21. Die tödliche Stechmücke aus Holz

Nachdem die deutsche Wehrmacht im Frühsommer 1940 Norwegen erobert hat und den Franzosen, vor allem aber den Engländern knapp zuvor gekommen war, ist die direkte alliierte Blockade der Ausfuhr des schwedischen Erzes nach Deutschland zunächst gescheitert. Norwegen ist fest in deutscher Hand, nicht im Besitz der Briten! Deutschlands Kriegsindustrie ist fast abhängig von diesen Erzlieferungen, die von Schweden aus über eine Bahnlinie in den norwegischen Hafen Narvik transportiert werden. Von dort aus gelangt das wertvolle Metall auf dem Schiffsweg entlang der langen, zerklüfteten, viele Fjorde und somit Verstecke bietenden Küste Norwegens nach Deutschland. Diese Lieferungen zu verhindern, ist nun nur noch durch die Schiffe der Royal Navy oder die Flugzeuge der Royal Air Force denkbar.

Die britischen Schiffe allerdings tun gut daran, sich nicht in den Bereich der Reichweite deutscher Bomber zu wagen, welche auf den norwegischen Flugplätzen stationiert sind. Deren Schlagkraft hatte sich bereits im Verlaufe der deutschen Besetzung Norwegens im Jahr 1940 erwiesen – gegen den Widerstand britischer, französischer und polnischer Truppen, die mit Hilfe der britischen Marine in Norwegen fast zeitgleich mit den deutschen Verbänden an Land gegangen waren. Auch die Matrosen der Geleitzugschiffe, die zwei Jahre später weit über eine Million Tonnen kriegswichtiges Material alleine im Jahr 1942 an die Rote Armee ausliefern, können ein trauriges Lied davon singen. Diese Geleitzüge müssen sich zwangsläufig in den Operationsbereich der deutschen Sturzkampf- und Torpedobomber begeben, da ihnen die Eisgrenze des Nordmeeres und die Küstenlinie Nord-Norwegens keine andere Wahl lässt, wenn sie die sowjetischen Häfen Murmansk oder Archangelsk erreichen wollen. Eine gefährliche Passage zu dem unfreiwilligen Verbündeten Stalin, die vielen den eiskalten Seemannstod bringt.

Nein, in den zerklüfteten Wasserstraßen zwischen den Inseln vor Norwegens Küste und dem Festland zu operieren, ohne eigenen Luftschirm und jeglicher größerer Manövrierfähigkeit beraubt, das wäre fast Selbstmord für britische Kriegsschiffe. Einheiten der Royal Navy hätten sich dort auch noch der nach wie vor schlagkräftigen deutschen Kriegsmarine zu stellen. Eine Blockade des Erztransports durch britische Marineeinheiten scheidet somit aus.

Bleibt die britische Luftwaffe, die Royal Air Force.

Angriffe auf die feindlichen deutschen Schiffe vor Norwegen sind in der britischen Luftwaffe vor allem Aufgabe der Flugzeugträger-gestützten Maschinen des „Fleet Air Arm“ und des so genannten „Coastal Command“ – der Seefliegergruppen innerhalb der britischen Luftstreitkräfte. Viel hat das Coastal Command im Jahr 1940 allerdings nicht zu bieten. Zweimotorige Bomber der Typen Bristol „Blenheim“, Lockheed „Hudson“ oder Handley-Page „Hampden“ sind viel zu verwundbar gegen Flak-Geschütze oder gar feindliche Jäger, um effektiv eingesetzt werden zu können. Der soeben eingeführte zweimotorige Torpedobomber Bristol „Beaufort“ bringt nur eine leichte Verbesserung der Schlagkraft. Erst als im Mittelmeer von Malta aus operierende Bristol „Beaufighter“ Mk. IC-Langstreckenjagdflugzeuge mit Erfolg zum Angriff gegen Seeziele mit Bomben umgerüstet werden, ändert sich die Lage. Ab Frühjahr 1942 steht dem Coastal Command mit der stärker motorisierten Bristol „Beaufighter Mk. VIC“ erstmals eine recht effektive Waffe zur Verfügung. Ab Ende 1942 werden die Beaufighter als Torpedobomber eingesetzt und ersetzen die veralteten Beaufort-Maschinen. Wie die Beaufort trägt jede Beaufighter – nun „Torbeau“ genannt – einen Torpedo. Der erste erfolgreiche Torpedo-Angriff findet am 4. April 1943 statt, als Beaufighter der 254 Squadron zwei Schiffe mit Nachschub für Norwegen versenken. Dies leitet eine neue Ära ein, nachdem es dem Coastal Command seit 1940 bis März 1943 gerade mal gelungen war, in drei Jahren 107 gegnerische Schiffe zu versenken mit einer Gesamt-Tonnage von 15.076 Tonnen – und dafür 648 Flugzeuge verloren hatte!

Doch die Beaufighter oder Torbeau erweisen sich immer noch als recht verwundbar gegenüber deutschen Jägern. Man ist daher darauf bedacht, den Torpedobombern eigenen Jagdschutz der Royal Air Force mitzugeben – Spitfire-Jäger. Das limitiert das Einsatzgebiet der Angriffsgruppen (so genannten „Strike Wings“) auf die geringe Reichweite der Jäger – und damit auf die holländische Küste und die friesischen Inseln.

Der eigentliche Durchbruch zu äußerst effektiver Schlagkraft kommt mit einem Flugzeug, welches sich bei den britischen Piloten ebenso wie seinen deutschen Gegnern einen geradezu legendären Ruf erwirbt. Es ist das „hölzerne Wunder“ – die de Havilland „Mosquito“.

