24. Düsenjäger – Deutschlands letzter Triumph am Himmel

„Es ist, als wenn ein Engel schiebt!“

Adolf Galland, General der Jagdflieger

Am Morgen des 18. Juli 1942 hebt der erste Me 262-Düsenjäger von der Startbahn des Flugplatzes Leipheim ab, welcher allein mit Hilfe seiner Jet-Triebwerke fliegt. Er wird gesteuert durch Flugkapitän Fritz Wendel. Es ist kennzeichnend für die Eigenwilligkeit in der Entscheidungshierarchie des Reichsluftfahrtministeriums, dass Adolf Galland, der in seiner Eigenschaft als General der Jagdflieger verantwortlich ist für Planung und Direktiven künftiger Jägeroperationen, bis Anfang 1942 noch nicht einmal etwas von dieser Entwicklung weiß. Und selbst dann wird er nur schleppend informiert über die Fortschritte, bis er schließlich am 22. Mai 1943 den vierten Prototyp selber fliegt. Die Worte, die er tief beeindruckt nach diesem Flug sagt, sind inzwischen Legende: „Es ist, als wenn ein Engel schiebt!“.

Galland ist derartig begeistert vom Potential der Me 262, dass er vehement vorschlägt, die Produktion der Messerschmitt Bf 109 einzustellen, damit sich Messerschmitt voll und ganz auf die Herstellung des neuen Modells konzentrieren könne. Zunächst überzeugt er Generalfeldmarschall Erhard Milch, der in seiner Funktion als Generalluftzeugmeister der eigentliche technische Entwicklungsleiter und Organisator der Rüstungsproduktion der Luftwaffe ist. Dann fährt er zu Göring, dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Sein Bericht endet:

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Adolf Galland.

„Diese fast unglaubliche technische Überlegenheit ist das Mittel, das den Kampf um die Luftüberlegenheit über dem Reich und später auch an den Fronten trotz eigener zahlenmäßiger Unterlegenheit zu unseren Gunsten zu entscheiden in der Lage sein wird. Keine Anstrengung und kein Risiko darf gescheut werden, um sofort die Serie vorzubereiten und die Produktion so schnell wie möglich anlaufen zu lassen. Anstelle einer Me 262 können wir in der Luftverteidigung auf zwei bis drei Me 109 verzichten, wenn dies produktionsmäßig notwendig sein müsste.“

Statt also das Flugzeug, wie bisher in der deutschen Luftrüstung üblich, zuallererst ausgiebig zu prüfen, von seinen Kinderkrankheiten zu befreien und dann in die Serienfertigung zu geben, dringt Galland darauf, die ersten 100 Exemplare im Einsatz zu testen und auszufeilen. Mag dies auch riskant sein und vielleicht vermeidbare Opfer durch Unfälle fordern – ein Verzicht auf schnelle Massenfertigung käme seine Jägerpiloten durch die dann unvermindert anhaltenden derzeitigen Verluste im Luftkampf bei technischer wie zahlenmäßiger Unterlegenheit wesentlich teurer zu stehen!

Reichsmarschall Göring ist von Gallands Enthusiasmus beeindruckt und verspricht, die nötige Freigabe für die Massenproduktion des Düsenjägers zu erwirken. Denn der Form halber muss er sich diese Erlaubnis einholen. In Kenntnis der Luftlage hat Galland keine Zweifel an einem positiven Ergebnis.

Doch ein Mann in Deutschland ist felsenfest davon überzeugt, mit seinem „Feldherrengenie“ jegliches militärische Fachwissen zu übertrumpfen. Ein Wissen, welches er sich zwar teilweise tatsächlich erworben hat, doch bei sich selbst grob überschätzt. Und zu jener Zeit ist in Deutschland dieses Mannes Wort Gesetz.

Adolf Hitler weist aus dem Stand heraus alle Ansinnen einer Serienproduktion zurück und verbittet sich jede übermäßige Eile. Görings Luftwaffe habe ihn schon zu oft mit großspurigen Ankündigungen enttäuscht. Es sei ihm versprochen worden, dass die viermotorige Heinkel He 177 spätestens im Jahr 1941 zum Einsatz kommen werde. Doch bis heute seien nicht alle Fehler ausgemerzt.

„Es wird nichts unternommen, bevor ich nicht über die Einsatzfähigkeit dieses Flugzeugs entschieden habe!“, lautet sein Beschluss zur Me 262. Und er lässt sich Zeit mit dieser Entscheidung! Als sie schließlich kommt, ist sie derartig einseitig und unlogisch, dass sie alle konstruktiv im Sinne der offensichtlichen Notwendigkeiten Agierenden zu pausenloser Improvisation und zu gefährlichem Versteckspiel zwingt.

Der „Führer“ wird zunehmend besessener von dem Wunsch nach Vergeltung. Für ihn ist die Fähigkeit zum Zurückschlagen viel wichtiger, als seine Luftwaffe mit einem Jagdflugzeug auszurüsten, das in der Lage ist, den Luftraum des Reiches effektiv gegen die immer heftiger werdenden alliierten Bombenangriffe zu verteidigen. Schon im Februar 1943 hatte er verfügt, dass jeder neue Jäger, der produziert würde, auch in vollem Umfang als Jagdbomber einsetzbar sein müsse.

Hitler lädt eine technische Expertenkommission zu sich ein – und verbietet die Anwesenheit von Angehörigen der Luftwaffe bei der Anhörung. Eine Ohrfeige für Hermann Göring, der prompt alles tut, um das Wohlwollen und Vertrauen „seines Führers“ wieder zurückzugewinnen. Hitler verlangt von den Ingenieuren bindende Zusagen – Zusicherungen, die diese nicht geben können. Noch Ende Dezember 1943 bescheinigt die Erprobungsstelle der Luftwaffe dem Turbinentriebwerk mangelnde Betriebsreife. Ganz falsch ist Hitlers Zurückhaltung der Freigabe des Düsenjägers zur Serienproduktion also nicht!

Als Hitler dann am 26. November 1943 die Fähigkeiten des neuen Düsenjägers vorgeführt bekommt, stellt er an Hermann Göring unvermittelt – doch nicht gerade überraschend – die wohl unvermeidliche Frage: „Kann dieses Flugzeug Bomben tragen?“. Göring hatte diesen Punkt zuvor bereits mit dem Konstrukteur besprochen und lässt daher Willy Messerschmitt antworten. Der fürchtet möglicherweise in Anbetracht jener Vorgaben vom Februar 1943 bei der Verneinung einen Produktionsstopp:

„Jawohl, mein Führer, im Prinzip ja. Belastungsmäßig werden 500 kg sicher, vielleicht sogar 1.000 kg zu verkraften sein.“ Das wollte Hitler hören. „Seit Jahren fordere ich von der Luftwaffe den Schnellbomber, der ungeachtet der feindlichen Jagdabwehr sein Ziel sicher erreicht. In diesem Flugzeug, das Sie mir als Jagdflugzeug präsentieren, erblicke ich den ‚Blitzbomber’, mit dem ich die Invasion in ihrer ersten und schwächsten Phase abschlagen werde. Er wird ungeachtet des feindlichen Luftschirmes in die gerade gelandeten Massen von Material und Truppen hineinschlagen und Panik, Tod und Verderben anstiften. Das ist endlich der ‚Blitzbomber’! Daran hat natürlich niemand von Ihnen gedacht!“

Es gibt im Detail unterschiedliche Schilderungen des Wortlautes, die zitierte stammt von Adolf Galland. Sinngemäß sind sich jedoch alle Quellen einig. Was Hitler betrifft, ist die Angelegenheit damit erledigt. Er erwartet, dass seine Wünsche ausgeführt und die Me 262 für ihre Rolle als „Vergeltungs-Blitzbomber“ modifiziert würde. Eine Rolle, für die dieses Flugzeug vollkommen ungeeignet ist. Durch die Bombenlast verliert die Me 262 ihren entscheidenden Geschwindigkeitsvorteil komplett und ist in der Luft somit wieder angreifbar. Und selbst mit Bomben an Bord ist sie für einen gezielten Bombenabwurf noch viel zu schnell, zumal der Pilot direkt über den Tragflächen sitzt und aus größerer Flughöhe praktisch keine Sicht auf Bodenziele hat. Geht er aber zum Bahnneigungsflug oder gar Sturzflug über, so ist im Nu die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten. Der Jet ist dann nicht mehr steuerbar – irgendwann zerreißen die Tragflächen. Und im Tiefflug könnte man gleich einen Tankwagen hinter dem „Düsenjägerbomber“ hinterherziehen, so viel Sprit verbraucht das Flugzeug dann ...

Tatsächlich wird Hitlers Anordnung gezielt unterlaufen – Messerschmitt entwickelt sein Flugzeug unbeirrt weiter als Jagdflugzeug. Als der Führer” dies etwa ein halbes Jahr später erfährt, hat er einen seiner berüchtigten Tobsuchtsanfälle. Einen der schlimmsten bisher überhaupt. Generalluftzeugmeister Milch wird wenig später abgesetzt, Göring beschimpft. Dieses Mal, am 23. Mai 1944, befiehlt Hitler ausdrücklich, dass die Me 262 ausschließlich als Bomber zu bauen sei. Erst als eine ganze Reihe hochrangiger Untergebener ihn Geradezu bestürmt, seinen in der Auswirkung für den gesamten Kriegsverlauf fatalen Beschluss zurückzunehmen, erlaubt Hitler schließlich, dass gerade mal eine (1) von 20 gebauten Me 262 als Jagdflugzeug ausgeliefert werden darf. Selbst als später die ersten Arado Ar 234 einsatzfähig sind – ein echter Düsenbomber, zunächst als Aufklärer und dann als solcher entwickelt vom Reisbrett an – bleibt Hitler in seiner Selbstüberschätzung stur und unnachgiebig. Für jede Arado Ar 234, welche an die Kampfgeschwader übergeben wird, darf fortan eine einzige Me 262 den Jägereinheiten zugeführt werden.

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23. Mai 1944:

„Mein Führer, das sieht doch jedes Kind, dass das kein Bomber, sondern ein Jäger ist!“

Generalluftzeugmeister Erhard Milch verliert nach einer donnernden Rüge von Adolf Hitler die Nerven – und danach seinen Posten ...

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Eine Me 262 A-1a des „Kommandos Schenk“ im Juli des Jahres 1944.

