Jetzt, als es zu spät ist, wird selbst bei Adolf Hitler der Ruf nach dem Düsenjäger laut. Jetzt, als die Truppen seiner Gegner von drei Seiten immer näher an Hitlers Unterschlupf im Bunker der Reichskanzlei heranrücken, nähert sich mit ihnen dem Diktator auch das Lebensende. Jener Tod, den er über die halbe Welt verbreitet hatte, klopft immer lauter an die Bunkertüre. Adolf Hitler ist gereizt.
Es dürfte ihm bewusst sein, dass er weder im Osten noch im Westen ein Gerichtsverfahren überleben würde – wenn es überhaupt so weit käme –, sollte er in feindliche Hände fallen. Etwas, was er auf keinen Fall zulassen will. Adolf Hitler als Gefangener im Triumphzug durch Moskau geführt – niemals!
Wie konnte diese Schlamperei in Remagen passieren? Das ist Verrat, Verrat an ihm, dem Führer ...
Der erste erfolgreiche Start mit einem Düsenjet findet bereits am 27. August 1939 statt. Flugkapitän Erich Warsitz steigt an diesem sonnigen Tag in das Cockpit eines Experimentalflugzeuges des deutschen Konstrukteurs Ernst Heinkel. Die Heinkel He 178 hat nur eine Turbine, werkseigen entwickelt – doch die hebt das Flugzeug tatsächlich sicher in die Luft.
Erich Warsitz umrundet den Werksflugplatz in Rostock-Marienehe einmal und landet glatt. Als in diesen frühen Morgenstunden das kleine Flugzeug den Himmel erklimmt, bleibt Ernst Heinkel fast das Herz stehen. Dieses Triebwerk ist eine technische Revolution.
Das Jet-Zeitalter ist geboren.
Allerdings scheint das im Reichsluftfahrtministerium Deutschlands niemand wirklich ernsthaft zu interessieren. Bemerkenswerterweise hat Frank Whittle in England ähnliche Probleme. Auch Whittle arbeitet an einem Düsentriebwerk. Und stößt ebenfalls auf Desinteresse in den Führungskadern der Royal Air Force.
Zusätzlich zum Flugzeugproduzenten Heinkel arbeiten in Deutschland auch zwei Hersteller von Flugmotoren an diesem Antriebskonzept – die Bayerischen Motorenwerke BMW und Junkers. Neben Ernst Heinkel ist als Konstrukteur von Flugzeugen auch Willy Messerschmitt beauftragt, diese Möglichkeiten umzusetzen und den brauchbaren Entwurf für einen schnellen Turbinenjäger vorzulegen. In Anbetracht des damals so erfolgreichen Kriegsverlaufes hat das Projekt für das Reichsluftfahrtministerium aber keinen sonderlich hohen Stellenwert. Das Interesse für die Verbesserung des Heinkel He 111-Bombers und der Messerschmitt Bf 109 bzw. Bf 110 ist ungleich höher. Was natürlich auch die Prioritäten der Konstrukteure beeinflusst.
Heinkel und Messerschmitt entscheiden sich für eine zweistrahlige Maschine, um die Anforderungen eines Jagdflugzeuges zu erfüllen. Die Heinkel He 280 startet erstmals am 30. März 1941, zunächst noch mit Heinkel-Triebwerken, was sich später ändert. Sechs Wochen danach, am 15. Mai 1941, hebt die britische Gloster E.28/39 erstmals ab – mit Strahltriebwerken des Typs Whittle W1X.
Doch der britische Düsenantrieb unterscheidet sich grundlegend von den deutschen Konstruktionen der Firmen BMW und Junkers. Whittle setzt wie Dr. Hans Pabst von Ohain, der das firmeneigene Heinkel-Triebwerk der He 178 entworfen hatte, auf eine Zentrifugalturbine mit Radialkompressor. Dagegen wagen sich die BMW-Ingenieure und Junkers-Techniker an das Konzept von Axialstromturbinen heran. Diese Auslegung ist technisch erheblich anspruchsvoller, aus heutiger Sicht auch viel moderner und letztlich diejenige, die sich als „richtig“ durchgesetzt hat. Sie bietet eine deutlich kleinere Stirnfläche, damit vor allem bei hohen Geschwindigkeiten einen geringeren Luftwiderstand und Vorteile in den Parametern Beschleunigung, Treibstoffverbrauch und Schubkraft.
