16. „So sicher wie in England.“ Der Angriff aus dem Nichts

Die Mutter des jungen US-Soldaten Schachtmann liest den Brief ihres Sohnes mit Erleichterung. „Wir sind hier so sicher wie in England.“ schreibt ihr Junge. Er kämpft gegen die Deutschen, ihr Sohn. Aber offenbar ist es dort ruhig, wo er sich aufhält. Gott sei Dank! Es hatte schon genug tote amerikanische Männer gegeben in diesem furchtbaren Krieg.

Hoffentlich würde ihr Junge nie dazugehören!

Ihr Sohn hält sich in den Wäldern zwischen dem deutschen Städtchen Monschau und dem luxemburgischen Städtchen Echternach auf, einem 130 Kilometer langen Frontabschnitt. Dort liegen die 2., 99., 106., 28. und 4. amerikanische Division zusammen mit der 9. Panzerdivision. Nach den heftigen, erbitterten und verlustreichen Kämpfen, die sie seit der Landung in der Normandie bis hierher überstehen mussten, sind die Truppen erschöpft und dankbar für die Ruhepause, die ihnen das Schicksal gewährt. Die Soldaten unterhalten eine Kette von Stützpunkten. Viele können sich abends sogar in ein Bett legen – welch ein Luxus in diesen Zeiten! Die 106. Division unter Brigadier General Jones leistet sich im zerklüfteten Berggebiet der Schneeeifel sogar Wintersportaktivitäten. Schnee gibt es genug – nur das Wetter ist miserabel. Tiefe Wolken und Nebel behindern die Sicht. Es ist ruhig hier. Hin und wieder fällt ein Schuss, es gibt Scharmützel hier und da – Stoßtrupps, die aneinander geraten. So, wie es aussieht, sind die Deutschen ziemlich fertig. Na ja, im Frühjahr würde man ihnen dann endlich den Rest geben.

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Deutsche Infanterie stürmt vor.

Der Eindruck der Sicherheit drängt sich auf – für den Soldaten Schachtmann, seine Kameraden und die alliierten Kommandeure des V. und VIII. amerikanischen Armeekorps, Gerow und Middleton. Merkwürdig ist allerdings, dass die Moral der deutschen Gefangenen so ungewöhnlich hoch ist? Denen muss doch klar sein, dass ihr Land verloren ist! In der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember 1944 wundern sich zudem viele der amerikanischen Infanterie-Soldaten – so genannte US-„GI`s“. Komisch – nach was suchen die Deutschen denn heute Nacht so penetrant in der Luft? Die eigenen Luftstreitkräfte, die den amerikanischen und britischen Erdkampftruppen aus der Luft sehr effektiv mit Bomben und Raketen jeden Widerstand zur Seite geräumt hatten, sind längst an den Boden gebunden. Man sieht schließlich nichts in dieser Suppe! Aber die Deutschen fliegen wie blöde hin und her! Und das nachts! Ist denen langweilig da drüben?

Sicher nicht! Deutsches Flugbenzin ist knapp – und daher sehr kostbar. Die „Rundflüge“ sind Teil einer gigantischen logistischen Meisterleistung der deutschen Kommando-Stäbe. Neben einer perfekten Täuschung der gegnerischen Nachrichtendienste hatte man es geschafft, in aller Heimlichkeit per Bahn und über die Straßen selbst von Norwegen und dem Balkan Truppen heranzuführen. Die deutschen Panzer rollen mit klirrenden Ketten in die Bereitstellungsräume – unbemerkt. Denn die Amerikaner können es nicht hören – dank dem Röhren der deutschen Flugzeugmotoren über ihnen.

Die Überraschung ist perfekt. Um 05.30 Uhr erbebt die Erde unter den Füßen der US-Wachtposten und den Betten der friedlich schlafenden GI`s. Der Feuerschlag ist kurz, aber heftig. Die Erde dröhnt. Das Mündungsfeuer der deutschen Geschütze und Raketenwerfer färbt den Bodennebel rot, deutsche Flak-Scheinwerfer strahlen von unten die Wolkendecke an, um den eigenen Landsern ein fahles Licht zur Sicht zu geben.

Und dann kommen sie. Den US-Boys verschlägt es die Sprache. Panzer an Panzer, mit weißer Farbe getarnt, dazwischen Infanterie. Die deutschen Soldaten tragen teilweise weiße Wintermäntel. Die erste Linie der Amerikaner wird überrumpelt, niedergewalzt. Der Siegeswille der Deutschen ist ungebrochen. Sie stürmen mit einer Urgewalt, die ihnen keiner der Amerikaner noch zugetraut hätte. Doch auch die amerikanischen Soldaten kämpfen. Manche ihrer völlig ins Chaos gestürzten Einheiten werden schlicht überrollt, andere wehren sich mit beachtlicher Zähigkeit. Der Ort Höfen drei Kilometer südlich von Monschau wird vom 3. Bataillon des 395. US-Infanterieregimentes verteidigt, unterstützt von den Panzerabwehrkanonen des 612. US-Bataillons. Beide sind auf dem Hügel in guter, stark ausgebauter Verteidigungsposition. Seit dem Artillerieschlag sind sie alarmiert, feindliche Scheinwerfer leuchten gespenstisch. Der deutsche Angriff erleidet fürchterliche Verluste – und bricht dennoch bis zu den amerikanischen Unterständen durch. Die GI`s werfen die Deutschen wieder hinaus. Nach dem dritten erbitterten Eroberungsversuch sind die Angreifer fast im US-Bataillonsgefechtsstand eingedrungen. Die Amerikaner sind kurz davor, als verzweifelte letzte Maßnahme US-Artilleriefeuer auf die eigene Stellung anzufordern – da gelingt es den US-Kanonieren des 612. Bataillons, die deutschen Sturmgeschütze und damit auch vier Bataillone der 326. Volksgrenadierdivision zurückzuschlagen. Etwa 500 deutsche Soldaten sterben bei dem Ansturm!

Es ist unfassbar! Die Deutschen greifen an! Mit der 6. Waffen-SS-Panzerarmee (vier Panzerdivisionen, fünf Infanteriedivisionen), der 5. Panzerarmee (drei Panzerdivisionen, vier Infanteriedivisionen) und der 7. Armee zur Deckung im Süden. Zwei Panzer- und 5 Infanteriedivisionen stehen als Eingreif-Reserve bereit. Alles in allem etwa 600 Panzer und 250.000 Mann.

Der kühne Schlag erinnert an die erfolgreiche sichelförmige Einkesselungsoperation des Jahres 1940. Was damals funktioniert hatte, muss auch noch einmal möglich sein. Adolf Hitler ist geradezu verrannt in diese Idee und schreibt den Einsatz bis in die Details der Angriffswege vor – unverrückbar, und in vielen Einzelheiten unklug. Als die hohen deutschen Offiziere, wie Generaloberst Alfred Jodl, Generalfeldmarschall Walter Model oder Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt eingeweiht werden, sind sie entsetzt. Hektisch werden Alternativvorschläge und Modifikationen erarbeitet und dem Führer vorgelegt, die Hitler in seinem selbstgefälligen „Feldherrngenie“ allesamt rundweg ablehnt.

Nun schreibt man das Jahr 1944. Die Materialüberlegenheit der Engländer und Amerikaner ist inzwischen erdrückend. Hitler will dies in seiner gesamten Tragweite partout nicht zur Kenntnis nehmen, gestützt vom Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Keitel, der Hitler nach dem Munde redet. Im Einzelnen allerdings sind Hitlers Beurteilungen und Schlüsse teilweise immer noch in sich schlüssig, sodass es schwer ist, die Fehleinschätzung im Gesamten zu entkräften. Denn selbst wenn es wie geplant gelingen sollte, bei gezielt schlechtem Wetter, somit bei hierdurch vorübergehend möglicher Neutralisierung der feindlichen Luftflotten, Antwerpen zu erreichen und das Gros der amerikanischen Armeen von den britischen zu trennen – wie sollte man die langen, überdehnten Flanken des Vorstoßes mitten in offenem Gelände ohne Befestigungen und Verteidigungsanlagen gegen eine schlagkräftige vielfache Übermacht dauerhaft halten? Eine Übermacht, die bei der ersten Wetterbesserung ihre Luftherrschaft in vollem Umfang ausspielen kann! Jene Luftüberlegenheit, die beim Fall Frankreichs auf deutscher Seite lag und stark zum Sieg beigetragen hatte. 1944 ist absolut nicht mehr 1940!

Man müsste es wissen! Der am 19. August 1944 erstmals von Hitler einigen Vertrauten gegenüber geäußerte Plan einer Winteroffensive im Westen ist auch bei schlechtem Flugwetter von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Doch Hitler sieht nur diese Chance. Noch ist die Rote Armee trotz der enormen Geländegewinne im Zuge ihrer Sommeroffensive (Operation „Bagration“) zu weit entfernt, um Berlin oder die deutsche Rüstungsindustrie ernstlich bedrohen zu können. Die Sowjets nähern sich Warschau, sind aber durch Gegenangriffe vorerst zum Stehen gebracht. Im Westen jedoch sind die Alliierten ungestüm auf dem Vormarsch. Geht das so weiter, bedrohen sie das Ruhrgebiet! Und ohne dessen Rüstungsbetriebe ist Deutschland am Ende! Also hat die Westfront Vorrang vor der im Osten!

Nach der Landung der Alliierten in der Normandie, die man nicht hatte verhindern können, sind die Briten und Amerikaner zunächst in ihrem Brückenkopf eingesperrt und kommen trotz schwerster Angriffe gegen den äußerst hartnäckigen und geschickt geführten deutschen Widerstand nicht voran.

Doch in den schnell errichteten schwimmenden Häfen, die aus Ponton-Landungsbrücken bestehen, werden Tag für Tag ungeheure Mengen an Kriegsmaterial aller Art gelöscht und an Land gebracht. Bis zu 11.000 Tonnen täglich. Die alliierte Luftherrschaft ist derartig erdrückend, dass die Deutschen zähneknirschend dabei zusehen müssen. Sie können nichts Entscheidendes dagegen tun! Die Alliierten sichern Ihre zwei Anlagen gegen den Seegang durch gezielt versenkte Schiffe und schwimmende Stahlkästen, die miteinander verbunden als wirksame Wellenbrecherbarriere fungieren.

Dennoch zerstört ein schwerer Sturm zwischen dem 19. und 22. Juni 1944 einen der beiden künstlichen Nachschubhäfen. Den amerikanischen. Das britische Areal bleibt dagegen in Betrieb. Als dann am 26. Juni 1944 die deutsche Garnison der Hafenstadt Cherbourg nach schwerer Belagerung überrannt wird, stehen den Amerikanern echte Hafenanlagen zur Verfügung. Dem Sturmangriff am 22. Juni 1944 war ein zweistündiger Bombenhagel aus über 1.000 Bombenschächten vorangegangen.

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Ein alliierter Jagdbomber attackiert mit Raketen eine Bahnlinie. Die Gleise werden von der gut gezielten Salve offensichtlich getroffen.

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Ein Strom von Soldaten und Gerät ergießt sich unaufhaltsam aus den Schiffen an den Strand.

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Die engen Wege des Kessels von Falaise erlauben kein Ausweichen. Die Vernichtung gerät zur Orgie, sie ist vollkommen.

Deutsche Gegenangriffe gegen den Landekopf mit Panzerkräften werden im Bomben- und Raketenhagel alliierter Jagdbomber zerschlagen, in Küstennähe greift auch die Schiffsartillerie ein. Es kommt so, wie es Rommel vorhergesehen hatte – Angriffe mit Fahrzeugen bei Tage setzen diese den nicht beherrschbaren alliierten Luftschlägen aus. Dennoch können sich die Truppen der Wehrmacht in der statischen Verteidigung lange halten, da das mit Wäldchen, Buschwerk und Hecken überzogene Gelände ideale Deckung bietet. Panzer und Geschütze werden so getarnt, dass sie aus der Luft nicht erkennbar sind. So mancher tödliche Hinterhalt entsteht. Die britische Operation „Goodwood“ führt zum Verlust eines Drittels der britischen Panzer! So also kann man sich selbst unter diesen Bedingungen noch erfolgreich zur Wehr setzen. Allerdings sind flexible Reaktionen auf gegnerische Angriffe stark eingeschränkt, da Verlegungen größerer Fahrzeugansammlungen nur bei Nacht vertretbar sind. Eine neue Waffe „feiert“ ihr Debüt. Seit 17. Juli 1944 setzt die USAAF Napalm-Brandgel-Bomben ein (P-38 der 370th FG).

Wie bedrohlich die alliierte Luftüberlegenheit ist, zeigt sich am 25. Juli 1944. Die Amerikaner bombardieren ein Gebiet vor ihrer Front mit einer Gründlichkeit, welche viele der wenigen Überlebenden um ihren Verstand bringt. Es handelt sich immerhin um Soldaten, die bereits fünf Jahre Krieg standhaft ertragen hatten! Doch dieses Inferno von den Boden erschütternden Explosionen, welches jedes Erdbeben in den Schatten stellt, vereint mit einem durch abgeworfenes Brandöl entfachten Flammenmehr ist mehr, als die Nerven eines noch so hart gesottenen Menschen fassen. Vor allem nicht die Wirkung.