Am 16. April 1943 finden die ersten Operationen von Mosquitos Mk. II des Coastal Command durch den aus gebürtigen Norwegern bestehenden „1477 Flight“ statt. Bald werden bewaffnete Aufklärungsflüge über der norwegischen Küste mit diesem Typ geflogen. Die Einheit wird am 1. Mai 1943 zur 333 (Norwegian) Squadron umbenannt. Man arbeitet am Einsatz von Raketengeschossen, mit welchen auch die Beaufighter bzw. Torbeau ausgerüstet werden sollen.

Die Idee des Entwicklungsteams aus dem Hause de Havilland, einen Schnellbomber zu konstruieren, welcher ohne Abwehrbewaffnung auskommen sollte, war zunächst von den offiziellen britischen Stellen nicht ernst genommen worden. Wie sollte es denn möglich sein, ein Flugzeug mit einer solchen Fluggeschwindigkeit zu bauen, dass es einem Jäger davonfliegen könnte, wenn es durch das zusätzliche Gewicht der Bombenlast jedem Jäger bereits konzeptionell zwangsläufig deutlich unterlegen sein würde? Es müsste dann viel leistungsstärkere Motoren haben als der Jäger – doch das ist illusorisch, denn in die Jagdflugzeuge beider Seiten werden prinzipiell die jeweils besten und stärksten verfügbaren Motoren eingebaut – im technischen Wettlauf um Jagdmaschinen, die den Kontrahenten der Gegenseite überlegen sind. Aber nur dann, wenn der Bomber schneller ist als sein Angreifer, ist eine Abwehrbewaffnung des Bomben tragenden Flugzeuges entbehrlich!

Die Antwort scheint ein Rückschritt zu sein in die Bautechnik der alten Doppeldecker des Ersten Weltkrieges. Der „Rückschritt“ ist die Verwendung eines leichten, doch robusten Materiales: Holz!

Der Erstflug der bis auf die Umgebung der Motoren und einige Steuerflächen vollkommen auf Holzrahmen aufgebauten Mosquito hatte bereits am 25. November 1940 stattgefunden. Niemand außerhalb des Entwicklungsteams hatte es für möglich gehalten, dass ein zweimotoriges Flugzeug mit immer noch dem doppelten Gewicht einer einmotorigen Spitfire etwa 30 km/h schneller sein sollte als diese. Doch die Mosquito kann mit jedem Jäger mehr als mithalten. Denn das Verhältnis zwischen der Schubkraft zweier Rolls-Royce-Merlin-Motoren und dem strömungsgünstigen Leichtgewicht-Rumpf aus Holz ist einfach unschlagbar.

Auch die Deutschen hatten mit der Junkers Ju 88 S das Konzept eines Schnellbombers verfolgt – wenn auch in Metallbauweise. Dieser an sich viel versprechende Entwurf war jedoch durch den vom Reichsluftfahrtministerium erzwungenen Einbau von zusätzlichen MG-Abwehrständen und daher auch eines zusätzlichen vierten Besatzungsmitgliedes sowie der Forderung nach Sturzflugeigenschaften zunichte gemacht worden – wenn auch ein äußerst erfolgreicher vielseitiger deutscher Bomber das Resultat bleibt. Diesen Kompromiss muss de Havilland nach der überzeugenden Erstflugvorführung nicht eingehen. Denn dieser Erstflug überzeugt auch die Skeptiker unter den britischen Planern.

Ein der britischen Mosquito ähnlicher und als Antwort der Luftwaffe gedachter deutscher Entwurf, die ebenfalls überwiegend aus Holz gebaute Ta 154 – sinnigerweise „Moskito“ genannt – scheitert. Denn ein britischer Luftangriff zerstört das Herstellerwerk des Tego-Filmklebers in Wuppertal, mit welchem der Holzrahmen zusammengehalten wird. Danach greift man auf Kaltleim zurück – mit katastrophalen Folgen. Das zweite Vorserienmodell der Ta 154 A-1 stürzt im Juni 1944 ab, als sich eine Tragfläche in der Luft geradezu auflöst. Die Produktion wird am 14. August 1944eingestellt.

Vor allem die nicht durch Bombenlast beschwerten, nur eine Kamera-Ausrüstung tragenden britischen Mosquito-Aufklärer fliegen nun seit Mitte 1943 derartig frech und unbehelligt im deutschen Luftraum herum, dass die Piloten in den deutschen Jägern Minderwertigkeitsgefühle bekommen, wenn sie in größeren Höhen einen solchen besonders schnellen Aufklärer abzufangen versuchen. Der britische Pilot wird – sofern er die Gefahr bemerkt – einfach auf Vollgas gehen. Der Punkt am Horizont wird für den frustrierten deutschen Piloten langsam immer kleiner werden. In mittleren oder tiefen Höhen sieht das allerdings etwas anders aus, erst recht gegen die immer noch schnellen, aber geschwindigkeitsmäßig einem Jäger nicht überlegenen Tiefangriffs- bzw. Bomber-Varianten. Doch 1943 können die deutschen Jägerpiloten noch nicht wissen, dass auch für die Besatzungen der hochfliegenden Aufklärungs-Mosquitos die Tage des Hochmutes gezählt sein werden. Die deutschen Messerschmitt Me 262-Düsenjets – Deutschlands letzter Trumpf am Himmel – werden ab Ende 1944 kurzen Prozess mit ihnen machen – ein militärisch kaum noch effektiver, doch psychologisch für die verbliebenen und verbissen kämpfenden deutschen Piloten unschätzbar wirkungsvoller Triumph der deutschen Luftwaffe über die Royal Air Force. Die Abschussmeldung eines Mosquito-Aufklärers löst Genugtuung aus!