Dafür ist das Triebwerk anfälliger, erheblich vibrationsempfindlicher und sehr viel schwieriger auszubalancieren als eine Zentrifugalturbine. Wie schwierig die Entwicklung ist, wird an einem einzigen Beispiel deutlich. Als die Junkers-Jumo-004-B-Turbine im Sommer des Jahres 1943 in die Erprobungsphase kommt, treten plötzlich unerwartete Schwingungsbrüche mancher Turbinenlaufschaufeln auf. Es dauert eine Weile, bis die Techniker dahinter kommen, dass diese durch eine Vibration zustande kommen, welche auftritt, wenn bei hohen Drehzahlen die Schaufeln mit der Eigenschwingung einer der sechs Brennkammern in Resonanz gehen. Es erwischt aber nur Schaufeln mit einer zufällig ziemlich tief liegenden Eigenschwingung. Was dazu führt, dass zunächst ein Berufsmusiker mit absolutem Gehör dazu herangezogen wird, diese Schaufeln mit Hilfe eines Geigenbogens herauszufiltern.
Auch der Verzicht auf nahe liegende hitzefeste Stoffe, über die das rohstoffarme Deutschland einfach nicht in ausreichender Menge verfügt – Nickel, Kobalt, Molybdän – zwingt zu enormem konstruktiven Einfallsreichtum. Die Triebwerks-Brennkammer muss in dem einzig verfügbaren, aber eigentlich ungeeigneten herkömmlichen Stahlblech gefertigt werden, das mit einer hitzebeständigen Schicht von Aluminiumsprühbelag überzogen ist. Eine Materialmixtur, die nur durch eine überlegene Kühlungstechnik Aussicht auf Erfolg hat.
Schließlich ist der Wurf gelungen – und Junkers hat mit dem Jumo 004 B das Rennen gemacht. Was das Triebwerk betrifft. Hinsichtlich des Flugzeuges selber geht der Zuschlag an die Messerschmitt-Werke in Augsburg. Die berühmte Me 262 „Schwalbe“ entsteht. „Turbo“ nennen sie ihre Piloten. Für Ernst Heinkel ist dies eine sehr bittere Enttäuschung.
Der Messerschmitt Me 262 ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Es ist ein fantastisches Jagdflugzeug – der Düsenjäger des Zweiten Weltkrieges schlechthin. Am Jagdeinsatz lange gehindert, unsinnig und unselig missbraucht auf Hitlers borniertes Insistieren hin als Jagdbomber! Doch davon später mehr.
Am 26. September 1941 schreibt das technische Amt des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) die Entwicklung eines Aufklärungsflugzeuges aus, welches folgende Anforderungen erfüllen sollte:
Arado nimmt die Herausforderung an. Die Briten im Übrigen auch – unabhängig vom Reichsluftfahrtministerium natürlich. Die Firma de Havilland hätte aber Chancen gehabt, die Ausschreibung zunächst zu gewinnen – mit herkömmlicher Motorentechnik von Rolls-Royce. Ungewöhnlich ist hier nicht der Antrieb, sondern die Gewichtsersparnis des Flugzeuges durch die geniale Holzbauweise der Mosquito. Sie hat ihren offiziellen Testflug zu diesem Zeitpunkt bereits absolviert. Im September 1941 ist die Mosquito PR Mk. I mit 615 km/h bereits 13 km/h schneller als eine 602 km/h schnelle Spitfire Mk. Vc.
Das Projekt bei Arado hat die Bezeichnung „E 370“. Um Gewicht zu sparen und möglichst viel Platz für Treibstofftanks vorzusehen, soll das Flugzeug auf einem untergehängten Radgestell rollen, welches beim Start am Boden verbleibt, und auf Kufen wieder landen. Reichlich abstrus, aber durchaus nicht unlogisch – für einen einzeln abhebenden Aufklärer.
Mit Kolbenmotoren, also propellergetriebenen Antriebskonzepten, sind die kühnen Geschwindigkeitsvorgaben aber nicht zu erfüllen. Daher schielt Arado-Direktor Diplom-Ingenieur Walter Blume *3 schon bald nach den bei Junkers und BMW in Entwicklung befindlichen Strahltriebwerken. Bereits am 21. Februar 1942 zeigt eine werksinterne Risszeichnung den Vorentwurf zur späteren Arado 234 – noch unter dem Namen „E 370“, aber bereits mit Turbinen.