Als den Amerikanern schließlich bei Avranches der Ausbruch aus dem Brückenkopf gelingt und ein deutscher Gegenangriff am 6. August 1944 mit praktisch allen verfügbaren Panzerdivisionen von der britischen Organisation „Ultra“ aufgedeckt wird, ist das Schicksal der Panzerbesatzungen so gut wie besiegelt. Die Amerikaner sind durch die Entschlüsselung des deutschen Funkverkehrs vorbereitet. Ihre Panzer und Jagdbomber nehmen die Angreifer gründlich in Empfang. Die deutschen Panzer verbergen sich nach Auflösen des Morgennebels sofort in Hohlwegen unter Laubdächern – sofern sie noch können. Die Deutschen kämpfen sich dennoch zäh in Richtung Avranches voran, dessen Rückeroberung die bereits ins französische Hinterland vorgestoßene 3. US-Armee abgeschnitten hätte. Deutsche Jäger, die zu ihrer Luftdeckung bereitgestellt worden waren, kommen nicht einmal in den Angriffsraum – sie werden fast unmittelbar nach dem Start bereits in schwerste Luftkämpfe verwickelt.

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Amerikanische Martin B-26 „Marauder“-Mittelstreckenbomber entledigen sich ihrer tödlichen Last.

Prompt werden die deutschen Panzerverbände nun selber eingeschlossen. Sie kommen bis Mortain, danach geht im Bomben- und Raketenhagel nichts mehr. Wie durch die deutschen Generäle befürchtet, fächern die aus dem nach wie vor offenen Nadelöhr von Avranches strömenden US-Panzer General George S. Pattons westnördlich nach Argentan aus, während die 1. kanadischen Armee von Caën aus südlich vorstößt. Nach Abzug der deutschen Panzer aus ihrem Abschnitt kommt Letztere endlich voran. Hitler hatte auf seine Generäle einmal mehr nicht hören wollen. Zwar können viele deutsche Soldaten durch mangelhafte alliierte Koordination und fast übermenschlichen Widerstand gerade noch entkommen, den übrigen jedoch steht im Kessel von Falaise ein Stahlgewitter durch Artillerie und Bombenteppiche bevor, deren verheerenden Effekt General Dwight D. Eisenhower so beschreibt:

„Das Schlachtfeld von Falaise war vermutlich eines der ‚mörderischsten’ Gebiete in diesem Krieg. [...] 48 Stunden nach Schließen des Spaltes wurde ich zu Fuß hindurchgeführt, wo ich Szenen sah, die nur Dante beschreiben kann. Es war praktisch möglich, Hunderte Meter weit auf nichts als auf totem und verwesendem Fleisch zu gehen.“

Danach sind die Alliierten, welche ab 15. August 1944 auch noch in Südfrankreich landen, durchgebrochen. Die restlichen deutschen Truppen in Frankreich ziehen sich kämpfend in Richtung auf die Reichsgrenze zurück, wo sie sich nun verschanzen und erneut verbissenen Widerstand leisten.

Die Alliierten kommen zunächst angesichts des erstarkten deutschen Abwehrkampfes zum Stehen. Und Hitler verbeißt sich in seine Wunsch-Idee einer alles entscheidenden Gegenoffensive. Nun - man müsste es wirklich wissen. Nur Deckung verspricht einen erfolgreichen Abwehrkampf. Und ermöglicht das, was Hitler will: Zeitgewinn. Andererseits überlässt das Verschanzen die Initiative einem Gegner, der dann seine Materialüberlegenheit massieren kann, wo immer er will. Ein gefährlicher Zustand. Ein Bewegungskrieg mit Hilfe eigener Offensiven gewinnt die Initiative des Handelns zurück. Sofern man die Kräfte hierzu hat, ist diese Option immer die vernünftigere. Das stimmt – doch eben nur, sofern ...

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Hitler sieht jedoch nur diese Möglichkeit. Die deutsche Kriegswaffenproduktion läuft auf Hochtouren und produziert mehr Waffen denn je. Was man benötigt, so glaubt Hitler, ist Zeit, nichts als Zeit. Dass die Kriegsindustrie der Engländer, vor allem aber der Amerikaner und Russen im gleichen Zeitraum mit fast unbegrenzten Rohstoffresourcen noch viel mehr Waffen bereitstellen wird, als es Deutschland je vermögen kann, will Hitler nicht wahrhaben. Schließlich hat Deutschland Langstreckenraketen, die bereits London erreichen, gegen die es keine Gegenwehr gibt. Jeder Einschlag einer „V2“-Rakete vernichtet einen ganzen Häuserblock – ohne Vorwarnung. Es ist eine Frage der Zeit, bis man Raketen haben wird, welche auch die USA bedrohen! Außerdem besitzt Deutschland neuerdings Düsenjäger. Man muss Zeit gewinnen, Zeit! Dann werden diese revolutionären pfeilschnellen Flugzeuge (deren Entwicklung und rechtzeitigen Einsatz als Jäger Hitler ironischerweise zuvor selber entscheidend verzögert hatte, was er natürlich nicht einsieht) doch in der Lage sein, den Himmel über dem Reich zurückzuerobern. Mit etwas Zeit wird auch der Ausbildungsstand der Piloten wieder genügen!

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Britische oder kanadische Truppen mit Sherman-Panzern amerikanischer Bauart bei Le Bény-Bocage, mit deutschen Gefangenen.

Nein, man muss die Alliierten entscheidend schlagen. Wenn dies mit den vorhandenen Mitteln überhaupt möglich ist, dann nur im Westen. Hitler sieht Zwistigkeiten zwischen den Westalliierten Großbritannien und USA, weiß auch von den Zerwürfnissen ihrer Oberkommandierenden Eisenhower und Montgomery. Die Amerikaner halten nichts von Kolonialpolitik, sympathisieren mit nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen, während die Briten in Hitlers Augen nur den Erhalt ihres Empires im Sinne haben. Den Kapitalisten im Westen stehen ferner Stalins kommunistische Weltmachtbestrebungen gegenüber. Die ideologische Übernahme! Ein unversöhnlicher Gegensatz, eine gefährliche Rote Flut!

So dumm können die Amerikaner und Engländer doch gar nicht sein, dass sie diese marxistische Gefahr nicht erkennen. Sollte es ihm, Adolf Hitler, gelingen, die Amerikaner ein einziges Mal vernichtend zu schlagen, so würden sie doch sicher um einen Separatfrieden nachsuchen. Dies würde der deutschen Wehrmacht dann erlauben, alle Kräfte gegen die Rote Armee im Osten zu mobilisieren. Was doch den auf ihr Eigentum bedachten Westmächten nur mehr als recht sein müsste! Es wäre die kriegsentscheidende Wende. Diese Strategie muss gelingen, koste es, was immer es wolle!

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Amerikanische Martin B-26 „Marauder“-Mittelstreckenbomber in zwei Formationen.

Hitler erfasst das Misstrauen zwischen den Engländern und Amerikanern einerseits und den Sowjets andererseits durchaus zutreffend (wobei der britische Premier Winston Churchill sehr viel klarer Stalins Intentionen erkennt als der kränkelnde amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt). Aber den alle seine Gegner einigenden abgrundtiefen Hass gegen ihn versteht er nicht. Churchill konstatiert, dass er sogar dem Teufel Avancen machen würde, wenn dieser entschlossen sei, gemeinsam mit der Allianz gegen Deutschland zu kämpfen. Hitlers Regime muss vernichtet werden, diese Entschlossenheit ist nicht zu erschüttern. Animositäten gegen Stalin können bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reiches warten! Hitlers Zwiespalt-Pläne haben nicht die geringste Chance!

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Britischer Hawker „Typhoon“-Jagdbomber bei einem Raketenangriff auf eine deutsche Fahrzeugkolonne. Der Pilot erzielt einen Volltreffer.

Damit bleibt Hitler als einziger Trumpf die Genialität der deutschen Waffenkonstrukteure. Technisch sind die modernen deutschen Panzer des Typs „Panther“ und „Tiger I“, neuerdings sogar „Jagdpanther“ und „Jagdtiger“ oder der Star der Panzer, der „Königstiger“, den Alliierten spürbar überlegen.

Die schweren deutschen Panzer in der Größenordnung des Jagdtigers und Tigers II „Königstiger“ sind mächtige Kampffahrzeuge, die allerdings auf Grund ihrer Größe in den engen Straßenverhältnissen der Ardennen nur sehr schwer manövrierfähig sind. Dies ist ihre Achillesferse – zumindest hier. Dafür sind die Kolosse derartig massiv gepanzert, dass die britischen und amerikanischen Panzer schon aus nächster Nähe feuern müssen, damit ihre Granaten den deutschen Kampfwagen etwas anhaben können. Deren Präzisionsgeschütze wiederum sind für ihre Gegner absolut tödlich – schon auf große Entfernung. Viele sind es allerdings nicht, die der deutschen Wehrmacht zur Verfügung stehen! Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Panzer besteht aus dem immer wieder verbesserten Panzer IV, der mit seiner 7,5-cm-Kanone nach wie vor mehr als konkurrenzfähig ist, ferner dem agilen und hochpotenten Panzer V „Panther“ sowie dem schweren, gefürchteten Panzer VI „Tiger I“.

Die amerikanischen Panzerbesatzungen gehen nach bösen Erfahrungen inzwischen davon aus, dass sie eine fünffache Übermacht an eigenen Panzern benötigen, um mit einem einzigen Panther und dessen treffsicherer 7,5-cm-Langrohrkanone fertig zu werden. Noch mehr Respekt haben sie vor den Tigern. Ein einzelner dieser zwar im Vergleich zum Panther etwas weniger manövrierfähigen, doch insgesamt exzellenten deutschen Kampfpanzer hatte es in der Normandie geschafft, mit seiner 8,8-cm-Kanone 25 feindliche Panzer zur Strecke zu bringen, bevor er selber abgeschossen wurde.

Auch die Gefährlichkeit der deutschen Sturmgeschütze ist nicht zu unterschätzen. Sie sind exzellente Panzerjäger, ebenso wie die neuen Jagdpanzer der Deutschen, der kleine Jagdpanzer 38(t) „Hetzer“, der Jagdpanzer IV und der Jagdpanther. Alle diese Spezialkampfwagen haben nur eine schwenkbare Kanone, jedoch dadurch bedingt eine so flache und zudem schräg geneigte Frontsilhouette, dass sie extrem schwer zu erkennen und zu treffen sind. Das macht sie zu gefürchteten und allesamt sehr erfolgreichen Gegnern für die Alliierten.

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Ein Panzer IV mit 7,5-cm-Kanone und Panzerschürzen um den Turm. Diese Zusatzpanzerung nimmt treffenden Granaten teilweise die Sprengkraft und lässt Hafthohlladungen völlig unwirksam werden. Derartige Geschosse haften magnetisch an der Metalloberfläche und geben dann eine Stichflamme ab, die sich durch die Panzerung ins Innere schweißt.

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Panzer VI „Tiger I“.

Das Bild ist nachträglich coloriert worden.

Diese haben vor allem den schwächeren, aber dennoch durchaus gefährlichen M4 „Sherman“-Kampfpanzer zur Verfügung – den allerdings in Massen! Der Sherman besitzt eine 7,5-cm-M3-Kanone, die bei weitem nicht die Durchschlagskraft ihrer deutscher Gegenstücke besitzt. Die Frontpanzerung eines Panthers oder Tigers ist bei typischer Kampfentfernung immun gegen ihre Geschosse, was die Amerikaner und Briten dazu zwingt, sich unter dem Risiko hoher Verluste und dem Einsatz ihrer zahlenmäßigen Übermacht so lange voranzukämpfen, bis einer der ihren eine seitliche Schussposition zu dem deutschen Widersacher herausgefahren hat. Dann allerdings ist die schwächere Seitenpanzerung der deutschen Kampfwagen dem alliierten „Fangschuss“ ausgeliefert – aus Sicht der leidgeprüften alliierten Panzer-Crews: endlich. Natürlich gibt es oft auch eine Alternative zu dieser Art verlustreichem Vorgehen – wenn auch nicht immer. Nicht bei schlechtem Wetter. Es ist ein Funkspruch unter Angabe der Koordinaten des Widerstandes. Bald gefolgt vom Dröhnen schwerer Flugzeugmotoren ...

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Ein Jagdpanzer IV mit aufgesessenen Panzergrenadieren oder Infanteriesoldaten wühlt sich durch den Schlamm der Ardennen. Gut erkennbar sind die geneigten Flächen und die flache Silhouette.