Dies ist vor dem Hintergrund der Luftlage eine Katastrophe. Nichts benötigt die Luftwaffe zu diesem Zeitpunkt dringender als ein überlegenes Jagdflugzeug, mit welchem sie in der Lage wäre, die verlorene Luftherrschaft über Deutschland zurückzugewinnen. Die deutschen Kolbenmotorjäger kämpfen verzweifelte Luftschlachten gegen eine örtlich oft zwanzigfache, insgesamt noch größere Übermacht, und dies zudem mit Piloten, welche immer unzureichender im Schnellverfahren ausgebildet werden, da es mehr und mehr an Fluglehrern und Flugbenzin für die Ausbildungsflüge mangelt. Sie kämpfen verbissen, aber viele überleben nicht einmal den ersten Einsatz. Die erfahreneren Piloten fliegen unermüdlich – doch es werden immer weniger.

Und da ist es – ein Jagdflugzeug, in 6.000 Metern Höhe fantastische 870 km/h schnell und damit 150 km/h schneller als der schnellste alliierte Jäger, enorm schwer bewaffnet und in der Lage, einem selbst in Übermacht angreifenden Gegner einfach davonzufliegen. Ein Feuerstoß aus den vier 30-mm-Kanonen kann die Tragfläche einer viermotorigen B-17 komplett durchtrennen, und jede einzelne der (später verfügbaren) 24 R4M-Raketen einer Me 262 kann jedes Feindflugzeug mit einem einzigen Treffer zerfetzen. Eine Salve dieser Raketen – hineingefeuert in den Bomberpulk, deren Maschinen meistens dicht an dicht fliegen, um ihr Abwehrfeuer zu massieren – hat einen absolut verheerenden Effekt. Die zerstörerische Wirkung übertrifft alle Erwartungen.

Da steht sie – zweckentfremdet als Bomber! Die Kampfgeschwader müssen unfreiwillig Bomberpiloten auf die Me 262 umschulen, mühsam die komplexe Logistik aufbauen und aufwändig Betonstartbahnen in Frankreich bauen. Um die Invasion abzuschlagen! Als die Invasion dann stattfindet, ist kein einziger „Blitzbomber“ einsatzbereit. Als die Startbahnen schließlich fertig sind, werden sie vom Feind erobert.

Galland versucht es noch mal. Der Führer verleiht hohe Auszeichnungen persönlich. Also verabredet Galland dann, wenn jene Geehrten Jägerkameraden sind, dass sie Hitler ansprechen mögen. Der General der Jagdflieger findet bei seinen Kollegen offene Ohren vor – sie alle wissen selber genau, worum es geht! Oberstleutnant Johannes Steinhoff erhält die Schwerter zum Ritterkreuz am 28. Juli 1944, auch Oberstleutnant Kurt Bühligen ist anwesend. Hitler wirkt gereizt. Und fragt die Anwesenden ohne Umschweife: „Sind wir den amerikanischen und englischen Jägern unterlegen oder nicht?

Bühligen antwortet sofort: „Seit fast zwei Jahren kämpfen wir mit zahlenmäßiger Unterlegenheit! Unsere Flugzeuge sind außerdem statt schneller langsamer geworden. Rund 70 Stundenkilometer sind die Jagdflugzeuge der Amerikaner und Engländer schneller als wir!“

Eisige Stille. Dann wendet sich Hitler mit drohendem Ton an Steinhoff. „Was wollen Sie denn eigentlich? Etwa ein neues Flugzeug?“ Die Antwort kommt wie aus der Pistole. „Jawoll, den Düsenjäger!“

„Düsenjäger, Düsenjäger!“ Hitler sieht rot! „Der spukt ihnen in den Köpfen herum – ich will das nicht mehr hören! Das ist kein Jagdflugzeug, und Sie werden damit nicht jagen können. Mein Arzt hat mir gesagt, dass in den engen Kurven, die Sie ja im Luftkampf fliegen müssen, Teile des Gehirns einfach aussetzen. Das Flugzeug ist noch nicht reif, und wenn es soweit ist, dann bekommen es die Jäger nicht! Für Sie habe ich andere, auf Grund der alten technischen Erfahrungen und gesünder entwickelte Flugzeuge! Reden Sie mir nicht mehr von dem Düsenjäger, es ist sinnlos! [...] Ich weiß das besser!“

Der Erfolg der Unterredung ist ein Führerbefehl. „Mit sofortiger Wirkung verbiete ich, mit mir über das Düsenflugzeug Me 262 in einem anderen Zusammenhang oder einer anderen Zweckbestimmung zu sprechen als als Schnellst- oder Blitzbomber!“ Göring beeilt sich, in dasselbe Horn zu blasen.

Erst am 4. November 1944 gibt Hitler schließlich unter dem Druck der Ereignisse die volle Produktion der Me 262 als Jagdflugzeug frei. Nun ist es zu spät. Ob allerdings die etwa 60 bisher an die Kampfflieger ausgelieferten Me 262 das Blatt hätten wenden können, muss bezweifelt werden. Feindjäger beherrschen den Himmel. Sie wissen genau um die wenigen langen und betonierten Startbahnen, welche der Luftwaffe noch als geeignete Landeplätze für die Düsenjäger verbleiben. Wenn sie einmal in der Luft sind, sind die Me 262 fast unangreifbar. Doch bei Start und Landung sind sie verletzlich. Da die Alliierten vorhersehen können, wann in etwa die „Turbos“ aufsteigen müssen, um einen in Reichweite kommenden Bomberstrom abzufangen, kreisen sie zu diesem Zeitpunkt mit einer Jägervorhut bereits über dem Platz und lauern auf den Start der gefährlichen Düsenjäger. Dem versuchen die Deutschen zu begegnen, indem sie ihrerseits die modernsten Kolbenmotorjäger, die sie haben, einsetzen, um die alliierten Abfangjäger in Luftkämpfe zu verwickeln und von den „Turbos“ abzuhalten. In diesen Hexenkessel direkt über ihren Köpfen hinein starten die Me 262-Piloten, höchst gefährdet, bis sie Höhe und Geschwindigkeit genug gewonnen haben. Und wenn sie zum Landeanflug einschweben, können sie nicht sicher sein, ob die Ablösung der Alliierten nicht schon auf sie wartet ...

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Messerschmitt Me 262 A-1a, in 6.000 Metern Höhe 870 km/h schnell.

Und dennoch schafft es eine Handvoll an Piloten, mit diesem Flugzeug im letzten Kriegsjahr erstaunliche Abschusserfolge zu erzielen, in legendären Einheiten wie dem JV 44, JG 7 oder dem NJG 11.

Einheiten, die sträflich schlecht auf den Jet vorbereitet sind – was nicht für Galland spricht*1. Doch die Zeiten sind vorbei, in denen der Pilot eines Aufklärungsflugzeugs des britischen Typs de Havilland „Mosquito“ in großen Höhen einfach nur Gas zu geben brauchte, um dem fluchenden Flugzeugführer einer Messerschmitt Bf 109 oder gar Focke-Wulf Fw 190 entkommen zu können. Zurück blieb dem deutschen Piloten ein beschämendes Gefühl der Hilflosigkeit. Nun wendet sich das Blatt ins Gegenteil. So wirkt es wie ein Fanal, als am 26. Juli 1944 Leutnant Alfred Schreiber nahe München einen in England gestarteten Aufklärer dieses Typs mit einem Erprobungs-Düsenjäger abfängt. Er kann die Mosquito zwar nur beschädigen – sie landet angeschossen auf einem alliierten Flugplatz in Italien – doch immerhin hat er eine Mosquito erwischt! Am Nachmittag des 8. August 1944 ist es dann soweit. Leutnant Joachim Weber erzielt 65 Kilometer südwestlich von München den ersten Abschuss eines bemannten Flugzeuges durch einen Düsenjäger. Sein Opfer ist ein Aufklärer der 540 Squadron RAF. Es ist eine – de Havilland „Mosquito“ PR XVI!

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Die Wirkung eines Düsenjägerangriffes am 4. April 1945, 448th BG.

Die enorme Feuerkraft des deutschen Düsenjägers wird augenfällig am 15. August 1944 über den Außenbezirken von Stuttgart. Feldwebel Helmut Lennartz nähert sich einem angeschlagenen amerikanischen Bomber, einer Boeing B-17 G „Fliegende Festung“ der 303rd Bomb Group. Die Maschine ist zurückgeblieben und versucht verzweifelt, eigenes Territorium zu erreichen. Die Besatzung des Bombers konzentriert sich wie gebannt auf den massierten Feuerhagel des Flugabwehrgeschützringes um die Hauptstadt Baden-Württembergs in Süddeutschland. Sie bemerkt die tödliche Gefahr in Gestalt eines scheinbar motorlosen Flugzeuges mit zwei fauchenden Düsen-Turbinen nicht. Der vernichtende Feuerstoß der vier 30-mm-Kanonen des deutschen Messerschmitt-Jets sägt die komplette Tragfläche des mächtigen viermotorigen Bombers glatt ab. Die „Fortress“ trudelt wie ein Stein zu Boden.

Die wenigen deutschen Piloten, denen es in den Monaten vor dem endgültigen Zusammenbruch noch vergönnt ist, dieses elegante Flugzeug zu fliegen, erleben nach den vielen demütigenden Rückschlägen gegen eine hoffnungslose Übermacht noch einmal das lange vermisste Gefühl, völlig uneingeschränkter Herr am Himmel über Deutschland zu sein. Sofern sie es schaffen, den Start zu überleben!

Doch auch in der Luft ist der deutsche Turbinenjäger nur dann unverwundbar, wenn die Luftlage es erlaubt, seine Stärken auszuspielen. Die überlegene Geschwindigkeit der Me 262 hat auch einen Nachteil – der Zeitraum, der einem Jetpiloten zur Verfügung steht, um einen der viel langsameren Kolbenmotorjäger der Alliierten zur Strecke zu bringen, ist kurz – sehr kurz. Selbst beim üblichen Angriff von hinten muss der Jetpilot sehr schnell exakt zielen und feuern, bevor er sein Opfer überholt. Doch die deutschen Zieleinrichtungen Revi 16B und vor allem später das kreiselstabilisierte automatisierte Askania EZ 42 erlauben solch exaktes Zielen, und die Wirkung der vier 30-mm-Kanonen ist derart vernichtend, dass ein kurzer, treffender Feuerstoß zum sicheren Abschuss eines Jägers genügt. Entsprechend erfolgreich sind die deutschen Düsenjäger, welche sich zudem nach Belieben einem Luftkampf entziehen können, indem sie einfach nur auf Volllast gehen. Das demütigende Gefühl der deklassierten Hilflosigkeit ist dann auf Seiten der amerikanischen, britischen – und zunehmend auch russischen Piloten.