Es vergeht erneut ein volles Jahr, bis Arado dann am 18. Februar 1943 zum Bau von 20 Versuchsmustern beauftragt wird. Die Turbinen scheinen bald verfügbar zu sein! Inzwischen fordert das RLM für die jetzt Arado Ar 234 genannte Maschine aber ein Einziehfahrwerk, da die Kufenlösung im Kriegseinsatz zu aufwändig erscheint. Es würde einfach zu lange dauern, bis der Aufklärer nach der Landung wieder auf den Startwagen gehievt werden könnte und somit erneut einsatzklar wäre.
Man sieht dies auch unter neuen Aspekten, denn bereits am 4. Mai 1943 wird der Einsatzzweck des Strahlflugzeuges erweitert – nun soll die Arado Ar 234 neben einer Aufklärerversion auch als Bomber einsetzbar sein. Um eine Bomberstaffel starten, landen und als kompletten Verband erneut aufsteigen zu lassen, sind Startwägen und Kufen viel zu umständlich und daher indiskutabel!
Während die Messerschmitt Me 262 – der erste im Luftkampfeinsatz geflogene Düsenjäger – bereits im Juli 1942 seinen Erstflug mit reinem Turbinenantrieb absolviert, muss Arado bis Februar 1943 warten, um die ersten Düsentriebwerke zu erhalten. Wertvolle Zeit! Hätte man die Triebwerksproduktion damals zumindest zahlenmäßig erhöhen können – die militärischen Konsequenzen wären nicht auszudenken! Es muss dabei offen bleiben, ob eine vorausschauende Prioritätensetzung in der Lage gewesen wäre, die Entwicklung der Technologie selber entscheidend zu beschleunigen. Immerhin erfolgt der Auftrag des RLM an Arado am 18. Februar 1943 unter allerhöchster Dringlichkeit. Die Triebwerkskonstruktion und -erprobung wird weder durch Adolf Hitler noch durch das technische Amt behindert und stellt die entscheidende zeitliche Hürde der Einsatzreife dar.
Das erste Versuchsflugzeug der Arado Ar 234 startet noch auf Kufen – am 30. Juli 1943 mit dem Flugingenieur und Flugkapitän Selle am Steuer, der am 2. Oktober 1943 beim Absturz einer weiteren Versuchsmaschine nach Triebwerksausfall tödlich verunglückt.
Arado konstruiert die Versuchsmuster um, opfert einen Tank, integriert dafür ein modernes Bugradfahrwerk und ein Rumpffahrwerk. Statt wie geplant drei Rumpftanks einzubauen, muss nun der mittlere entfallen. Die geforderte Reichweite wird somit nur noch mit Hilfe abwerfbarer Zusatztanks erreicht.
Arado Ar 234 B-2 „Blitz“ (zur B-2b Aufklärerversion umgebaut).
Arado 234 B-2 „Blitz“ (Serienmaschine).
Arado 234 V9-Vorserienmaschine (noch ohne Periskop) mit 500-kg-Bomben und Starthilfsraketen des Typs HWK 109-500, die nach Gebrauch abgeworfen werden und am Fallschirm zu Boden sinken, wo sie zur erneuten Verwendung geborgen werden.
Die Arado Ar 234 B-1 entsteht als erste Serienmaschine noch unter Verwendung von BMW-003-A-1-Triebwerken. Die erweisen sich als derartig unsicher, dass ab der Version B-2 dann Junkers-Jumo-004-B-1-Turbinen eingebaut werden. Was wieder eine Verzögerung der Einsatzreife bewirkt. Als Treibstoff ist B4-Flugbenzin (87 Oktan) möglich, doch wegen Überhitzungsgefahr sogar weniger sinnvoll als synthetisches J-2 aus Kohle oder gar billiges Diesel-Öl. Erst am 21. April 1944 (!) erteilt das RLM schließlich die generelle Fluggenehmigung. Die Maschine heißt nun Arado Ar 234 B-2 „Blitz“. Der von Hitler inzwischen ersehnte „Blitzbomber“ ist geboren.