Besser bewährt sich ab Juli 1944 das 7,6-cm-M1-Geschütz, welches es immerhin mit den Waffen der deutschen Sturmgeschütze und Panzer IV aufnehmen kann. Einem Panther oder Tiger I sind die so aufgerüsteten Sherman-„Tanks“ allerdings immer noch hoffnungslos unterlegen – erst recht einem Königstiger gegenüber. Erst die 7,6-cm-Langrohrkanone des Sherman „Firefly“ – eine britische Modifikation – kann mit normaler APC-Munition immerhin auf 1.000 Meter Nähe die Frontpanzerung eines Tigers I durchschlagen, mit Spezialmunition sogar auf bis zu 2.000 Meter Entfernung. Doch diese Spezialgranaten stehen erst kurz vor Kriegsende zur Verfügung.

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Panzer V „Panther“ mit Infrarot-Zielgerät.

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Sherman „Firefly“.

Leichtere alliierte Fahrzeuge, wie der amerikanische Jagdpanzer M10 oder der leichte Panzer M24 „Chaffee“, runden das Bild ab, bewähren sich jedoch weder besser noch schlechter als die M4 Sherman. Der beste alliierte Jagdpanzer – die amerikanischen Modelle haben im Gegensatz zu den deutschen einen Drehturm – ist der M36, der mit seiner 9,0-cm-Kanone jedoch nur in geringer Zahl zur Verfügung steht. Fahrzeuge dieser Art befinden sich ausgerechnet in einer Stadt namens Bastogne ...

Waffentechnisch sind die Trümpfe eindeutig in der Hand der Deutschen. Die agilen „Panther“-Panzer der 2. deutschen Panzerdivision besitzen sogar hochmoderne Infrarot-Nachtzielgeräte. Doch wie sagt ein Sprichwort? „Viele Hunde sind des Hasen Tod“! Im September 1944 stehen den etwa 8.000 alliierten Kampfpanzern an der deutschen „Westfront“ gerade mal 100 einsatzfähige deutsche Panzerwagen gegenüber. Inzwischen hatte man aufgerüstet, alles zusammengeballt, was irgendwie an anderen Frontabschnitten entbehrlich schien – und es dort eigentlich nicht war, im Gegenteil. Doch noch einmal bieten die deutschen Kommandeure auf Hitlers Weisung hin alles auf, was sie haben.

Was ist es, dieses „alles, was sie noch haben?“ Die Soldaten kämpfen unter den Mänteln fast in Lumpen und das Material ist ermüdet, abgenutzt, vielfach repariert. Viele Einheiten bestehen nur noch auf dem Papier. Beispielsweise werden zwei halb aufgeriebene Divisionen der 15. Armee zu einer einzigen zusammengefasst, um wenigstens diese leidlich in Sollstärke einsetzen zu können. Was dazu führt, dass die 49. Infanteriedivision nicht mehr existiert.

Überall nicht mehr existiert, nur nicht in den Plänen des Generalstabs, welcher munter weiter mit einer Geisterdivision jongliert, die es nicht gibt – ganz im Sinne Adolf Hitlers. Hitlers, des „Führers“, der die logisch sinnvolle Auflösung und Aufteilung der 89. Infanteriedivision auf andere Einheiten verbietet, obwohl sie nur noch lächerliche Bataillonsstärke besitzt. Infolgedessen wird sie weiter als vollwertige Division in die Planspiele einbezogen. Die 21. Panzerdivision ist zusammen mit der 17. Panzergrenadierdivision auf gerade mal die Stärke einer einzigen Division zusammengeschmolzen. Was nichts daran ändert, dass zwei Divisionsnummern auf dem Kartentisch erscheinen ...

Der gefährliche Treibstoffmangel macht es zudem notwendig, möglichst bald alliierte Treibstoffdepots zu erobern – unbeschädigt, versteht sich. Auch hierfür ist das Überraschungsmoment zwingend!

Rosig ist die alliierte Nachschubsituation allerdings auch nicht – wenn auch weit entfernt von den existentiellen Engpässen auf deutscher Seite. Die Front verläuft im Dezember 1944 von der Schweiz mit einer Ausbuchtung nach Westen bei Colmar im Wesentlichen entlang der Reichsgrenzen. Bei Aachen haben die Amerikaner deutsches Gebiet erobert und die Stadt am 21. Oktober 1944 nach erbitterter Gegenwehr genommen. Die Kampflinie springt dann nördlich wieder zur Reichgrenze zurück und biegt bei Nimwegen nach Westen ab bis zur Insel Schouwen, die sich in deutscher Hand befindet.

Lange wurden die alliierten Truppen vor allem vom französischen Hafen Cherbourg aus versorgt – inzwischen weit entfernt liegend. Die Bahnlinien sind zerstört, die Straßen schwer beschädigt. Die Nachschubwege waren lange gefährlich überdehnt. Erst seit man den Deutschen unter blutigen Verlusten die Halbinsel Walcheren entreißen konnte, ist seit dem 26. November 1944 der Weg in den viel näher liegenden Hafen von Antwerpen frei. Von den 28 bei der Eroberung eingesetzten britischen Kriegsschiffen waren neun versenkt worden und nur sieben unbeschädigt geblieben, doch nun ist der Zugang für etwa 200 Minenräumboote gesichert, die die Scheldemündung bis in den Hafen räumen können. 27.633 Mann der 1. kanadischen Division hatten gemäß dem Historiker Dr. Zentner *1 den Kampf um diesen Zugang mit dem Leben bezahlt (Raymond Cartier nennt „nur“ 12.170 Gefallene). *2

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Frontverlauf am 25. Dezember 1944

Für die Deutschen ist die Vorstellung, dass die Briten und Amerikaner ihre erdrückende Materialüberlegenheit über den Nachschubzugang im nahen Hafen von Antwerpen voll zur Geltung bringen könnten, eine ungeheure Bedrohung. Diese Bedrohung soll nun beseitigt werden – durch einen Angriff dort, wo er nicht erwartet wird, in den hügelig gebirgigen, tief verschneiten Ardennen. Würde man es schaffen, unter Ausnützung der Überraschung durch das schwierige Gelände hindurchzustoßen und danach die Maas zu überschreiten, könnten sich starke Panzerverbände durch die Tiefebene bis nach Antwerpen durchkämpfen. Jedenfalls, solange sie nicht aus der Luft mit Bomben und Raketen belegt würden. Dann wären etwa 30 alliierte Divisionen eingekesselt.

Der Zeitpunkt scheint günstig. Die Operation „Market Garden“, die kühne britische Luftlandeoperation bei Arnheim, hatte in ein blutiges Fiasko gemündet. 10.005 Männer der 1. britischen Luftlandedivision waren hinter den deutschen Linien abgesetzt worden – gerade mal 2.163 überleben die Katastrophe. Auch die Amerikaner hatten schmerzhafte Rückschläge hinnehmen müssen. Bei Roermond hatte ihnen Ende Oktober 1944 die 1. deutsche Fallschirmjäger-Armee unter Student fast eine schwere Niederlage beigebracht, welche nur durch zwei zu Hilfe eilende britische Divisionen letztlich noch verhindert werden konnte. Die amerikanischen Verluste im Hürtgenwald bei Aachen sind horrend hoch bisher, die Front hat sich dort grausam festgebissen. Von September bis November 1944 fallen 33.000 Mann im deutschen Geschosshagel. Die 3. Armee des legendären US-Generals Patton hatte auf ihrem Vormarsch bis zum deutschen „Westwall“ bis Anfang Dezember 1944 55.182 Tote zu beklagen *3. Und die zweite Phase der Schlacht im Hürtgenwald ab 16. November 1944 kostet die 1. und 9. US-Armee mehr als 57.000 gefallene, verwundete, gefangene und vermisste GI‘s innerhalb von nur vier Wochen. *4

Vor allem – das Wetter ist schlecht, wie in dieser Jahreszeit erwartet. Es behindert auch den Vormarsch am Boden, natürlich. Doch es hält den deutschen Landsern und Panzerverbänden die ansonsten allgegenwärtigen britischen und amerikanischen Tiefflieger vom Hals. Die gesamte Überlegenheit der Alliierten in der Luft beträgt alleine an der Westfront etwa 25 : 1. Die Jagdbomber mit den britischen und manchmal auch französischen Kokarden sowie dem amerikanischen Stern am Rumpf beherrschen das Gefechtsfeld in der Luft vollständig.

Was die deutsche Luftwaffe zu Beginn des Krieges so überaus erfolgreich mit ihren Stukas aller Welt vorgemacht hatte – jetzt zeigt die Gegenseite, dass sie die Lektion gelernt hat. Außerordentlich wirkungsvoll!

Gegen die verfluchten Luftangriffe sind auch Panther und Tiger machtlos! Selbst dann, wenn sie – was selten genug in ausreichendem Maße der Fall ist – von Halbkettenfahrzeugen oder Flak-Panzern mit 3,7-cm- und 2-cm-Schnellfeuerkanonen zur Luftabwehr begleitet werden. Die Flugabwehr-Vierlinge sind sehr wirkungsvoll und die in Anbetracht der vielen Ziele geübten Kanoniere tun ihr Bestes. Doch – es reicht nicht annähernd als Schutz! Das wissen die deutschen Soldaten – aus schmerzlicher Erfahrung. Schnelligkeit ist Trumpf. Der Sieg muss unbedingt bis zu einer Wetterbesserung erfochten sein.

Um 05.30 Uhr am 16. Dezember 1944 beginnt schließlich „Wacht am Rhein“, die Ardennenoffensive.

Die Verwirrung bei den Amerikanern ist enorm – noch gesteigert durch deutsche Fallschirmtruppen, die in amerikanischen Uniformen hinter den feindlichen Linien abspringen und Wegweiser verdrehen, Befehle sabotieren, Chaos produzieren wo und wie sie nur können. Werden sie erwischt, werden sie erschossen, da sie nicht die eigene Uniform tragen. Es ist ihnen bewusst! Eine Hysterie macht sich bei den Amerikanern breit, jeder wird verdächtig. Die Deutschen stoßen vor – unaufhaltsam, wie es scheint. Die Wucht des deutschen Vorstoßes ist ein schwerer Schock für die alliierten Kommandeure.

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Panzer V „Panther“ rollen auf den verschneiten Straßen der Ardennen vor. Der vordere Panzer lässt gerade einen VW „Kübelwagen“ überholen – den deutschen „Jeep“.

Bald stehen deutsche Truppen vor Bastogne, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Dort treffen sich fünf Straßen und drei Bahnlinien. Im letzten Moment werden die amerikanischen Truppen im Ort durch die 101. US-Luftlandedivision unter Brigadier General Anthony McAuliffe verstärkt. Die Amerikaner wehren sich aufopfernd und kämpfen verbissen gegen einen ebenso entschlossenen Gegner. Der fordert die eingeschlossenen Amerikaner zur Kapitulation auf. McAuliffe antwortet mit einem einzigen Wort: „Nuts!“ („Stuss!“).

Die Offensive kommt aber allmählich ins Stocken. Langsam macht sich Treibstoffmangel bemerkbar. Die engen Gassen der luxemburgischen und belgischen Orte erschweren den Panzern das Durchkommen, der Nachschub ist durch kurvige schmale Pass-Straßen behindert. Die Straßen und Sträßchen sind teilweise in denkbar schlechtem Zustand, morastig, schnell verstopft, ohne Ketten oft kaum passierbar. Eine Lastwagenkolonne kann die Verlegung einer Panzereinheit über Stunden blockieren. So ist kein flexibles Reagieren auf feindlichen Widerstand möglich – jedenfalls nicht schnell. Doch das schützende Tief wird nicht ewig über den Hügeln hängen! Eile ist geboten! Noch geht es voran.

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Deutsche Soldaten zu Fuß und Panzergrenadiere in einem Schützenpanzerwagen lassen ein aufgegebenes US-Halbkettenfahrzeug des Typs M2 oder M3 „links liegen“ (US-Bezeichnung: „Half Track“).

Der 29-jährige SS-Obersturmbannführer Jochen Peiper verfügt über eine schnelle motorisierte Truppe mit je etwa 35 Panzern des Typs Panzer IV und Panther, circa 20 Tigern II „Königstiger“ sowie 2-cm-Flakpanzern des Typs „Wirbelwind“ mit Vierlingsgeschützen. Einige Sturmgeschütze und 3,7-cm-Flakartillerie sind ebenfalls verfügbar, auch Schützenpanzerwagen mit Panzergrenadieren und Brücken-Pionieren. Es ist eine von zwei Kampfgruppen, die die Speerspitze der Offensive im nördlichsten Sektor bilden. Der Ablauf des Einsatzes dieser Einheit soll herausgegriffen werden, um einen Eindruck von der Art des Vorstoßes wiedergeben zu können, auch wenn die Kampfgruppe Peiper nicht in allen Aspekten als repräsentativ für die Kampfweise deutscher Soldaten gelten kann – glücklicherweise!