Es gibt kleine, wenig bekannte Separatkriege inmitten großer Kriegsereignisse. Einer davon nimmt seinen Ursprung mit der Übergabe des Flugfeldes im schottischen Banff an das britische Coastal Command am 1. September 1944. Bald säumen Bristol „Beaufighter“ Mk. X und de Havilland „Mosquitos“ Mk. VI und Mk. XVIII das Flugfeld. Die Mosquito-Jagdbomber des Typs Mk. VI sind mit zwei in einem verkürzten Bombenschacht integrierten 113-kg-Bomben und acht RP-3-Luft-Boden-Raketen ausgerüstet und haben eine Feuerkraft von vier 7,7-mm-Browning MGs plus vier 20-mm-Kanonen. Die Mk. XVIII nennt man „Tsetse“-Mosquito, sie trägt statt der vier 20-mm-Kanonen eine 57-mm-Molins Kanone, deren Geschosse die Durchschlagskraft haben, die Außenhaut eines Frachters oder U-Bootes zu durchdringen.

Auf deutscher Seite sind inzwischen den Frachtschiffen kampfstarke Begleitschiffe zugeordnet worden. Es handelt sich überwiegend um Fischtrawler und Fischerboote von nur etwa 500 Tonnen – deren Seetüchtigkeit steht aber außer Frage, und ihre Wehrhaftigkeit gegen Luftangriffe ebenso. Denn die „Vorpostenboote“ genannten Schiffe sind gespickt mit Flugabwehrgeschützen diverser Kaliber. Ebenso sind die Frachtschiffe selbst mit Flak-Geschützen bestückt. Die Geschützbedienungen sind gut ausgebildete Marinesoldaten – und nach fünf Jahren Krieg haben sie viel Erfahrung. Angriffe gegen diese Schiffe gehören nicht zu den Spaziergängen des Krieges.

Der Stützpunkt in Banff wird Group Captain J. W. Max Aitken unterstellt, dem Sohn des ehemaligen Ministers für Flugzeugproduktion, Lord Beaverbrook. Aitken gilt als Garant für Erfolge. Im Laufe der Zeit wird er über sechs Mosquito-Squadrons verfügen, dem größten „Strike Wing“ des gesamten Coastal Command.

Die Einsätze richten sich gegen die Küstenschifffahrt vor der norwegischen Küste. Üblicherweise fliegen dem aus Bristol „Beaufighter“ Mk. X oder gemischt aus Mosquitos Mk. VI und Mk. XVIII bestehenden Angriffsverband Aufklärungs-Mosquitos voraus – meist gesteuert von den norwegischen Piloten der 333 Squadron. Diese so genannten „Outriders“ suchen die Fjorde und Häfen ab und melden dem Hauptverband ein etwaiges Ziel. Dieses Ziel ist dann allerdings gewarnt, denn auch die Aufklärer bleiben nicht unentdeckt – und bereitet dem Angriffsverband einen herzlichen Empfang aus fliegenden Stahlteilen. Doch in der Regel wissen die Mosquitos sich angemessen zu bedanken!

Der Kalender zeigt den 7. Januar des Jahres 1945. Im Zwielicht der Nacht erscheinen die Schemen der vier Schiffsrümpfe gespensterhaft, die sich an der Insel Rovær vorbei zum Bømlafjord voranarbeiten. Stille umgibt die Westküste Norwegens, friedlich liegen die Hügel vor den Augen der Wachmannschaften. Nur das Tuckern der Dieselmotoren unterbricht die Nachtruhe der wenigen Orte entlang der Fahrtroute der drei Frachter „Sevre“, „Bjergfin“ und „Claus Rickmers“, welche gedeckt vom Vorpostenboot Vp. 5304 „Seehund“ auf dem Wege nach Bergen sind. „Claus Rickmers“ – immerhin ein Handelsschiff von 5.165 Tonnen – wird von einem norwegischen Lotsen um die tückischen Unterwasserfelsen in der Einfahrt des Fjords herumgeleitet. Um 04.30 Uhr steht der Norweger Waage neben Kapitän Stengel, als der Steuermann des Frachters ein Kommando missversteht. Er ändert den Kurs – und Sekunden später erschüttert ein kreischendes Quietschen den Rumpf des Schiffes. Der Felsen heißt „Bloksene“, doch das kümmert die Mannschaft des Frachters nun wenig. Wasser bricht ins Schiff, hektische Betriebsamkeit ersetzt die friedliche Ruhe. Die Besatzung schuftet unermüdlich – nach einiger Zeit gelingt es, das Schiff aus eigener Kraft nach achtern von dem Felsen freizubekommen. Doch der Wassereinbruch ist bedrohlich. Innerhalb einer Stunde muss das Schiff irgendwo auf Grund gesetzt werden, damit es nicht sinkt. Das lässt nur wenige Möglichkeiten offen. Die nächstliegende ist der Hafen von Leirvik.

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Eine Bristol „Beaufighter“ feuert RP-3 Raketen mit 27-kg-Sprengkopf auf ein Schiffsziel in der Nordsee ab.

Das Schiff hat wichtiges Kriegsmaterial geladen. 120 Tonnen Seeminen, 175 Tonnen Gewehr- und MG-Munition sowie über 7.000 Tonnen Kohle für die in Norwegen stationierten Schiffe der Kriegsmarine – so wichtig für deren Einsatzfähigkeit wie Flugbenzin für die Luftwaffe. Als Admiral Otto von Schrader die Havarie gemeldet wird, reagiert er sofort. Die Küstenbatterien mit ihren Flugabwehrgeschützen werden unverzüglich in Alarmbereitschaft versetzt, Flak-Einheiten als Verstärkung von Haugesund und Bergen nach Leirvik beordert. Zusätzlich zur „Seehund“ wird das Vorpostenboot Vp. 5308 „OB Rouge“ zur Verstärkung der Flugabwehr abgestellt, ebenso das Minensuchboot R.63. Die Schiffe sind mit Flugabwehrgeschützen üppig ausgerüstet – bedient von erfahrenen Mannschaften. Schließlich ist man sich bewusst, dass den täglich die norwegische Küste abfliegenden britischen Aufklärer-Flugzeugen das lukrative havarierte Ziel nicht lange verborgen bleiben dürfte. Man ist entschlossen, es den „Tommies“ nicht gerade leicht zu machen!