Der Bomber besitzt ein zentrales Bombenschloss (ETC 500 oder 2000) unter dem Mittelrumpf („Rumpf-ETC“) und zwei weitere ETC-503-Halter, eine unter jeder Turbine. Die Turbinenhalterungen werden jedoch sehr selten als Bombenträger benutzt, da das Gewicht von drei Bomben die üblicherweise nötige Einsatzreichweite doch erheblich reduziert. Häufiger dienen sie zur Aufnahme von Zusatztanks bei den Aufklärerversionen. Der Strahlbomber hat also keinen internen Bombenschacht mit Bombenklappen, wie in den größeren herkömmlichen Bombern üblich. An dem nach innen halbkreisförmig und elliptisch vertieften Rumpf-ETC und unter den Turbinen können diverse Bomben mitgeführt werden, beispielsweise SC 250, SC 500, SC 500 RS, SD 500, unter dem Rumpf auch SC 1.000, SD 1.000 sowie PC 1.400. Die schweren Bomben sind allerdings nicht mit Zusatztanks kombinierbar.
Es ist somit immerhin eine 1.000-kg-Bombe mit ihrer enormen Sprengkraft vorgesehen! Insgesamt beträgt die maximale Bombenlast 1.500 kg. Selbst der Bombentorpedo BT 1.400 wie auch der BT 700 sind mitführbar. Diese Angaben entsprechen dem Bombenladeplan vom 20. Oktober 1944und Datenblatt vom 20. November 1944, frühere Datenblätter weichen davon im Detail ab.
Als Abwehrbewaffnung ist ein Paar starr nach hinten eingebauter MG 151/20 in einem Rüstsatz vorgesehen. Das Zielen wäre durch die Positionierung der Flugbahn des gesamten Flugzeuges in Richtung auf den rückwärtig angreifenden Feindjäger mit Hilfe eines Rück-Sicht-Periskops (RF 2C) möglich. Ein höchst gefährliches Manöver, weil es den deutschen Flugzeugführer damit automatisch exakt in Kiellinie zu den Waffen seines Verfolgers bringen würde. Es ist daher auch eher daran gedacht, einen anfliegenden Gegner am sicheren Zielen zu stören. Der Einbau des Rüstsatzes entfällt im tatsächlichen Einsatz – das spart Gewicht! Die wirklich geflogenen „Blitzbomber“ vertrauen auf ihre überlegene Geschwindigkeit und bleiben unbewaffnet. Je leichter, desto schneller und somit sicherer!
Lediglich einige Aufklärerpiloten – beispielsweise beim „Kommando Sommer“ in Norditalien (auch Oberleutnant Erich Sommer selber) – rüsten ihre Arado Ar 234 B-2b mit einer so genannten „Magirus-Bombe“ aus. Das ist ein Waffenbehälter mit zwei nach vorne feuernden MG 151/20-Kanonen, welcher ins Rumpf-ETC 500 (oder die Turbinen-ETCs 503) eingehängt und im Notfall auch abgeworfen werden kann. Der Einsatz dieser Waffe führt allerdings nicht zu Treffern. Als Oberleutnant Sommer am 5. April 1945 nach einem Aufklärungsflug auf seinem Flugplatz in Campoformido bei Udine wieder landen will, wird die Basis bereits zum zweiten Mal an diesem Tag von alliierten Tieffliegern attackiert. Schon kurz vor Sommers Start hatten amerikanische P-47 „Thunderbolts“ den Flugplatz mit den neuen Napalm-Behältern angegriffen, waren allerdings auf Flugzeug-Attrappen hereingefallen, die prompt in einem teuflischen Flammenmeer verglühen. Jetzt sind Spitfires mit normalen Bomben am Zug.
Seitenpeilung dreier eigener Verbände mit „Erstling“ FuG 25a.
„EGON“-Entfernungsmessung.
Erich Sommer muss herunter – viel Zeit bleibt ihm laut Benzinuhr nicht mehr. Also setzt er sich im Bahnneigungsflug mit hoher Geschwindigkeit hinter eine der Spitfires und feuert. Er verfehlt zwar den Gegner, doch dessen 14 Kameraden auch ihn. Denn Sommer steigt sofort wieder auf Höhe – keines der überaus schnellen alliierten Jagdflugzeuge hat eine Chance, ihm zu folgen. Die Spitfire-Formation dreht daraufhin ab und fliegt „nach Hause“. Die Luft ist rein – Sommer kann endlich in seiner landen.