Am exponierten rechten Rand des Kampfabschnittes sollen nach Plan SS-Panzergrenadiere und Panzerjäger (Kampfgruppe Müller) gemeinsam mit Artillerie und Pionieren in zwei Kolonnen von Elsenborn in Richtung Theux nach Lüttich (Liège) vorrücken und Flankenangriffe der Amerikaner auf die beiden Speerspitzen abwehren. Weiter südlich ist das Vordringen der ersten Angriffsspitze, der Kampfgruppe Kühlmann via Malmédy, Spa und Esneux vorgesehen (12. SS-Panzerregiment mit Unterstützung durch Sturmgeschütze, Panzergrenadiere und Pioniere), weitere Kampfgruppen sollen dahinter folgen (Kampfgruppen Bremer und Krause). Und wiederum an deren linker Flanke ist die Kampfgruppe Peiper eingeteilt, die über Stavelot, Trois Ponts und Harzé Richtung Amay angreifen soll, gefolgt von Verstärkungen (Kampfgruppe Sandig). Eine fünfte Kolonne besteht aus den Kampfgruppen Hansen und (dahinter) Knittel, die plangemäß am linken Rand des Abschnittes vorgehen.

Soweit die Theorie. 16. Dezember 1944: in der Praxis stößt die Kampfgruppe Peiper nach dem Verlassen ihrer Bereitstellungsräume im Blankenheimer Wald bei ihrem Vorpreschen auf eigene Infanterieeinheiten der 12. Volksgrenadierdivision und Fahrzeuge der 3. Fallschirmjägerdivision sowie 1. SS-Panzerdivision, die prompt auf dem Sträßchen von Scheid nach Losheim eine Art Verkehrsstau verursachen. Peiper verliert die Geduld, er hat gemäß Auftrag absolut gar keine Zeit zu verlieren! Also lässt er rücksichtslos jedes Fahrzeug zur Seite schieben, welches seine Leute aufhält. Die können hinter ihm ja wieder irgendwie raus aus dem Straßengraben. Bald wird der Grund des Stockens erkannt – eine zerstörte Brücke zwei Kilometer östlich des Ortes Losheimergraben. Sie war einige Wochen zuvor von den Deutschen selber auf ihrem Rückzug gesprengt worden. Nun wartet man dort dringend auf die Pioniere, die sie wieder aufbauen sollen. Was zwangsläufig auch eine Weile dauern wird, versteht sich.

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Deutsche Fallschirmjäger passieren einen vernichteten Sherman-Panzer. Der hintere Soldat trägt eine „Panzerfaust“, eine Waffe, die Hafthohlladungen verschießt. Aus der Nähe ist es ein für Panzer gefährliches Geschoss. Der zweite Mann von vorne besitzt eine noch wirksamere Waffe. Die Raketen der „Panzerschreck“ können jeden Panzer zerstören. Die Amerikaner haben etwas nahezu Ähnliches: die „Bazooka“.

Dafür ist keine Zeit! Wenn der Angriff gelingen kann, dann nur durch Ausnützung des Überraschungsmomentes. Peiper fährt das Ufer ab – und findet eine Furt. Es ist haarig – das Ufer ist steil. Doch es geht – es muss gehen! Stunden später rückt seine Einheit wieder vor. Um 22.00 Uhr ist sie auf der Straße bei Losheim. Peiper erfährt dort, dass das Fallschirmjägerregiment 9 (3. Fallschirmjägerdivision) südlich von Losheim bei Lanzerath durchgebrochen sei. Sofort beordert er seine Sturmgruppe dorthin, um den taktischen Vorteil auszuweiten. Da taucht das nächste Hindernis auf. Minen! Die Straßen und deren Umgebung sind vermint! Wo sind die Pioniere mit ihren Minensuchgeräten?

„Einige Kilometer hinter uns, Herr Obersturmbannführer!“

Das ist Peiper zu weit! Vorwärts – Minen hin oder her! Einige seiner Panzer werden beschädigt, er verliert einige Fahrzeuge, doch der größte Teil überwindet die Minensperren. Vollgas! Weiter, weiter! Ab 24.00 Uhr sind Peipers Leute bei den Fallschirmjägern. Deren Angriff hat sich festgebissen, Oberst von Hoffman hat Artillerieunterstützung angefordert. Verdammt, auf die will Peiper nicht warten! Als sich Hoffman und Peiper nicht einigen können, veranlasst Letzterer kurzerhand, dass das Fallschirmjägerregiment 9 vorübergehend seiner Kampfgruppe unterstellt wird. Jetzt hat er das Sagen!

„Angriff!“

Der Bahnhof des kleinen Ortes Buchholz wird nach erbittertem Kampf von einem starken Aufklärungs-Stoßtrupp der Fallschirmjäger genommen. Danach rollt Peipers Kampfgruppe durch den Ort hindurch und weiter in Richtung Honsfeld. Peiper weiß nicht, dass ein einzelner amerikanischer Funker den Fallschirmjägern entkommen war und aus einem Keller des früheren US-Bataillonsgefechtsstandes penibel jeden Panzer und jedes Fahrzeug zählt. Noch funktioniert sein Funkgerät! Er nutzt es ...

Es ist gegen 06.00 Uhr morgens, 17. Dezember 1944. Noch ist es dunkel. Auf der Straße nach Honsfeld taucht im Morgengrauen vor Peipers Führungspanzer eine andere Panzereinheit auf, die offenbar dasselbe Ziel hat!

Es ist eine amerikanische Panzerkolonne ...

Peiper reagiert so, wie es die da von der anderen Seite „cool“ nennen würden. Ohne weiteren Aufhebens schließt er sich seelenruhig den US-Panzern mit seinen Fahrzeugen an. Einfach so. Selbstbewusst, unverschämt und frech.

Am Ortseingang des Städtchens Honsfeld steht ein amerikanischer Panzer. Neben ihm nimmt ein US-Militärpolizist die herannahenden Kameraden in Empfang. Ein Panzer nach dem anderen wird mit weißen Fahnen eingewiesen, ein Sherman nach dem ... – Verflucht!

Der Schusswechsel ist kurz. Die völlig verblüfften Amerikaner haben keine Chance. Die Panther rollen in die Stadt, Panzergrenadiere folgen. Diejenigen amerikanischen Soldaten (Teile der 99th Infantry Division und die 14th Cavalry Group), die noch leben, aber nicht flüchten können, erkennen die Sinnlosigkeit ihres Widerstandes und ergeben sich. Sie werden korrekt behandelt und bewacht. Peiper erbeutet 15 Panzerabwehrkanonen und etwa 130 Fahrzeuge, darunter 80 Lastwagen, ferner Aufklärungsfahrzeuge und Halbketten-Trucks. Das wäre ja schön, hätte man genügend Treibstoff übrig! Doch der ist die Achillesferse der gesamten Offensive. Zusammen mit der Luftdeckung, die von der deutschen Luftwaffe beim allerbesten Bemühen nicht gewährleistet werden kann. Noch hält die tiefe Wolkendecke den Deutschen die alliierten Peiniger aus der Luft leidlich vom Halse.

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Ein schwerer Tiger II „Königstiger“ der Kampfgruppe Peiper mit aufgesessenen Fallschirmjägern des Fallschirmjägerregiments 9. Dieses Exemplar mit der Nr. 222 kommt trotz seiner Kampfkraft nur bis zum Ort Stavelot, wo der Panzer am 20. Dezember 1944 zerstört wird.

Leidlich ...

Wie leidlich, das zeigt sich schon bald bei einem Luftangriff amerikanischer Jagdbomber. Die „Wirbelwind“-Panzer mit ihren 2-cm-Vierlingsrohren wehren sich und holen einige der Amerikaner herunter, doch die zerstören im Gegenzug mindestens einen Flakpanzer und beschädigen andere Fahrzeuge.

Nun werden die Fallschirmjäger wieder der 3. Fallschirmjägerdivision unterstellt. Einige von ihnen, etwa in der Stärke einer Kompanie, verbleiben aber dennoch bei der Kampfgruppe Peiper.

Etwa 08.00 Uhr morgens. Peiper weicht nach Norden von seiner geplanten Vormarschroute ab – die Wege um Honsfeld sind katastrophal, und die Kampfgruppe Kühlmann, der der Nachbarabschnitt zugeteilt ist, hängt laut Gefechtslärm zurück. Der Verband überrascht bei Bullingen (Bullange) die Sicherung eines US-Treibstofflagers, nimmt es ein, tankt randvoll, lässt die 50 US-Gefangenen unter Bewachung zurück und prescht weiter vor – mit brutaler Entschlossenheit und ohne Rücksicht auf Verluste. Das einzige, was Peiper zu schaffen macht, ist der Schlamm und Matsch der aufgeweichten Nebensträßchen und Waldwege. So geht es nicht! Peiper sucht eine asphaltierte Straße. Er findet sie in der N32. Seine Kampfgruppe schwenkt also von Thirimont nach Norden – Richtung Baugnez ...

An der Kreuzung von Baugnez trifft Peiper auf die B-Batterie des 285. US-Feldartilleriebataillons. Die etwa 140 Männer in circa 30 Fahrzeugen kommen von Heerlen in der Nähe Aachens und haben Befehl, die amerikanischen Panzerdivisionen im Süden zu verstärken. Captain Roger L. Mills ist in der Zwickmühle. Er ist inzwischen gewarnt, dass deutsche Panzer in seiner Nähe vorstoßen. Doch was soll er machen? Am sinnvollsten erscheint es ihm, schnellstmöglich irgendeine größere Einheit zu erreichen, welche seiner kleinen Truppe Schutz bieten könnte. Also rückt er südlich vor wie befohlen.

Als der Führungs-Jeep der kleinen Formation an der besagten Kreuzung unter Feuer gerät, tritt exakt das ein, was Mills befürchtet hatte. Auf sich allein gestellt ist die Artillerie-Batterie wehrlos, die Geschütze sind im Transportzustand nutzloser Ballast. Panik bricht aus. Fahrzeuge werden in Brand geschossen, die Insassen werfen ihre Waffen weg und heben die Hände! Andere Amerikaner hechten in den Straßengraben und feuern zurück, wieder andere suchen ihr Heil in der Flucht in den nahen Wald. Die Lage ist hoffnungslos, irgendwann befiehlt Lieutenant Virgil T. Lary die Feuereinstellung und ordnet seinen Leuten an, sich zu ergeben. Alles andere wäre ein Gemetzel geworden.

Es wird es auch so. Nur: das wissen zu diesem Zeitpunkt weder die Amerikaner noch ihre deutschen Widersacher. Viel ist geschrieben worden über das Massaker, welches nun folgen sollte. Dem Autor sind die widersprüchlichsten Berichte bekannt. Die seines Erachtens mit Abstand fundierteste Analyse entstammt der Feder von Jean-Paul Pallud. Er verweist darauf, dass die nach dem Kriegsverbrechertribunal von Dachau verbreitete und bis heute häufig zitierte Version eines kaltblütig geplanten Massenmordes weit davon entfernt sei zu überzeugen. Viele der hierfür herangezogenen „Geständnisse“ seien unter schwerer Folter bis hin zu Exekutionen zustande gekommen, die „Beweise“ seien manipuliert, die Gerichtsverhandlung sei eine Farce gewesen. Pallud ist nicht der Einzige, der dies so sieht. Dem Autor sind gleichlautende Aussagen anderer Kenner der Materie berichtet worden.

Die Deutschen sammeln die amerikanischen Kriegsgefangenen und lassen sie in acht Reihen hintereinander auf einem nahe gelegenen Feld Aufstellung nehmen.

Keiner weiß wirklich, was nun geschieht. Nach aller Plausibilität jedoch feuert irgendein deutscher Soldat den ersten Schuss aus einem spontanen Anlass. Zu diesem Zeitpunkt ist die Angriffsspitze der Kampfgruppe längst weitergerollt, teilweise unter Nutzung erbeuteter amerikanischer Fahrzeuge und der unfreiwilligen Chauffeurs-Dienste ihrer Fahrer. Doch die Hauptstreitmacht der Kampfgruppe dürfte zu diesem Zeitpunkt die Kreuzung mit ihren Panzern und Fahrzeugen gerade erreichen. Nützen einige US-Gefangene jenen Moment der Ablenkung ihrer Bewacher zu einem Fluchtversuch?

Wenn ja, dann tun sie sich und ihren Kameraden keinen Gefallen damit. Nach den ersten Schüssen scheint eine Panik auf beiden Seiten auszubrechen, in deren Folge die Deutschen mit Maschinengewehren dazwischenhalten, auch aus Panzerfahrzeugen. Es ist eine Hypothese, doch wäre der Mord geplant gewesen, warum wurde er nicht sofort ausgeführt? Und warum nicht auch schon früher – in Honsfeld oder Bullingen? Doch eines steht fest: die Deutschen kennen nun keine Gnade mehr. Einige Panzergrenadiere gehen schließlich durch die niedergemähten Reihen amerikanischer Gefangener und geben jedem, der sich noch bewegt, den „Gnadenschuss“. Es ist ein eindeutiges Verbrechen.