Doch nicht immer ist das so. Denn nicht immer fliegen die Düsenjäger in Höchstgeschwindigkeit. In der Regel wird beim Angriff auf Bomberpulks die Geschwindigkeit reduziert, um bei der enormen Geschwindigkeitsdifferenz überhaupt zielen zu können. So gelingt es alliierten Piloten manchmal, einen ihrer gefährlichen deutschen Gegner zu überraschen und im – für die eigene Geschwindigkeit vorteilhaften – Sturzflug unbemerkt auf Schussentfernung heranzukommen. Ferner: wenn der deutsche Pilot durch eine größere Formation von Bombern mit ihrem immensen Abwehr-Feuervorhang oder eine Gruppe von Feindjägern hindurchstoßen muss, so können die Geschosse vieler Gegner doch auch einmal treffen – und sei es manchmal auf Entfernungen, bei welchen der Zufall seine Hand im Spiel haben muss.

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Me 262 A-2a-„Jagdbomber” der 2. Staffel des KG(J) 51 auf dem Flugplatz in Rheine. Das Flugzeug wird von einem Kettenkrad gezogen.

Die alliierten Jägerpiloten haben gegen die überlegenen deutschen Düsenjäger auch dann eine Chance, wenn der deutsche Jetpilot seine Geschwindigkeit reduziert, um einen kurvenden, mit wilden Ausweichmanövern fliehenden Gegner vor das Fadenkreuz seines Visiers zu bekommen. Denn die enorme Unterlegenheit der herkömmlichen Jäger hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit führt zu einer Entkommens-Chance durch die zwangsläufig dadurch entstehende Überlegenheit an Wendigkeit. Lässt sich ein deutscher Düsenjägerpilot im Jagdfieber dazu verleiten, seine Geschwindigkeit zu drosseln, um den fliehenden Gegner nicht entkommen zu lassen, kann ein Kamerad des verfolgten Gegners – möglicherweise unerwartet – zum Schuss kommen. Diese Gelegenheit ergibt sich vor allem dann, wenn der Pilot des Propeller-Jägers aus der Überhöhung herabstürzt und sein Flugzeug dadurch relativ an Geschwindigkeit gewinnt. Die deutschen Turbinen sind beschussanfällig, ein kleiner Treffer selbst aus großer Distanz genügt oft, um eines der beiden Triebwerke lahm zu legen. Dann ist der Geschwindigkeitsvorteil des Düsenjets endgültig dahin – und sein Schicksal somit besiegelt! Auch auf diese Art werden einige der wertvollen Düsenjäger in der Luft bezwungen. Doch in aller Regel haben die alliierten Piloten das Nachsehen – im wörtlichen Sinne!

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Boeing B-17 G „Flying Fortress“ beim Bombenwurf über dem Ziel.

Die Piloten der Me 262-Düsenjäger sind ausgesuchte erfahrene Flugzeugführer. Die von ihnen bezwungenen feindlichen Jäger sehen den Jet oft gar nicht – bis es zu spät ist. Auch hier heißt allerdings „oft“ nicht: „immer“. Am 14. März 1945 fangen drei deutsche Düsenjäger zwei Aufklärungsflugzeuge der Amerikaner ab. Leutnant Joachim Weber, Unteroffizier Giefing und Leutnant Alfred Ambs starten in Brandenburg-Briest. 20 Minuten später haben die schnellen Düsenjäger die nach Westen abfliegenden Aufklärungsflugzeuge eingeholt. Es handelt sich um zwei P-51 D „Mustangs“. Die amerikanischen Piloten bemerken die Gefahr nicht – bis Leutnant Weber aus zu großer Entfernung das Feuer eröffnet. Die beiden US-Aufklärungs-Jagdflugzeuge stieben alarmiert auseinander.

Die deutschen Jagdflieger sind nun der Chance auf einen Überraschungssieg beraubt und entschließen sich zu einer List. Die Geschwindigkeit ihrer Jets erlaubt es, einfach davonzufliegen – und so die Amerikaner zu täuschen, die nun glauben müssen, die Deutschen hätten wichtigere Ziele als die beiden Mustangs. Doch die Düsenjäger drehen um. Mit einer Annäherungsgeschwindigkeit von 1.400 km/h rasen die gegnerischen Flugzeuge aufeinander zu. Leutnant Ambs feuert aus 300 Metern Entfernung auf einen der beiden überraschten US-Piloten. Die Mustang zerreißt es unter dem Feuerstoß in Tausende explodierender Einzelteile. Die zweite Mustang unterliegt Leutnant Weber, dessen Garben dieses Mal exakt im Ziel sitzen.

Etwas leichter als mit den Jagdfliegern des JG 7 oder des JV 44 haben es die alliierten Jägerpiloten mit den Flugzeugführern der Kampfgeschwader KG(J) 51 und 54 (relativ spät auch KG 6), welche den Düsenjäger als Jagdbomber fliegen. Mit Bomben beladen verlieren die Düsenjäger ihre Geschwindigkeitsvorteile, und selbst ohne Bomben sind die ehemaligen Bomberpiloten in Luftkampftaktiken Jäger gegen Jäger nicht so versiert wie ihre Kameraden der Jagdgeschwader. So schießen beispielsweise am 9. Februar 1945 Mustangs der 55th Fighter Group die Me 262 des Oberleutnant Walter Draht bei Meerholz ab, nachdem bereits Oberstleutnant Volprecht Riedesel Freiherr zu Eisenach bei Camberg im Taunus und Oberleutnant Günter Kahler bei Neuhof vom starken Abwehrfeuer amerikanischer Bomber bezwungen worden waren. Es ist der erste Einsatz des ehemals mit Junkers Ju 88-Bombern ausgerüsteten Kampfgeschwaders mit dem neuen Jagdflugzeug. Spitfire der 610 Squadron erwischen am 14. Februar 1945 die Me 262 des Feldwebel Hofmann. Der Turbinenjet wird von Flight Lieutenant Gaze bei Emmerich kurz nach 17.00 Uhrabgeschossen und nimmt den Piloten in den Tod.

Seit dem 18. März 1945 werden die gefährlichen deutschen Düsenjäger zusätzlich zu ihren schweren Bordwaffen mit den – ab diesem Tag gefürchteten – R4M-Raketen ausgerüstet. Unter jeder Tragfläche sind zwölf Projektile montiert, insgesamt 24 pro Jagdflugzeug. Ein einziger Treffer einer dieser Raketen lässt einen viermotorigen Bomber geradezu auseinander bersten. Die deutschen Piloten feuern von schräg seitlich oder hinten anfliegend die Raketen in einem Fächermuster ab, alle zusammen mitten hinein in den aus dicht an dicht fliegenden unzähligen Fliegenden Festungen bestehenden Bomberstrom. Danach setzen die Jäger ihr Zerstörungswerk mit Hilfe der vier Bordkanonen fort.

Der 18. März 1945 verbirgt den Trümmerhaufen, welcher einmal die Reichshauptstadt gewesen war, unter einer dichten Wolkendecke. Man sollte glauben, dass es hier nicht mehr viel zu zerstören gibt. Am 3. Februar 1945 waren beim bislang schwersten Luftangriff der großen US-Bomber 22.000-25.000 Menschen getötet worden. Sie sterben oft grausam. Die Amerikaner büßen „nur“ 36 Bomber und neun Jäger ein – erstaunlich genug angesichts ihrer kolossalen Überlegenheit. Immerhin waren 937 Bomber über der Stadt erschienen und hatten 2.267 Tonnen Bomben auf die Mauern und Keller geworfen. Ganze 600 Begleitjäger hatten die Bomberflotte gedeckt. Und nachts kommen die Briten. Mit kleineren Verbänden, schnellen zweimotorigen Mosquito-Bombern – doch es genügt, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Am 26. Februar 1945 sind wieder die Amerikaner an der Reihe. 1.112 viermotorige Bomber laden 2.286 Tonnen Bomben ab und fliegen danach nach Hause – nur fünf der Bomber und fünf Begleitjäger fehlen bei ihrer Ankunft in England.

Und nun, am 18. März 1945, startet abermals eine Rekordanzahl von alliierten Flugzeugen zu einem Vernichtungsschlag gegen Berlin. Bis zum letzten Bombenangriff der amerikanischen Bomberflotten am 20. April 1945 soll die Stadt nicht mehr zur Ruhe kommen. Auch nicht danach. Denn dann übergeben die westlichen Alliierten den Luftraum über Berlin den (teilweise in den USA hergestellten) Mittelstreckenbombern ihrer sowjetischen Waffenbrüder, deren Truppen am Boden bereits zum Sturm auf die deutsche Hauptstadt ansetzen. Am 21. April 1945 schlagen schließlich die ersten russischen Artilleriegranaten in der Ruinenwüste ein. In der immer noch Menschen hausen. Als die Stadt dann letztlich Straße für Straße, Gebäude für Gebäude blutig erobert ist und sich vielfach russische Soldaten an den überlebenden Frauen vergehen, ist das Maß des Erträglichen für eine Anzahl der geschundenen Einwohner der „Reichshauptstadt“ endgültig überschritten. Nicht selten nehmen sich die leidgeprüften Berliner das Leben, ein Leben, welches oft nur noch Schmerz, Erniedrigung und Entsetzen kennt ...

Über 2.000 amerikanische Flugzeuge sind am 18. März 1945 im Anflug auf die Reichshauptstadt, 1.329 schwere Bomber, 982 B-17 und 347 B-24, eskortiert von 733 P-51-Jagdflugzeugen. Eine gigantische Luftarmada. Denen sich nur 38 deutsche Düsenjets entgegenwerfen. Lediglich 38! Doch immerhin! Selbst das grenzt an ein Wunder nach all dem Aderlass der letzten Monate und Jahre.

Die Wolkendecke ist geschlossen bis in etwa 6.000 Meter Höhe. Darüber scheint die Sonne. Der Bodennebel ist eigentlich keine gute Voraussetzung für einen Start. In Kaltenkirchen, dem Standort der 3. Staffel des JG 7, verhält man sich abwartend – bis zu einem Anruf des Oberbefehlshabers der deutschen Luftwaffe Reichsmarschall Hermann Göring, welcher unter Drohungen und den wüstesten Beschimpfungen einen Einsatz der wertvollen Jagdflugzeuge erzwingt. Prompt kollidieren die Jets von Oberleutnant Hans Waldmann Image und Leutnant Hans-Dieter „Hadi“ Weihs Image in etwa 800 Metern Höhe kurz nach dem Start. Beide können zwar mit dem Fallschirm aussteigen, doch der alte Veteran Waldmann wird tot mit einem Loch im Kopf am Boden aufgefunden. Weihs überlebt unverletzt. Zu allem Unglück durchbricht Oberfähnrich Schrey mit seiner Image die Wolkendecke, als sein Düsenjäger vermutlich noch nicht die volle Geschwindigkeit erreicht hat. Er fliegt völlig unverhofft einer ganzen Horde von P-51 „Mustang“-Jägern direkt vor die Rohre – die US-Piloten müssen nur noch abdrücken. Das tun sie gründlich, auch als Schrey schließlich wehrlos am Fallschirm hängend zu Boden schwebt. Die Amerikaner halten gnadenlos drauf. Schrey stirbt am Fallschirm. Es ist Mord in deutschen Augen!