Als die „Claus Rickmers“ in Leirvik festmacht, verlieren die deutschen Mannschaften keine Zeit. Die Minen sind bereits ausgeladen, als am 8. Januar 1945 gegen 14.45 Uhr Geschützfeuer die Soldaten aufhorchen lässt. Es sind die Granaten der schweren 8,8-cm-Flak-Geschütze in Hauge auf der südlichen, Leirvik gegenüber liegenden Seite des Bømlafjords. Gleichzeitig eröffnet die leichte Flak um Leirvik selbst das Feuer. Wenig später mischt sich das Bellen von englischen 20-mm-Kanonen und Browning-MGs in den Gefechtslärm, unterbrochen vom Bersten der 27-kg-Gefechtsköpfe britischer Raketen. Das erste der drei Schiffe, welche draußen im Fjord vor die Rohre der zwölf Beaufighter der 235 Squadron aus Dallachy geraten, ist das Vorpostenboot Vp. 5116 „Unitas“, gefolgt von dem Bergungsschlepper „Trygg“.

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Und so sieht das andere Ende der Raketenflugbahn aus. Dieses deutsche Minenräumboot – die M 37 – versinkt im August 1944 im Golf von Biscaya.

Die Gruppe wird vertretungsweise vom gebürtigen Norweger Squadron Leader Christison aus der mit Beaufighter ausgerüsteten 404 Squadron RCAF geführt, vermutlich wegen dessen Ortskenntnis. Über den Beaufighter halten zwölf Mosquitos aus Banff Wache gegen deutsche Jäger. Den Piloten fällt die hektische Aktivität im Hafen von Leirvik sofort auf. Die havarierte „Claus Rickmers“ ist entdeckt.

Der Angriff lässt nicht lange auf sich warten. Fünfzehn Mosquitos, darunter drei „Tsetse“-Varianten mit der Molins-Bordkanone, nehmen sich am 9. Januar 1945 den Hafen von Leirvik vor. Sie werden geführt von den Aufklärern der 333 Squadron und gegen deutsche Jäger beschützt durch zwölf britische P-51 „Mustang“-Jäger der 315 Squadron. Doch diese scheinen durchaus entbehrlich zu sein. Kein deutscher Jäger ist weit und breit zu sehen. Das hat seine Gründe – es gibt derzeit keine Luftwaffen-Jäger in Herdla, dem nahe gelegenen Flughafen auf der kleinen Insel nördlich von Bergen. Doch das sollte sich ändern.

„Claus Rickmers“ erhält 40 Treffer durch britische Raketen und die Geschosse der 57-mm-Molins-Kanonen. Doch zur Verzweiflung der britischen Piloten weigert sich das brennende Schiff, unter den Raketensalven zu sinken. Was die Briten nicht wissen können – dies hat eine einfache Ursache. Es ist bereits gesunken. „Claus Rickmers“ liegt mit Unterwasserschaden im Hafen von Leirvik auf Grund.

Die Matrosen der deutschen Kriegsmarine versuchen verzweifelt, die Brände zu bekämpfen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Kohlen Feuer fangen oder die MG-Munition explodiert. Nach einer Stunde äußerster Anstrengung in größter Gefahr ist das Feuer gelöscht.

Am 10. Januar 1945 werden die 9. und 12. Staffel des deutschen Jagdgeschwaders 5 auf den Flugplatz „Herdla“ bei Bergen in Norwegen verlegt. Die Staffeln bestehen aus einer wilden Mischung an Piloten – einigen „alte Hasen“ mit großer Kampferfahrung vorwiegend gegen die russische Luftwaffe, anderen frisch von der Flugzeugführerschule. Das Benzin ist knapp – Übungsflüge zum Einlernen der Neulinge sind einfach nicht „drin“, so bitter und ungünstig, ja fast fatal das ist. Die jungen Nachwuchspiloten müssen ihre Erfahrungen direkt im Kampfeinsatz machen und die Tricks am Feind erlernen – wenn sie den Einsatz überleben.

Auf der anderen Seite haben die in Banff beheimateten Mosquito-Besatzungen inzwischen ein gerütteltes Maß an Erfahrungen gesammelt – zumindest die, die noch übrig sind. Denn auch ihre Angriffe sind keine Spazierflüge, die deutsche Marine-Flak (Flugabwehrkanonen) hatte viele Opfer eingefordert. Allerdings leidet der britische Nachwuchs weder an Benzinknappheit noch an der Möglichkeit, eingehend von den erfahrenen Flugzeugführern auf die gefährlichen Einsätze vorbereitet zu werden.

Das Frachtschiff „Claus Rickmers“ ist nicht versenkt. Aus der Sicht der Briten hatte der Angriff sein Ziel somit verfehlt. Group Captain Max Aitken ist dies wohl bewusst. Er erklärt einem der norwegischen Piloten, Thor Stensrud: „Sie müssen dieses verdammte Schiff versenken, koste es, was es wolle! Die Ladung ist sehr, sehr wichtig für die Deutschen!“