Sie treffen nicht alle Opfer. Einige Amerikaner hatten sich tot gestellt – durch leises Pfeifen verständigen sie sich nun. Dann rennen sie plötzlich gemeinsam los und verschwinden im Wald nördlich der Kreuzung. Als sich die Überlebenden des Massakers schließlich zu ihren Leuten durchschlagen – wobei noch weitere ihr Leben verlieren – sind die Amerikaner zutiefst geschockt über das, was ihnen berichtet wird. Und rächen sich kompromisslos an deutschen Kriegsgefangenen, vornehmlich jenen in der Uniform der Waffen-SS. Die US-Propaganda wird systematisch aufgebauscht, um den eigenen Männern einen Grund zum äußersten Widerstand zu liefern. Es gibt unter dem Eindruck der aufgeheizten Stimmung sogar ausdrückliche offizielle amerikanische Befehle zum Gefangenenmord.

Peiper stürmt derweil weiter – wie im Rausch. Nach Erreichen jener befestigten Straße wendet er sich wieder nach Süden zu seinem planmäßigen Angriffssektor – in Richtung Ligneuville. Dort soll nach der Aussage eines US-Gefangenen aus Honsfeld irgendein Hauptquartier der Amerikaner sein. Es wäre nicht schlecht für Peipers Ehrgeiz, hochrangige amerikanische Offiziere „in Gewahrsam“ nehmen zu können. Peiper kommt nur knappe zehn Minuten zu spät – General Edwards J. Timberlake kann ihm gerade noch entkommen. Ein Feuergefecht mit amerikanischen Sherman-Panzern der 9th Armoured Division kostet die Kampfgruppe einen Panther – der überraschend feuernde US-Panzer war gut getarnt in Stellung gestanden. Nun ist er erkannt. Sein Rohr schwenkt jetzt auf Peipers Schützenpanzer. Dessen Fahrer spurtet zurück – auf Kosten eines anderen deutschen Halbkettenfahrzeuges, welches nicht schnell genug in Deckung kann. Peiper schnappt sich persönlich eine Panzerfaust, um dem „Ami“ da drüben den Garaus zu machen. Ein anderer deutscher Panzer kommt ihm zuvor. Die Amerikaner verlieren noch einen weiteren Sherman und einen M10-Jagdpanzer.

General Timberlake ist Peiper zwar entwischt – doch für zehn Amerikaner, die in Ligneuville in Gefangenschaft geraten, erscheint Peipers Truppe zehn Minuten zu früh! Waffen-SS-Soldaten töten sie. Hierfür gibt es keine erkennbaren mildernden Umstände mehr!

Auch nicht für den völlig unerklärlichen brutalen Mord an Dutzenden von Zivilisten in Stavelot.

Überlebende berichten, die Soldaten der Waffen-SS hätte bei ihrem Amok-Lauf wie irr in ihren Augen ausgesehen. Es gibt unbestätigte Vermutungen hinsichtlich des Aufputschmittels Pervitin. Eine Droge, welche über Tage hinweg wach hält, ferner ein unbändiges Gefühl von Selbstbewusstsein und Stärke verleiht. Und als Nebenwirkung Persönlichkeitsveränderungen, Psychosen und Paranoia bewirkt ...

Mag sein. Es mag eine Erklärung sein, denn unverständlich ist, warum sich Peipers Männer sowohl amerikanischen Kriegsgefangenen gegenüber als auch im Umgang mit der Zivilbevölkerung größtenteils völlig korrekt verhalten, einige von ihnen aber in anderen Situationen dann unvermittelt „völlig ausrasten“. Doch selbst wenn Pervitin eine Rolle spielen sollte: es rechtfertigt genauso wenig etwas, wie die „aufgeputschten“ Amerikaner für ihre Rache gute Gründe finden könnten!

Die Waffen-SS-Soldaten sind indoktrinierte Männer, linientreu und überwiegend dazu bereit, mit letztem Einsatz zu kämpfen. Sie verstehen sich als eine Elitetruppe. Manche von ihnen sind rücksichtslose Fanatiker. Ihr militärischer Kampfgeist ist mit den skrupellosen Methoden der politischen SS allerdings dennoch nicht unbesehen zu vergleichen, wobei ideologisch motivierte Übergriffe und Vergeltungsakte allerdings bei Waffen-SS-Truppen häufiger auftreten als bei Wehrmachteinheiten.

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Ein deutscher Königstiger passiert eine Kolonne amerikanischer GI’s auf ihrem Marsch in deutsche Gefangenschaft. In aller Regel werden die Kriegs-Gefangenen beider Seiten absolut korrekt behandelt. Erst nach Exzessen wie jene von Peipers Truppen kommt es zu ähnlichen US-Racheakten an wehrlosen deutschen Soldaten.

Um 19.30 Uhr erreichen die Panzerspitzen von Peipers Vorhut die steilen Uferstraßen des Flüsschens Amblève bei Stavelot. An einer durch den bergseitigen Steilhang, einen Felsen und den Steilabhang zum Fluss gezielt blockierten Straßenbiegung oberhalb des Ortes kommt es zum Feuergefecht mit amerikanischen Pionieren, die mit Bazookas antworten. Beide Seiten ziehen sich zunächst zurück.

Um 06.30 Uhr des 18. Dezember 1944 beginnt der deutsche Angriff mit Artilleriefeuer. Gegen 08.00 Uhr rollen die Panzer die verminte Straße zur Brücke hinunter und werden dabei noch vom gegenüberliegenden Ufer durch ein einzelnes 76-mm-US-Geschütz unter Feuer genommen. Es hält die Deutschen nicht auf. Die kleine Steinbrücke in Stavelot ist zur Sprengung vorbereitet – doch nichts geschieht. Die Deutschen kommen unbehelligt über die Brücke ans nordwestliche Flussufer. Liegt es am Überraschungsmoment? Kaum denkbar. Vielleicht ist Befehlschaos der Grund – oder „technisches Versagen“. Noch heute steht ein amerikanisches Halbkettenfahrzeug als Denkmal an der Brücke.

Die deutschen Kampffahrzeuge rasseln die Straße zum Marktplatz hoch. Dort steht ein weiteres amerikanisches 76-mm-Geschütz und deckt die vorstoßenden Panzer ein. Maschinengewehrfeuer von den Straßenzügen zur Rechten behindert den Vormarsch. Die Deutschen erklimmen die steilen Hangstraßen im Ort zur linken, der Amblève abgewandten Seite und umgehen den Widerstand. Daraufhin sprengen die Amerikaner ihre Kanone. Der Weg über die Hauptstraße (Rue du Châtelet) ist nun frei. Warum es zu den oben bereits erwähnten Exzessen an diversen Einwohnern kommt, ist rätselhaft.

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Image zeigt die Vormarschroute der „Kampfgruppe Peiper“,

Image Ihren Rückzug.

In der Nähe befindet sich ein amerikanisches Benzinlager. US-Major Paul J. Solis lässt es vorsorglich in Brand setzen – doch die Deutschen kümmern sich gar nicht darum. Sie preschen weiter nach Trois Ponts, dem nächsten heiklen Flussübergang. Peiper hatte bereits auf einer Nebenstraße am südöstlichen Ufer der Amblève eine zweite Streitmacht nach Trois Ponts in Marsch gesetzt, um den wichtigen Kreuzungspunkt mit seinen Brücken von zwei Seiten in die Zange nehmen zu können. Gegen 11.15 Uhr fliegt die Brücke über die Amblève nach einem kurzen Schusswechsel mit einem 76-mm-US-Geschütz in die Luft – noch steht jene über den Fluss Salm. Der Angriff erfolgt ungestüm – bevor die deutschen Panzer die kurvenreichen Hangstraßen überwinden können, strömen die Panzergrenadiere im Sturmlauf die bewaldeten Bergflanken hinunter. Um 13.00 Uhrhaben sie die Salm-Brücke fast erreicht. Doch die amerikanischen Pioniere zünden die Sprengladungen vor den Augen der Angreifer.

Dieser Fehlschlag wird bald wieder ausgeglichen durch die Einnahme einer intakten Brücke über den Fluss Amblève bei Cheneux – die amerikanerischen „engineers“ dort warten noch auf den Befehl zur Sprengung, als sie bereits überrollt werden. Durch diesen Übergang gelangt die Kampfgruppe Peiper nun doch in den westlichen Rücken des Flusses Salm.

Kaum hat die Vorhut Peipers die Brücke überquert, erfolgt ein schwerer amerikanischer Jagdbomberangriff, der Peiper trotz erbittertem Feuerhagel seiner „Wirbelwind“-Flakpanzer zwölf Fahrzeuge kostet, darunter zwei wertvolle Panther-Panzer, ferner einige 3,7-cm-Flak-Kanonen auf Selbstfahrlafette.

Inzwischen erobern die US-Truppen (117th Infantry Regiment) einen Teil von Stavelot zurück, während gleichzeitig die umdirigierte Kampfgruppe Knittel durch den Ort zur Verstärkung Peipers vorstößt. Amerikanische Jagdpanzer vernichten einige deutsche Fahrzeuge. Die Lage ist alles andere als stabil!

Da die Brücken über die Lienne nahe Froidville gesprengt sind, hat Peiper keine andere Wahl, als bei Cheneux über die Amblève zurückzugehen und auf dem Nordufer weiter vorzurücken.

Um 09.00 Uhr morgens am 19. Dezember 1944 greift Peiper den von den Amerikanern gehaltenen Ort Stoumont an. Im Morgennebel arbeiten sich die Panzer heran an den Ort, der vom 3rd Bataillon des 119th US-Regimentes gehalten wird. Die Panzer sind schon fast im Ort, als die Gegenwehr einsetzt. Der erste Panther fällt in der Nähe der Kirche einem US-90-mm-Flugabwehrgeschütz zum Opfer.

Der Kampf dauert volle zwei Stunden, die Amerikaner verlieren etwa 250 Mann und 100 Gefangene. Doch dann gehört Stoumont den Deutschen. Peiper lässt sofort weiter vorstoßen, setzt den zurückweichenden Amerikanern nach. Doch jene haben jenseits des Ortes am Bahnhof eine starke Panzersperre errichtet. Es ist 15.30 Uhr – und immer noch neblig. Als die ersten Panther frontal aus dem Dunst auftauchen, fällt den Amerikanern auf, dass die deutschen Panzerbesatzungen nur noch sehr langsam reagieren. Dies könnte ein Indiz auf Übermüdung sein, die dann, wenn sie zuvor medikamentös unterdrückt wird, plötzlich mit Macht einsetzt. Die US-Kanoniere schießen ohne Mühe als Erste ...

Als drei Panther brennen, gibt Peiper vorerst den weiteren Vorstoß auf. Seine Nachschublage wird allmählich kritisch – und er benötigt nun Verstärkung. Diese ist unterwegs – inzwischen ist die gesamte 1. SS-Panzerdivision dazu befohlen, Peipers Sturmlauf-Erfolge auszunützen. Die Kampfgruppe Sandig hat Stavelot endgültig zu erobern und zu sichern, unterstützt von der Kampfgruppe Knittel. Doch so einfach gestaltet sich das nicht. Die Amerikaner haben sich von ihrem ersten Schock erholt und sammeln nun ihre mächtige Streitmacht zum Gegenangriff. Er erfolgt am 20. Dezember 1944.

Der Gegenstoß der US-Truppen erleidet zwar schwere Verluste – alleine bei Petit-Spai nahe Stavelot werden die sechs ersten Sherman-Panzer der vorstoßenden Amerikaner durch deutsche Panzerabwehrgeschütze (Pak) und Panzerkanonen vernichtet. Doch die Amerikaner können die Straße zwischen Stavelot und La Gleize einnehmen und halten. Peipers Kampfgruppe ist abgeschnitten! Stoumont liegt unter amerikanischem Dauerfeuer. Fallschirmjäger des 504th US-Parachute Regimentes greifen über offenes Feld und Stacheldrahtverhaue Cheneux an. Sie erleiden entsetzliche Verluste und benötigen drei Versuche, um die erste Häuserzeile zu erreichen. Erbitterte Nahkämpfe entbrennen – die Amerikaner sind in der Überzahl, entreißen den Deutschen schließlich auch noch das Saint-Edouard-Sanatorium. Um Mitternacht erobern die Panzergrenadiere Peipers das Gebäude zurück.

Inzwischen tobt der Kampf um Stavelot und geht schließlich für die Deutschen verloren. Um 05.00 Uhr früh am 21. Dezember 1944 gelingt es amerikanischen Pionieren des 105th Combat Bataillons, die wertvolle Brücke zu sprengen. Für die hart bedrängte Kampfgruppe Peiper ist es eine Katastrophe.