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Consolidated B-24 „Liberator“ am 18. März 1945 über Berlin.

Die III. Gruppe des JG 7 startet unter Führung von Major Sinner in Brandenburg-Briest, Parchim und Oranienburg. Auch der Geschwaderstab wirft sich mit seinen Maschinen dem übermächtigen Feind entgegen. Die Düsenjäger treffen über Berlin auf den Bomberstrom, als die schweren Kampfflugzeuge ihre tödliche Last bereits abgeworfen haben und zum Rückflug eindrehen. Der deutsche Verband wird sofort von den amerikanischen Begleitjägern in Empfang genommen. Doch diese können den Jets auf ihrem Weg zu den Bombern nur noch hilflos hinterhersehen. Die deutschen Jäger setzen entschlossen zum Angriff an. Sechs Maschinen der 9. Staffel sind mit den neuen 5,5-cm-R4M-Raketen ausgerüstet – „R4M“ ist eine Abkürzung für „Rakete, 4 kg, Minenkopf“. Diese Flugkörper werden in der Regel aus 600-900 Metern Entfernung zum anvisierten Bomberpulk in einer fächerförmigen Salve abgefeuert – direkt von hinten oder im Winkel von etwa 45° schräg von hinten (in Einzelfällen sogar schräg von vorne) anfliegend *2. Diese Angriffsrichtung macht Sinn, um große Rumpfflächen der Bomber als mögliches Trefferfeld anzugehen. Um Luftwirbel zu vermeiden, die bei gleichzeitigem Abschuss nebeneinander liegender Raketen entstehen könnten und die Flugbahn der Geschosse beeinflussen würden, sorgen zwei Relaisschalter dafür, dass die Gesamtsalve in vier Portionen zu je sechs Raketen aufgeteilt wird – nacheinander abgefeuert im Abstand von 0,07 Sekunden. Alle 24 Projektile zusammen decken auf ihrem Weg nach dem Schrotschussprinzip einen Raum von 15 x 30 Metern ab. Was sich in diesem Luftraum befindet, wird ohne die geringste Abwehrchance vernichtet. Da die Flugbahn der 540 m/sek schnellen Raketen der Schussbahn der 30-mm-Kanonen entspricht, kann mit dem im Cockpit ohnehin eingebauten Reflexvisier gezielt werden – es ist keine eigene Zielvorrichtung erforderlich! Da ferner beim „Schrotschussprinzip“ ein exaktes Zielen entfällt, muss auch nicht gefährlicherweise abgebremst werden, wie dies beim gezielten Feuern mit den Bordkanonen normalerweise erforderlich ist.

Der Effekt des Angriffs ist horrend. Oberleutnant Günther Wegmann, Staffelkapitän der 9./JG 7, führt den Verband der sechs Maschinen an. Er fliegt die Me 262 A1-a mit der Werknummer 110808, eine Maschine, die bis zum 3. März 1945 von Oberfeldwebel Hermann Buchner geflogen worden war. Die Maschine wird derzeit normalerweise von einem anderen Piloten benutzt. Sie hatte soeben eine neue Turbine erhalten. Wegmann wird begleitet von Leutnant Schnörrer, Oberleutnant Seeler, Oberfähnrich Windisch, Fähnrich Ehrig und Oberfähnrich Ullrich. Wegmann sucht sich in seiner Image einen Pulk von etwa 60 Bombern heraus. Alle Strahljägerpiloten lösen fast gleichzeitig aus nur 400 Metern Entfernung zu den riesigen Viermotorigen ihre Raketen aus. Die insgesamt 144 Sprengköpfe richten geradezu eine Orgie der Zerstörung an. Wegmann sieht nur noch zerberstend wegfliegende Teile, Feuer und Rauch allüberall, als er hochzieht und über die Bomber-Box hinwegrast. Die getroffenen Bomber werden regelrecht zerrissen.

Es sei ein Anblick, „wie wenn man einen Aschenbecher ausleert“, sagt einer der beteiligten Düsenjägerpiloten später. „Zerplatzte Rümpfe, abgebrochene Tragflächen, losgerissene Motore, Aluminiumfetzen und Bruchstücke in allen Größen wirbelten durch die Luft!“, so der Augenzeuge.

Die Maschinen gehören zur 3ten Bomber-Division, von der die 34th Bomb Group (BG) eine B-17, die 385th BG zwei B-17, die 390th BG drei B-17 einbüßt und die 487th BG eine B-17. Wie viele diese teilweise von den überraschten Amerikanern als „Flaktreffer“ verbuchten Verluste tatsächlich den R4M-Raketen zugeschrieben werden müssen, ist bis heute nicht geklärt. Zwei beschädigte Boeing-Bomber der 452nd BG kollidieren später auch noch über dem Kanal auf dem Rückflug und stürzen ab.

Nun sind die amerikanischen Begleitjäger nachgerückt und versuchen, ihre viermotorigen Schützlinge abzuschirmen. Drei Mustangs bezahlen diesen Versuch mit ihrer Zerstörung und stürzen brennend vom Himmel. Eine davon gerät Oberleutnant Franz Schall vor das Reflexvisier, die beiden anderen beansprucht Oberfeldwebel Heinz Arnold für sich. Doch auch die deutschen Jagdflugzeuge haben Verluste. Oberleutnant Günther Wegmann sieht, dass der Treibstoffvorrat seiner Formation allmählich zum Abdrehen zwingt. Andererseits: die Munition der Bordkanonen ist noch unverbraucht. Folgerichtig leitet er zur Bekämpfung der Bomber mit den 30-mm-Geschossen einen zweiten Angriff ein. Tragischerweise wird er bei diesem Anflug vom Abwehrfeuer eines B-17-Bordschützen getroffen, als seine eigenen Geschosse die Tragfläche des Bombers durchlöchern. Die Windschutzscheibe der Me 262 mit der Kennung Image (Nr. 110808) zersplittert, das Instrumentenbrett wird zerschossen*3. Vom rechten Bein rast ein heftiger Schlag durch Wegmanns Körper. Wegmann ertastet ein faustgroßes Loch in seinem Bein, kann aber dennoch zunächst weiterfliegen. Er spürt keinen Schmerz! Als die rechte Turbine ausfällt und Feuer fängt, muss Wegmann schließlich doch noch abspringen. Eine Rot-Kreuz-Schwester leistet ihm erste Hilfe – zum Glück ist sie schnell zur Stelle. Einige Stunden später wird sein rechtes Bein amputiert. Vielleicht wird auch Oberleutnant Seeler das Opfer einiger amerikanischer Bordschützen. Er verschwindet spurlos, wahrscheinlich explodiert die Image. Mit Seeler, Waldmann und Schrey sterben an diesem Tag drei Düsenjäger-Piloten. Fünf Me 262-Jets gehen verloren (allerdings zwei davon durch Unfall, nur drei der Flugzeuge werden – im Falle Oberleutnant Seelers vermutlich – im Luftkampf abgeschossen).

Zwölf Boeing B-17 und eine B-24 „Liberator“ werden zerstört, weitere 15 werden zu fliegenden Wracks geschossen – wenn auch nicht alle durch die Düsenjäger. Auch die deutschen Flugabwehrgeschütze finden ihre Opfer im amerikanischen Verband. Neben der III. Gruppe im Jagdgeschwader 7 greifen andere deutsche Einheiten in die Kämpfe ein. Hauptmann Wilhelm Steinmann vom der EJG 2 schießt mit seiner Me 262 zwei Mustangs vom Himmel. Die 14./JG 26 kommt nicht an die Bomber heran, verliert aber vier „Dora-9“ an die P-51-Begleitjäger der 339thFighter Group. Captain Gerards Mustang wird dabei im Gegenzug von den Deutschen zur Notlandung gezwungen, allerdings auf alliiertem Boden.

Insgesamt kehren sechs US-Jäger und 23 US-Bomber nicht mehr zu ihren englischen Basen zurück, von denen zehn auf sowjetisch besetztem Gebiet notlanden können *4. 15 weitere Bomber müssen nach ihrer Rückkehr abgeschrieben werden, ebenso eine P-51. 704 Bomber und vierJagdflugzeuge kommen reparabel beschädigt nach Hause. Auch die III./JG 53 und I./JG 2 schlägt sich im Westen mit Mustangs, diese Luftkämpfe haben allerdings keinen Einfluss auf die genannten Verluste der 8th USAAF.

18. März 1945

Oberhalb der Wolkendecke herrscht prächtiges Wetter. Die Sonne scheint. Die mächtigen viermotorigen Boeing-Bomber ziehen lange Kondensstreifen hinter sich her. Viel hatten sie schon ausgehalten, die Jungs der 100th Bomb Group/3rd Air Division. Am 31. Dezember 1944 über Hamburg beispielsweise hatten die „Jerries“ zwölf Bomber aus den Reihen der „Bloody Hundredth“ (blutigen Hundertsten) heruntergeschossen. Die 100th US Bomb Group hatte sich ihren Spitznamen bitter erkämpft, weiß Gott!

Edward P. Gwins Crew erinnert sich gut an diesen Einsatz. Na ja, vielleicht nicht an jedes Detail. Vor allem Donald H. Reichel nicht, der Copilot. 20 Minuten war er angeblich bewusstlos gewesen, als ein Geschoss direkt rechts hinter ihm explodierte. Der Angriff dieser verfluchten deutschen Messerschmitt 109-Jäger hatte endlos lange gedauert. Von unserem Mustang-Begleitschutz war weit und breit nichts zu sehen gewesen. Die „kleinen Freunde“ hatten sie im Stich gelassen, damals.*5 Na ja, vielleicht können die ja nicht überall sein. Aber die „109er“ hätten sie ihnen schon vom Halse halten können, über Hamburg! Und dann die extrem heftige Flak! 300 Löcher hatten die Mechaniker später in unserer braven „All American Girl“ gezählt. Eines – in der linken Tragfläche – war groß genug gewesen, dass ein Mann hindurchklettern konnte. Na ja, lang ist es her. Sie waren noch mal davongekommen, im Dezember letzten Jahres. Knapp genug war`s ja gewesen!