Diese Äußerung gibt zu wilden Gerüchten unter den Piloten Anlass. Man vermutet, dass Aitken von „schwerem Wasser“ spricht. Es hatte Andeutungen gegeben, dass die Deutschen an einer Super-Bombe basteln, für die schweres Wasser nötig sei. Revolutionäre neue Waffen wie Raketen, die mit 750 kg Sprengstoff in der tonnenschweren Gefechtskopfspitze von Deutschland aus London treffen, haben sie schon! Seit September letzten Jahres können die leidgeprüften britischen Bürger ein Lied davon singen, zu was die Deutschen technisch fähig sind. Details wie fünffache Schallgeschwindigkeit (Spitzengeschwindigkeit nach Brennschluss 5.400 km/h) und die Überwindung von 250 bis 300 Kilometer in nur fünf Minuten wissen die Piloten nicht! Dass die Einschläge lautlos kommen und ganze Häuserblocks vernichten, und das mit herkömmlichem Sprengstoff, hat sich aber herumgesprochen. Gegen diese Bedrohung gibt es keine Chance einer Gegenwehr – eine höchst gefährliche Waffe, die die Deutschen „V2“ nennen! „V“ steht wohl für „Vengeance“ – oder auf Deutsch „Vergeltung“? Egal! Jedenfalls nicht auszudenken, was passiert, wenn die „Jerries“ diese Superbombe fertig haben – was auch immer das sein mag. Etwas Harmloses ganz sicher nicht! Man weiß in der Royal Air Force, dass sich die Führung der deutschen Luftwaffe nur zu gerne für die verheerenden britischen Luftangriffe gegen deutsche Städte revanchieren würde. Es muss unbedingt verhindert werden, dass sie es kann!

Stensrud gibt zu bedenken, dass mindestens drei schwere Küstenbatterien um Leirvik herum gruppiert sind, zusätzlich zu diversen leichten Flakstellungen. Auch drei Forts sind in der Nähe: Tittelsnes, Nheim und Bjelland. Doch der Einwand verhallt ungehört.

...koste es, was es wolle!“ ist eindeutig. Der Angriff wird auf den 15. Januar 1945 terminiert.

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Mosquito FB Mk. VI (143 Squadron).

15. Januar 1945

Der Pilot des Aufklärungsfluges früh am Morgen berichtet per Funk über die Lage in Leirvik. Das Ziel ist angreifbar – „Claus Rickmers“ ist weder ausgelaufen noch gesunken. Um 05.00 Uhr werden die Piloten geweckt und in ihre Aufgabe eingewiesen. Falls man es mit Luftwaffen-Jägern zu tun bekäme, so werden diese von Süden anfliegen, erklärt Wing Commander Maurice. „Dreht also nach dem Angriff nach Norden ab!“ Die Definition des Einsatzzieles durch Group Captain Aitken lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Schießt das verdammte Schiff in Fetzen!

18 schwerbewaffnete Mosquitos machen sich auf den Weg. Es ist 09.30 Uhr in Schottland. Der erfahrene Norweger Thor Stensrud führt die von Wing Commander Maurice (alias Max Guedj) befehligte Formation ins Zielgebiet. Es schneit, die Sicht ist diesig. Die Piloten sind auf den Höhenmesser angewiesen, um nicht mit ihren Flugzeugen die raue See zu berühren. Im Tiefflug jagen die schnittigen britischen Maschinen über die Nordsee. Die beiden Besatzungsmitglieder jeder Mosquito haben genügend Zeit, sich auf den Einsatz einzustellen. Üblicherweise treibt man sich ja nur kurze Zeit im feindlichen Luftraum herum. Die Attacken erfolgen überfallartig. Doch mit den Deutschen ist wirklich nicht zu spaßen! Ob sie heute wohl auf Zack sind? Was wird die britischen Besatzungen wohl dieses Mal erwarten?

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Britisches Luftbild von Herdla.

Der Zeitunterschied zwischen Schottland und Norwegen lässt die Flugzeuge gegen 11.10 Uhr am Leuchtturm Geitungen die Küste erreichen. Die Jagdbomber drehen nach Norden ab, während die Aufklärer der 333 Squadron mit norwegischen Piloten den Zielhafen aufzufinden versuchen. Ein Brummen im Kopfhörer der mit Image markierten Mosquito lässt Thor Stensrud und seinen Navigator Erik Friis aufhorchen. Die eigene Elektronik hat es registriert. Sie sind vom deutschen Radar erfasst. Es ist 11.18 Uhr, als auf dem deutschen Einsatzflughafen Alarm gegeben wird. Um 11.20 Uhr sind neun deutsche Focke-Wulf 190-Jäger in der Luft. Sie kommen! Sie kommen von Herdla, wo bis vor kurzem keine Jagdeinheiten lagen, etwa 20 Flugminuten von Leirvik entfernt gelegen. Nicht südlich, sondern nördlich von Leirvik!

Schweres Sperrfeuer der deutschen Flak-Geschütze säumt den Weg der beiden Aufklärer der 333 Squadron. Die zweite Maschine mit dem Code Image wird von Gausland und Sjolie geflogen. Sie fliegen rechts von Stensrud, als dieser plötzlich einen hellen Explosionsblitz an seiner Steuerbordseite wahrnimmt. Er zerbirst an der Stelle, an welcher Sekunden vorher noch ein zweimotoriges Flugzeug mit einer „R“ am Rumpf zu sehen war. Nun ist nur noch ein Feuerball erkennbar, der mit einem langen Rauchstreifen zu Boden trudelt.