Peipers Männer sind in einer verzweifelten Situation. Sie haben kaum noch Munition, geschweige denn Benzin. Als auch Stoumont nicht mehr zu halten ist und der letzte Stützpunkt der Kampfgruppe, das Dorf La Gleize, im amerikanischen Artilleriefeuer in Schutt und Asche versinkt, bleibt Peiper nichts mehr anderes übrig, als den mageren Rest seiner Männer am 24. Dezember 1944 zu Fuß nach Süden in Richtung auf Trois Ponts zu führen. Nach mehreren Feuergefechten mit den Amerikanern und Durchwaten des eiskalten Wassers der Salm erreichen schließlich noch 770 Mann die eigenen Linien. Sämtliche schweren Waffen mussten sie teilweise intakt zurücklassen.

Am 21. Dezember 1944 fällt das lange von der 7. US-Panzerdivision gehaltene St. Vith in deutsche Hand. Es ist noch einmal ein wichtiger, mühsam erfochtener Erfolg für die deutschen Angreifer. Doch am 23. Dezember 1944 klart es auf. Für die hart bedrängten amerikanischen Bodentruppen ist es ein Geschenk des Himmels.

Weitere Präsente folgen – in Form von Bomben und Raketen.

Alliierte Bombenteppiche liegen von nun an ohne Unterlass auf allen Straßen und Wegen im Gebiet der deutschen Rückeroberung. Zunächst konzentrieren sich die Amerikaner noch auf die Brücken und Versorgungseinrichtungen. Die nur noch mühsam vorstoßenden deutschen Einheiten werden jedoch zunehmend aus der Luft angegriffen, es ist bald kaum noch eine Bewegung auf offener Straße möglich. Raketen und Bomben richten unter den Kampfverbänden und noch verheerender unter den Nachschubkolonnen ein grauenhaftes Blutbad an – besonders an Hangstraßen, an denen kein Ausweichen in Deckung möglich ist. Benzin – ohnehin Mangelware – kommt nicht mehr durch, Panzerverbände müssen ihre noch intakten Panzer selber in die Luft jagen, da sie bewegungsunfähig sind. Es kommt, wie es kommen musste. Und immer noch wird verbissen gekämpft, dennoch! Wenn nicht mit Panzern, dann eben mit Panzerfäusten (jene erwähnten Infanteriehandwaffen zur Panzerbekämpfung im Nahkampf, welche von einem Rohr aus Hohlladungsgeschosse feuern). Die Deutschen geben nicht auf ...

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Ein verlassener Panzer VI „Königstiger“ im Dorf La Gleize.

Auf dem Boden ringen die amerikanischen Kommandeure noch weiter mit ihrer Fassung und dem entstandenen Organisationschaos. Doch allmählich stabilisiert sich die Befehlsstruktur wieder. Am 22. Dezember 1944 um 04.00 Uhr tritt US-General Patton zum Gegenschlag an. Die 26., 80. und 4. US-Panzerdivision stoßen vor. Immer noch ist Bastogne umzingelt, die Fallschirmjäger der 101st US-Airborne Division halten sich hartnäckig. Am Vormittag des 26. Dezember 1944 hat sich die 4. US-Panzerdivision bis zum Weiler von Assenois durchgekämpft und ihn zerstört. Zehn Minuten vor 17.00 Uhr erkennen die Männer eines Stoßtrupps mit drei Sherman-Panzern und einigen Halbkettenfahrzeugen ein Gefecht vor ihnen. Soldaten in Khaki-Uniform greifen ein Blockhaus an – es sind die Soldaten des 326. US-Pionierbataillons aus Bastogne. Der deutsche Umzingelungsring um Bastogne ist durchbrochen.

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Amerikanischer M4 „Sherman“-Panzer, hier mit der herkömmlichen Kanone der US-Version. Das Foto entsteht am 31. Dezember 1944 während der Kämpfe um die Stadt Manhay (15 Kilometer südwestlich von Chenaux).

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Britische Panzer des amerikanischen Typs M4 „Sherman“ auf einer Straße im Kampfgebiet. Am Nordabschnitt des deutschen Vorstoßes kommen zunehmend die Engländer den US-Truppen zu Hilfe.

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Dieser deutsche Panzer IV ist nach dem Treffer einer Granate, die ein USM10-Panzerjäger abgefeuert hatte, offensichtlich explodiert.

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Amerikanische Soldaten nehmen die belgischen und luxemburgischen Ortschaften erneut ein. Die Folgen der erbitterten Kämpfe sind augenfällig.

Von nun an werden die Deutschen zurückgedrängt. Doch sie wehren sich erbittert, kämpfen um jeden Meter. Die Amerikaner setzen ihre gesamte Materialüberlegenheit ein. Dorf für Dorf wird dem Erdboden gleichgemacht, mit Bomben und Artilleriefeuer. Es trifft auch viele Dörfer, die bereits aus taktischen Gründen von den deutschen Truppen geräumt wurden. Die amerikanische Kriegsmaschinerie fragt nicht lange und geht auf „Nummer Sicher“. Ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, die sich bis heute sowohl an die Deutschen als auch an die Amerikaner mit sehr gemischten Gefühlen erinnert.

Samstag, 23. Dezember 1944

Die Meteorologen hatten eine Wetterbesserung vorhergesagt – wenn auch immer noch weit entfernt von guten Flugbedingungen. Es sollte bedeckt sein, aber mit ausreichender Bodensicht. Genau das war es, worauf man ungeduldig gewartet hatte. Seit Beginn des deutschen Angriffs hatte man Einsätze zwar geflogen, doch fast blind. Mag Radar beim Anflug auf eine Stadt genügend Orientierung bieten – inzwischen hat man diese Geräte ja zur Verfügung – einen Panzer oder eine Lastwagenkolonne trifft man so nicht! Die amerikanischen Piloten wissen, was ihre Bodensicht bedeutet. Vor allem für die Kameraden in den Schützengräben! Für sie ist es eine Frage des Überlebens!

Täglich gehen Hiobsbotschaften von der Ardennenfront ein. Die Jungs dort werden übel in die Mangel genommen. Der Nachschub für die verdammten deutschen Angriffstruppen wird offenbar ohne Unterlass herangeführt. Er wird überwiegend mit der Bahn nach vorne gebracht. Die Züge jedoch müssen alle über Brücken! Vor allem Brücken in Mayen, Eller, Euskirchen und Ahrweiler.

Wenn es gelingt, diese Brücken zu zerstören, dann muss die deutsche Angriffskraft nachhaltig geschwächt werden, das liegt auf der Hand. Ohne Nachschub bricht jede Offensive zusammen!

624 amerikanische zweimotorige Mittelstreckenbomber des Typs Martin B-26 „Marauder“ und Douglas A-20 „Havoc“ stehen bereit. Das Oberkommando der 9. US-Luftflotte hält die eigenen Begleit-Jäger zunächst noch zurück, bis zuverlässige Berichte über die Sichtverhältnisse im Zielgebiet vorliegen.

Die 323rd Bomb Group erhält den Befehl, die Brücke von Eller zu zerstören. 30 B-26 „Marauder“ starten von Laon-Athies, ergänzt um drei Bomber, welche Stanniolstreifen („Windows“ bzw. „Düppel“) abwerfen sollen, um die Radarzielgeräte der deutschen Flugabwehr-„Flak“-Geschütze zu stören. Außerdem fliegen drei „Pfadfinder“-Lotsenflugzeuge mit. Die amerikanische Formation wird von heftigem, akkurat gezielten deutschen Flak-Feuer empfangen. Mehrere Bomber erhalten Treffer. Eine B-26 wird über dem Ziel abgeschossen, eine weitere muss noch im letzten Moment über dem eigenen Flugplatz von der Crew verlassen werden. Zwei von ihnen landen mit einem brennenden Motor, eine weitere B-26 hat nach dem Angriff stolze 200 Löcher mehr im Rumpf als vorher. Sie schießt bei der Landung über die Landebahn hinaus und bleibt schwer beschädigt liegen. Doch die Brücke ist nicht zerstört.

Feindliche Jäger hatte man nicht angetroffen – wie so oft. Die „Jerries“ (Deutschen) haben wohl nicht mehr genug davon. Doch auch die eigenen Begleitjäger, deren Start nun freigegeben wird, kommen durch die ungeheure Vielzahl der heute zu fliegenden Einsätze an die Grenze ihrer Möglichkeiten.

Nun, die „Jerries“ haben in der Tat nicht mehr genug Jäger, um der ungeheuren alliierten Übermacht Paroli bieten zu können. Doch von denen, die sie haben, ist ein hoher Prozentsatz im Hinterland der Ardennen massiert. 1.492 Jagdflugzeuge, wenn auch längst nicht alle einsatzfähig.

Die 387th Bomb Group wird es zu spüren bekommen, sie ist auf die Eisenbahnbrücke von Mayen angesetzt. Das Wetter ist miserabel, dunstig – noch. Daher ist den Bomber-Boxen jeweils ein Pfadfinder-Flugzeug zugeteilt, dessen Radarausrüstung sicher zum Ziel finden und zur Not auch ohne Sicht den Bombenabwurf durchführen lässt – auf Kosten der Treffergenauigkeit, doch immerhin! Na gut, es wird schon noch aufklaren. Allmählich fliegt die Formation über Feindgebiet. Da unten muss Bastogne sein. Flak-Wölkchen tauchen auf, zwingen zu den üblichen Ausweichmanövern. Das kann ja noch heiter werden. Wo, zum Teufel, ist der Jagdschutz? Der vereinbarte Ort zum Rendezvous ist längst überflogen. Nun denn, in letzter Zeit hatte die „Luftwaffe“ ja nicht mehr allzu viel Ärger bereitet. Aber ein mulmiges Gefühl bleibt den Besatzungen doch! Hoffentlich geht das gut!

Es geht nicht gut! Etwa um 09.35 Uhr erschüttert ein entsetzter Warnschrei die Kopfhörer der Besatzungen. „Huns“ – deutsche Jäger! Messerschmitts! Die II./JG 11 ist bereits in der Luft, als der amerikanische Verband gemeldet wird. Ihre Me 109 G-14/AS patrouillieren über dem Hohen Venn bei Bastogne. Sie sind die ersten deutschen Jagdflugzeuge, welche eine der „Marauder“-Gruppen dezimieren. Immerhin ist dies keine einseitige Angelegenheit, denn die amerikanischen Bordschützen können sechs ihrer Angreifer vom Himmel holen. Drei der Messerschmitt-Piloten fallen oder sind seither vermisst, was gleichbedeutend ist. Es sind Leutnant Josef Heyer (Stab der II. Gruppe, Image, Werknummer 783923), Unteroffizier Gregor Fähnrich (5./JG 11, Image, Werknummer 785132) und Unteroffizier Klaus Fischer (6. Staffel, Image, Werknummer 785601). Drei weitere werden verwundet, konkret Fähnrich Willi Schmitz (5./JG 11, Image, Werknummer 784188) und Fahnenjunker-Feldwebel Josef Körkemeier (6./JG 11, Image, Werknummer 785106), ebenso Leutnant Erhard Rösner (7. Staffel/JG 11, Image, Werknummer 785599). Dass die Piloten ungefähr dieselbe Anzahl an Bombern zum Absturz bringen, ist die andere Seite der Medaille. Sechs „Marauder“ werden zwischen 09.40 Uhr und 09.50 Uhr als abgeschossen gemeldet.

Die 387th Bomber Group verliert tatsächlich mindestens vier ihrer Bomber. Einer der Piloten, Clyde Harkins, erinnert sich gut an diesen Einsatz. Er führt die Höhengruppe der zweiten Bomber-Box, bestehend aus sechs „Marauder“-Bombern, und hat an diesem Tag Geburtstag. Sein Überleben ist das wertvollste Geschenk!

„Nahe Bastogne beginnen wir, mäßigen Flakbeschuss zu erhalten. Kurz darauf werden wir per Funk vor Jägern in der Gegend gewarnt. und fast unmittelbar danach werden wir auch schon angegriffen von 15-25 Jagdflugzeugen, überwiegend Me 109. Ich halte meine Gruppe aus sechs Bombern eng am Führungsbomber der Box, um die Feuerkraft beider Sechsergruppen konzentrieren zu können.

Ich beobachte die untere Gruppe der Box und sehe viele Feindjäger im Angriff durchstoßen, aus allen Rohren feuernd. Ich sehe Teile wegfliegen von den B-26, sehe, wie sie brennen und außer Kontrolle abtrudeln. Wenn ich mir die Szene heute vergegenwärtige ist es, als laufe in Zeitlupe ein Film ab mit Jägern, die zum Angriff eindrehen, und B-26-Bombern, die vom Himmel fallen. Es ist sehr belastend, weil ich nur die Waffen der Jäger feuern sehe, aber nicht ein einziges unserer Abwehr-Maschinengewehre zurückschießen sehe. Ich berichte das später beim Protokoll, dabei wird mir dann klar, dass ich von meinem Beobachtungs-Standpunkt aus unser Abwehrfeuer gar nicht sehen kann. Es dauert nicht lange, dann sind alle Maschinen der unteren Gruppe verschwunden. Es sieht so aus, als wären alle von ihnen abgeschossen worden, doch ich denke, eine oder zwei werden es wohl geschafft haben – wenn auch mit Sicherheit schwer beschädigt.