Nun gut, jetzt, im März 1945, fliegt man den 31. Einsatz. Nach dem 35. geht es heim nach Hause! Vielleicht zwei Wochen noch, dann haben wir es geschafft. Unsere neue B-17 G (Produktionsnummer 43-38861) hält sich tapfer. „Sweet Nancy II“ nennt sie der Pilot – nach seiner Frau. Viel haben die Deutschen ja jetzt nicht mehr, womit sie uns hier oben ärgern können. Gut, die Flugabwehrgeschütze der deutschen Flak – wie immer. Aber der Luftwaffe hatte man ja wohl inzwischen gründlich den Garaus gemacht. Unsere kleinen Freunde von den Jägerstaffeln waren fleißig gewesen, das muss man ihnen schon lassen. Hamburg sei ihnen verziehen ...

Das Ziel taucht auf – Berlin. Wieder mal Berlin. Viel sieht man nicht durch die Wolkendecke. Doch die Radar-unterstützten Führungsbomber stört die mangelnde Bodensicht nicht im Geringsten. Die Zeiten sind vorbei, in denen man noch auf Zielsicht angewiesen war! Moderne Technik macht es möglich! „Bomben los“ – dann geht es zurück in Richtung England. Nur wenige der Besatzungen denken darüber nach, welches entsetzliche Schreckensszenario sich zur selben Zeit einige tausend Meter tiefer in den Kellern und Ruinen abspielt.

Es ist 11.09 Uhr. Neben der „Sweet Nancy II“ fliegt majestätisch ein anderer der vielen viermotorigen B-17-Bomber. Es ist die „Skyway Chariot“ mit dem Code Image (Produktionsnummer 43-37521). 1st Lieutenant Rollie C. King und Flight Officer Jack Williams sind die Piloten. Ihr Heckschütze hört auf den Namen J.M. Baker. Doch er tut dies nur noch wenige Sekunden lang. Baker hat kaum eine Chance, die vier schwarzen Punkte rechtzeitig zu erkennen, welche sich im Schutze der vielen weißen Kondensstreifen hinter dem Bomberpulk nähern. Jeder der viermotorigen amerikanischen Maschinen zieht vier feine weiße Schleppen hinter sich her, ergänzt durch die weißen Kreise der Begleitjäger über ihnen. Ein friedliches Bild. Dass acht der Kondensstreifen zu vier heranjagenden zweimotorigen Düsenmaschinen gehören, merken die meisten Besatzungsmitglieder der Bomber viel zu spät.

Ein gigantischer Schlag zerfetzt Teile des Seitenruders, das linke Höhenruder und den Schützenstand im Heck. Die Treffer des deutschen Düsenjägers töten Baker augenblicklich. Der nächste Anflug vernichtet praktisch alle Steuerorgane. Der Bomber verliert an Höhe. Ein dritter Angriff folgt. Er gibt dem angeschossenen Riesen den Rest. Die Maschine kippt ab, gerät in ein unkontrollierbares Trudeln. Immerhin gelingt sechs der noch lebenden Besatzungsmitglieder der Fallschirmabsprung, bevor die Fliegende Festung in einem grellen Feuerball explodiert.

2nd Lieutenant Edward Gwin und sein Copilot 2nd Lieutenant Donald H. Reichel in der neben der Ungücksmaschine fliegenden „Sweet Nancy II“ hatten sich bisher in halbstündigem Rhythmus abgewechselt. Im Moment fliegt Reichel den viermotorigen Bomber. Es ist 11.09 Uhr. Die Besatzung ist in Gedanken längst auf ihrem Stützpunkt in England, als ein lauter Warnschrei durch die Bordsprechanlage tönt. „Bandits“ – Banditen! Deutsche Jäger! Offenbar haben die Hunnen immer noch ein paar davon, verdammt noch mal!

11.14 Uhr. Was ist das? Leuchtspurgeschosse flirren an der Boeing vorbei, ein gewaltiger Stoß erschüttert das riesige Flugzeug. Reichel versucht, die Maschine unter Kontrolle zu bekommen – doch die Steuerung reagiert nicht mehr! Der Bomber giert zur Seite. Zwei Triebwerke brennen! Der Pilot drosselt die zwei linken Motoren und gibt mit den beiden rechten Vollgas. Reichel trimmt auf diese Art mit der Schubkraft der Propeller und verhindert so zunächst ein Abtrudeln. „Raus hier!“ Herbert Hamann, der Schütze des oberen Drehturms, tastet verzweifelt nach seinem Fallschirm. Vor Aufregung hatte er vergessen, die Sonnenbrille abzunehmen – er sieht nichts im dunklen Rumpfinnern. Der Navigator, Bob Landino, und Bombenschütze David Ackerman sind schon an der Ausstiegsluke. Hamann hat inzwischen seinen Fallschirm gefunden und ist bereit zum Absprung. Reichel steht ihm im Weg – ebenfalls fertig zum Verlassen des Wracks. Hamann gibt Reichel eine Stoß – raus, nun mach doch schon! Reichel springt, gefolgt von Hamann. Doch wo ist Gwin, der Pilot? Er war direkt hinter ihnen! Keiner wird es je wissen können. Wahrscheinlich stirbt er im Rumpf der „Sweet Nancy II“. Einem Bericht zufolge wird Gwin beschossen, als er am Fallschirm hängt. Dies sei von hochblickenden Arbeitern beobachtet worden. Sein Fallschirm sei in sich zusammengefallen, er sei dann abgestürzt. Es könnte sein, denn manchmal verüben auch Deutsche derartige Morde, meist vom Boden aus. Hier ist es nur ein Gerücht.

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Zwölf R4M-Raketen unter jeder Tragfläche einer Me 262.

William C. Danielson Jr. wird durch die Geschosse des Düsenjägers an Bord des Bombers getötet, soweit man dies rekonstruieren kann. John W. Disher ist so schwer verletzt, dass er den Absprung nicht mehr schafft. Dies ist sicher, denn Heilbutt sieht ihn blutüberströmt, kann ihm aber nicht mehr helfen, denn die Maschine ist schon so tief, dass er sich gerade noch selber retten kann. Raymond R. Uhler ist allem Anschein nach im Kugelgefechtsstand unter dem Rumpf des zum Wrack geschossenen Bombers gefangen. Ihm bleibt keine Chance.

Der Heckschütze Joseph M. Griego hatte direktes Blickfeld nach hinten gehabt. Er sah die vielen Kondensstreifen der Boeing-Bomber, in die sich plötzlich andere Kondensstreifen mischten. Unglaublich schnelle Kondensstreifen! Fantastisch schnelle – dann krachte es auch schon – und wie! Griego orientiert sich – es ist plötzlich so ruhig, so unnatürlich leise hier. Die Motoren, die Flugzeugmotoren der „Sweet Nancy II“ – Griego hört sie nicht mehr. War das die Explosion – ist er taub? Griego sieht sich um – nach vorne, zum Rumpfinnern der Maschine, die merkwürdig leicht zu Boden trudelt. Erschüttert stellt er fest, dass er alleine ist. Dort vorne ist nichts mehr – außer einem Riesen-Loch! Er ist einsam im Heck der Boeing, welches komplett abgetrennt vom Rest des Bombers zu Boden gleitet.

Flakweste weg! Fallschirm – dort – Fallschirm an! Und jetzt raus, nichts wie raus hier! Griego erreicht den Ausgang – besser hier heraus als durch das scharfkantige Loch da vorne. Dann fällt er ins Bodenlose. Der Amerikaner zieht an der Reißleine seines Fallschirms! Verdammt, mein Gott – um Gottes Willen – nein! Nichts tut sich! Im Fallen reißt Griego verzweifelt mit den Händen die Fallschirmhülle auf und zieht das Tuch heraus wie eine Bettdecke.

Die Minuten der fürchterlichen Todesangst werden im Fallen zur Hölle. Wie oft sagt man so daher, dass die Zeit „wie im Fluge verrinnt“? Und denkt sich nichts dabei. Endlich öffnet sich der Schirm ...

11.20 Uhr. Die Boeing mit der Produktionsnummer 44-8717 ist die Führungsmaschine. Früher hieß sie „Miss Sweetness“ und hatte den Code Image. Seit ihrem Wechsel zur 418th Bomb Squadron der 100th Bomb Group trägt sie nun die Kennung Image. Und wird nun „Pathfinder“ genannt.

Sie wird von 1st Lieutenant Paul E. De Weerdt geflogen. Auch der Gruppenkommandeur Captain Roger L. Swain ist an Bord. Er fliegt als Copilot. Daher übernimmt der reguläre Copilot, 2nd Lieutenant Bill E. Thomson, ausnahmsweise die Position des Heckschützen. Ob er ihn kommen sieht?

Der deutsche Düsenjäger schießt im ersten Anflug die linke Tragfläche in Brand. Der äußere Motor steht in Flammen, die Tragflächentanks werden erfasst. Die Besatzung springt ab. Alle kommen aus dem fliegenden Sarg heraus – alle außer dem Bordingenieur und Schützen des oberen Zwillingsturmes, Morris E. Kolling. Und dem Piloten de Weerdt, der ohne Kolling das Flugzeug nicht verlassen will. Will Kolling nicht? Kann er nicht? De Weerdt hält Kolling für zu benommen für einen Absprung. Genau weiß hinterher keiner mehr, was los ist. Der Bomber brennt, ein zweiter Jet nimmt sich die Boeing B-17 vor. Eine gigantische Explosion reißt dem viermotorigen Flugzeug das Heck ab. Die Boeing bäumt sich auf, dann rollt das mächtige Flugzeug auf den Rücken und entschwindet als lodernde Brandfackel zu Boden. Die Explosion hat dem tapferen Piloten de Weerdt das Leben gerettet. Irgendwie muss ihn die Druckwelle aus dem Flugzeug geschleudert haben. Er schwebt am Fallschirm in die Gefangenschaft.

Fast zum selben Zeitpunkt erwischt es die leicht hinter de Weerdts Führungsbomber fliegende „White Cargo“. Sie trägt die Produktionsnummer 44-6295 und den Erkennungscode Image. Die Crew von Lieutenant Merill E. Jensen und Flight Officer Charles L. Kemp hat mehr Glück als Verstand heute. Es ist der 14. Feindflug der Besatzung. Die 30-mm-Geschosse des deutschen Messerschmitt-Jets reißen ein eineinhalb Meter großes Loch in die linke Tragfläche, explodieren im Rumpfinneren und treffen beide Innenmotoren an den Tragflächen. Die Propeller des rechten äußeren Motors werden ebenfalls gekappt. Mehrere Fallschirme sind zersiebt. Es kommt also nicht in Betracht, den Bomber durch Absprung zu verlassen. Für einen Teil der Besatzung müsste es das Todesurteil sein. Es sei denn, der Pilot bleibt mit dem Rest der Crew an Bord ...