Um 11.24 Uhr gibt Stensrud an Maurice per Funk durch, dass das Ziel in Leirvik ausgemacht wurde. Maurice zögert keine Sekunde und geht mit seiner Mosquito Image (143 Squadron) in eine Rechtskurve. Die Hauptformation dreht nun nach Steuerbord und nähert sich dem Hafen. Die Maschinen überfliegen die Insel Stord, an deren Ostseite Leirvik liegt, und nähern sich von Nord-Westen. Um 11.29 Uhr gibt Maurice in seinem französischen Akzent den Angriffsbefehl. Die Mosquitos fliegen von Norden in den Hafen ein – und in einen Feuerhagel an Flak-Geschossen aller Art. Doch nicht ohne Gegenwehr. Die Angriffsspitze nimmt sich als Erstes die deutschen Flakstellungen vor. Die Mosquitos feuern aus allen Rohren und überschütten die Geschützbedienungen mit einem Hagel aus Maschinengewehr- und 20-mm-Geschossen. Die nächste Welle stürzt sich auf die Schiffe. „Claus Rickmers“ wird mit 57-mm-Geschossen der Molins-Kanonen und Raketen angegriffen. Das Vorpostenboot Vp. 5304 „Seehund“ bäumt sich in einer Explosionswolke auf. Mosquito (LA) Image (235 Squadron) trifft das Schiff mit der Wucht einer Salve von allen acht Raketen. Weitere Raketen schlagen ein, das Boot wird geradezu durchsiebt. Es sinkt. Es grenzt an ein Wunder, dass nur ein deutscher Matrose der „Seehund“ ums Leben kommt. Zwölf Seeleute werden verwundet. Die beiden anderen kleineren Schiffe, Vorpostenboot Vp. 5308 „OB Rouge“ und der Minensucher R63 werden nur leicht beschädigt.

Einer der britischen Piloten berichtet, dass die führenden Angriffswellen das Hauptziel gut erwischt hätten. Er selbst habe seine Raketen etwas zu früh abgeschossen und nur Unterwassertreffer erzielt. Die Mosquito jagt über die Wellen. Der Pilot steuert die Maschine im Tiefflug zwischen einer Insel und der Küste hindurch – von beiden Seiten wird er mit Geschossen eingedeckt. Mitten im Flugweg liegt ein Minenleger der deutschen Kriegsmarine – feuernd aus allen Rohren. Die Mosquito wird von der rot blitzenden Explosion einer Flak-Granate wenige Meter vor und über dem Flugzeug durchgeschüttelt. Der Pilot hält dagegen und fegt mit den Geschossen der Maschinengewehre und 20-mm-Kanonen seines Jagdbombers die Reling des Minenlegers leer. Teile der Brücke und der Aufbauten platzen im Feuerhagel vom Schiffsrumpf. Viel Schaden richtet das nicht an – aber es hält die Köpfe der deutschen Geschützbedienungen unten!

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Leirvik während des Angriffes am 9. Januar 1945, im Vordergrund „Claus Rickmers“. Das Foto hat Flight Lieutenant Langley erstellt.

Der Pilot überfliegt den deutschen Minenleger und legt die Mosquito in eine Linkskurve. Dann fliegt er im Tiefflug einen Fjord entlang nach Norden – Richtung Bergen. Die Propellerspitzen berühren fast die Wasseroberfläche. Links in Flugrichtung befinden sich die Bergkuppen der Insel Stord. Der Pilot entdeckt eine Lücke zwischen zwei Bergspitzen, dreht nach links ab und fliegt mit Vollgas durch die Senke über die Insel Stord in Richtung Westen – hinaus aufs offene Meer. In diesem Moment hört er den Hilferuf eines Kameraden, dessen Mosquito nur noch mit einem Motor fliegt. Der andere war durch Flaktreffer ausgefallen.

Es handelt sich um (LA) Image (235 Squadron), geflogen von Flight Sergeant Frank Chew und seinem Navigator Flight Sergeant Jock Couttie. Flammen schlagen aus dem getroffenen Motor, welcher eine lange schwarze Rauchfahne nach sich zieht. Das böse zusammengeschossene Flugzeug verliert an Höhe. Es ist nicht die einzige beschädigte Mosquito. Die von Hawkey und Milloy geflogene Mosquito Image (143 Squadron) hatte beim Überflug des Vorpostenbootes Vp. 5308 ebenfalls Beschädigungen hinnehmen müssen, auch andere sind nicht ungeschoren geblieben.

Der Angriff hatte nur drei Minuten gedauert. Inzwischen haben sich die Jagdbomber Image (143 Squadron) und Image (143 Squadron) als Geleitschutz zu Chew und Couttie in ihrer brennenden (LA) Image gesellt. Sie nehmen die schwer getroffene Mosquito in ihre Mitte. Der Norweger Stensrud in seiner mit Image markierten Mosquito dreht noch einmal eine Schleife, um nach Nachzüglern zu sehen. Die Mosquitos haben sich inzwischen in mehreren Gruppen über ein weites Gebiet verstreut. Einige hatten die Insel Stord überflogen, andere hatten nach Norden Richtung Bergen abgedreht, wieder andere überfliegen nun den Selbjørnsfjord.

Es ist 11.32 Uhr – der Moment, in dem Stensrud kleine schwarze Punkte über sich am Himmel sieht. Sekunden später kann er den typischen Ringkühler deutscher Focke-Wulf 190-Jagdflugzeuge erkennen. Sie tragen weiße Nummern in der Staffelfarbe der 9. Staffel des JG 5 – und einen weiß bemalten Streifen um den Kühler. Die Flugzeit von Herdla hatte nur zwölf Minuten betragen. Die neun deutschen Jäger werden geführt von Oberleutnant Werner Gayko – einem erfahrenen Piloten mit zwölf Luftsiegen, unter anderem einer viermotorigen britischen Avro Lancaster am 12. Januar 1945 – drei Tage zuvor. Er teilt den deutschen Verband in drei Gruppen zu je drei Flugzeugen. Dann greift er an!