Während des Angriffs taucht plötzlich aus dem Nichts einer der deutschen Jäger neben meiner linken Tragfläche auf und wir sehen uns direkt ins Gesicht. Dann zieht er hoch und verschwindet.

In der Zwischenzeit nehmen sich nun die feindlichen Jäger den Führungsbomber der Box und meine Gruppe vor, brechen den Angriff aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund ab, bevor sie einen von uns herunterholen. Mein Heckschütze, Joe Paduano, erhält den Abschuss einer Me 109 zugesprochen. Während dieser Aktion fliegt plötzlich einer der Me 109-Jäger direkt vor mir einen Frontalangriff. Ich versuche, meine vier seitlich am Rumpf festinstallierten schweren 12,7-mm-MGs auszulösen, aber in all dem Durcheinander hatte man vergessen, sie mit Munition zu laden! So verpasse ich meine Chance auf einen Abschuss – eine verpasste Gelegenheit, die nie wiederkommt!

Die Jäger verziehen sich, als wir uns dem Ziel nähern – stattdessen handeln wir uns jetzt massiven und sehr exakt gezielten Flak-Beschuss ein. Unser Pfadfinder-Bomber verlässt aus unbekanntem Grund die Formation und wird später unter und hinter der Bomber-Gruppe dabei beobachtet, wie er von Jägern angegriffen und zerstört wird.

Es gibt keinen von uns, der nicht entweder von Jägern oder von Flak-Geschossen beschädigt worden wäre heute. Ein Bomber meiner Box muss mit nur einem Triebwerk nach Hause fliegen, ein anderer ist so schwer beschädigt, dass die Kiste nach der Rückkehr verschrottet werden muss.

Und zu allem Überfluss liegt das Ziel bei unserem ersten Anflug auch noch unter einer Wolkendecke. Doch es sind Lücken in dieser Wolkenschicht, und mein Bombenschütze, Warren Butterfield, meint, dass wir gute Chancen haben, bei einem weiteren Anflug die Brücke zu erwischen. Also das Ganze noch mal, wieder mitten durch die Flak, und Butterfield visiert das Ziel erneut an. Er wirft die Bomben mitten ins Schwarze und schaltet die Brücke aus – Mission erfüllt! Der Bombenteppich liegt innerhalb von 35 Metern um den Zielpunkt herum mit direkten Treffern auf die Brücke.

Von 36 Bombern der 387th Bomber Group sind wir die einzige Gruppe, die das Ziel trifft. Ein Aufklärungsflugzeug meldet am nächsten Tag, dass ein Bogen der Brücke zerstört ist, ein anderer teilweise zerstört. Auch die Schienen selber sind unterbrochen. Ein Bahnbetrieb von Andernach nach Pelm ist somit unmöglich. Sowohl Dick Gunn (Befehlshaber der zweiten Box) als auch ich erhalten die Silver-Star-Medaille für diese Mission.“

Die 391st und 386th Bomb Group sind nun an der Reihe, etwa 60 zweimotorige Maschinen insgesamt. Am späten Vormittag sind die B-26 „Marauder“-Bomber der 386th BG zu einem Angriff auf Nideggen unterwegs, während die gegen 10.00 Uhr in Roye Amy (Frankreich) startenden 31 B-26 der 391st BG zum Angriff auf das 45 Kilometer entfernt liegende Viadukt von Ahrweiler angesetzt sind, geführt von einem mit Radargeräten ausgerüsteten „Pfadfinder“-Lotsenbomber.

Dieser wird bereits vor dem Ziel von der deutschen Flak abgeschossen. Er fehlt nun, es ist eine empfindliche Lücke! Sein Fehlen gefährdet die Zielfindung und somit den Einsatzerfolg!

Doch noch etwas fehlt – nämlich der eigene Jagdschutz. Am vereinbarten Treffpunkt hatte sich kein einziger amerikanischer Jäger gezeigt. Die Mittelstreckenbomber müssen alleine weiterfliegen und auf die Abwehrkraft der Bordschützen mit ihren Maschinengewehren vertrauen. Und das gefährdet auch etwas – das eigene Leben!

Das Viadukt liegt unter tief liegenden Wolken, sodass der Zielanflug zur Glückssache wird. Und Glück braucht man auch, um den Richtschützen der deutschen Geschütze zu entgehen. Der erste Anflug schlägt fehl! Also muss die Streitmacht trotz Höllenfeuer der Flak ein zweites Mal auf Zielkurs gehen. Als Captain Edward M. Jennsen die zweite Box (Welle) erneut zum Angriff führt, fehlen tatsächlich bereits fünf seiner Maschinen.

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Martin B-26 „Marauder“ nach Treffer im rechten Motor.

Der Bombenanflug ist schwierig – und muss sorgfältig eingeleitet werden. Und das alles unter diesem mörderischen Flak-Beschuss. Doch die amerikanischen Besatzungen wissen um die Bedeutung ihres Einsatzes. „Bomben los“ („Bombs away!“)! Die Reihen-Einschläge lassen die Erde erzittern. Soweit man sieht, müssten sie im Ziel liegen. Doch auch die Deutschen hatten getroffen – Jennsens Marauder-Bomber brennt! Und damit nicht genug – der Anflug hatte für die Deutschen lange genug gedauert, um die amerikanische Streitmacht im Radar erfassen und Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

Damit haben es die Amerikaner daher noch keineswegs überstanden! Sie sind nun auf dem Rückflug, in dem Gefühl, dass der schwere Einsatz bisher schon mehr als genug Opfer gefordert hat. Es wird jetzt doch noch nach Hause reichen! Viele Augenpaare suchen hoffnungsvoll den Himmel ab ...

Für eine ganze Reihe von ihnen nicht! Wo sind bloß die „little friends“ geblieben, die amerikanischen Begleitjäger, die bis jetzt den diesbezüglich verwöhnten amerikanischen Bomberbesatzungen in der Regel die „Hunnen“ vom Halse hielten? Dass die Deutschen sich eine Zeitlang in ihrem Frontabschnitt zurückgehalten hatten, um ihre Jäger für diese entscheidende Bodenoffensive zu horten und zu schonen, wissen sie nicht. Jetzt sind die „little friends“ plötzlich überfordert. So viele Feindjäger auf einmal hatten sie schon lange nicht mehr gesehen. Und die Jungs der 391stBGfliegen immer noch alleine.

Verflucht noch mal! Jäger! Und zwar deutsche! Das darf doch nicht wahr sein – um Gottes Willen! Focke-Wulf 190 drehen nun auf den amerikanischen Verband ein. Es sind die Focke-Wulf Fw 190 A-8/R2 und A-9 der IV./JG 3, „Sturmjäger“, vielfach gesteuert von abgebrühten Piloten, gewohnt, mit den schwerst bewaffneten amerikanischen viermotorigen Fliegenden Festungen fertig zu werden.

Einen kaltblütigeren Gegner hätten sich die Amerikaner kaum aussuchen können!

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Dieser Fotograf hat Nerven! Mitten im Angriff der Sturmjäger der IV. Gruppe des JG 3 entsteht diese bemerkenswerte Aufnahme.

Sie sind gewillt, mit den zweimotorigen B-26 „Marauder“ ohne Jagdschutz kurzen Prozess zu machen. „Ohne Jagdschutz“ stimmt nicht ganz, denn um 11.33 Uhr bis 11.38 Uhr verirren sich drei „Thunderbolts“ vor die Reflexvisiere der Unteroffiziere Löschenkohl und Drdla (13./JG 3). Sie werden alle drei abgeschossen. Ab 11.39 Uhr haben die Piloten der 13., 14., 15. und 16. Staffel die „Marauders“ im Visier. Diese sind auch nicht gerade schwach bestückt mit Abwehr-Maschinengewehrständen. Deren Bordschützen sind grimmig entschlossen, ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Dennoch – es ist eine Angelegenheit von gerade mal neun Minuten. Wie gewohnt fliegen die Sturmjäger in Formation nebeneinander an. Die US-Bomber fliegen verzweifelte Ausweichmanöver, ihre Bordschützen feuern sich die Rohre heiß. Sie kämpfen um ihr nacktes Leben. Doch jene neun lange Minuten später fehlt eine große Zahl weiterer amerikanischer Bomber am Himmel, von den in Sturmjägerversion besonders schwer bewaffneten deutschen Fw 190 A-8-Jagdflugzeugen regelrecht in Stücke geschossen.

16 B-26 verliert alleine die 391st BG in diesem Einsatz (insgesamt durch Jäger und Flak). Jede 2te! Dafür, dass eine von drei Brücken zerstört wird, die wenige Tage später wieder repariert ist. Und dies, obwohl eine Stunde später B-24 „Liberator“ der 8th USAAF Ahrweiler zur Trümmerwüste machen.

Zwei deutsche Piloten fallen, einer wird verwundet. Die getöteten Deutschen sind Oberfeldwebel Gerhard Wilhelm (Stab IV./JG 3, Image, Werknummer 682264) und Unteroffizier Hans-Günther Wichmann (16./JG 3, Image, Werknummer 682757). Dagegen wird Oberfeldwebel Rudolf Schlattner (13./JG 3, Image, Werknummer 682260) „nur“ vom Feind verletzt. Aus derselben Staffel kann Unteroffizier Erhard Kröber nach Abschuss seiner Focke-Wulf Fw 190 A-9 zurückkehren (Image, Werknummer 205285), ebenso wie die Piloten der 16. Staffel (Fw 190 A-8/R2) Unteroffizier Karl-Heinz Pütt (Image, Werknummer 682762) und Unteroffizier Werner Talkenberg (Image, Werknummer 682274).

Die 322nd Bomb Group hat das Glück, von Begleitjägern des Typs P-38 „Lightning“ der 392nd Fighter Squadron geschützt zu werden. Doch damit ist das Glück der Einheit bereits aufgebraucht. Die B-26 „Marauder“ geraten nahe ihrem Zielgebiet bei Euskirchen an deutsche Messerschmitt Bf 109-Jäger. Die Lightnings tun ihr Bestes und schießen gegen 11.20 Uhr angeblich vier deutsche Jäger ab, verlieren dabei allerdings auch eine ihrer Lightnings. Dies lässt sich hinsichtlich Ort und Zeit mit einem Luftkampf der I./JG 77 in Übereinstimmung bringen. Um 11.08 Uhr meldet Leutnant Kühdorf (1./JG 77) den Abschuss einer B-26, zwei Minuten später gefolgt von einer Lightning, die Leutnant Nickel (4./JG 77) vor des Reflexvisier bekommt. Feldwebel Karl Mehner wird in seiner Me 109 G-14 (1./JG 77, (Image, Werknummer 512348) im Gegenzug abgeschossen (angeblich von einer P-47, an anderer Stelle von „Jäger“ Image P-38 ?) und stirbt beim Aufprall seines Jagdflugzeuges. Leutnant Friedrich Zuber (1./JG 77, Image, Werknummer 511899) entkommt den Amerikanern verwundet. Seine „G-14“ wird „20 bis 30 Kilometer südlich von Düren“ getroffen. Diese Angabe entspricht genau Euskirchen!

Die P-38-Piloten können nicht verhindern, dass auch drei ihrer Schützlinge den deutschen Bordwaffen zum Opfer fallen – das sind ebenso viele, wie die um 11.10 Uhr gestarteten Piloten der III./JG 3 etwas später mit ihren Me 109 G-14 und K-4 nordöstlich von St. Vith vom Himmel holen. Allerdings fehlt die Erwähnung von P-38 in diesem Zusammentreffen, der einzige Abschuss des Gegners – abgesehen von einem unfreiwilligen Rammmanöver des Fähnrichs Adolf Thamm, der sich nach Abriss der linken Tragfläche seiner Me 109 K-4 mit dem Fallschirm retten kann – ist die Me 109 des Unteroffiziers Josef Schuster, dessen Messerschmitt (Image, Werknummer 464128) nicht einer „Lightning“, sondern den B-26-Bordschützen zum Opfer fällt. Möglicherweise schlagen sich die P-38 immer noch mit den Me 109 des JG 77 herum, während der weiter nach Hause fliegende Marauder-Verband bereits der nächsten Messerschmitt-Gruppe in die Arme fliegt.

Wo kommen nur die vielen „Hunnen“ her? Eine vierte B-26 schafft es noch bis in die Nähe von Sedan, dann verlässt die Besatzung das angeschossene Flugzeug. Alle vier B-26-Bomber sind Totalverluste, sodass die Abschusszahlen der I./JG 77 (1 B-26, 1 P-38) und der III./ JG 3 (3 B-26) in dieser Abfolge exakt nachzuvollziehen sind, während sich die vier von den Lightnings beanspruchten Erfolge in dieser Konstellation auf zwei, mit Schuster auf drei Abschüsse reduzieren.