Jensen versucht das Unmögliche. Die Maschine verliert an Höhe, an einen Heimflug ist nicht zu denken. Auch das neutrale Schweden ist viel zu weit weg. Aber noch kann er den übel zugerichteten Bomber in der Luft halten. Niemand ist ernsthaft verletzt. Es ist kaum zu glauben!

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Boeing B-17-Pulk im Abflug. Mission erfüllt („mission completed“).

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Unteres Foto: Berlin brennt lichterloh.

Polen! Die Russen stehen schon in Polen! Das müsste zu schaffen sein. Da zerfetzt ein nur knapp neben dem Bomber krepierendes deutsches Flakgeschoss auch noch weitere Fallschirme in der Nähe der vorderen Ausstiegsluke! Aber keinen der Männer! Wo fliegt der Schutzengel? Keiner sieht ihn!

Doch schließlich ist es geschafft. Nahe der Stadt Kostian (Kościan) in Polen gelingt die Notlandung. Über Lodz werden die Amerikaner auf den russischen Flughafen Poltawa gebracht. Dort hält man sie volle vier Wochen lang fest. Erst am 23. April 1945 erlauben die sowjetischen Dienststellen den Rücktransport der Crew über Italien nach England.

Die vier Verluste der 100th Bomb Group am 18. März 1945 werden den deutschen Jet-Piloten Oberfeldwebel August Lübking, Leutnant Rudolf Rademacher, Leutnant Gustav Sturm und dem Geschwaderkommodore des Jagdgeschwaders 7, Major Theodor Weißenberger zugesprochen (mit Kennung Image *7). Die B-17 der 100th BG ist der dritte Abschuss Weißenbergers in diesem Einsatz.

45 amerikanische Flugzeuge werden am 18. März 1945 von deutschen Jagdflugzeugen und Flugabwehrgeschützen zerstört – von 2.062. Das sind stolze 2 % an Verlusten.

18. März 1945

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Flugzeugtyp:

Boeing B-17 G „Flying Fortress“

Nationalität:

US-Air Force/8th Air Force

Einheit:

418th und 351st Bomb Squadron/100th Bomb Group

Stationierung:

Thorpe Abbotts/England

Flugzeugtyp:

Messerschmitt Me 262 A-1a

Nationalität:

Luftwaffe

Einheit:

Stab/JG 7

Pilot:

Kommodore Major Theodor Weißenberger

Stationierung:

Brandenburg-Briest/Deutschland

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Hinweis: die Karte zeigt im Gegensatz zu den Frontverlaufskarten den Nachkriegsgrenzverlauf, da hier die Lokalisation des Ortes aus heutiger Sicht im Vordergrund steht.

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Theodor Weißenberger

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Messerschmitt Me 262 A-1a (Werknummer 111002), Stab/JG 7,

Geschwaderkommodore Major Theodor Weißenberger.

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B-17 G N° 43-38525 „Miss Conduct“ der 418th Bomb Squadron (BS)/100th Bomb Group (BG).

Die 418th Bomb Squadron der 100th BG (Code „LD“) verliert am 18. März 1945 eine einzige B-17, die 351st Bomb Squadron der 100th BG (Code „EP“) drei weitere B-17. Die Maschine der 418th BS ist der Führungsbomber der Box, N° 44-8717, geflogen von 1st Lieutenant de Weerdt.

18. März 1945

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Flugzeugtyp:

Messerschmitt Me 262 A-1a

Nationalität:

Luftwaffe

Einheit:

9. Staffel (III. Gruppe)/JG 7

Pilot:

Oberleutnant Günther Wegmann

Stationierung:

Parchim/Deutschland

Flugzeugtyp:

Boeing B-17 G „Flying Fortress“

Nationalität:

US-Air Force/8th Air Force

Einheit:

34th Bomb Group

385th Bomb Group

390th Bomb Group

487th Bomb Group

24. März 1945

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Flugzeugtyp:

Messerschmitt Me 262 A-1a

Nationalität:

Luftwaffe

Einheit:

11. Staffel (III. Gruppe)/JG 7

Pilot:

Oberfeldwebel Heinz Arnold

Stationierung:

Brandenburg-Briest/Deutschland

Noch nicht einmal ein Hochziehen der Augenbrauen ist dies wert in den Führungsstäben der 8. US-Luftflotte. Bei den Empfängern der Briefe in den Weiten der Vereinigten Staaten von Amerika ist dies sicherlich anders ...

Und es ist anders in den Trümmern von Berlin, auf welche heute die während des gesamten Krieges unübertroffene Menge von 3.373,8 Tonnen Bomben in einem einzigen Einsatz niedergegangen war. Ganze Straßenzüge sind verschüttet, Mauern und Häuser sind teilweise geradezu pulverisiert, die Straßen um den schlesischen Bahnhof sind völlig unpassierbar. Die Rettungstrupps, die die unzähligen Verschütteten zu bergen versuchen, stehen vor einem unfassbaren Zerstörungschaos. Ihre Aufgabe ist hoffnungslos. Und zutiefst belastend. Denn die Tragödien sind oft genug grauenvoll.

Auch die überlegenen deutschen Jets können diese Verwüstungen noch nicht einmal mehr abmildern. Doch den alliierten Piloten und Bomberbesatzungen flößen Sie einen gewaltigen Respekt ein. Die deutschen Düsenjäger und ihre neuen Raketen sind für die sieggewohnten Amerikaner ein tief sitzender Schock. Nach den auch für die Alliierten verlustreichen schweren und zähen Luftkämpfen der vergangenen Jahre und der bitter erkämpften Luftherrschaft über diesem verfluchten Deutschland hatte man sich eigentlich allmählich auf Spazierflüge eingestellt – abgesehen von der ewig lästigen, gut zielenden deutschen Flak. Irgendwann einmal müssen die doch endlich einmal einsehen, dass der Widerstand keinen Sinn mehr macht! Geben die eigentlich nie auf? Diese verdammten Deutschen müssen doch längst völlig fertig sein, total erledigt, nach allen unseren Schlägen! Und nun das! Es ist nicht zu fassen! Es ist einfach nicht zu glauben! Wie, zum Teufel, machen die das?

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Was die Royal Air Force übrig lässt, erledigt die 8th USAAF: Berlin 1945.

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Unten in Berlin sieht es so aus – nach dem Verlöschen der ausgedehnten Brände, wohlgemerkt. Die Aufnahme entsteht 1945 nach einem amerikanischen Bombenangriff in der Stallschreiberstraße/Berlin. Der Zeitpunkt liegt vor dem 23. März 1945.

In die Achtung vor der Tapferkeit der deutschen Verteidiger mischt sich ein ohnmächtiger Zorn. Wozu denn noch, verflucht noch mal? Wann in drei Teufels Namen reicht es denen denn endlich?

Die relative Gefahr, die den Alliierten aus den Messerschmitt-Jets erwächst, wird Ihnen spätestens in der Zeit ab dem 18. März 1945 deutlich. Innerhalb von nur fünf Tagen schießen die revolutionären deutschen Jagdflugzeuge 50 ihrer Gegner ab. Immer häufiger werden die Me 262-Einheiten in Gruppen eingesetzt – wenn man 28 Maschinen am 19. März 1945 oder 22 Düsenjäger am 20. März 1945 als „Gruppe“ bezeichnen kann – verglichen mit den Zahlen auf der anderen Seite. Dass diese Erfolge den Kriegsverlauf nicht mehr beeinflussen können, steht außer Frage. Aber sie zwingen die Amerikaner zum Handeln – einem Handeln, welches die Düsenjägerpiloten schmerzlich zu spüren bekommen.

General Doolittle, Oberbefehlshaber der 8. US-Luftflotte, zeigt sich ernsthaft besorgt über die neue Gefahr für seine Luftstreitkräfte über dem fast besiegten Deutschland. In einer Konferenz mit Air Marshal Tedder am 20. März 1945 verfügt er, dass man sich dieser Gefahr nun mit Nachdruck zu widmen habe! Ab jetzt nimmt sich die amerikanische Bomberflotte verstärkt die vermuteten Produktionsstätten für den neuen deutschen Wunderjäger vor. Und die erkannten Start- und Landeplätze der Düsenjäger sind ständig mit Langstreckenjägern zu überwachen ...

Am 24. März 1945 starten 30 Me 262 zu einem Einsatz gegen schwere amerikanische Bomber. Auch Oberfeldwebel Heinz Arnold (11./JG 7) hebt mit seiner Image (Werknummer 500491) vom Erdboden ab. Er schießt an diesem Tage einen B-17-Bomber vom Himmel. Arnold fliegt seit Ende 1944 im JG 7 den deutschen Düsenjäger – nach 42 Abschüssen an der Ostfront mit dem JG 5. Die B-17 am 24. März 1945 wird Arnolds siebter Luftsieg mit der Me 262 sein, zusammen mit vier anderen Boeing-Bombern und je einem Jäger des Typs P-47 „Thunderbolt“ und P-51 „Mustang“. Seit seinem ersten Erfolg mit dem Düsenjäger am 3. März 1945 hatte er die sieben Gegner in nur drei Wochen bezwungen. Möglicherweise sind es sogar neun Erfolge, denn die zwei (eventuell unbestätigten) Abschussmeldungen Arnolds am 18. März 1945 – beide P-51 „Mustang“-Jäger – sind in dieser Bilanz nicht erfasst. Die Boeing B-17 heute ist sein letzter Abschuss. Seit einem Tiefangriff am 17. April 1945 bei Großebersdorf im Thüringer Wald ist er vermisst, er fliegt an diesem Tag eine andere Me 262.

Am 31. März 1945 werfen sich die I. und III. Gruppe des JG 7 in vier separaten Einsätzen den alliierten Luftstreitkräften entgegen. Inzwischen beteiligen sich neben den amerikanischen „Fliegenden Festungen“ auch die britischen viermotorigen Halifax- und Lancaster-Bomber an Tageseinsätzen über Deutschland. Die deutschen Düsenjäger feuern ihre Raketensalven in die Bomber-Boxen und fegen mit hämmernden Bordkanonen durch die Verbände. Am Ende des Tages sind es 21 Bomber weniger. Alleine die deutschen Piloten Grünberg, Todt, Sturm, Ehrig, Schenk und Schall erzielen je zwei Abschüsse, auch Hadi Weihs und Gerhard Reiher sind erfolgreich.