Der Ruf „Bandits!“ (Banditen = deutsche Jäger!) in den Kopfhörern alarmiert die Mosquito-Besatzungen, deren Piloten dem deutschen Abfangverband direkt in die Arme geflogen waren. Wing Commander Maurice reagiert besonnen. „Alle zusammenbleiben“ befielt er über Funk seinen Männern. In ihrer Mosquito Image (143 Squadron) überfliegen Maurice und Langley den Selbjørnsfjord, dicht gefolgt von Fitch und Parker in Image. Drei deutsche Jäger schließen von achtern auf. Fitch dreht nach links ab, die Fw 190 hinter ihm folgt ihm und eröffnet aus 500 Metern Entfernung das Feuer. Fitchs Mosquito wird von deutschen 20-mm-Geschossen und Maschinengewehrfeuer getroffen. Das rechte Höhenruder wird zerschossen, das linke Querruder und der linke Tragflächentank werden durchsiebt. Die Mosquito trudelt um die Längsachse, doch mit Parkers Hilfe kann Fitch das Flugzeug abfangen und stabilisieren. Zu diesem Zeitpunkt hängen die zwei anderen Focke-Wulf-Jäger Maurice und Langley im Genick. Image wird getroffen. Mit geradezu unnatürlicher Ruhe informiert Maurice per Funk die anderen. Seine Stimme ist fest, kühl und tief. „Hilfe, Hilfe, Hilfe, ich werde massiv angegriffen!“ Auch Fitch fleht um Unterstützung. „Ich bin schwer getroffen und brauche Hilfe und Schutz. Bitte halte mir irgendeiner die von meinem Heck fern!“ Flying Officer Les Parker – Fitchs Navigator – dreht sich um und sieht entsetzt in die Mündungsrohre einer Focke-Wulf 190 direkt hinter sich. Das war`s wohl – sie fliegen wie auf dem Präsentierteller vor seinem Visier! Doch der Deutsche feuert nicht. Hat er Ladehemmung – oder keine Munition mehr? Fitch selbst sieht nach vorn – und erkennt in einer Steilkurve die Silhouette einer weiteren Focke-Wulf, welche hinter Maurice und Langley her ist. Sie kurvt direkt vor Fitchs Rohre. Fitch feuert. Doch vergebens. Sekunden später zerschellt Maurices Image mit brennendem linken Motor im Selbjørnsfjord. Es ist 11.36 Uhr. Plötzlich zischen Leuchtspurgeschosse unter der rechten Tragfläche hindurch – sie verfehlen Fitchs Mosquito nur knapp. Ein anderer deutscher Jäger hatte versucht, Image den Rest zu geben – doch auch dieser Pilot hat nun offensichtlich seine Munition aufgebraucht. Die Focke-Wulf-Jäger drehen ab. Fitch entkommt ihnen mit knapper Not im Tiefflug über der Nordsee, verzweifelt bemüht, sein schwer beschädigtes Flugzeug in der Gewalt zu behalten. Er schafft es.

Stensrud in Image hatte die Hilferufe gehört, aber genug damit zu tun gehabt, in wilden Ausweichmanövern einer von links hinten angreifenden Focke-Wulf zu entkommen. In einer dichten Schneewolke kann er den Deutschen schließlich abschütteln.

Drei weitere Focke-Wulf nehmen sich die bereits durch Flak-Treffer angeschossene (LA) Image (235 Squadron) von Chew und Couttie vor. Hawkey in Image (143 Squadron) versucht, sie abzulenken, auch Freddie Alexandre in Image (143 Squadron) tut sein Möglichstes. Doch seine Mosquito wird von zwei Focke-Wulf-Jägern angeschossen und beschädigt. Die beiden deutschen Piloten verfolgen daraufhin Hawkeys Image eine Focke-Wulf kommt in Schussposition aus etwa 450 Metern Abstand, feuert aber nicht. Hawkey entkommt mit Mühe schließlich in eine Schneewolke. (LA) Image hat weniger Glück. Chew und Couttie schlagen mit ihrer Mosquito nahe dem Slåtteroy-Leuchtturm auf der Wasseroberfläche auf. Couttie schafft es, sich aus dem Flugzeugwrack zu befreien und trotz des eiskalten Wassers in ein Rettungs-Dinghy zu klettern. Deutsche Marinesoldaten retten ihn schließlich mit Hilfe eines norwegischen Fischkutters. Chews Leichnam wird später gefunden und im Molendal-Friedhof in Bergen beigesetzt.

Weiter nördlich kommt es zu einem der ungewöhnlichsten Luftsiege des gesamten Krieges. Flying Officer Peacock fliegt mit seinem Navigator Flying Officer Field eine der „Tsetse“-Mosquitos. Deren Hauptbewaffnung besteht aus der 57-mm-Molins-Kanone – ein Geschütz, welches mit einer im Vergleich zu den herkömmlichen Maschinenkanonen langsamen Schussfolge einzelne Granaten verschießt, welche gegen Seeziele konstruiert sind. Doch Peacock hat keine andere Wahl, als diese gegen Flugzeuge denkbar ungeeignete Waffe einzusetzen, als er eine deutsche Focke-Wulf vom Heck einer anderen Mosquito vertreiben will. Und wie durch ein Wunder – er trifft.

15. Januar 1945

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Flugzeugtyp:

de Havilland „Mosquito“ FB Mk. VI

Nationalität:

Royal Air Force (RAF)

Einheit:

Banff Strike Wing/143 Squadron

Besatzung:

Flight Lieutenant George Morton-Moncrieff und Flight Sergeant C. Cash (Navigator)

Stationierung:

Banff, Schottland, 15. Januar 1945

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Mosquito FB Mk. VI Image der 143 Squadron, Flight Lieutenant George Morton-Moncrieff und Navigator Flight Sergeant C. Cash.

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Image (143 Squadron).

