort die industrielle Basis des Gegners zu zerstören, passen nicht in das Denkmuster von Generalfeldmarschall Hermann Göring, dem ehemaligen Jagdflieger-Ass des ersten Weltkrieges, welcher zum Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe emporgestiegen war. Und erst recht nicht in die Vorstellungswelt Hitlers, welcher für die Geduld nicht geschaffen ist, einen langen Abnützungs-Luftkrieg gegen feindliche Infrastruktur-Einrichtungen im Herzland des Gegners zu führen. Eines Mannes, dessen Gunst Hermann Göring erheblich wichtiger ist als jeglicher etwaig abweichende eigene Standpunkt. Hitlers Vorstellungen kreisen fast besessen nur um eines: schnelle „Blitzsiege“ am Boden, unerhörte Eroberungen ausgedehnter Gebiete, und das im Rekordtempo! Panzerkrieg! Unterstützt von Bombenteppichen gegen feindliche Nachschublinien und von Stukas gegen Widerstand am Boden.
Das Symbol mit dem blauen Hakenkreuz entspricht dem damaligen finnischen Hoheitskennzeichen!
Auf die Bedenken einiger ebenso klar wie Trenchard vorausdenkender Luftwaffenoffiziere hin, dass Deutschland praktisch keine Langstreckenbomber besitze und in sträflicher Missachtung möglicher Aufgaben auch nicht in Auftrag gebe (entsprechende Entwürfe liegen zu diesem Zeitpunkt vor, werden aber verschmäht), antwortet Göring denn auch beflissen: „Der Führer fragt mich nicht, wie groß die Bomber sind, sondern: wie viele es sind!“ Dies legt den Finger auf die größte Achillesferse der deutschen Luftrüstung: die Rohstoff-Knappheit. Ein viermotoriger großer Bomber verschlingt erheblich mehr der wertvollen, mühsam nach Deutschland importierten Ressourcen, als ein vergleichsweise kleines und schnelles zweimotoriges Kampfflugzeug, welches aber weder die schwere Abwehrbewaffnung noch die Reichweite für strategische Luftangriffe haben kann, die bei Einflügen lange über feindlichem Territorium nötig wären. So sind später die sowjetischen Rüstungsschmieden hinter dem Ural für die deutsche Luftwaffe praktisch unerreichbar und können ungestört Tag und Nacht produzieren, während gleichzeitig Deutschlands Kriegsindustrie systematisch in Grund und Boden gebombt werden wird. Eine Fabrikationstechnik, die allerdings dennoch erstaunlich effektiv weiterproduziert, bis zum Zusammenbruch, und sei es dann bombensicher unter der Erde. Solange sie Rohstoffe hat. Deren Quellen am Boden zu erobern ist dann auch folgerichtig eine zwingende Notwendigkeit für den machtbesessenen deutschen Diktator Hitler, den selbst ernannten Oberbefehlshaber der Wehrmacht.
In England ist das anders. Natürlich hat auch England nur sehr begrenzt eigene Rohstoffe, doch es hat einen mächtigen Gönner, dessen diesbezügliche Kapazitäten praktisch unerschöpflich scheinen: die Vereinigten Staaten von Amerika. Obwohl sich die USA derzeit noch aus dem Krieg heraushalten, schaffen sie doch ganze Schiffsladungen an industriellen Gütern auf die britische Insel. Großbritannien ist geradezu abhängig von diesen Konvois, und Winston Churchill wird später sagen, dass die Bedrohung und Versenkungserfolge der gegen diese Frachter mit Begleitschutz eingesetzten deutschen U-Boot-„Wolfsrudel“ im Atlantik das Inselreich knapp an den Rand der Niederlage gebracht hätten. Das einzige in nennenswerter Stückzahl verfügbare viermotorige Flugzeug Deutschlands, ein umgebautes ehemaliges Verkehrsflugzeug, wird dann auch nicht zum Bomber umgebaut, sondern primär als Langstrecken-Seeaufklärer zur Unterstützung der U-Boot-Angriffe eingesetzt. Die Focke-Wulf 200 „Condor“ trägt zwar auch Bomben, doch es sind wenige, sie sind gegen Seeziele gedacht.
Winston Churchill hatte bereits im Jahr 1934 vor dem britischen Unterhaus behauptet, in Deutschland existiere eine versteckte Luftwaffe. Zu diesem Zeitpunkt hat Trenchard die Royal Air Force bereits als eigenständige und unabhängige Waffengattung durchgesetzt, abgekoppelt von der Befehlshoheit von Heer und Marine (ähnlich wie dies in Deutschland neu eingeführt wird), und auf ein solides organisatorisches Fundament gestellt. Sowohl Trenchard als auch Churchill, der im Ersten Weltkrieg die britische Marine befehligt hatte und bis zum Jahr 1922 nacheinander die politischen Ämter des Kriegs-, Luftfahrt- und Kolonialministers inne hatte, sehen die Einsatzmöglichkeiten für Luftstreitkräfte völlig anders als Hitler oder der ihm ergebene Göring. Dies mag in der Insellage des britischen Königreiches begründet liegen, denn parallel hierzu bestehen Pläne für eine Aufrüstung der Luftstreitkräfte mit weit reichenden strategischen Bombern auch in den USA, einem Land mit ähnlicher quasi „Insellage“ in geografischer Relation zu möglichen Gegnern in Europa oder Asien. Es hat jedoch auch etwas mit der persönlichen Denkweise der Entscheidungsträger zu tun.