Doch was nützt das noch? Nadelstiche, Achtungserfolge, die die Überlegenheit der deutschen Technik eindrucksvoll unter Beweis stellen und im Übrigen nur das Leid weiterer Frauen, Mütter, Brüder und Schwestern erhöhen.

Am 4. April 1945 ist es dann wieder soweit. Die Amerikaner rächen sich, fangen 15 deutsche Düsenjäger ab, als diese in Parchim gerade starten wollen. Die Flugplätze der Düsenjäger sind durch ganze Flak-Straßen extrem heftig geschützt. Dennoch können die noch so versierten Geschützmannschaften keinen vollständigen Schutz gewährleisten. Die deutschen Jäger sind nach dem Abheben gerade noch in der Beschleunigungsperiode, daher langsam, wenig manövrierfähig und in ihrer verwundbarsten Phase. Einer der amerikanischen Mustang-Piloten der 504thFighter Squadron/339th Fighter Group ist Robert Havighurst. Er berichtet:

“Wir entdeckten drei Me 262, als sie Höhe gewinnend durch ein Wolkenloch stießen. Wir ließen sie näher kommen und gingen in einen Sinkflug über. Als die erste Me 262 in Schussweite kam, eröffnete ich von hinten oben das Feuer. Der Deutsche versuchte, mich mit einem Abschwung nach links abzuschütteln. Dank meiner höheren Geschwindigkeit hatte ich keine Mühe, ihm zu folgen, und erzielte Treffer an seiner linken Tragfläche. Plötzlich geriet ich unter heftiges deutsches Flak-Feuer. Ich warf meine Zusatztanks ab und begann, Ausweichmanöver zu fliegen, um den Flak-Geschossen zu entgehen. Die Me 262 nutzte diese kurze Zeitspanne aus, um sofort wieder zu steigen. Doch ich war in der Lage, schnell wieder aufzuschließen und sie von hinten erneut unter Feuer zu nehmen. Ich beobachtete Einschläge an ihrem Vorderrumpf und der linken Tragfläche. In etwa 600 Meter Höhe kippte die Me 262 plötzlich in einen Sturzflug ab. Ich sah keinen Fallschirm. Ich nehme an, dass der Pilot durch einen Treffer im Cockpit getötet worden war.“

Auch Rudi Sinner ist unter den deutschen Piloten, die von den amerikanischen Mustangs „kalt erwischt“ werden. Vier P-51 Mustangs konzentrieren sich allein auf ihn. Trotz Bodennähe versucht Sinner nach einem Ausweichmanöver, sein getroffenes Düsenjagdflugzeug mit dem Fallschirm zu verlassen. Er schafft es – ein haarsträubender Absprung. Doch kaum auf der Erde angekommen, nehmen ihn die Mustangs im Tiefflug unter Feuer. Sinner stellt sich tot und schmiegt sich so eng es geht an den Boden des Feldes, auf dem er liegt. In einem günstigen Moment springt er auf und versteckt sich in einer Ackerfurche. Das rettet ihm das Leben.

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Eine Boeing B-17, die das Glück verlassen hat.

Weniger Glück haben drei der vier Me 262-Piloten, die am 17. April 1945 in Saaz bei der Landung überrascht werden. Ganze Schwärme von P-47 „Thunderbolt“- und P-51 „Mustang“-Jagdflugzeugen stürzen sich auf die im Landeanflug fast wehrlosen deutschen Düsenjäger. Die Deutschen haben keine Chance. Nur Oberleutnant Grünberg kann sich noch mit dem Fallschirm retten.

Der 19. April 1945 wird Lieutenant Larry J. Bellarts von der 849th Bomb Squadron unvergessen bleiben. Der Verband ist im Anflug auf Aussig in der Tschechoslowakei, als eine einzelne Me 262 zum Angriff ansetzt. Es ist Bellarts` letzter Einsatz – und nichts kommt ihm weniger gelegen als dieser offensichtlich zum Äußersten entschlossene Pilot da drüben. Lieutenant Stovalls Boeing-Bomber rechts neben Bellarts` B-17 wird im ersten Angriff des Düsenjägers getroffen und stürzt ab. Doch der Deutsche hat noch nicht genug. Ein weiterer Angriff des Jets vernichtet Lieutenant McAllisters „Fortress“. Auch dieser viermotorige Bomber fällt der Erde entgegen, als die Geschosse des Düsenjägers in Lieutenant Norvells Bomber einschlagen und nun diesen zu Boden schicken. Alle ehemals neben Bellarts fliegende Kameraden hatte dieser offenbar Wahnsinnige nun erledigt. Und der Düsenjäger setzt zum vierten Anflug an. Zum Anflug auf Bellarts` Boeing. Der amerikanische Pilot betet zu Gott, dass ein Wunder geschehe. Seine Bordschützen feuern verzweifelt aus sämtlichen MGs auf den pfeilschnellen deutschen Jäger. Bellarts sieht die Maschine in nächster Nähe an sich vorbeijagen, so nah, dass er den Piloten erkennen kann. Er hängt leblos am linken Rand seines zerschmetterten Cockpits.

Das Kriegsende ist nun kaum noch drei Wochen entfernt, und immer noch wehren sich die Düsenjäger-Piloten – bis zum bitteren Ende. Es ist so sinnlos geworden, und dennoch erzielen die deutschen Jets nach wie vor Abschüsse und werden abgeschossen. Noch am 30. April, eine Woche vor dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches, wird Leutnant Fritz Kelb tödlich getroffen – der einzige deutsche Pilot, der sowohl im Raketenjäger Me 163 als auch im Düsenjäger Me 262 Abschüsse erringen konnte. Selbst am 8. Mai 1945, wenige Stunden vor dem endgültigen Aus, erliegt noch ein sowjetischer Jäger den Bordkanonen einer Me 262 A-1a der I./JG 7 (Image, Werknummer 111690). Der deutsche Flieger ist Oberleutnant Fritz Stehle, der Russe heißt Starshii Leitenant Sergej Grigorjevic Stepanov. Die P-39 Q des 129. GvIAP explodiert bei Brüx kurz vor dem Aufschlag auf dem Boden, ihr Pilot stirbt.

Am 9. Mai 1945 schweigen die Waffen über dem gigantischen Trümmerfeld, welches von Deutschland schließlich noch übrig geblieben ist. Weitgegend. Einige Einheiten kämpfen immer noch erbittert weiter bis zum 11. Mai 1945.

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Heinkel He 162 A-2

Der „Volksjäger“ ist ein verzweifelter Versuch, in kürzester Zeit ein Jagdflugzeug zu entwickeln, welches kostengünstig in Massen produziert und selbst für Hitlerjungen zu fliegen sein sollte. Er ist allerdings so feinfühlig zu steuern, dass an ungeübte Piloten nicht zu denken ist. Die Maschine ist in nur knapp drei Monaten nach dem Bauauftrag bereits flugreif. Der Erstflug erfolgt am 6. Dezember 1944. Die Tragflächen bestehen aus Holz, das Cockpit besitzt einen Schleudersitz. Die Bewaffnung besteht aus zwei Kanonen MG 151/20. Die Höchstgeschwindigkeit des sehr wendigen Jets beträgt 838 km/h, mit Not-Schub bis zu 904 km/h. Die I. und II./ JG 1 werden ab 19. April 1945 mit dem Jäger eingesetzt. Drei nicht mehr offiziell bestätigte Abschüsse sind belegt/bezeugt bei zwei eigenen Verlusten, einer beim Landeanflug durch eine Hawker „Tempest“.

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Diese B-24 „Liberator“ fällt nach diversen Angaben deutscher Flak zum Opfer - allerdings irritiert das völlige Fehlen von Flak-Sprengwölkchen.

General der Jagdflieger Adolf Galland, der glühendste Verfechter der Massenproduktion der Me 262 als ausschließlichem deutschen Abfangjäger, sagt nach dem Krieg:

„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit nur 300 Messerschmitt Me 262-Düsenjägern an jedem einzelnen Tag mindestens 200 Bomber hätten abschießen können. Wenn dies eine Woche oder zwei Wochen lang so angehalten hätte, hätte man die Bombardierungen Deutschlands bei Tage aufgeben müssen. Dies hätte dazu geführt, dass die immensen Zerstörungen der Ziele in Deutschland minimiert worden wären.

Doch als negative Konsequenz hätte dies den Krieg verlängert und den Russen mehr Zeit gegeben, weitere Teile Deutschlands zu erobern. So sollten wir aus heutiger Sicht froh sein über Hitlers Fehler in Bezug auf die legendäre Messerschmitt Me 262.“

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Horten Ho IX /Gotha Go 229

Dieser von den Brüdern Horten entwickelte Nurflügeljet wird nach konstruktiven Verfeinerungen in einigen Prototypen von der Gothaer Waggonfabrik gebaut. Der Rumpf mit Schleudersitz besteht aus holzbeplanktem geschweißten Stahlrohr, die Tragflächen aus Formholz. Am 2. Februar 1945 findet der offizielle Erstflug statt. Ungesicherten Berichten zufolge soll die Wendigkeit und Steigrate in einem Vergleichsflug die Me 262 weit übertroffen haben. Die Bewaffnung sollte aus vier 30-mm-Mk 108 oder 103 bestehen und zwei 1.000-kg-Bomben. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 977 km/h, die initiale Steigrate 22,0 m/sek. Bei einer um etwa 20 % verringerten Radarreflektion handelt es sich um den weltweit ersten Jet mit (wohl unbeabsichtigten) „Stealth“-Eigenschaften.

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Die legendäre Messerschmitt Me 262.

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Hinweis: einige Verluste sind nicht eindeutig zuzuordnen. So verliert die 8./JG 6 eine Focke-Wulf 190 D-9 nach Luftkampf, ihr Pilot Feldwebel Karl Sandtvos fällt. Entsprechend dem Standort der II./JG 6 südöstlich von Berlin wird der Abschuss der sowjetischen VVS zugeordnet – obwohl der Bereich selbstverständlich längst innerhalb der Reichweite der US-Jäger oder RAF-Jäger liegt. Die Quelle – WASt. – gibt jedoch nicht näher Aufschluss. Ähnlich verhält es sich mit einigen weiteren Verlusten – siehe hierzu die Tabelle am Kapitel-Ende, welche die Verluste in Norwegen sowie gegen die sowjetischen Luftstreitkräfte und Flak nennt. Quelle: Image WASt – Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht, Berlin. Verluste der deutschen Luftwaffe via Recherche Matti Salonen.