Der deutsche Pilot ist Feldwebel Oskar Helbig. Er fliegt die einzige ältere Focke-Wulf, eine A-3 mit der Werknummer 2172 Image Sein Jagdflugzeug ist getroffen, aber noch flugfähig. Helbig sucht nach einem Platz für eine Notlandung – doch wo in diesem hügelig gebirgigen Norwegen soll er nur runter? Er wirft das Kabinendach ab und kreist suchend über dem Ort Austevoll. Plötzlich stürzt die Maschine ab. Sie verfehlt knapp zwei Häuser und schlägt auf. Helbig lebt, als norwegische Bürger ihn unter Lebensgefahr aus den brennenden Trümmern herausschneiden, während gleichzeitig die MG-Munition explodiert. Er hat einen Schädelbruch davongetragen über dem rechten Auge – vermutlich war sein Kopf beim Aufprall gegen das Reflexvisier (Zieleinrichtung) geschlagen. Dann wird Helbig bewusstlos. Die Besatzung eines nahe gelegenen deutschen Flak-Schiffes nimmt ihn auf und bringt ihn ins Krankenhaus. Die Ärzte können Helbig nicht mehr helfen.

Auch der letzte Luftkampf dieses denkwürdigen Tages über dem norwegischen Hordaland ist ungewöhnlich. Es steht zwei gegen zwei, als die beiden deutschen Focke-Wulf Fw 190 A-8 nördlich von Stord zwei britische Mosquitos angreifen. Es kommt zu einem verbissenen Luftkampf, beide Seiten schenken sich nichts. Die deutschen Piloten sind Unteroffizier Waldow Zeuner, er fliegt Image mit der Werknummer 737410, und Unteroffizier Richard Lehnert in seiner Image mit der Werknummer 350183. Auf britischer Seite stehen die Mosquitos Image (143 Squadron) mit Lieutenant Freddie Alexandre (USAAF) und Flight Sergeant J. McMullin sowie Image (143 Squadron) mit Flight Lieutenant George Morton-Moncrieff und seinem Navigator Flight Sergeant C. Cash. Es gibt keine Sieger und keine Besiegten bei diesem erbitterten Duell über der winterlichen Landschaft südlich von Bergen am Bjørna- und Fusafjord.

Die Widersacher holen sich gegenseitig vom Himmel. Vielleicht kollidiert das letzte Gegner-Paar? Alle vier Maschinen, beide Mosquitos und beide Focke-Wulf, gehen verloren. Image stürzt schließlich nahe dem Ort Fjell ab. Neben Chews Leichnam ist C. Cash der einzige der abgeschossenen alliierten Piloten, dessen toten Körper man auffinden kann. Alleine Couttie hatte seinen Abschuss überlebt.

In Banff wartet man erschüttert auf die Überlebenden des Fiaskos. Langsam schweben die zurückkehrenden Mosquitos ein, viele zerfleddert und übel zugerichtet. David Findlay Clark, ein kleiner Junge, beobachtet den Landeanflug einer schwer beschädigten „Mossie“. Das Cockpit ist halb weggeschossen, der Navigator hängt leblos in seinen Gurten. Irgendeine der Außenlasten – eine Bombe oder Rakete – hängt schief in ihrer Aufhängung – offensichtlich nicht mehr abwerfbar, und somit eine tödliche Gefahr. Eine der Radaufhängungen ist beschädigt und hängt wackelnd unter der Motorgondel. Beim Aufsetzen knickt sie sofort weg. Das Flugzeug schlittert seitlich gedreht über die Rollbahn und die Grasnarbe, Flammen schlagen aus seiner Unterseite. Dann kommt es zum Stillstand.

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Image (143 Squadron). Mosquito FB Mk. VI, Verlust am 15. Januar 1945, Aufschlag bei Fjell südwestlich von Bergen.

Sekunden später zerreist eine gewaltige Explosion den Rumpf des Schnellbombers. Als sich der Rauch verzieht, ist von dem Flugzeug nichts mehr übrig geblieben.

Die Briten verlieren sechs ihrer Mosquitos bei diesem Einsatz, die Deutschen drei ihrer Jagdflugzeuge. Die menschlichen Opfer umfassen neben dem gefangen genommenen Couttie elf gefallene britische Flieger und drei getötete deutsche Piloten.

Wie hatte Group Captain Aitken befohlen? „Schießt das verdammte Schiff in Fetzen!“

Der deutsche Frachter „Claus Rickmers“ wird abgedichtet, seetüchtig gemacht und nach Bergen zur Reparatur geschleppt. Er wird noch viele Jahre Dienst tun und im Jahr 1964 in Spanien verschrottet werden.

Hinweis:

Die WASt – Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht, Berlin – definiert die Absturzursache der drei deutschen Focke-Wulf als quasi Unfälle. Demnach seien alle drei Jagdflugzeuge bei dem Flugplatz Bergen-Herdla im Luftkampf miteinander kollidiert. Diese Darstellung entspricht nicht den oben genannten Berichten.

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Mosquitos beim Angriff auf ein Schiff, im Vordergrund die Raketen des „Fotografen“.

15. Januar 1945

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Flugzeugtyp:

Focke-Wulf Fw 190 A-8

Nationalität:

Luftwaffe

Einheit:

9. Staffel (III. Gruppe)/JG 5

Pilot:

Unteroffizier Waldow Zeuner

Stationierung:

Herdla, Bergen, Norwegen, 15. Januar 1945

Flugzeugtyp:

de Havilland „Mosquito“ FB Mk. VI

Nationalität:

Royal Air Force (RAF)

Einheit:

Banff Strike Wing/143 Squadron

Besatzung:

Flight Lieutenant George Morton-Moncrieff und Flight Sergeant C. Cash (Navigator)

Stationierung:

Banff, Schottland, 15. Januar 1945

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Zwischen Leirvik und Fjell, Norwegen, 15. Januar 1945 (die Region der Luftkämpfe ist hell hervorgehoben)

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Focke-Wulf Fw 190 A-8 Image der 9./JG 5, Werknummer 737410, Unteroffizier Waldow Zeuner.

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