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B-26 „Marauder“ der 496th Bomb Squadron, 344th Bomb Group.

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Abschuss einer Marauder.

Die Brücke von Eller

Die Brücke war beim ersten Angriff nicht zerstört worden. Es muss also noch mal versucht werden!

Die 397th Bomb Group erhält Startbefehl. Das Ziel ist die vermaledeite Brücke! Die Besatzungen sind sensibilisiert, jeder tut sein Bestes. Es muss, es muss einfach gelingen.

Der Anflug erfolgt. Die Bomber tragen schräge gelbe Markierungen am Seitenleitwerk, schwarz umrahmt – das Kennzeichen der 397th Bomb Group. Unter ihren silbrig glitzernden zweimotorigen „Vögeln“ sehen die Bordschützen die friedlich fließende, romantisch in ihrem Tal eingebettete Mosel. Wäre nicht das mörderische Flakfeuer um Eller, Neef und die weitere Umgebung dieser verdammten Brücke, es wäre fast idyllisch. Doch romantische Gefühle haben keinen Platz im Kriegshandwerk. Den US-Jungs ist auch nicht danach. Zu dick ist der Klos im Hals. Er hat einen Namen: Angst.

Die Pfadfinder-Bomber werfen ihre Stanniostreifen ab, um das deutsche Flak-Radar zu stören. Viel scheint das nicht zu nützen. Das deutsche Feuer liegt präzise, als die erste Welle den Zielanflug beginnt. Nun hat der Pilot nichts mehr mit dem Kurs des Flugzeuges zu tun. Der Bombenschütze führt die Maschine ins Ziel. Mit einem kreischenden Schlag trifft es die erste der Unglücksmaschinen. Die deutschen Flak-Kanoniere schießen unheimlich gut. Der Bomber zerschellt, kurz darauf gefolgt von einem zweiten. Die Wolkendecke reißt auf, gerade lange genug, um genügend Sicht auf die Brücke zu haben. Die dritte „Marauder“ wird gerade abgeschossen. Verflucht noch mal!

Die Bombenschützen lösen aus. In den dumpfen Einschlägen der Explosionen verschwindet die wichtige Brücke unter Rauch, Qualm und Feuer. Als sie wieder auftaucht, ist die zweite Welle im Anflug.

Zu diesem Zeitpunkt ist die Brücke eigentlich bereits zerstört. Doch es gilt, das Vernichtungswerk zu vollenden. Die zweite Box folgt ihrem Befehl.

Pauke, Pauke!“ Auch das ist ein Befehl! Ein deutscher! Er tönt zu exakt diesem Zeitpunkt aus den Ohrmuscheln der Piloten in den Focke-Wulf Fw 190 A-8 der ersten Gruppe des deutschen Jagdgeschwaders 11. Sie sind um 10.10 Uhr in Biblis gestartet und befinden sich über der Mosel oberhalb von Eller. Unter Ihnen richtet die zweite Welle der 397th US BG ihre Bomber auf den Zielanflug aus.

Pauke, Pauke!“ heißt „Angriff!“.

Es sind 34 deutsche Jagdflugzeuge, die sich auf die amerikanischen Bomber werfen. Die Amerikaner halten Disziplin, bleiben im Verband. Eine Marauder nach der anderen wird im Anflug auf die Brücke aus der amerikanischen Einheit herausgeschossen. Doch die Bombenschützen halten Kurs – eisern. Die Bordschützen der amerikanischen Bomber feuern aus allen Rohren. Die deutschen Jägerpiloten – nicht weniger diszipliniert – ebenfalls. Die Focke-Wulf 190 A-8 mit den gelben Streifen am Rumpfheck fliegen einen Angriff nach dem anderen. Nach dem Gemetzel sind sieben weitere amerikanische Maschinen zerschellt. Nur acht Bomber kehren mit Beschädigungen zurück, die ihre Einsatzfähigkeit nicht gefährden. Alle anderen sind abgeschossen worden oder fallen vorerst aus. 71 amerikanische Besatzungsmitglieder der 397th Bomb Group sind tot oder schwer verwundet.

Die I./JG 11 verliert bei diesem Einsatz dagegen drei Piloten – es sollten im Laufe des Tages noch mehr werden. Unteroffizier Felix Dalecki (4. Staffel, Image, Werknummer 737926) stürzt getroffen bei Bad Bertrich ab, acht Kilometer von Eller entfernt – woraus sich der Einsatzort der I./JG 11definieren lässt. Unteroffizier Paul Langer von der 3. Staffel fällt bereits bei Koblenz (Image, Werknummer 738243), Oberfähnrich Hans-Joachim Wesener bleibt vermisst (Image, Werknummer 176043). Leutnant Heinrich Wolff wird in seiner grünen Image mit der Werknummer 350253 nach Abschuss einer „Marauder“ selbst getroffen und muss verwundet im Raume Daun notlanden, 25 Kilometer nordwestlich von Eller. Doch er überlebt ebenso wie die Unteroffiziere Herbert Naumann (Image, Werknummer 173840) und Walter Stelze (Image, Werknummer 732204), die schließlich verwundet wieder eintreffen.

Dieser Kampftag ist für die „Marauder“- und „Havoc“-Verbände der 9. US-Luftwaffe ein regelrechtes Massaker. 38 Bomber werden abgeschossen *5, zwei schaffen eine Notlandung, 182 werden beschädigt.

Doch die Brücke bei Eller ist zerstört. Dieser Befehl ist erfolgreich ausgeführt! Die Mission ist erfüllt.

Der Opfermut der amerikanischen Besatzungen ist es den amerikanischen Kommandostäben wert, der 397th Bomb Group als Anerkennung den United-Citation-Orden zu verleihen.

Die Reaktion der Mütter ihrer toten Jungs auf diese Ehrung ist nicht überliefert.

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Crew der B-26 9F Image N „MILK RUN SPECIAL“, 597th BS/397th BG.

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Notgelandete B-26 „Marauder“ der 397th Bomb Group.

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B-26 der 596th Bomb Squadron, 397th Bomb Group beim Erfüllen ihrer Mission.

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B-26 der 587th Bomb Squadron, 394th Bomb Group. Im Hintergrund sind zwei „kleine Freunde“ zu sehen – P-47 „Thunderbolts“ der Eskorte.

23. Dezember 1944

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Flugzeugtyp:

Martin B-26B-55 „Marauder“

Nationalität:

US-Air Force/9th Air Force AAF

Einheit:

597th Bomb Squadron/397th Bomb Group

Besatzung:

Lieutenant George D. Overbey und Crew

Stationierung:

Peronne/Frankreich

Flugzeugtyp:

Focke-Wulf Fw 190 A-8

Nationalität:

Luftwaffe

Einheit:

4. Staffel (I. Gruppe)/JG 11

Pilot:

Leutnant Heinrich Wolff

Stationierung:

Biblis/Deutschland

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Hinweis: die Karte zeigt im Gegensatz zu den Frontverlaufskarten den Nachkriegsgrenzverlauf (Eupen/Malmedy), da hier die Lokalisation des Ortes aus heutiger Sicht im Vordergrund steht.

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B-26B-55 „Marauder“ No 42-96191 der 597th Bomb Squadron/397th Bomb Group, 9th US-Air Force, genannt „THE MILK RUN SPECIAL”. Ein „Milk Run” ist ein „Spaziergang“, ein Einsatz, den man „mit Links“ erledigt ...

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Focke-Wulf 190 A-8 der 4. Staffel (I. Gruppe) des JG 11, Leutnant Heinrich Wolff, Profil nach Datenlage.

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B-26 „Marauder“ in Frontalansicht.

Hinweis: deutsche Flugzeuge, welche zwar vom Gegner abgeschossen wurden, ohne jedoch den Piloten dabei „außer Gefecht zu setzen“, sind in der Spalte „Gesamt“ miterfasst (/Flugzeug = Anzahl verlorener Flugzeuge). Hinweise finden sich im Feld „Bemerkungen“. Dagegen werden in britischen und amerikanischen Quellen (MACR-Listen) oft die auf eigenem Gebiet notgelandeten Maschinen nicht mitgezählt. Zudem finden sich die von der deutschen Flak (Flugabwehrkanonen) vernichteten alliierten Flugzeuge nicht in dieser Aufstellung. Daher muss es zwangsläufig zu Differenzen zwischen Abschussmeldungen und den tatsächlichen Verlusten kommen!

Verluste durch Tiefangriffe oder Bomben am Boden, durch „technische Mängel“ oder durch Unfälle werden nicht „gezählt“, da die gegenseitigen Erfolge im Luftkampf gegenübergestellt werden sollen. Unversehrt gebliebene Piloten saßen oft wenige Stunden später in einer neuen Maschine, deren materialtechnischer Nachschub fast bis zum Kriegsende gesichert war. Bei einem Abschuss mit unverletztem Fallschirmabsprung entsteht in der Spalte „Gesamt“ ein Materialverlust (/Flugzeug), jedoch nicht ein personeller „Verlust“ (Pilot/).

Verlustmeldungen der Westalliierten im Detail:

8th USAAF: *7

B-17 „Flying Fortress”:

1

B-24 „Liberator”

1 *8

P-51 „Mustang”:

4

(+ 1 Kategorie „E” Image irreparabel beschädigt = 5) diese Zahl deckt sich einer anderen Quelle *9: 5

P-47 „Thunderbolt”:

3

F-5 „Lightning”-Aufklärer:

1

9th USAAF: *7

B-26 „Marauder”:

38

gemäß anderer Quelle *9:

42

P-47 „Thunderbolt”:

13

gemäß anderer Quelle *9:

14

P-38 „Lightning”:

2

deckt sich mit Quelle*9:

2

F-6 „Mustang”-Aufklärer:

1

C-47 „Skytrain“-Transporter:

5

gemäß anderer Quelle *9:

8

2nd Tactical Air Force der Royal Air Force:*10

Hawker „Typhoon”

1

(Der Verlust einer Mosquito gegen 22.30 Uhr wird nicht der Tagjagd zugeordnet)

Royal Air Force Bomber Command:*11

Avro „Lancaster“

4

(zuzüglich 2 durch Kollision)

de Havilland „Mosquito”

1

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Fw 190 A-9 des Unteroffiziers Karl-Heinz Kabus in der 3. Staffel (I. Gruppe)/JG 11 im Frühjahr 1945. Es handelt sich bei dieser gelben 7 um die Nachfolgemaschine der am 23. Dezember 1944 mit viel Glück gelandeten Fw 190 A-8 mit Kennung gelbe 8. Bemerkenswert ist die „alte“ Form des Balkenkreuzes am Rumpf, die offenbar bis ins Jahr 1945 hinein bei der I./JG 11 gebräuchlich ist.

*1Quelle: Image „Der Zweite Weltkrieg“/Unipart Verlag Stuttgart 1986/Christian Zentner.

*2Quelle: Image „Der Zweite Weltkrieg“/Piper Verlag 1977/Raymond Cartier.

*3 *4Quelle: Image „Schlacht in den Ardennen“ – Die Offensive Dezember 1944/Tosa in der Verlag Carl Ueberreuter GmbH 2006/David Jordan, auch Image Wikipedia.

*5gemäß einer anderen Quelle (siehe unten): 42.

*6Die Verlustliste des RLM/Bundesarchiv und die WASt. definiert Fw. Paul Grubert (Image, Werknummer 960219) als vermisst, mehrere andere Quellen negieren aber an diesem Tag einen Personalverlust der I./JG 6, eine Quelle (Prien/Rodeike) stellt einen reinen Materialverlust der Focke-Wulf 190 (60 – 100 %) fest. Eine Erklärungsmöglichkeit ist ein Fallschirmabsprung mit Flugzeugverlust, der am 23.12.1944 als vermisst geführte Pilot kehrt später doch zu seiner Einheit zurück.

*7Quelle: Image USAAF Missing Air Crew Reports (MACR).

Quelle ferner in Bezug auf 8th USAAF: Image „Mighty Eighth War Diary”/Jane’s Publishing Company 1981/Roger A. Freeman.

*8Quelle

hier: Image „The Mighty Eighth Combat Chronology” 1942-1945/Eighth Air Force Memorial Museum Foundation USA 1998/Paul M. Andrews und William H. Adams.

*9Quelle

hier: Image Einsatz in der Reichsverteidigung von 1939 bis 1945 Teil 3 „Jagdgeschwader 1 und 11“/Struve Druck Eutin/Jochen Prien – Peter Rodeike, Seite 1369.

*10Quelle: Image „2nd Tactical Air Force” Volume 1 - 3/Classic Publications/2005/Chris Shores und Chris Thomas.

*11Quelle: Image Royal Air Force Bomber Command 60th Anniversary - Campaign Diary, December 1944.

Quelle: Image WASt – Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht, Berlin. Verluste der deutschen Luftwaffe via Recherche Matti Salonen.

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