Hinweis: deutsche Flugzeuge, welche zwar vom Gegner abgeschossen wurden, ohne jedoch den Piloten dabei „außer Gefecht zu setzen“, sind in der Spalte „Gesamt“ miterfasst (/Flugzeug = Anzahl verlorener Flugzeuge). Hinweise finden sich im Feld „Bemerkungen“. Dagegen werden in britischen und amerikanischen Quellen (MACR-Listen) oft die auf eigenem Gebiet notgelandeten Maschinen nicht mitgezählt. Zudem finden sich die von der deutschen Flak (Flugabwehrkanonen) vernichteten alliierten Flugzeuge nicht in dieser Aufstellung. Daher muss es zwangsläufig zu Differenzen zwischen Abschussmeldungen und den tatsächlichen Verlusten kommen!

Verluste durch Tiefangriffe oder Bomben am Boden, durch „technische Mängel“ oder durch Unfälle werden nicht „gezählt“, da die gegenseitigen Erfolge im Luftkampf gegenübergestellt werden sollen. Unversehrt gebliebene Piloten saßen oft wenige Stunden später in einer neuen Maschine, deren materialtechnischer Nachschub fast bis zum Kriegsende gesichert war. Bei einem Abschuss mit unverletztem Fallschirmabsprung entsteht in der Spalte „Gesamt“ ein Materialverlust (/Flugzeug), jedoch nicht ein personeller „Verlust“ (Pilot/).

Verlustmeldungen der Westalliierten im Detail:

8th USAAF: *11/*12/*13

B-17 „Flying Fortress”:

12*11

(+ 14 Kategorie „E” Image irreparabel beschädigt = 26*11) 30 *1218 *13

davon müssten 2 dann abgezogen werden, wenn es sich bei dem Zusammenstoß auf dem Rückflug nicht um die Folge einer Beschädigung handelt, sondern um einen Unfall. Es scheint sich jedoch um beschädigte B-17 zu handeln, die infolge dieser Beschädigungen kollidiert und abgestürzt sind, vgl. Quelle *8 *11.

B-24 „Liberator”

1*11

(+ 1 Kategorie „E” Image irreparabel beschädigt = 2*11) 2 *12 2*13

P-51 „Mustang”:

6*11

(+ 1 Kategorie „E” Image irreparabel beschädigt = 7*11) 11*12 7*13

davon in Quelle *11 drei P-51 durch technische Defekte abgestürzt, eine von einem russischen Jäger abgeschossen.

9th USAAF: *13

A-26 „Invader”

4

B-26 „Marauder”:

2

P-38 „Lightning”:

1

P-47 „Thunderbolt”:

3

P-51 „Mustang”:

1

F-6 „Mustang”-Aufklärer:

1

12th USAAF: *13

A-20 „Havoc”:

1

P-47 „Thunderbolt”:

3

15th USAAF: *13

B-25 „Mitchell”:

1

P-38 „Lightning”:

4

P-51 „Mustang”:

3

2nd Tactical Air Force der Royal Air Force:*14

(alle Verluste durch Flak)

Hawker „Typhoon”:

1

Mustang I

1

Spitfire Mk. IX:

2

Spitfire Mk. XVI:

3

(plus eine Notlandung durch Motorschaden)

Royal Air Force Bomber Command: *15

Avro „Lancaster“: Ø (100 Lancaster der 3 Group bombardieren Ölanlagen in Hattingen und Langendreer. Keine Verluste)

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*1Adolf Galland wäre als General der Jagdflieger im Laufe des Jahres 1944 dafür verantwortlich gewesen, die Jagdwaffe fliegerisch, taktisch und ausrüstungstechnisch für den Düsenjäger einsatzbereit zu machen. Stattdessen kämpfte er verlorene Kämpfe gegen Adolf Hitler. Es muss allerdings entlastend festgestellt werden, dass er zunehmend an Einfluss verlor und zu dem Zeitpunkt, als er den “Jagdverband 44” (JV 44), gründete, resigniert eher die Absicht hatte, das Leben seiner meist hochdekorierten und abgekämpften Kameraden bis zum absehbaren Kriegsende zu retten, als einen schlagkräftigen Düsenjägerverband zu führen und dessen Piloten bei sinnlosen Einsätzen doch noch in der Luft zu verlieren.

*2Vergleiche den Bericht eines JG 7-Piloten am 4. April 1945. Er schildert des Abschuss seiner R4M-Salve aus 600 Metern Entfernung im Winkel von 45°. (Nur) eine Liberator wird von einigen der 24 Raketen getroffen und stürzt ab. Quelle: Image „Jagdgeschwader 7”/Motorbuch Verlag, 1. Auflage 1983/Manfred Boehme, Seite 194.

*3Quelle: img „Messerschmitt Me 262 – the Production Log 1941 – 1945”/Classic Publication 2005/Dan O’Connell.

*4Quelle: img „Me 262 Combat Diary”/1995/John Foreman & S.E. Harvey. Dort wird auf Seite 1821 dargelegt, dass zwölf B-17 und eine B-24 abgeschossen werden und 15 Bomber abgeschrieben werden müssen (= Beschädigung Kategorie „E“/Cat. „E“) – nach ihrer Rückkehr („after returning“). Diese 15 Maschinen schaffen es also nach England zurück. Soweit deckt sich dies mit den Angaben in Quelle img „Mighty Eighth War Diary”/Jane’s Publishing Company 1981/Roger A. Freeman, Seite 466. Doch wird in „Me 262 Combat Diary” ausgeführt, dass weitere zehn der 3. Luftdivision („ten more from the 3rd Air Division”) auf sowjetisch besetztem Gebiet notgelandet seien. Diese zehn werden offenbar in Quelle img „Mighty Eighth War Diary”/Jane’s Publishing Company 1981/Roger A. Freeman unter „beschädigt“ aufgeführt. Zwölf B-17 + eine B-24 + zehn auf sowjetischem Gebiet notgelandete Maschinen ergibt somit die Summe von 23 viermotorigen Bombern, die nicht nach England zurückkehren.

*5Anmerkung: so ganz tatenlos, wie Donald Reichel dies empfindet, sieht der amerikanische Jagdschutz am 31. Dezember 1944 nicht zu, wie seine Schützlinge dezimiert werden. Die 354 US-Jäger versuchen allerdings vergeblich, die nur 19 entschlossenen „Sturmböcke“ der II./JG 300 über Rotenburg bei Bremen vom Angriff auf die immerhin 526 B-17 der 3rd Bomb Division (BD) abzuhalten, dem insgesamt zwölf B-17 zum Opfer fallen. Vier weitere gehen auf das Konto der Me 109-Gruppen des JG 300. Zehn vernichtet außerdem die Flak, eine weitere – bereits durch Flakgranaten angeschossene – B-17 wird von einem Me 262-Jet der II./JG 7 weiter beschädigt und eine kommt als Totalverlust (Cat. E) zurück. Das summiert sich also auf insgesamt 28 zerstörte B-17, eine enorme Zahl! Die 19 Sturmjäger sind im Übrigen Focke-Wulf 190 A-8 bzw. A-8/R2 (also überwiegend nicht „109er“), welche von 20 Me 109 G-10 der III./JG 300 gedeckt werden. Allerdings mischen auch 35 Me 109 G-10 bzw. G-14 der I./JG 300 und 16 Me 109 G-10 bzw. G-14 der IV. Gruppe mit.

Zuvor hatten die I. und II./JG 301 mit Fw 190 A-9/R11 und Fw 190 D-9 *6 sowie die III./JG 301 mit Fw 190 A-8 angegriffen und dabei eine B-24 zerstört sowie zwei P-51 abgeschossen (somit war auch die 2nd Bomb Division (BD) mit ihren B-24 „Liberator“ das Angriffsziel, sie fliegt 371 B-24, gedeckt von 171 P-51).

Insgesamt verlieren die Amerikaner incl. der irreparablen „Cat. E“-Beschädigungen 28 B-17 der 3rd BD, drei B-24 der 2nd BD, zwei B-17 der 1st BD, zwei P-47 und neun P-51. 44 Flugzeuge also, das sind 263 Tote und Vermisste und 31 Verwundete. Die Jagdgeschwader 300 und 301 verlieren im Gegenzug 23 gefallene (plus einen durch Unfall verstorbenen aus der 5./JG 301) und zehn verwundete Piloten, viele durch das Eingreifen der US-Jäger.

*6Hinweis: die neuen Fw 190 D-9 gehören zur 6./JG 301 = Höhenstaffel des JG 301, z.T. auch zur

8./JG 301.

*7Quelle: img „Deutsche Jagdflugzeuge 1939-1945 in Farbprofilen“/Bernard & Graefe Verlag 1999/Claes Sundin und Christer Bergström, Text zu Profil 103, dieses Profil mit genannter Kennung ist datiert auf den 31. März 1945. Der Kommodore flog eine ähnlich markierte Me 262 mit Werknummer 111002 bereits im Februar 1945 – Quelle: img Osprey Aircraft of the Aces 17 „German Jet Aces of World War 2”/1998/Hugh Morgan und John Weal, Profil 12. Diese Maschine ging jedoch am 17. Februar 1945 verloren (Quelle: img „Messerschmitt Me 262 – the Production Log 1941 – 1945”/Classic Publication 2005/Dan O’Connell, Seite 121). Offenbar behielt Weißenberger gemäß Claes Sundin und Christer Bergström (img dort wird ja der 31. März 1945 genannt!) seine Stabs-Kennung mit einer neuen Me 262 A-1a (Werknummer ? ) bei, was bei einem Geschwaderkommodore nachvollziehbar wäre.

*8Quelle: img „Me 262 Combat Diary”/1995/John Foreman & S.E. Harvey.

*9Quelle: img „JG 26 War Diary – Volume two“/Grub Street Publishing London 1998; 2007/Donald L. Caldwell.

*10Quelle: img „PIK-AS“ Geschichte des Jagdgeschwaders 53 Teil 1 – Teil 3/Struve Druck Eutin/Jochen Prien.

*11Quelle: img „Mighty Eighth War Diary”/Jane’s Publishing Company 1981/Roger A. Freeman.

*12Quelle: img „The Mighty Eighth Combat Chronology” 1942-1945/Eighth Air Force Memorial Museum Foundation USA 1998/Paul M. Andrews und William H. Adams.

*13Quelle: img USAAF Missing Air Crew Reports (MACR).

*14Quelle: Image „2nd Tactical Air Force” Volume 3/Classic Publications/2005/Chris Shores und Chris Thomas.

*15Quelle: Image Royal Air Force Bomber Command 60th Anniversary - Campaign Diary, December 1944.

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