In den USA bestehen ehrliche Skrupel gegen jegliche Gefährdung von Zivilisten im Zuge eines strategischen Bombenkrieges. Hier ist die Intention des Baus schwerer Bomber der gezielte Angriff auf die industrielle und militärische Infrastruktur des Gegners. Wie bei den eher taktischen Überlegungen innerhalb der deutschen Luftwaffe denkt man nicht an zivile Ziele.
Auch in der Royal Air Force hat man dieses Ziel. Allerdings scheiden sich hier die „Geister“. Manch einer der britischen Offiziere teilt die Einstellung der Amerikaner. Zumindest Winston Churchill aber gelingt es äußerst „wirkungsvoll“, sich von solchen Gewissensbissen zu befreien. So beinhaltet der im Jahr 1938 vorgelegte englische Kriegsplan bei einem möglichen Waffengang gegen Hitlers Deutschland bereits eine Reihenfolge von Zielen im deutschen Reichsgebiet selbst – militärisch-industrielle Ziele, deren Wahl aber eine hohe Gefährdung der Zivilbevölkerung beinhaltet.
So heißt es in der Definition: Angriffsziele sind [...] Gruppenziele, z.B. große Räume, in denen zahlreiche Angriffsziele gleicher oder etwa gleicher Bedeutung eng zusammen liegen und nicht mit Bombenzielgenauigkeit angegriffen werden müssen, um die günstigsten Trefferergebnisse zu erzielen. Dies sind beispielsweise Großstadtgebiete, Industriestädte, Verteidigungszentren oder Lagerplätze.“
Unabhängig von ihrer eigenen menschlichen Skrupellosigkeit denken Hitler und Göring zu diesem Zeitpunkt an nichts dergleichen. Konkret nicht an Flächenbombardements auf „Großstadtgebiete“.
Dagegen wird die britische Royal Air Force konsequent hochgerüstet, als in Deutschland die Tarnung für die Luftwaffe fällt. Die Weichen sind von Trenchard längst gestellt, die Kapazitäten vorbereitet. Bis Kriegsbeginn werden moderne Jäger und zweimotorige Bomber entwickelt und in Dienst gestellt.
Von diesen ist zumindest der Typ Vickers „Wellington“ zu einem eingeschränkten strategischen Bombenkrieg in der Lage.
Am 1. September 1939 besitzt das britische Bomber Command:
Fairey „Battle“ Mk. I.
Handley Page „Hampden“ Mk. I.
Bristol „Blenheim“ Mk. IV.
Armstrong Whitworth „Whitley“ Mk. V.
Vickers „Wellington“ Mk. IC.
Lediglich 272 Bomber aller Typen sind im Bomber Command der Royal Air Force einsatzbereit. Doch das zu ändern, ist nur eine Frage der Zeit. Ebenso die Entwicklung schwerer viermotoriger Bomber. Sie sind in Auftrag gegeben und bereits in der Erprobungsphase. Es wird mit Hochdruck gearbeitet.
Die Frage ist nur: Wird Hitler England die nötige Zeit gewähren?
Das Fighter Command kann 17 Squadrons an Jagdflugzeugen aufbieten, die sich aber teilweise noch in der Ausbildung und Umschulung befinden. Nur wenige Spitfire sind schon ausgeliefert, während die Hurricanes bereits einen beträchtlichen Teil der Einheiten erreicht haben. Die Umrüstung ist in vollem Gange.
Die Franzosen besitzen bei Kriegsausbruch ähnlich wie bei den Jagdflugzeugen eine ganze Reihe von unterschiedlichen Bombern. Es können an dieser Stelle auf Grund ihrer Vielzahl nicht alle französischen Modelle genannt werden. Teilweise sind diese völlig veraltet – wie die Amiot 143oder Bloch MB.210, es gibt jedoch auch einige moderne Konstruktionen, wie die:
Breguet 695 (französische Armée de l’Air).
Potez 63.11 (französische Armée de l’Air).
Bloch MB.174 (französische Armée de l’Air).
Lioré-et-Olivier LeO 451 (französische Armée de l’Air).
Junkers Ju 87 B-2 „Stuka“.
Dornier Do 17 Z, der 6./KG 53 .
Die wichtigsten Bomber der deutschen Luftwaffe sind bereits erwähnt, doch sollen hier noch die technischen Details nachgetragen werden. Auch ist es angebracht, einen weiteren Bomber zu beschreiben, dessen Auslieferung an die Truppe soeben beginnt – die Junkers Ju 88.
Bugstand („A-Stand“) einer He 111 H-1 oder H-2 mit einem 7,92-mm- MG 15.
Bugstand („A-Stand“) einer He 111 H-10 des Jahres 1942 mit einer 20-mm MG-FF-Kanone und „Kabelschneidern“ an der Kanzel gegen die Halteseile von Sperrballonen.
Heinkel He 111 H-2 des Geschwaderstabes des KG 53 im August 1940.
Junkers Ju 88 (des späteren Typs A-4) im Verbandsflug – 6./KG 54.
Junkers Ju 88 A-5 der I. Gruppe des Kampfgeschwaders (KG) 54.