Insofern war der Waffeneinsatz kein Fehlschlag, denn er rettet Sommer vermutlich das Leben.
Doch zurück zur Ausstattung der Arado 234 B-2. Sie ist vom Allerfeinsten, man darf das Cockpit getrost als Hightech-Kampfstand bezeichnen!
Das Flugzeug besitzt eine automatische Patin-Dreiachsen-Kurssteuerung (man nennt so etwas heute „Autopilot“) und eine Funkanlage mit dem FuG 16 Z(Y) als sprachliches Kommunikations-Funkgerät und dem FuG 25a als Kenngerät. Letzteres nützt ein Freund-Feind-Kennungs- und Ortungs-System. Die bisher hierfür verwendete „Y-Führung“ ist inzwischen durch die so genannte „EGON“-Führung ergänzt und optimiert worden. „EGON“ steht für „Erstling-Gemse-Offensiv-Navigation“ und erlaubt auch die Zielführung für Bomber. Daher ist dieses System für die Arado 234 vorgesehen.
Es basiert auf einem modifizierten „Freya LZ“-Funkmessgerät (Radargerät), auch FuSAn 730 „Weitling“ genannt. Es handelt sich dabei um ein Freya mit AN-Peilzusatz, dessen normale FuMG-Empfangsantenne entfernt wurde. Dadurch ist das Gerät zum Orten von Flugzeugen zunächst unbrauchbar. Dafür wird nun aber eine Abfrage-Sendeanlage eingebaut, die ein 125-MHz-Signal aussendet. Dieses wird vom FuG 25a „Erstling“ im angepeilten Flugzeug in einem sehr charakteristischen Morserhythmus wieder zurückgesandt – auf der Frequenz von 160 MHz. Dieses Signal wird von einem ebenfalls in das Freya-Gerät eingebauten Empfänger („Gemse“) erfasst und zeichnet auf den beiden Radarschirmen für die Seitenmessung und Entfernungsmessung ein sehr auffälliges Echo. Auf diesen Anzeigegeräten sind somit nur noch die eigenen, das Kennungssignal zurücksendenden Flugzeuge zu sehen. Durch die Reduzierung auf zwei Frequenzen entfällt das bisher lästig überlagernde Echo von Bodenstrukturen, ferner ist das System kaum mehr zu stören, nur sehr bedingt durch Störsender und gar nicht durch „Windows“-Stanniolstreifen.
Da die hierdurch erfassten Koordinaten der eigenen Maschinen per Kabel zum Lichtpunktwerfer des Seeburg-Projektionstisches der Leitstelle übertragen werden, kann dort die Position deutscher Verbände mit den Feindortungsdaten der nach wie vor herkömmlich arbeitenden Luftraumüberwachungs-Radarstationen zusammengeführt werden. Der Seeburg-Tisch macht die gesamte Lage übersichtlich optisch sichtbar. Das System eignet sich also auch für die Jägerleitung bei Tag und bei Nacht.
Doch damit nicht genug. Auch das Bombenzielsystem der Arado Ar 234 B-2 ist ausgesprochen raffiniert. Normalerweise steuert der Pilot des Düsenbombers die Maschine mit dem zweigriffigen drehbaren Steuerruder, dessen vertikale Achse asymmetrisch rechts neben den Beinen des Flugzeugführers am Cockpitboden verankert ist.
Beim Zielanflug hat er nun mehrere Möglichkeiten.
Greift er das zu zerstörende Objekt im (flachen) Sturzflug an, so nimmt er das oben am Kabinendach aufgesetzte, innen vor den Augen des Piloten endende RF-2C-Teleskop zu Hilfe. Dessen Sichtfenster P-1B ist drehbar und kann sowohl den Luftraum nach hinten gegen feindliche Jägerattacken überwachen als auch nach vorne geschwenkt werden. Mit Hilfe dieser Optik visiert der Pilot nun im Bahnneigungsflug das Ziel direkt vor sich an. Als Bombenzielhilfe übermittelt das Teleskop-Sichtgerät den Anflugwinkel an den BZA-Bordrechner, der automatisch im richtigen Moment den Bombenabwurf auslöst.
Cockpit einer Arado Ar 234 B-2.
Im Horizontalflug verbietet sich diese Technik, denn nun ist das Ziel der Bombe(n) nicht unmittelbar vor, sondern schräg unter dem angreifenden Düsenjet. In diesem Fall nützt der Pilot der Arado Ar 234 B-2 das zwischen seinen Beinen eingebaute tachymetrische Carl-Zeiss-Lotfernrohr-7K-Bombenzielgerät. Er ist allein an Bord, hat also keinen Bombenschützen, der – wie in normalen Bombern üblich – diese Rolle ausführen würde. Die eigentliche Steuerung übernimmt nun der Autopilot, der Flugzeugführer klappt den Steuerknüppel zur Seite und richtet das Bombenzielgerät mit Hilfe der dort angebrachten Regler auf das Ziel aus. Der Rechner des Gerätes ermittelt nun Abdrift, somit Windgeschwindigkeit und damit die Geschwindigkeit über Grund. Der mit dem Lotfe 7K gekoppelte Autopilot korrigiert den Anflugkurs auf das Bombenziel entsprechend. Bis der Bombenabwurf automatisch erfolgt.
Arado 234 B-2 der III./KG 76 in Burg bei Magdeburg, Dezember 1944.
Dann darf der Pilot wieder selber fliegen.
Die Arado Ar 234 B-2 lässt sich hervorragend steuern und ma-növrieren. Die Maschine hat eine Höchstgeschwindigkeit ohne Traglast von 742 km/h in 6.000 Metern Höhe, 739 km/h in 8.000 Metern Höhe und 700 km/h in 10.000 Metern Flughöhe, mit maxi-maler Bombenzuladung von 1.500 kg fliegt die „Blitz“ immer noch 600 km/h in 7.000 Metern Flughöhe. Der einzige Schwachpunkt der Maschine ist, dass sie eine relativ lange Landebahn zum Abbremsen benötigt. Doch auch dafür haben die deutschen Konstrukteure eine modern anmutende Antwort: einen Bremsfallschirm, der die Ausrollstrecke glatt halbiert.
An dieser Stelle sei ein britischer Testpilot zitiert, Eric Brown, der die Arado 234 B-2 nach dem Kriege als Beutemaschine ausgiebig untersucht und fliegt *4 Zunächst lobt Brown die Steigfähigkeit des Bombers und fährt dann fort:
„Diese Werte waren für einen Aufklärer/Bomber des Herstellungsjahres 1945 sicherlich ausgezeichnet, jedoch war es mehr die Spitzengeschwindigkeit von 765 km/h, die ihm den treffenden Beinamen ‚Blitz’ eingebracht hatte. Wenn man sich die relative Sicherheit unseres Schnellbombers ‚Mosquito’ über Deutschland vor Augen hält, dann wird einem die ganze Bedeutung dieser weit höher liegenden Werte des deutschen Bombers erst richtig bewusst. Die Ar 234 B ließ sich in großen Höhen wunderbar steuern, die Stabilität um alle drei Achsen war gut und die Abstimmung der Ruder aufeinander ausgezeichnet. Diese Eigenschaften, gepaart mit den ungewöhnlich guten Sichtverhältnissen aus der Kanzel, machten die Ar 234 B zu einer erstklassigen Plattform sowohl in der Aufklärer- als auch in der Bomberrolle.“
Die übliche Bombenlast einer Arado Ar 234 B-2: eine 1.000-kg-Bombe.
Brown schließt seinen Bericht, indem er von einem Start mit der Maschine auf einer gefährlich kurzen Startbahn berichtet. Doch genau am vorhergesagten Punkt hebt sich das Flugzeug in die Luft: „Die Arado 234 B wuchs damit weiter in meiner Hochachtung! Wie sollte nach all meiner positiven Einstellung für diese Schöpfung von Arado eine ganz nüchterne Bewertung des Flugzeuges herauskommen? Ich möchte sagen, dass die Deutschen auch mit diesem Flugzeug eine ausgesprochen überlegene Maschine zu spät und in zu geringer Stückzahl gebaut haben, um mit ihm noch wirksam in den Gang der Dinge eingreifen zu können. Es war ein herrliches und, wie gesagt, überlegenes Flugzeug seiner Zeit, dem überhaupt kein gleichwertiges Gegenstück auf Seiten der Alliierten weit und breit gegenüberzustellen gewesen wäre. So kann ich, ohne Widerspruch fürchten zu müssen, sagen, dass die Arado 234 eine Klasse für sich darstellte!“